JudikaturJustiz7Ob48/19p

7Ob48/19p – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. Juni 2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Hon. Prof. Dr. Höllwerth, Dr. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** AG, *****, vertreten durch Dr. Wolfgang Leitner und andere Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei M***** U*****, vertreten durch Dr. Herbert Marschitz und andere Rechtsanwälte in Kufstein, wegen 122.888,95 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen dasUrteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 14. Jänner 2019, GZ 4 R 155/18b 42, womit das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 23. August 2018, GZ 69 C 117/16d 38, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 11.532,16 EUR (darin 967,86 EUR USt und 5.725 EUR Pauschalgebühren) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte ist bei der Klägerin unfallversichert, wobei als Versicherungssumme für dauernde Invalidität 105.000 EUR bis (bei Anwendung der progressiven Invaliditätsstaffel PREMIUM 300) 315.000 EUR und zusätzlich 100.000 EUR ab einem Invaliditätsgrad von 51 % vereinbart wurden. Dem Unfallversicherungsvertrag liegen die „Allgemeinen Bedingungen für die Unfallversicherung (AUVB 2008)“ sowie die „Besondere Bedingung Nr U802“ (in der Folge: BB U802) und die „Besondere Bedingung Nr U806“ (in der Folge: BB U806) zugrunde; diese Bedingungen lauten auszugsweise wie folgt:

Art 7 AUVB 2008:

„[…]

2. Art und Höhe der Leistung:

2.1. Bei völligem Verlust oder völliger Funktionsunfähigkeit der nachstehend genannten Körperteile und Sinnesorgane gelten die folgenden Invaliditätsgrade:

[…]

eines Beines ……………………………………… 70 %

[…]

2.2. Bei Teilverlust oder Funktionsbe-einträchtigung gilt der entsprechende Teil des jeweiligen Prozentsatzes. […]

3. Für andere Körperteile und Sinnesorgane bemisst sich der Invaliditätsgrad danach, inwieweit die normale körperliche oder geistige Funktionsfähigkeit insgesamt beeinträchtigt ist. Dabei sind ausschließlich medizinische Gesichtspunkte zu berücksichtigen. […]

4. Sind mehrere Körperteile oder Sinnesorgane durch den Unfall beeinträchtigt, werden die nach den vorstehenden Bestimmungen ermittelten Invaliditätsgrade zusammengerechnet. Mehr als 100 % werden jedoch nicht berücksichtigt.

[...]“

BB U802 :

PREMIUM 300 – Progressive Invaliditätsentschädigung bis 300 %

[...]

Demnach erhöht sich die Leistung bei den angeführten Invaliditätsgraden auf folgende Entschädigungswerte (in % der Versicherungssumme):

BB U806 :

EUR 100.000,00 Schutz bei über 50 % dauernder Invalidität

[...]

Bei einem Invaliditätsgrad bis einschließlich 50 % gibt es keinen Anspruch auf Leistung. Ab einem Invaliditätsgrad von 51 % wird die volle Versicherungssumme fällig.

Der Beklagte wurde bei einem Verkehrsunfall insbesondere am rechten Bein und im Bauchraum schwer verletzt. Die Beinwertminderung beträgt laut einem unfallchirurgischen Sachverständigengutachten im Auftrag der Klägerin dauerhaft 30 %. Die sich aufgrund der Unfallfolgen im Bauchbereich ergebende dauernde Invalidität beträgt laut einem ebenfalls im Auftrag der Klägerin erstellten allgemeinchirurgischen Gutachten 20 %. Seit der Begutachtung bis zum Schluss der Verhandlung erster Instanz hat sich der Gesundheitszustand des Beklagten nicht verschlechtert.

