JudikaturJustiz7Ob65/01m

7Ob65/01m – OGH Entscheidung

Entscheidung
17. April 2002

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Helmut Naschberger als Masseverwalter der L***** GesmbH, ***** , vertreten durch Waldbauer, Paumgarten Naschberger, Rechtsanwälte Partnerschaft in Kufstein, wider die beklagte Partei H***** Bank AG, *****, vertreten durch Greiter, Pegger, Kofler Partner, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen (eingeschränkt) EUR 970.599,12 sA = S 13,355.735,12 sA, über die außerordentlichen Revisionen der klagenden Partei (Revisionsinteresse: EUR 970.599,12 = S 13,355.735,12) und der beklagten Partei (Revisionsinteresse: EUR 18.168,21 = S 250.000) gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 23. Jänner 2001, GZ 1 R 253/00s-40, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentlichen Revisionen beider Parteien werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Über das Vermögen der L***** GmbH wurde am 12. 10. 1998 das Konkursverfahren eröffnet und der Kläger zum Masseverwalter bestellt. Die nunmehrige Gemeinschuldnerin war mit Gesellschaftsvertrag vom 11. 10. 1996 gegründet worden. Ihre Eintragung im Firmenbuch war am 4. 1. 1997 erfolgt. Dem am 12. 12. 1996 beim Firmenbuchgericht eingelangten Eintragungsansuchen war eine am 13. 11. 1996 von der Beklagten ausgestellte "Bestätigung nach § 10 Abs 2 GmbHG" angeschlossen, wonach auf dem Konto der L***** GmbH "in Gründung", Konto Nr *****, S 250.000 lägen, über die der Geschäftsführer frei verfügen könne, wobei dieses Guthaben durch keine Gegenforderungen der Bank beschränkt sei.

Tatsächlich bezeichnete die genannte Kontonummer jedoch nicht ein Geschäftskonto der nunmehrigen Gemeinschuldnerin bei der Beklagten, sondern ein bei dieser unter der Bezeichnung L***** GmbH eröffnetes Sparbuch, welches am 13. 11. 1996 durch Überweisung von S 250.000 aus dem damals mit S 382.754,81 (und damit über den Kreditrahmen von S 300.000 hinaus) überzogenen Girokonto des Hauptgesellschafters und Geschäftsführers der nunmehrigen Gemeinschuldnerin dotiert worden war. Außerdem war das Sparbuch nicht dem Geschäftsführer ausgefolgt worden, sondern in Verwahrung der Beklagten verblieben, welche gleichzeitig den Kreditrahmen auf dem (überzogenen) Girokonto auf S 650.000 erhöht hatte, ohne dafür sonstige Sicherheiten zu erhalten. Am 19. 2. 1997 buchte die Beklagte das Realisat des Sparbuches, das sich nach wie vor in ihrer Verwahrung befand, wieder auf das Privatkonto des Geschäftsführers und Hauptgesellschafters der nunmehrigen Gemeinschuldnerin um und senkte damit den dortigen (weiter angewachsenen) Debetsaldo ab.

Mit dem angefochtenen Urteil gab das Berufungsgericht der gegen die

Beklagte gerichteten Klage des Masseverwalters auf Ersatz des aus der

Differenz zwischen den anerkannten Konkursforderungen und den

Massemitteln errechneten Schadens von S 16,073.345,12 (zuletzt [ON

41] eingeschränkt auf S 13,355.735,12 = EUR 970.599,12) dem Grunde

nach hinsichtlich eines Teilbetrages von S 250.000 = EUR 18.168,21

statt und wies das Mehrbegehren ab.

Die Beklagte führt in ihrer außerordentlichen Revision gegen die Bejahung ihrer Haftung nach § 10 Abs 3 GmbHG ins Treffen, dass eine haftungsbegründende "§ 10-Bestätigung" nach der Rsp des OGH nur dann vorliegen könnte, wenn sie - kumulativ - unter bedenklichen Umständen und wahrheitswidrig ausgestellt worden wäre. Das Berufungsgericht habe aber bereits das Vorliegen bedenklicher Umstände - unabhängig von der Richtigkeit der Bestätigung - als haftungsbegründend angesehen. Eine Abweichung von der Judikatur des Obersten Gerichtshofes liege auch darin, dass die Bedenklichkeit bejaht und damit die Sorgfaltspflicht der Bank überspannt worden sei. Außerdem habe sich das Berufungsgericht nicht mit dem Mitverschulden der Organe der Gemeinschuldnerin auseinandergesetzt, obwohl die Beklagte "auf Sachverhaltsebene vorgebracht" habe, dass der Geschäftsführer und Hauptgesellschafter der Gemeinschuldnerin selbst die Rückzahlung der Stammeinlage auf sein Privatkonto veranlasst habe. Der Frage, ob die nach § 10 GmbHG zur Haftung herangezogene Bank einen Mitverschuldenseinwand aus dem Verhalten des Geschäftsführers und Gesellschafters erhoben könne, komme erhebliche Bedeutung zu.

