JudikaturJustiz7Ob51/16z

7Ob51/16z – OGH Entscheidung

Entscheidung
06. Juli 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und Dr. Singer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H* S*, vertreten durch Dr. Wolfgang Poleschinski, Rechtsanwalt in Hartberg, gegen die beklagte Partei Ing. H* J* B*, vertreten durch Mag. Robert Baum, Rechtsanwalt in Wien, und die Nebenintervenientin Dr. G* H*, Rechtsanwältin, *, wegen Vertragsaufhebung und Rückabwicklung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Berufungsgericht vom 23. Dezember 2015, GZ 13 R 155/15i 25, womit das Urteil des Bezirksgerichts Oberwart vom 15. Juni 2015, GZ 2 C 128/15m 20 abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei und der Nebenintervenientin die jeweils mit 914,70 EUR (darin enthalten 152,62 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

F* F*, geboren am * 1900, lebte in Österreich zuletzt an der Adresse * Z*. 1929 wanderte er mit seiner Gattin in die USA aus und siedelte sich im Bundesstaat N* an. Der Ehe entstammt die Klägerin als einziges Kind.

F* F* verfügte in Österreich über land und forstwirtschaftlich genutzte Liegenschaften, nämlich die EZ * W* bei R* und die EZ * Z*. Er verstarb am * 1971. An der Adresse Z* lebte eine Nichte des F* F*, nämlich E* G*. Diese hatte nach dem Tod ihres Onkels weiter Kontakt zu ihrer Cousine, der Klägerin. Sie bezahlte auch die Abgaben für die zwei Liegenschaften. Um das Jahr 2000 war die Klägerin auf Besuch in Österreich, sie lernte dabei auch die in Z* lebenden Ehegatten D* kennen. 2007 verstarb E* G* und vermachte ihnen Liegenschaften. In der Folge bezahlten diese die Abgaben für die für F* F* einverleibten Liegenschaften.

Den österreichischen Behörden wurde nie eine Sterbeurkunde für F* F* vorgelegt. Die Klägerin überlegte zwar nach dem Tod ihres Vaters, wie sie es anstellen müsste, damit der Liegenschaftsbesitz auf sie übertragen werde, konkrete Schritte leitete sie allerdings nicht ein.

Am 26. 4. 2010 ersuchte ein dem Bezirksgericht Oberwart zugeteilter Rechtspfleger, der mit der Verbücherung von Straßen befasst war, die Pflegschaftsabteilung des Erstgerichts um Bestellung eines Abwesenheitskurators für F* F* zwecks Zustellung eines Grundbuchsbeschlusses. Im Ersuchen hielt er fest, dass er bei der Gemeinde W* bei R* in Erfahrung gebracht habe, dass F* F* „schon lange nach Amerika“ ausgewandert sein solle.

Die Nebenintervenientin wurde am 3. 5. 2010 zur Abwesenheitskuratorin nach § 270 ABGB bestellt, wobei eine Einschränkung ihres Wirkungskreises nicht vorgenommen wurde.

Der Beklagte ist von Beruf Förster und besitzt im Südburgenland in verschiedenen Katastralgemeinden forstwirtschaftlich genutzte Grundstücke. Die Tante seiner Gattin wusste von seinem Interesse am Erwerb weiterer Waldflächen. Sie machte ihn 2012 darauf aufmerksam, dass die Liegenschaft, EZ * W* bei R* zum Verkauf stünde, worauf sie durch eine Anfrage eines anderen Interessenten aufmerksam geworden war, der sich für die Liegenschaft in Z* interessierte. Sie vermittelte den Interessenten den Kontakt zur Nebenintervenientin.

Diese teilte dem zuständigen Richter am 27. 9. 2012 das Bestehen von Interesse am Erwerb von Grundstücken des Abwesenden mit. Es wurde erörtert, dass vor Abschluss eines Vertrags die Einholung eines Schätzgutachtens auf Kosten der Interessenten notwendig sei und danach allfällige Verträge zur pflegschaftsbehördlichen Genehmigung vorzulegen seien. Die Nebenintervenientin holte ein Schätzgutachten ein, aus dem sich für das Grundstück in W* ein Verkehrswert von 9.064 EUR ergab. In der Folge errichtete die Nebenintervenientin einen Kaufvertrag, wobei der Kaufpreis dem ermittelten Verkehrswert entsprach. Der Kaufvertrag wurde mit Beschluss des Erstgerichts vom 24. 1. 2013 pflegschaftsgerichtlich genehmigt.