Die Klägerin schrieb dem Beklagten unter Anschluss des allgemeinchirurgischen Gutachtens (ein unfallchirurgisches Gutachten hatte sie bereits zu einem früheren Zeitpunkt übermittelt) und einer Entschädigungsquittung, sie könne aufgrund der nun vorliegenden Gutachten eine Abrechnung der Dauerinvalidität für das linke Bein und den Darm dahin vornehmen, dass eine Gesamtinvalidität von 51 % vorliege und sich aufgrund der Progression der Prozentsatz auf 78 % erhöhe. Da ab einem Invaliditätsgrad von 51 % zusätzlich 100.000 EUR entschädigt würden, ergäbe sich eine Gesamtleistung von 185.016,10 EUR und (abzüglich einer Zahlung von 22.888,95 EUR) ein Auszahlungsbetrag von restlich 162.127,15 EUR. Zur Erledigung dieses Schadenfalls wurde der Beklagte ersucht, eine Entschädigungsquittung ausgefüllt und unterfertigt zu retournieren; diese lautet auszugsweise:

Nach Bezahlung des obgenannten Betrages sind meine (unsere) Ansprüche, die aus dem gegenständlichen Vorfall aufgrund des mit Ihnen abgeschlossenen Versicherungsvertrages erhoben wurden oder erhoben werden könnten, zur Gänze befriedigt. Nicht bekannte bzw nicht vorhersehbare Folgen sind, sofern versichert, damit nicht abgegolten, soweit es sich um Folgen von außergewöhnlichem Umfang handelt bzw zu einem krassen Missverhältnis zwischen Schaden und Entschädigungssumme führt.

Die Klägerin bezweckt und beabsichtigt mit solchen Entschädigungsquittungen eine abschließende Erledigung der Entschädigungsansprüche des betroffenen Versicherungsnehmers.

Der Beklagte füllte die Entschädigungsquittung aus, unterschrieb sie und schickte sie noch am selben Tag an die Klägerin zurück, wobei er um kurze Information bat, „ob das so in Ordnung ist“. Auf diese Frage erhielt er von der Klägerin keine Rückmeldung; kurz darauf überwies sie ihm 162.127,15 EUR. Dem Beklagten war bei Unterfertigung der Entschädigungsquittung nicht bewusst und er hielt es auch nicht ernstlich für möglich, dass der Klägerin ein Fehler oder ein Irrtum bei der Berechnung seiner Versicherungsleistung unterlaufen sein könnte. Er hatte zwar ursprünglich nur mit einer Leistung von 50.000 EUR bis 100.000 EUR gerechnet, erklärte sich die höhere Leistung dann aber damit, dass aus dem Schreiben hervorging, dass ab einem Invaliditätsgrad von 51 % zusätzlich 100.000 EUR entschädigt würden. Im Schreiben war für ihn der Endbetrag das Ausschlaggebende.

Etwa ein Monat nach Überweisung an den Beklagten schrieb ihm die Klägerin, sie sei „aufgrund einer internen Revision [...] leider auf einen Berechnungsfehler gestoßen“. Die Dauerfolgen des Darms seien mit 20 % bewertet, die Abrechnung sei „irrtümlicherweise“ aber mit 30 % vorgenommen worden. Die korrekte Abrechnung aufgrund einer Gesamtinvalidität von 41 % und der Progression auf 57 % der Versicherungssumme ergebe 62.127,15 EUR Gesamtleistung; sie ersuche um Refundierung von 122.888,95 EUR.

Der Beklagte leistete keine Rückzahlungen.

Die Klägerin begehrt 122.888,95 EUR sA. Der Beklagte sei um diese irrtümliche Zahlung einer Nichtschuld bereichert und habe sie nach § 1431 ABGB zurückzuzahlen. Ein Vergleich sei nicht abgeschlossen worden; allenfalls werde ein solcher nach § 871 ABGB angefochten, weil die Klägerin im offensichtlichen Erklärungsirrtum gewesen sei, was sie zur Rückforderung nach § 877 ABGB berechtige. Dem Beklagten hätte der Irrtum der Klägerin auffallen müssen, er sei unredlich, nicht schutzwürdig und habe die Auszahlungssumme nicht gutgläubig verbraucht. Es habe keine Nachteilsanrechnung stattzufinden.