Rechtliche Beurteilung

Die ao Revision der Beklagten ist unzulässig.

Mit der Haftung des Kreditinstituts für die Richtigkeit der von ihm gemäß § 10 Abs 3 GmbHG ausgestellten schriftlichen Bestätigung hat sich der Oberste Gerichtshof bereits in 4 Ob 546/91 = SZ 64/143 = ÖBA 1992, 568 (Novotny) ausführlich auseinandergesetzt. Es hat an diesen Grundsätzen auch in 8 Ob 629/93 (zum vergleichbaren § 29 Abs 1 AktG) = SZ 67/132 = ÖBA 1994, 978 (Jabornegg), in 3 Ob 323/97i (zur Haftung gemäß § 10 Abs 4 GmbHG) = ecolex 1998, 139 sowie in 4 Ob 284/99i (zum Regress der Bank gegen den Gesellschafter) = JBl 2000, 317 = ÖBA

2000/883 (Koppensteiner) = RdW 2000/206 = EvBl 2000/76 = ecolex

2000/124 (Zehetner) festgehalten und in 2 Ob 144/00s = RWZ 2000/86

(Wenger) auf die Einheitlichkeit dieser Rechtsprechung hingewiesen. Auch zuletzt in 6 Ob 76/00w = RdW 2001/311 = ZIK 2001/180 = WBl 2001/227 hat der Oberste Gerichtshof dazu Folgendes ausgesprochen:

§ 10 Abs 3 GmbHG fordert ebenso wie § 29 Abs 1 AktG (und § 155 Abs 2 AktG anlässlich von Kapitalerhöhungen) den Nachweis, dass die Geschäftsführer in der Verfügung über die eingezahlten Beträge nicht durch Gegenforderungen beschränkt sind. Ziel dieser Vorschriften ist es, die eingezahlten Stammeinlagen bzw Aktien als Haftungsfonds für die Gläubiger zu sichern. Das eingezahlte Kapital soll nicht nur im Interesse der Gesellschafter bzw Aktionäre, sondern auch im Interesse der Gläubiger möglichst voll zur Verfügung stehen, sodass die künftigen Gesellschaftsgläubiger mit dem Zugriff auf das Eigenkapital der Gesellschaft rechnen können, ohne dabei mit Forderungen von Gläubigerin konkurrieren zu müssen, die durch Kreditieren des Stammkapitals selbst entstanden sind (RIS-Justiz RS0059497). Daher wird die - nach hA verschuldensabhängige - Haftung des kontoführenden Kreditinstituts auch den Gläubigern gegenüber bejaht, wenn die von ihm ausgestellte, seit der Novellierung durch das IRÄG 1994 obligatorische Bestätigung unrichtig ist (6 Ob 76/00w mwN; Koziol, Haftung der Bank bei Bestätigung der freien Verfügung über Bareinlagen, ÖBA 1996, 272 [276] mwN).

Es ist zwar unerheblich, ob die Gesellschafter die bar zu leistende Stammeinlage aus eigenen oder fremden Mitteln aufbringen; auch wenn sie sich die Mittel für die Einzahlung auf Kredit beschaffen, steht die Einlage grundsätzlich zur freien Verfügung der Gesellschaft. Anders ist dies jedoch dann, wenn es sich um eine bloße Scheineinlage handelt oder die Gesellschaft selbst für diesen Betrag haftet oder das Geld wieder an die Gesellschafter zurückfließen soll, weil dann die Stammeinlage nicht als vollwertiges Betriebskapital zur Verfügung steht (RIS-Justiz RS0059399; zuletzt: 6 Ob 76/00w mwN). Es kommt einzig darauf an, ob die Bank bei Abgabe der Erklärung mit entsprechender Sorgfalt vorgegangen ist. Sie haftet, wenn die Ausstellung der falschen Bestätigung entweder trotz besseren Wissens der Bank bzw der ihr zurechenbaren Leute erfolgte oder wenn die Bank bei gehöriger Sorgfalt hätte erkennen können, dass die bestätigte freie Verfügbarkeit nicht wirklich bestand (RIS-Justiz RS0059584 [T2]; 6 Ob 76/00w).