Die Ehegatten D* wurden auf die Veräußerung aufmerksam, „weil die Pflicht zur Abführung von Abgaben für die Liegenschaft weggefallen war“. Offensichtlich verständigte sie die Klägerin und diese schaltete einen Rechtsvertreter in Österreich ein, der unter Vorlage der Sterbeurkunde für F* F* ein Verlassenschaftsverfahren einleitete. Der der österreichischen Gerichtsbarkeit unterliegende Nachlass von F* F* wurde der Klägerin mit Beschluss des Erstgerichts vom 25. 11. 2014 eingeantwortet und dem Erbenvertreter das Guthaben aus dem Kaufpreis ausbezahlt.

Die Klägerin begehrt nunmehr die Aufhebung des zwischen der Nebenintervenientin als Verkäuferin und dem Beklagten als Käufer betreffend die Liegenschaft EZ * W* bei R* am 11. 1. 2013 abgeschlossenen Kaufvertrags sowie den Beklagten schuldig zu erkennen, Zug um Zug gegen Rückabwicklung des erlegten Kaufpreises in Höhe von 9.064 EUR in die Einverleibung des Eigentums ob der genannten Liegenschaft zu Gunsten der Klägerin zur Gänze einzuwilligen und sämtliche für die Rückabwicklung des Kaufvertrags notwendigen Urkunden verbücherungsfähig zu unterfertigen.

Der Kaufvertrag sei aufzuheben und rückabzuwickeln, weil der Beklagte zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses schlechtgläubig gewesen sei. Er habe im Zeitpunkt der Veräußerung gewusst, dass die Klägerin als Erbin existiere und ihm seien auch Personen bekannt gewesen, die einen Kontakt zur Klägerin herstellen hätten können. Der Verkauf sei durch eine Tante der Ehefrau des Beklagten in die Wege geleitet worden. Diese hätte Hinweise gehabt, dass die verfahrensgegenständliche Liegenschaft ausländischen Staatsbürgern gehöre. Der Erwerb von der Abwesenheitskuratorin sei daher rechtswidrig gewesen.

Der Beklagte bestreitet und beantragt Klagsabweisung. Ihm sei zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht bewusst gewesen, dass eine Erbin existiere. Er sei nicht schlechtgläubig gewesen. Die Nebenintervenientin sei im Zuge eines Verfahrens beim Amt der Burgenländischen Landesregierung als Kuratorin bestellt worden. Kaufinteresse hätten der Beklagte und eine weitere Person erst 2012 gezeigt. Zum Zeitpunkt des Erwerbs hätte der Beklagte weder von der Abwesenheitskuratorin noch der Gemeinde oder sonstigen Personen die Mitteilung gehabt, dass F* F* verstorben sei und rechtmäßige Erben vorhanden seien.

