JudikaturJustiz7Ob517/92

7Ob517/92 – OGH Entscheidung

Entscheidung
02. April 1992

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Niederreiter und Dr. Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Komm.Rat Gerold L*****, vertreten durch Dr. Josef Krist, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) Dir. Dkfm. Michael K*****, 2.) Barbara K*****, beide vertreten durch Dr. Maximilian Eiselsberg ua Rechtsanwälte in Wien, wegen Zuhaltung eines Real- und Servitutsvertrages (Streitwert S 80.000,--) infolge Rekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 24. Oktober 1991, GZ 15 R 149/91-25, womit das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 26.März 1991, GZ 28 Cg 208/88-21, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Rekurskosten bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Beklagten sind seit 23.6.1982 Miteigentümer der Liegenschaft EZ 838 der KG D***** und Eigentümer der Wohnungen 2 und 3 in dem weitere 2 Eigentumswohnungen umfassenden Haus L*****straße 21. Mit ihrem Wohnungseigentumsrecht ist auch eine Nutzung an dem zur benachbarten Liegenschaft des Klägers EZ 837 der KG O***** mit dem Haus W*****straße 81 angrenzenden Garten verbunden. Die EZ 838 ist auf Grund eines bücherlich einverleibten Vertrages vom 7.3.1973 dienende Liegenschaft der EZ 837. Punkt II des Reallast- und Servitutsvertrages lautet:

"Die V***** (sie war die Rechtsvorgängerin der nunmehrigen Wohnungseigentümer) verpflichtet sich als Eigentümer der vorgenannten Liegenschaft für sich und ihre Rechtsnachfolger im Eigentum an dieser Liegenschaft zugunsten der jeweiligen Eigentümer der vorgenannten Liegenschaft EZ 837 auf der zum Gutsbestand der Liegenschaft EZ 838 gehörigen Gartengrundstückes Nr. 868/53 entlang der mit der Liegenschaft EZ 837 gemeinsamen Liegenschaftsgrenze eine mindestens 4 m hohe Hecke, 1 : 1 gemischt aus Laub- und Nadelgehölzen, zu pflanzen und zu pflegen, zu erhalten und im Bedarfsfall gleichwertig zu erneuern, die so dicht ist, daß sie während der Sommermonate vom Erdboden bis mindestens 2 m Höhe die waagrechte Durchsicht zur Nachbarliegenschaft EZ 837 ausschließt."

Der Kläger war schon 1973 Eigentümer der EZ 837. Er war damals auch Geschäftsführer der V*****gesellschaft mbH, der damaligen Alleineigentümerin der EZ 838. Die Pflanzung der Hecke wurde daher noch von ihm veranlaßt. Die Pflanzung entsprach aber nicht dem Verhältnis 1 : 1, gemischt aus Laub- und Nadelgehölzen, sondern erfolgte im Verhältnis 1 : 7,4 zugunsten der Nadelhölzer. Letztere neigen jedoch zur Stammbildung und verlieren im Lauf der Jahre im unteren Bereich den Nadelmantel, wodurch die Hecke "durchsichtig" wurde. die Hecke entspricht daher ungefähr seit 1982 auf einer Länge von 22 m nicht mehr der Reallastverpflichtung. Sie erreicht nur die Höhe von 1,9 bis 2,5 m. Die Hecke wird in Zukunft noch "durchsichtiger" werden. Die Beklagten haben seit 1983 zweimal jährlich die Hecke gedüngt und ansonsten gepflegt sowie bewässert, ohne jedoch eine Verbesserung des beschriebenen Zustandes zu erreichen. Der Kläger hat diesen Zustand der Hecke bis 1988 akzeptiert.

Der Kläger begehrt (nur) von den beiden Beklagten, die Hecke in einer solchen Weise nachzupflanzen bzw. gleichwertig zu erneuern, daß sie während der Sommermonate vom Erdboden bis in eine Höhe von 2 m eine waagrechte Durchsicht zur Nachbarliegenschaft ausschließt. Er brachte vor, daß ca. 80 % der Hecke nicht dem im Reallastvertrag zugesagten Zustand entspreche.