Der Beklagte erwiderte, die Parteien hätten mit der – als Voraussetzung für die Auszahlung der Versicherungsleistung von der Klägerin geforderten – Entschädigungsquittung einen Vergleich über die (zumindest bis dahin strittige) Höhe der Versicherungsleistung abgeschlossen. Er sei redlich und ihm sei ein Fehler bei der Abrechnung nicht bewusst gewesen. Der Höhe nach sei die Klagsforderung nicht berechtigt, weil ein Nachteilsausgleich stattzufinden habe. Er sei redlicher Leistungsempfänger und habe die gesamte Versicherungsleistung gutgläubig verbraucht. Die Leistung für Dauerinvalidität komme einer Leistung mit Unterhaltscharakter gleich.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Die Parteien hätten einen Vergleich geschlossen, sodass bereicherungsrechtliche Ansprüche nach § 1431 ABGB ausgeschlossen seien. Ein bei einem Vergleichsabschluss unterlaufender Erklärungsirrtum sei nach den allgemeinen Voraussetzungen der Irrtumsanfechtung gemäß § 871 ABGB anfechtbar. Dem Beklagten als durchschnittlichem Versicherungsnehmer habe der Irrtum nicht offenbar auffallen müssen. Er habe sich auf die Richtigkeit des Inhalts des Schreibens und der Entschädigungsquittung verlassen und davon ausgehen dürfen, dass der angeführte „Endbetrag“ richtig berechnet worden sei und ihm als Versicherungsleistung tatsächlich zustehe. Die Klägerin habe ihren Irrtum auch nicht rechtzeitig aufgeklärt.

Das Berufungsgericht gab der Klage hingegen statt. Zwar sei die Entschädigungsquittung als Vergleich iSd § 1380 ABGB zu werten, weshalb Anspruchsgrundlage für die Rückforderung daher nicht mehr § 1431 ABGB, sondern nur mehr die Irrtumsanfechtung nach § 871 ABGB sein könne. Jedem durchschnittlichen Versicherungsnehmer sei geläufig, dass die Dauerinvalidität anhand von Prozentsätzen ermittelt werde. Hier sei ein einfach nachvollziehbarer Prozentsatz der Dauerinvalidität von 20 % im allgemeinchirurgischen Gutachten zweifelsfrei und gut ersichtlich gewesen. Eine unerwartet hohe Summe wie hier hätte einen sorgfältigen Versicherungsnehmer veranlasst, Verdacht zu schöpfen und den Prozentsatz der Dauerinvalidität nachzuprüfen. Durch die erfolgreiche Irrtumsanfechtung werde der Vertrag ex tunc aufgehoben. Der Beklagte habe der Klägerin den irrtümlich zu viel gezahlten Betrag zurückzustellen. Da dem Beklagten die erhebliche irrtümliche Mehrzahlung auffallen hätte müssen, könne er sich auch nicht auf gutgläubigen Verbrauch bzw auf Nachteilsausgleich berufen.

Die Revision des Beklagten beantragt die Wiederherstellung des Ersturteils, hilfsweise die Reduktion des Zuspruchs um die Zusatzkosten der Fremdfinanzierung einer Wohnung von 20.674,37 EUR; in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zur Wahrung der Rechtssicherheit zulässig und im Sinne des Abänderungsantrags auch berechtigt.

Der Beklagte führt ins Treffen, ein Mangel des Berufungsverfahrens liege darin, dass es ohne Beweiswiederholung eine Sachverhaltsfeststellung nachgetragen habe. Einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer sei über Art und Berechnung der Leistung hinsichtlich Dauerinvalidität aus einer privaten Unfallversicherung gar nichts bekannt; er sei vielmehr auf die Richtigkeit der Auskünfte seiner Versicherungsanstalt oder auf professionelle Betreuung angewiesen und hätte keine Zweifel haben müssen, ob die Klägerin als professionelle Versicherungsanstalt in der Lage ist, eine Versicherungsleistung richtig zu berechnen. Das Berufungsgericht überspanne die Anforderungen an einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer. Selbst bei Zulassung der Irrtumsanfechtung sei der Beklagte als redlicher Empfänger zu betrachten, es hätte ein Nachteilsausgleich zu greifen. Wegen gutgläubigen Verbrauchs der gesamten Versicherungssumme – alternativ wegen des Finanzierungsschadens – sei das Klagebegehren der Höhe nach entweder zur Gänze abzuweisen oder zumindest um den Betrag von 20.674,37 EUR zu kürzen.