Die Nebenintervenientin schloss sich dem Vorbringen des Beklagten an. Sie habe eine Meldeauskunft eingeholt; im Zentralmelderegister seien keine Meldedaten aufgeschienen. Im November 2012 sei sie von einer Bekannten des Kaufinteressenten kontaktiert worden und habe so von dessen Interesse erfahren. Nach Einholung eines Schätzgutachtens auf Kosten des späteren Käufer sei ein Verkauf an den Beklagten zum Schätzwert erfolgt. Eine nochmalige telefonische Anfrage bei der Gemeinde habe ergeben, dass keine Daten zu F* F* vorliegen würden. Die pflegschaftsbehördliche Genehmigung sei erteilt worden. Erst durch das Schreiben des Klagevertreters vom 4. 5. 2015 habe sie Kenntnis davon erlangt, dass ein Verlassenschaftsverfahren nach F* F* durchgeführt worden sei. Am 19. 3. 2015 habe sie den auf dem Sparbuch erliegenden Kaufpreis ausgefolgt.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Für einen Toten könne kein Abwesenheitskurator bestellt werden. Da dies für eine nicht oder nicht mehr existierende Person unzulässig und wirkungslos sei, sei die Bestellung der Abwesenheitskuratorin für F* F* im Jahr 2010 unzulässig gewesen. Es liege Nichtigkeit der Bestellung vor, was zur Aufhebung des Kaufvertrags führe.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil im klagsabweisenden Sinn ab. Der in der Vergangenheit vertretene Standpunkt, dass dann, wenn ein Pflegebefohlener bei Einleitung des Verfahrens, in dem der Abwesenheitskurator für ihn eingeschritten sei, nicht mehr am Leben gewesen sei, die vom Kurator vorgenommenen Vertretungshandlungen jedenfalls nichtig seien, könne nur dann gelten, wenn bereits im Zeitpunkt der Bestellung oder des Einschreitens eines Abwesenheitskurators der Vertretene aufgrund einer Eintragung in das Sterberegister des Standesamts amtlich als tot gelte oder sonst der Beweis des Todes als erbracht anzusehen sei. Im vorliegenden Fall sei die Sterbeurkunde erst im Verlassenschaftsverfahren einem österreichischen Gericht vorgelegt worden. Von einer amtlichen Kenntnis des Todes des Kuranden sei erst nach Kuratorbestellung auszugehen, sodass sie wirksam erfolgt sei. Aus dem Geburtsdatum bzw dem damaligen Alter von 110 Jahren könne noch nicht der Schluss auf einen sicheren Tod des Kuranden gezogen werden. Wenngleich ein so hohes Alter ungewöhnlich sei, so sei es doch möglich. Ein Grund zur Anfechtung des gegenständlichen Kaufvertrags liege nicht vor.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zu der hier zu lösenden Rechtsfrage der Gültigkeit einer Kuratorbestellung im Falle eines bereits im Ausland Verstorbenen, hinsichtlich dessen Vermögen im Inland bislang kein Verlassenschaftsverfahren durchgeführt worden sei, keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision der Klägerin mit einem Abänderungsantrag. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte begehrt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr keine Folge zu geben.

Die Nebenintervenientin begehrt, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

1. Abwesend nach § 270 ABGB ist eine namentlich bestimmte, lebende, geschäftsfähige, nicht durch einen anwesenden Vertreter vertretene Person, die „nicht dort ist, wo ihre Anwesenheit nottut“, um ihre Rechte vor Gefährdung zu wahren, oder die Rechte eines anderen in ihrem Gange gehemmt würden ( Stabentheiner in Rummel/Lukas 4 , § 270 ABGB Rz 2).

2. Die Bestellung eines Kurators nach § 270 ABGB setzt damit Parteifähigkeit des zu Vertretenden voraus. Alle physischen Personen sind parteifähig, nicht aber Tote. (RIS Justiz RS0049176).

2.1 Es wurde daher der Standpunkt vertreten, dass für eine bereits verstorbene Person kein Abwesenheitskurator bestellt werden kann. Wurde dennoch ein Kurator bestellt, so sind seine Handlungen von vornherein unwirksam, ohne dass es einer Aufhebung der Kuratel bedarf (1 Ob 380/61, RIS Justiz RS0049166).

In weiterer Folge differenzierte der Oberste Gerichtshof seine Rechtsansicht in der Entscheidung 1 Ob 233/71 mwN (= RIS Justiz RS049166 [T21]) dahingehend, dass dies allerdings nur dann gelten könne, wenn bereits im Zeitpunkt der Bestellung oder des Einschreitens eines Abwesenheitskurators der Vertretene aufgrund einer Eintragung in das Sterberegister des Standesamts amtlich als tot gilt oder sonst der Beweis des Todes als erbracht anzusehen ist. Wirksam sind hingegen Verträge, wenn es wegen der Uneruierbarkeit des Aufenthalts ungewiss ist, ob eine physische Person noch lebt und aus diesem Grund zur Wahrung ihrer Rechte ein Abwesenheitskurator bestellt wurde. In einem solchen Fall hat erst die Todeserklärung das Erlöschen der Kuratel zur Folge; Handlungen, die vom Abwesenheitskurator zuvor vorgenommen wurden, sind dann gültig und werden auch nicht unwirksam, wenn der Kurand unter Zugrundelegung eines vor der Kuratorbestellung liegenden vermutlichen Todestages für tot erklärt wurde. Die Handlungen, die ein für einen Kriegsvermissten bestellter Kurator vorgenommen hat, sind nicht deshalb unwirksam, weil der Kurand unter Zugrundelegung eines vor der Kuratorbestellung liegenden vermutlichen Todestages für tot erklärt wurde (gilt ausdrücklich nicht für Abwesende, die nicht verschollen waren; RIS Justiz RS0049171).