Die Beklagten wendeten ein, eine solche Klage müsse gegen alle Miteigentümer der Eigentumswohnungsanlage gerichtet sein. Der Zustand der Hecke dürfe trotz der eingegangenen Verpflichtung den natürlichen Gegebenheiten entsprechend variieren. Die Beklagten hätten ohnedies die der vertraglichen Verpflichtung entsprechenden notwendigen Pflege- und Erneuerungsarbeiten geleistet; mehr sei nicht möglich gewesen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Kläger habe sich durch die Hinnahme des seit 1982 bestehenden Zustandes der Hecke bis 1988 seines Rechtes verschwiegen.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil mit dem angefochtenen Beschluß auf. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 50.000,-- übersteigt und erklärte den Rekurs für zulässig. Den Beklagten mußte bereits bei Erwerb ihrer Eigentumswohnungen im Jahre 1982 der sanierungsbedürftige Zustand der Hecke auffallen, sie wären bereits damals zur Erneuerung der Hecke verpflichtet gewesen. Das Stillschweigen des Klägers von 1982 bis 1988 könne nicht als Verschweigung im Sinne eines Rechtsverzichtes auf die Reallastberechtigung gewertet werden. Die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen über den derzeitigen Zustand der Hecke reichten jedoch nicht zu einer Beurteilung, ob die geforderte Leistung unmöglich sei. Sollte die vertraglich bedungene Sichtabdeckung nur durch das Anpflanzen ausschließlich von Laubhölzern erreicht werden können, läge Unmöglichkeit der Leistung vor. Die Verpflichtung der Beklagten könne nicht dahin ausgelegt werden, die Hecke in vorhersehbaren Zeiträumen (immer wieder) zu erneuern. Einer Verpflichtung, eine ausschließliche Laubhecke anzupflanzen, stehe die gerichtsbekannte Tatsache entgegen, daß Laubhölzer teurer als Nadelhölzer seien. Es müsse geprüft werden, ob eine gänzliche Erneuerung der Hecke möglich sei und in welcher Form eine solche erfolgen könne, ebenso müsse auch geklärt werden, ob die Anpflanzungen des Klägers auf seinem Grundstück das Wachstum der Hecke behinderten. In diesem Falle müsse der Kläger selbst für den reallastgemäßen Zustand in dem Ausmaß Sorge tragen, in welchem er durch Pflanzungen auf seinem Grundstück diesen Zustand beeinträchtigt. Die Erfüllung der Reallastverpflichtung könne von jedem einzelnen Miteigentümer im Rahmen der ihn treffenden persönlichen Haftung gefordert werden. Es schade daher nicht, daß der Kläger nur zwei der vier Wohnungseigentümer der dienenden Liegenschaft belangt habe.

Der gegen den Aufhebungsbeschluß erhobene Rekurs der Beklagten ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Soweit die Beklagten vermeinen, es könne ihnen nur die Pflege des bisherigen Baumbestandes, nicht aber eine Erneuerung im Sinne einer Nachpflanzung von Laub- und Nadelhölzern im Verhältnis 1 : 1 aufgetragen werden, verkennen sie das Wesen der übernommenen Reallastverpflichtung, die den jeweiligen Eigentümer des dienenden Grundstückes mit der Verpflichtung belastet, wiederkehrende Leistungen auch in Form einer Neubepflanzung zu erbringen. Diese Leistungen müssen weder gleich groß noch gleichartig sein, ihr Ausmaß hängt von den wechselnden Umständen ab (vgl. Klang in Klang II2, 616 f; Petrasch in Rummel, ABGB2 § 530 Rz 14; SZ 45/45). Hat der Kläger als Eigentümer der berechtigten Liegenschaft im Jahre 1973 mit der damals nicht vertragsgemäßen Bepflanzung die vereinbarte Sichtabdeckung als gewährleistet erachtet, befreit dies nicht den Rechtsnachfolger des dienenden Grundstückes von der Verpflichtung, die Leistung im Sinne der ursprünglichen Vereinbarung zu erbringen, wenn sich die bisherige Art der Leistung als dem Vertragszweck als nicht mehr entsprechend erweist. Sollte es zur Erreichung des Vertragszweckes erforderlich sein, so wären die Eigentümer des dienenden Grundstückes auch zu einer gänzlichen Erneuerung der Hecke in Form einer Nachpflanzung aus Laub- und Nadelhölzern im Verhältnis 1 : 1 verpflichtet, um den vereinbarten Sichtschutz zu gewährleisten. Daß die Erfüllung einer derartigen Leistung unmöglich ist, hätten die Beklagten zu beweisen. Nach den bisherigen Verfahrensergebnissen haben sie diesen Beweis aber nicht erbracht. Daß die Erfüllung dieser Verpflichtung einen bestimmten Kostenrahmen nicht übersteigen darf, ist der die Reallast begründenden Vereinbarung nicht zu entnehmen.

Im übrigen hat das Berufungsgericht die Sache bezüglich der vertraglichen Pflichten der Beklagten und der allfälligen Auswirkungen der vom Kläger vorgenommenen Anpflanzungen auf diese Pflichten rechtlich richtig beurteilt, weshalb diesbezüglich auf seine Ausführungen verwiesen werden kann. Soweit das Berufungsgericht Feststellungen für erforderlich hält, inwieweit die Hecke im vertraglich vereinbarten Gemisch die erforderliche Sichtabdeckung erreichen kann, handelt es sich um Tatfragen, die der Beurteilung des Obersten Gerichtshofes entzogen sind und zu denen daher nicht Stellung genommen werden kann. Da die Anpflanzung einer nur aus Laubgewächsen bestehenden Hecke vom Kläger gar nicht begehrt wird, sind Erörterungen darüber müßig.