Die Rechtsausführungen des Berufungsgerichtes sind durch diese zum Teil schon von ihm zitierte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes gedeckt; eine krasse Fehlbeurteilung des Einzelfalls, die der Oberste Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit wahrnehmen müsste, ist nicht zu erkennen:

Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet, dass die beklagte Bank eine Einzahlung von S 250.000 (Bareinzahlung des Stammkapitals) auf ein Konto lautend auf die "in Gründung" befindliche GmbH und die freie Verfügbarkeit für den Geschäftsführer bestätigt hat, obwohl in Wahrheit eine Abbuchung vom (bereits über den gewährten Kreditrahmen hinaus überzogenen) Privatkonto des Hauptgesellschafters und Geschäftsführers auf ein eröffnetes Sparbuch erfolgte, und das Sparbuch nicht einmal an den Geschäftsführer ausgehändigt wurde, sondern in Verwahrung der Bank verblieb, die es später realisiert hat, um den (weiter angewachsenen) Debetsaldo auf dem Privatkonto des Geschäftsführes zu reduzieren. Da somit - entgegen den Revisionsausführungen - ohnehin feststeht, dass die Bestätigung schon deshalb "objektiv unrichtig" war, weil das Stammkapital dem Geschäftsführer der GmbH in Wahrheit nie zur Verfügung stand (S 22 der Berufungsentscheidung), erweisen sich die in der ao Revision der Beklagten erörterten Fragen, ob eine Haftung auch bei einer objektiv richtigen Bestätigung - allein wegen "bedenklicher Umstände" - zu bejahen wäre, als nicht entscheidungswesentlich. Die der Bestätigung vorangehenden Vorgänge sind nämlich eindeutig der Sphäre der bestätigenden Bank zuzurechnen, welche nach ihrem eigenen Vorbringen auch wusste, dass das Sparbuch gesperrt war und sich in ihrer Verwahrung befand. Dass dies dem geforderten Nachweis der freien Verfügbarkeit der Geschäftsführer über den eingezahlten Betrag eindeutig widersprach (RIS-Justiz RS0059563), liegt auf der Hand.

Da hier nicht von einem bloßen Sorgfaltsverstoß der Bank, sondern von einer wissentlich unrichtigen Bestätigung auszugehen ist, muss auch auf die (der Bankhaftung generell kritisch gegenüberstehenden) Ausführungen Koziols aaO, ÖBA 1996, 277, nach denen für diese Bankhaftung zumindest Wissentlichkeit vorauszusetzen ist, nicht weiter eingegangen werden. Mit einem allfälligen Mitverschulden der Gemeinschuldnerin (vgl dazu Koziol aaO, 277 ff) haben sich die Vorinstanzen aber schon deshalb zu Recht nicht befasst, weil dem in der ao Revision zitierten Vorbringen ein Mitverschuldenseinwand gar nicht zu entnehmen ist; betreffen diese Tatsachenbehauptungen doch nicht die - in der Sphäre der Beklagten liegenden - Umstände, die zur (wissentlich) falschen Bestätigung der "freien" Verfügbarkeit führten, sondern weitere "Kontobewegungen", die die Bank ohnehin nicht zu überwachen gehabt hätte (RIS-Justiz RS0059563; 6 Ob 76/00w) und die Beklagte daher jedenfalls nicht entlasten können. Zusammenfassend ergibt sich, dass das Berufungsgericht die Grenzen des Spielraumes, der ihm bei der Beurteilung des vorliegenden Einzelfalles an Hand der von der Judikatur des Obersten Gerichtshofes aufgestellten Grundsätze zur Verfügung stand, nicht überschritten hat, wenn es im Zusammenhang mit der Bestätigung gemäß § 10 Abs 3 GmbHG einen Sorgfaltsverstoß der Beklagten bejahte. Eine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung wird somit nicht aufgezeigt. Die außerordentliche Revision der Beklagten ist daher zurückzuweisen. Der Kläger beruft sich zur Zulässigkeit seiner gegen die Abweisung des Mehrbegehrens erhobenen ao Revision darauf, dass der Frage, ob der Masseverwalter im Rahmen der Haftung der Bank für unrichtige Bestätigungen nach § 10 GmbHG auch einen über das offene Stammkapital hinausgehenden Schaden geltend machen könne, grundlegende Bedeutung zukomme. Außerdem habe das Berufungsgericht jedenfalls insoweit unrichtig entschieden, als es die Problematik der Aktivlegitimation des Masseverwalters als unschlüssige Klagsführung qualifiziert habe. Auch die außerordentliche Revision des Klägers ist unzulässig. Zunächst ist festzuhalten, dass sowohl die fehlende Sachlegitimation des Klägers als auch die mangelnde Schlüssigkeit der Klage (materielle) Vorfragen der Begründetheit einer Klage darstellen und daher jeweils zur Klagsabweisung führen (Rechberger/Frauenberger in Rechberger² Rz 13 vor § 226 ZPO). Es ist daher im Ergebnis gleichgültig, ob dem Kläger die Aktivlegitimation fehlt, oder ob sich das Klagebegehren - mangels entsprechender Anspruchsgrundlage im Gesetz - nicht aus dem Klagegrund ableiten lässt; das Berufungsgericht hätte in jedem Fall zu Recht das Klagebegehren abgewiesen.