2.2 Knell (Die Kuratoren im österreichischen Recht, 63 f) kritisiert die Judikatur dahingehend, dass die Differenzierung nicht berechtigt sei. Schließlich sei der Tod des Abwesenden immer objektiv eruierbar, nur gelänge dies im Falle einer Todeserklärung nicht. Außerdem sei bei einer Person, deren Aufenthalt nicht ausfindig gemacht werden kann, nie ausgeschlossen, dass diese bereits verstorben sei und zwar unabhängig davon, ob sich deren Tod im Nachhinein durch Beibringung einer Sterbeurkunde herausstelle oder aber eine nachträgliche Todeserklärung ausgesprochen werde. Das Argument, dass gar kein Kurator bestellt werden könne, wenn man das Leben des Kuranden als Gültigkeitsvoraussetzung erachte, betreffe daher beide Fallgruppen gleichermaßen. Zur Frage, ob Verträge gültig sein sollen oder nicht, wenn man die erwähnte Differenzierung unterließe, zeigt Knell Sympathie zu dem in Deutschland vertretenen Ansatz, nach dem Verträge grundsätzlich mit „dem, den es angeht“ zustande kommen sollen (FN 9). Danach soll im Todesfall des Abwesenden, derjenige, dem das vertragsgegenständliche Rechtsgut zusteht, an den Vertrag gebunden sein; in der Regel sind das die Erben. Eine Einschränkung davon möchte Knell dann vornehmen, wenn die Bestellung eines Abwesenheitskurators für einen bereits Verstorbenen erschlichen oder doch fahrlässig veranlasst wurde.

2.3 Mondel (Kuratoren 2 4/12 ff, 4/75) kritisiert wie auch Knell die oben dargestellte Differenzierung der Judikatur. Nach ihm sollen Verträge mit Abwesenheitskuratoren in der interessierenden Konstellation stets gültig sein. Als Hauptargument weist er auf die Rechtssicherheit hin. Die Gültigkeit eines Geschäfts soll nicht von Zufällen oder „unausgereiften Recherchen“ des Abwesenheitskurators bzw des Gerichts abhängen. Schließlich lehnt er die gewählten Einschränkungen Knells ab. Nach Mondel sollen daher auch Verträge gültig sein, die ein Dritter mit einem Abwesenheitskurator geschlossen hat, obwohl er sicher wusste, dass die Voraussetzungen dafür nicht vorlagen.

2.4 Wentzel/Piegler (in Klang/Gschnitzer Kommentar zum Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch [1962] § 276, 525) führen aus, da der Kurator des Abwesenden sein gesetzlich bestellter Vertreter sei, könne er nicht für einen Verstorbenen bestellt werden. Stelle sich erst später heraus, dass der Abwesende bereits verstorben sei, so seien die vom Kurator vorgenommenen Rechtshandlungen mangels eines Rechtsschutzsubjekts ungültig.

2.5 Weitzenböck (in Schwimann/Kodek ABGB 4 § 270 Rz 4) wiederholt die Rechtsprechung, wonach eine Person am Leben sein müsse; das heiße, dass die Bestellung eines Kurators nach § 270 ABGB für eine verstorbene natürliche Person unzulässig sei. Die Handlungen eines rechtsunwirksam bestellten Abwesenheitskurators seien aber nicht deshalb unwirksam, weil der Kurand unter Zugrundelegung eines vor der Kuratorbestellung liegenden vermutlichen Todestages für tot erklärt wurde.

2.6 Stabentheiner (in Rummel/Lukas ABGB 4 § 270 Rz 2) verweist ohne eigene Ausführungen zur Wirkung der Kuratorbestellung für einen Toten auf die Ausführungen von Knell und Mondel .

2.7 Stumvoll (in Fasching/Konecny 2 Ergänzungs-band § 116 ZPO Rz 1) führt aus, dass in der Praxis nicht selten für sehr alte Kuranden Kuratoren bestellt würden. Es fehle an einer griffigen Abgrenzung dafür, inwieweit bei solchen Kuranden bei der Kuratorbestellung noch davon ausgegangen werden könne, dass sie leben. Er erachtet den Vorschlag Knells hinsichtlich der Wirkung der Kuratorenbestellung „für den, den es angeht“ erwägenswert. Stumvoll zieht aber auch in Betracht, die Kuratorbestellung für den „Kuranden, allenfalls für seinen Nachlass bzw für seine ebenfalls unbekannten Erben“ vorzunehmen. In jedem Fall müsse akzeptiert werden, dass der Schutzgedanke im Vordergrund stehe. Dem Schutzgedanken gebühre der Vorrang vor einer sauberen juristischen Lösung, die zum Bestellungszeitpunkt mangels möglicher Kenntnis von dem wahren Sachverhalt nie erzielbar sein könnte.