Auf Grund der bisherigen Feststellungen kann nicht davon gesprochen werden, daß bei den Beklagten der Eindruck entstehen mußte, der Kläger werde seine Reallastberechtigung nicht mehr geltend machen. Der Zustand einer Hecke, insbesondere ihr Wachstum, ist von den jährlich schwankenden Witterungsverhältnissen abhängig. Der Umstand, daß der Kläger den fragmentarischen Zustand der Hecke von 1982 bis 1988 unbeanstandet ließ, läßt keinen zwingenden Schluß auf einen Verzicht zu, weshalb er keinen Rechtsverlust bewirkt (vgl. Rummel in Rummel ABGB2 § 863 Rz 24).

Nach der Rechtsprechung (vgl. MGA ABGB § 530/2 und 29) und dem überwiegenden Teil der Lehre (vgl. Klang in Klang II2, 618, Petrasch in Rummel ABGB2 § 530 Rz 4 aA jedoch Hoyer FS Wagner, 197 f) bewirkt die Reallastverpflichtung sowohl eine Sachhaftung des Eigentümers mit dem belasteten Grundstück als auch - und dadurch unterscheidet sie sich von den Dienstbarkeiten - eine persönliche Haftung des jeweiligen Eigentümers für die während der Zeit, in der er Eigentümer ist und war, angefallenen Leistungen. Wie vom Berufungsgericht zutreffend erkannt wurde, behandelt die von ihm zitierte Judikatur (JBl. 1965, 316; JBl. 1980, 545 = SZ 53/2; 5 Ob 173/70, MietSlg. 25.516, 8 Ob 349/62 sowie 8 Ob 110/64) nur Fälle, in denen die Sachhaftung strittig war, so auch im scheinbar gleichgelagerten Fall der Entscheidung 5 Ob 1501/89. In diesen Fällen bilden die Miteigentümer einer Liegenschaft tatsächlich eine notwendige Streitgenossenschaft (vgl. EvBl. 1989/26). Im vorliegenden Fall ist die Frage der Sachhaftung nicht strittig. Es werden vielmehr nur sich aus dem Vertrag ergebende Einzelleistungen verlangt, wie dies zum Beispiel bei den Leistungen auf Grund eines Ausgedinges der Fall wäre. Zu Ausgedingsfällen hat der Oberste Gerichtshof bereits in den Entscheidungen GlUNF 3223 und SZ 25/246 ausgesprochen, daß jeder Liegenschaftsmiteigentümer in Analogie zu § 457 ABGB für die ganze Reallast des Ausgedinges zu haften habe, wenn, wie hier, unteilbare Leistungen verlangt werden.

Eine notwendige Streitgenossenschaft liegt dann vor, wenn bei Nichterfassung aller Beteiligten die Gefahr unlösbarer Verwicklungen durch verschiedene Entscheidungen zu besorgen wäre (MGA ZPO14 § 14/1). Dies wäre zweifellos dann gegeben, wenn der Bestand der Reallast Gegenstand des Verfahrens wäre. Werden aber bereits fällige Einzelleistungen aus der Reallastverpflichtung vom Berechtigten geltend gemacht, sind diese Befürchtungen gegenstandslos. Auch bei einer Verurteilung aller Liegenschaftsmiteigentümer zur gesamten Hand könnte die Leistung im Exekutionsverfahren nur gegen jeden einzelnen durchgesetzt werden. Es wäre daher nicht einzusehen, warum der Reallastberechtigte nicht schon bei sich aus dem Vertrag ergebender Fälligkeit Einzelleistungen von einem einzelnen Verpflichteten als Solidarschuldner (bei unteilbarer Leistung oder wenn dies dem Vertrag oder dem Wesen der Leistung entspricht) verlangen kann. Auch mit der Berufung auf die zu § 891 ABGB ergangene Rechtsprechung (vgl. Gamerith in Rummel, ABGB2 § 891 Rz 4 mwN, zuletzt 1 Ob 580/87), nach der bei für die gemeinsame Liegenschaft eingegangenen Verbindlichkeiten von Wohnungseigentümern nicht anzunehmen ist, daß sie eine Solidarhaftung eingehen wollten, ist für den Standpunkt der Kläger nichts gewonnen. Die vorliegende Reallastverpflichtung wurde von der Rechtsvorgängerin der nunmehrigen Wohnungseigentümer zu einem Zeitpunkt übernommen, als noch gar kein Wohnungseigentum bestand.

Da das Berufungsgericht sohin zutreffend erkannt hat, daß hier die Miteigentümer der dienenden Liegenschaft eine Solidarverpflichtung trifft, liegt keine einheitliche Streitgenossenschaft aller Liegenschaftsmiteigentümer vor. Die Durchsetzung des vorliegenden Begehrens gegen nur zwei von vier Wohnungseigentümern ist also gerechtfertigt.

Dem Rekurs war daher ein Erfolg zu versagen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.