Dazu wurde erwogen:

1. Eine im Verfahren vorgelegte Urkunde, die ihrem Inhalt nach unstrittig ist, ist der Entscheidung des Rechtsmittelgerichts ohne weiteres zugrunde zu legen und erfordert nicht die amtswegige Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung (RS0121557 [insb T3]); zu Inhalt und Aussehen des von der Klägerin in Auftrag gegebenen allgemeinchirurgischen Gutachtens durfte das Berufungsgericht auch ohne Beweiswiederholung ergänzende Feststellungen treffen (vgl RS0118509). Der geltend gemachte Mangel des berufungsgerichtlichen Verfahrens liegt nicht vor.

2.1. Ein Vergleich ist die unter beiderseitigem Nachgeben einverständliche neue Festlegung strittiger oder zweifelhafter Rechte (RS0032681). Ein Recht ist strittig oder zweifelhaft, wenn die Parteien sich nicht darüber einigen können oder sich nicht im Klaren sind, ob oder in welchem Umfang es entstanden ist oder noch besteht (RS0032654 [T3]). Es reicht, wenn bloß die Höhe des Anspruchs zweifelhaft ist (RS0032537).

Der Sinn einer

Abfindungserklärung ist die einvernehmliche endgültige Feststellung eines vorher streitigen oder zweifelhaften Rechts (RS0032567). Gegenüber dem Versicherer abgegebene Abfindungserklärungen können bei Annahme als Vergleich iSd §§ 1380 ff ABGB zu beurteilen sein, wobei es auf den Inhalt der jeweiligen Erklärungen ankommt (vgl 7 Ob 235/16h; RS0032483)

2.2. Hier stehen der Inhalt der von der Klägerin ausdrücklich „zur Erledigung dieses Schadenfalles“ verlangten und vom Beklagten unterfertigten Entschädigungsquittung sowie der Umstand fest, dass beide Parteien dies als abschließende Erledigung der aus dem Versicherungsfall resultierenden Ansprüche verstanden. Soweit in der Revisionsbeantwortung der Klägerin neuerlich eine Generalbereinigung angezweifelt wird, ist darauf zu verweisen, dass im fraglichen allgemeinchirurgischen Gutachten eine Verschlechterung und mögliche unfallskausale Folgeoperationen in Ansehung der Gallenblase sowie des Darms berücksichtigt worden waren, während im unfallchirurgischen Gutachten mögliche Verschlechterungen nicht in die Bewertung einflossen. Nach dem Inhalt der Entschädigungsquittung sollten aber Verschlechterungen generell abschließend abgegolten sein, wovon auch nicht vorhersehbare Verschlechterungen umfasst waren; ausgenommen von der Bereinigung wurden nur unvorhersehbare Folgen von außergewöhnlichem oder zu einem krassen Missverhältnis zwischen Schaden und Entschädigungssumme führenden Umfang. Diese Formulierung entspricht auch der ständigen Rechtsprechung, wonach ganz allgemein eine Abfindungsklausel jedenfalls dann als sittenwidrig iSd § 879 Abs 1 ABGB anzusehen ist, wenn der Eintritt nicht vorhergesehener Folgen zu einem ganz krassen und dem Geschädigten völlig unzumutbaren Missverhältnis zwischen Schaden und der bloß auf Basis der bekannten Folgen errechneten Abfindungssumme führt (RS0108259; vgl Krejci in Rummel/Lukas , ABGB 4 § 879 Rz 440 mwN).

Zusammengefasst kann daher hier keine Rede davon sein, dass nur die sich aus den Gutachten ergebenden Folgen bedingungsgemäß abgegolten wurden und keinerlei Neufestlegung zweifelhafter Rechte – in concreto bis zur Sittenwidrigkeitsgrenze – erfolgt wäre.

2.3. Die übereinstimmende Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass mit der Entschädigungsquittung ein Vergleich über die Höhe der dem Beklagten zustehenden Leistungen geschlossen wurde, ist vor diesem Hintergrund nicht zu beanstanden.