2.8 Die deutsche Lehre spricht sich für die Wirksamkeit der Bestellung des Abwesenheitskurators und der von ihm vorgenommenen Rechtsgeschäfte aus, wenn sich nachträglich der Tod des Kuranden herausstellt:

So gehen Bienwald (in Staudinger [2013] § 1911 BGB Rn 18) und Zimmermann (in Soergel 13 , Bürgerliches Gesetzbuch § 1911 BGB Rn 16) von der Wirksamkeit der Pflegschaft und der vom Pfleger und ihm gegenüber vorgenommenen Rechtsgeschäfte aus, selbst wenn sich später herausstellt, dass der Betreffende zum Zeitpunkt der Pflegschaftsanordnung nicht mehr gelebt hat. Sachs (Pflegschaft über kriegsverschollene Miterben, NJW 1947, 367 [368]) vertritt: Ergibt sich ein vorheriges Ableben des Abwesenden, so treffen alle späteren Rechtsgeschäfte die Erben des Verschollenen. Gernhuber/Coester Waltjen Familienrecht 6 , 977, schließt sich dem im Wesentlichen an und verweist auf die herrschende Lehre, die entsprechend den für die postmortale Vollmacht entwickelten Grundsätzen den Erben des Abwesenden als Bezugspunkt wählt. Die genannten Autoren erachten es aber für richtiger, die Wirkungen für den an sich Legitimierten anzuerkennen, wenn der Pfleger Angelegenheiten ordnet, die Geschäfte des Abwesenden zu sein schienen. Müller (Abwesenheits-, Nachlasspflegschaft und Pflegschaft für unbekannte Beteiligte, NJW 1956, 653) argumentiert ebenfalls, dass die Pflegschaft gültig bleibt, auch wenn sich nachträglich der Tod des Abwesenden herausstellt. Die Anordnungen des Pflegers wirken für den, den es angeht.

3. Dahingestellt bleiben kann, ob die Handlungen des Abwesenheitskurators in dem Fall wirksam sind, dass bei der Bestellung bereits der Nachweis des Todes des Kuranden vorlag. Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben.

4. Der dargestellten – insbesondere zu im Kriege Verschollenen ergangenen – Rechtsprechung lag zugrunde, dass nicht feststand, ob der Vermisste am Leben war, weil diese Feststellung nur in Ansehung eines Abwesenden getroffen werden kann, dessen Aufenthalt eruierbar ist. Bei im Krieg Verschollenen liegt aber eine besondere Gefahrensituation dahin vor, die durchaus den Tod des Kuranden wahrscheinlich macht, dieser aber wegen der Uneruierbarkeit des Aufenthalts nicht nachgewiesen werden kann und gerade diese Ungewissheit die Bestellung des Abwesenheitskurators – ex ante betrachtet – zulässig macht.

Mit diesem Fall ist aber auch der vorliegende insofern vergleichbar, dass der Kurator für einen sehr alten Kuranden bestellt wird, der zwar mit hoher Wahrscheinlichkeit bereits tot ist, der aber – wenn auch mit einer sehr geringen Möglichkeit – noch am Leben sein könnte, dies aber ebenfalls im Hinblick auf die Uneruierbarkeit seines Aufenthalts ungewiss ist und sich sein Tod erst nachträglich herausstellt.

Ausgehend von der bisherigen Judikatur und der dargelegten Lehre vertritt der erkennende Senat Folgendes:

Grundsätzlich ist zwar Voraussetzung für die Bestellung eines Abwesenheitskurators, dass der Kurand lebt, ist dies aber nicht eruierbar, hat es, auch ohne Hinzutreten einer Gefahrenlage, keinen Einfluss auf die Wirksamkeit der Kuratorbestellung, wenn sich nachträglich herausstellt, dass der Kurand bereits vor der Bestellung verstorben ist, auch wenn er im Zeitpunkt der Bestellung bereits ein sehr hohes Alter hatte, es aber nicht auszuschließen ist, dass er dennoch am Leben ist. Die von der bisherigen Judikatur (nur) zur (Kriegs )Verschollenheit vertretene Rechtsansicht ist wegen der durchaus gleichen Interessenlage des Rechtsverkehrs auch auf alle anderen Fälle des uneruierbaren Todes des Kuranden auszudehnen.