Aber auch die Frage, ob die Bank Schäden zu ersetzen hat, die über das offene Stammkapital hinausgehen, ist hier nicht zu beantworten:

Dass die für Erklärungen nach § 10 Abs 3 GmbHG haftende Bank (jedenfalls) jenen Betrag abzudecken hat, der nicht zur freien Verfügung der Geschäftsführer steht, entspricht der herrschenden Lehre, der sich der Oberste Gerichtshof angeschlossen hat (Koziol aaO [281] mwN bei FN 84; vgl auch RIS-Justiz RS0059448, RS0059612 und die bereits zur ao Revision der Beklagten zitierten E). Nach stRsp sind derartige Ansprüche im Konkurs der Gesellschaft vom Masseverwalter geltend zu machen (SZ 64/143 mwN; RIS-Justiz RS0059598, RS0059591 und RS0059592). Mit dem darüber hinausgehenden Ersatzbegehren des Klägers wird hingegen (- neben der Haftung der Beklagten nach dem GmbHG "betreffend dem Mindeststammkapital" [S 11 der Klage] - ) ausdrücklich ein (deliktischer) Schaden geltend gemacht, den "die Gesellschaftsgläubiger" durch die unrichtige Erklärung der Beklagten erlitten haben (S 10 der Klage), wozu der Masseverwalter jedoch - wie bereits das Berufungsgericht zutreffend aufzeigt - nicht aktiv legitimiert ist:

Zu diesem Ergebnis führt schon die Überlegung, dass der Masseverwalter zwar im Interesse aller Gläubiger, aber nach herrschender Meinung immer nur als Vertreter und Organ der Konkursmasse tätig wird (vgl zu den Theorien über die Stellung des Masseverwalters im Konkurs Fasching ZPR² Rz 340 f) und deshalb auch nur Ansprüche der Masse geltend machen kann. Diese erleidet einen Nachteil durch die (bei Konkursverschleppung eintretende) Verschlechterung der Quote, der durch erfolgreiche Anfechtung verringert oder ausgeglichen werden kann. Der darüber hinausgehende Ausfall ist hingegen ein Individualschaden der Gläubiger, zu dessen Geltendmachung der Masseverwalter nicht legitimiert ist (6 Ob 110/00w = RdW 2001/320 mwN). Außerdem könnten den Gläubigern - mangels einer den weitergehenden Vermögensschutz rechtfertigenden Sonderbeziehung zur Bank - nur deliktische Ersatzansprüche zustehen (vgl dazu Koziol aaO [280]). Soweit der geltend gemachte Schadenersatzanspruch mit der deliktischen Schädigung der Gläubiger der Gemeinschuldnerin begründet wird (vgl insb AS 91 und 93), fehlt dem Masseverwalter daher schon deshalb die Aktivlegitimation, weil auf Delikt beruhende Schadenersatzansprüche von Gesellschaftsgläubigern gegen Personen, die der Gesellschaft Schaden zufügten, kein Bestandteil des Vermögens der Gesellschaft sind und daher ebenfalls nicht vom Masseverwalter der Gesellschaft geltend gemacht werden können (6 Ob 287/00z aE mwN; vgl auch RIS-Justiz RS0049450; SZ 60/151; SZ 63/124 ua). Auch die außerordentliche Revision des Klägers zeigt somit keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung auf, weshalb sie ebenfalls als unzulässig zurückzuweisen war.

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