3.1. Nach § 1385 ABGB kann ein Irrtum den Vergleich nur insoweit ungültig machen, als er die Wesenheit der Person oder des Gegenstands betrifft. Da der Vergleich dem Zweck dient, strittige oder zweifelhafte Rechte einverständlich neu festzulegen (§ 1380 ABGB) und damit die Strittigkeit oder Zweifelhaftigkeit zu beseitigen, kann er nicht angefochten werden, wenn ein Partner beim Abschluss über den wahren Sachverhalt geirrt hat (§ 1387 ABGB), verlöre doch sonst der Vergleich seinen Sinn (1 Ob 17/17g).

Die Irrtumsanfechtung kommt jedoch in Betracht, wenn der Irrtum dasjenige Wesentliche betrifft, was die Parteien zur Zeit des Vergleichsabschlusses als feststehend, unzweifelhaft und unstreitig angenommen haben (RS0032543; vgl RS0032511); nur ein Irrtum über die „Vergleichsgrundlage“ kann – unter den Voraussetzungen der §§ 870 ff ABGB – eine Vergleichsanfechtung rechtfertigen (vgl RS0032529 [insb T3]), während der Irrtum über einen von der Bereinigungswirkung erfassten Vergleichspunkt nur bei listiger Irreführung durch den Gegner zur Anfechtung berechtigt (RS0032529 [T2, T10]). Es können nur solche Umstände als unstrittige Vergleichsgrundlage angesehen werden, bei denen auch dem Vertragspartner ersichtlich ist, dass insoweit eine übereinstimmende Ansicht beider Parteien vorliegt (RS0032529 [T9]; RS0032543 [T8]). Sind dagegen Gegenstände eines Abfindungsvergleichs auch Ansprüche für nicht bekannte, nicht erkennbare oder nicht vorhersehbare Unfallsfolgen, so kann dieser nicht wegen gemeinsamen Irrtums über die Vergleichsgrundlage angefochten werden, wenn die Vertragsteile bei Abschluss des Vergleichs keine genaue Kenntnis über die Verletzungen und Verletzungsfolgen gehabt haben (RS0032466).

Für die Voraussetzungen der Irrtumsanfechtung trifft grundsätzlich den Anfechtenden die Behauptungs- und Beweislast (RS0032529 [T8] = RS0032543 [T7]; RS0093831).

3.2. Hier ist nicht von einem die „Vergleichsgrundlage“ betreffenden Irrtum auszugehen. Der Revisionswerber weist zutreffend darauf hin, dass die Berechnung der Versicherungsleistung nur durch ein Zusammenspiel von mehreren Polizzenbestimmungen und Bedingungsklauseln über Versicherungssummen, Invalidität, Gliedertabelle und Progression zu bewerkstelligen ist. Befund und Gutachten der von der Klägerin beigezogenen Sachverständigen gaben zwar für die vorzunehmende Bemessung der Versicherungsleistung einen Ausgangspunkt ab. Davon ausgehend legten die Parteien aber den Invaliditätsgrad und die danach zu erbringende Leistung und – wie oben in Punkt 2.2. dargelegt – auch den Umfang der damit abgegoltenen künftigen Unfallsfolgen fest. Damit ergibt sich aus der Entschädigungsquittung, dass über die sich aus den Gutachten ergebenden Invaliditätsgrade hinaus auch künftige vorhersehbare und – zum Teil – sogar nicht vorhersehbare Verschlechterungen bedacht und bereinigt werden sollten. Damit liegt kein Irrtum über die Vergleichsgrundlage vor. Die Parteien machten vielmehr den Invaliditätsgrad zum Gegenstand der Vergleichsbereinigung (vgl 8 Ob 84/87). Die Festlegung des Invaliditätsgrades ist daher als maßgeblicher Vergleichspunkt anzusehen, der nach dem oben Gesagten nicht angefochten werden kann.

Auf die Frage, ob der Irrtum hätte auffallen müssen, kommt es damit nicht an. Dass der Beklagte listig gehandelt hätte, ist weder behauptet worden noch hervorgekommen.

3.3. Auch auf die Fragen des gutgläubigen Verbrauchs und der Nachteilsanrechnung kommt es nicht mehr an.

4. Es war daher das gesamte erstgerichtliche Urteil einschließlich seiner Kostenentscheidung wiederherzustellen.

5. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens stützt sich auf §§ 50, 41 ZPO.

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