Bei rechtskräftiger Bestellung eines Kurators für einen Toten, wie im vorliegenden Fall, wirken die Vertretungshandlungen für den (in Österreich) ruhenden Nachlass und damit für die Klägerin als Erbin.

Die Revision will die Wirksamkeit der Vertretungshandlungen der Abwesenheitskuratorin damit in Abrede stellen, dass ihre Bestellung zu Unrecht erfolgt sei, weil bereits in diesem Zeitpunkt (auch) die (übrigen) Voraussetzungen für die Bestellung eines Abwesenheitskurators (wie etwa Uneruierbarkeit des Todes bzw des Aufenthaltsorts, Handlungsbedarf) nicht vorgelegen seien.

5.1 Im Verfahrensrecht vertritt die Rechtsprechung allgemein zu einer nicht gesetzmäßig erfolgten Kuratorbestellung den Standpunkt, dass solange ein Beschluss, mit dem ein Abwesenheitskurator bestellt wurde, aufrecht (weder mit Rechtsmittel bekämpft noch von Amts wegen beseitigt) ist, der Abwesenheitskurator zwar befugt ist, für den von ihm zu Vertretenden einzuschreiten und Rechtsmittel zu erheben, das mit einem zu Unrecht bestellten Kurator abgewickelte Verfahren aber nichtig und diese Nichtigkeit aus Anlass eines zulässigen Rechtsmittels wahrzunehmen ist (RIS Justiz RS0107115). Die Gewährung des rechtlichen Gehörs stellt nämlich einen derart fundamentalen Grundsatz des Verfahrensrechts dar, dass dessen Verletzung regelmäßig als Nichtigkeit im Sinn des § 477 Abs 1 Z 4 (und 5) ZPO zu beurteilen ist (RIS Justiz RS0111369). Führt eine Vernachlässigung der vorprozessualen Sorgfalt des Klägers zur Bestellung eines Prozesskurators nach den §§ 115, 116 ZPO, ohne dass die Voraussetzungen hierfür tatsächlich vorgelegen sind, dann ist die Kuratorbestellung und das in der Folge mit ihm durchgeführte Verfahren – wie im Fall einer erschlichenen Kuratorbestellung – nichtig (RIS Justiz RS0036484).

Dies betrifft aber nur die verfahrensrechtlichen Folgen eines mit einem nicht ordnungsgemäß bestellten Kurator durchgeführten Verfahrens. Hier zu beurteilen ist die Wirksamkeit eines vom Kurator abgeschlossenen Rechtsgeschäfts.

5.2 Der Abwesenheitskurator verfügt über Vertretungsmacht kraft rechtskräftiger gerichtlicher Bestellung. Der Beschluss auf Bestellung des Kurators nach (nunmehr) § 270 ABGB entfaltet bindende Wirkung insoweit, als das namens des Kuranden, sei es rechtsgeschäftlich, sei es in einem gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Verfahren gesetzte Verhalten des gerichtlich bestellten Kurators im Rahmen seines Wirkungskreises dem Kuranden so zuzurechnen ist, als hätte er dieses Verhalten gesetzt. Die Vertretungswirkung berührt die Rechtssphäre eines potentiellen Prozessgegners, eines Verfahrensbeteiligten oder Rechtsgeschäftspartners des Kuranden nicht (RIS Justiz RS0049137).

Ein aufrechter Bestellungsbeschluss stellt einen äußeren Tatbestand dar, der Dritten gegenüber jedenfalls den Rechtsschein erweckt, dass der Bestellung des Kurators ein mangelfreies Verfahren vorangegangen ist und der bestellte Kurator daher rechtsgeschäftlich wirksam für den Kuranden handeln kann. Vor diesem Hintergrund fordert die zu wahrende Rechtssicherheit eine Abwägung zwischen einer Einschränkung der Privatautonomie (der Erben) und der Enttäuschung des Vertrauens des Dritten auf die Wirksamkeit des Bestellungsbeschlusses und die daraus resultierende Vertretungsbefugnis des Kurators, die zugunsten des Dritten zu entscheiden ist. Daher ist von der Gültigkeit eines vom Abwesenheitskurator abgeschlossenen Rechtsgeschäfts auszugehen, dies selbst dann, wenn das seiner Bestellung vorausgehende Verfahren, sei es wegen unzureichender Nachforschungen des Gerichts über den Aufenthalt des Kuranden, sei es wegen des Fehlens einer sonstigen Voraussetzung zum Zeitpunkt der Bestellung mangelhaft gewesen, und die Bestellung zu Unrecht erfolgt sein sollte.

Im Regelfall kann ein Dritter im Interesse der Rechtssicherheit darauf vertrauen, dass der Kurator berechtigt ist, innerhalb seines Wirkungskreises für den Vertretenen zu handeln.

6. Eine Verpflichtung des Beklagten, ohne weitere Anhaltspunkte den Aufenthaltsort des Kuranden zu recherchieren und im Hinblick auf sein hohes Alter die Frage seines Todes zu klären, besteht damit – vor allem vor dem Hintergrund des aufrechten Bestellungsbeschlusses und der erfolgten pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung des Geschäfts – nicht.

7. Das bedeutet, dass aus Gründen des Rechtsschutzes ein vom Abwesenheitskurator im Rahmen seines Wirkungskreises abgeschlossenes Rechtsgeschäft dem Dritten gegenüber selbst dann gültig ist, wenn das der Bestellung des Kurators vorangegangene Verfahren allenfalls mangelhaft geblieben sein sollte.

Ob von den dargelegten Grundsätzen eine Einschränkung für den Fall vorzunehmen wäre, dass die Bestellung des Abwesenheitskurators vom Dritten erschlichen oder fahrlässig veranlasst wurde oder ihm eine allenfalls nicht ordnungsgemäße Bestellung aufgefallen war oder auffallen hätte müssen, braucht nicht geklärt zu werden, weil dafür keine Anhaltspunkte im Sachverhalt vorliegen.

8. Sowohl der Zustellkurator als auch der Abwesenheitskurator sind gesetzliche Vertreter des Abwesenden mit der hieraus folgenden Rechtsstellung. Regelmäßig erfolgt die Abgrenzung so, dass die Vertretungsbefugnis des Zustellkurators umfänglich auf die Vertretung des Abwesenden in jenem Verfahren beschränkt ist, in dem und für das er vom Prozess-(Verfahrens )gericht bestellt wurde ( Stumvoll in Fasching/Konecny 2 Ergänzungsband § 116 ZPO Rz 7, 10 Ob 9/15v).

Ein – wie hier – ohne Einschränkung gemäß (nunmehr) § 270 ABGB bestellter Abwesenheitskurator ist hingegen ganz allgemein zur Verwaltung des Vermögens des Abwesenden berufen (RIS Justiz RS0049262). § 116 ZPO und § 5 Abs 2 lit b AußStrG stellen Spezialfälle der allgemeinen Abwesenheitskuratorbestellung nach § 270 ABGB dar (RIS Justiz RS0049230 [T1]).

Da entgegen der Annahme der Klägerin die Bestellung der Abwesenheitskuratorin ohne jegliche Einschränkung ihres Wirkungskreises erfolgte, war damit grundsätzlich der Verkauf von Liegenschaften vom Bestellungsbeschluss gedeckt.

9. Ob die Kuratorin (wie vom Kläger behauptet) ihre Sorgfaltspflicht verletzte, indem sie vor Abschluss des Kaufvertrags keine ausreichenden Nachforschungen über den Aufenthalt des Kuranden pflegte und sie den Verkauf der Liegenschaft vornahm, obwohl Rechte des Abwesenden nicht gefährdet und Rechte Dritter in ihrem Gang nicht gehemmt gewesen seien, braucht hier nicht geklärt zu werden. Lägen solche Sorgfaltspflichtverletzungen der Kuratorin während ihrer Bestellung vor, führte dies nicht zur Ungültigkeit des Vertrags, sondern allenfalls zu einer Schadenersatzverpflichtung ihrerseits.

10. Daraus folgt, dass mangels Einschränkung des Wirkungskreises der Nebenintervenientin der Abschluss des Kaufvertrags für die Klägerin als Erbin des Kuranden wirksam ist. Das ihr von der Revision vorgeworfene (hier aber nicht geprüfte) Fehlverhalten könnte daran nichts ändern, sondern nur allenfalls Schadenersatzforderungen gegen sie begründen.

11. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO, im Revisionsverfahren gebührt nur der einfache Einheitssatz.

Rechtssätze
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