JudikaturJustiz7Ob295/03p

7Ob295/03p – OGH Entscheidung

Entscheidung
14. Januar 2004

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Sybille M*****, vertreten durch ihren Sachwalter Dr. Dieter Stromberger, Rechtsanwalt in Villach, gegen die beklagte Partei Dr. Zbigniew Jan B*****, vertreten durch Dr. Elmar Ther, Rechtsanwalt in Villach, wegen Räumung (Streitwert EUR 5.460, ), über den Rekurs der Klägerin gegen das Urteil (richtig: den Beschluss) des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgericht vom 23. September 2003, GZ 2 R 290/03d 15, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Villach vom 5. Mai 2003, GZ 1 C 512/02t 11, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Mutter der Klägerin (im Folgenden auch Erblasserin genannt) und der Beklagte waren seit Jahren Lebensgefährten. Sie lebten gemeinsam mit der Klägerin zunächst in einer (nunmehr der Klägerin, der sie von ihrer Mutter geschenkt wurde, gehörigen) Wohnung in V***** und ab Sommer 2000 in dem von der Erblasserin errichteten Haus *****. Zwei Tage vor ihrem Tod am 19. 9. 2001 heiratete die an Krebs erkrankte Erblasserin den Beklagten in einem Krankenhaus in V*****, wo sie stationär behandelt worden war. Als Ehegatten haben sich der Beklagte und die Erblasserin somit niemals gemeinsam in deren Haus aufgehalten.

Mit der Klage begehrt die Klägerin, der auf Grund ihrer als Testamentserbin abgegebenen bedingten Erbserklärung die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses ihrer Mutter gemäß §§ 810 ABGB, 145 AußStrG überlassen worden war, den Beklagten zur Räumung des erwähnten Hauses zu verpflichten. Der Beklagte wohne ohne Rechtsgrund im Haus und habe überdies unmittelbar nach dem Tod der Erblasserin sein Verhalten ihr, der Klägerin, gegenüber in einer Weise geändert, die ihr das Zusammenleben unzumutbar mache. Der Beklagte habe ihr Gegenstände weggenommen, sie lautstark beschimpft und sogar tätlich angegriffen.

Der Beklagte , dem über Antrag der Klägerin inzwischen mit einstweiliger Verfügung rechtskräftig aufgetragen wurde, das Haus und dessen unmittelbare Umgebung zu verlassen und bis zur Beendigung des gegenständlichen Verfahrens nicht zurückzukehren, beantragte die Klage abzuweisen. Er wendete ein, ein Ehegattenvorausvermächtnis im Sinne eines Wohnrechtes im Haus zu haben. Für ihn und für seine verstorbene Ehefrau sei nicht erkennbar gewesen, dass diese das Krankenhaus nicht mehr verlassen (und nicht in das Haus zurückkehren) werde können. Die Erblasserin habe ihm an der (später) der Klägerin geschenkten Wohnung testamentarisch ein Wohnrecht eingeräumt und habe ihn also erkennbar nach ihrem Ableben wohnversorgt sehen wollen. Er habe die Klägerin niemals beschimpft oder attackiert. Im Übrigen sei diese noch nicht Eigentümerin des Hauses und daher zur Einbringung der Räumungsklage nicht berechtigt.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Den von ihm festgestellten, eingangs zusammengefasst wiedergegebenen Sachverhalt beurteilte es rechtlich dahin, dass der Beklagte das Haus ohne Rechtsgrund bewohne. Das gesetzliche Vorausvermächtnis gemäß § 758 ABGB gebe dem überlebenden Ehegatten zwar das Recht, in der Ehewohnung weiter zu wohnen; als Ehewohnung sei jedoch nur eine solche Wohnung anzusehen, die während der Ehe von den Ehegatten gemeinsam benützt worden sei. Ein allenfalls testamentarisch für die Wohnung eingeräumtes Wohnrecht erstrecke sich nicht auf das gegenständliche Haus. Der Beklagte bewohne das Haus demnach ohne Rechtsgrund, sodass es sich erübrige, auf den von der Klägerin eventualiter herangezogenen Unvergleichsfall auf Grund des behaupteten unzumutbaren Verhaltens des Beklagten einzugehen.

Das Berufungsgericht hob das Urteil der ersten Instanz auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück, wobei es aussprach, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes insgesamt EUR 4.000, - übersteige und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Nach den Gesetzesmaterialien entspreche der Begriff der Ehewohnung in § 758 ABGB dem des § 81 Abs 2 EheG. Allerdings verfolge § 758 ABGB einen anderen Zweck als die Aufteilungsvorschriften der §§ 81 ff EheG. Man müsse daher beim gesetzlichen Vorausvermächtnis als weiteres Erfordernis verlangen (arg "weiter zu wohnen"), dass der überlebende Ehegatte die Ehewohnung bis zum Zeitpunkt des Erbfalles tatsächlich als solche benützt habe. Das gegenständliche Haus sei vom Beklagten und seiner langjährigen Lebensgefährtin und zuletzt Ehegattin schon etwa ein Jahr gemeinsam benützt worden, wenn sie auch zu diesem Zeitpunkt noch nicht verheiratet gewesen seien. Wenn die Mutter der Klägerin und Ehefrau des Beklagten auch auf Grund ihres Todes nicht mehr in die gemeinsame Wohnung zurückgekehrt sei, so ließen sich doch keinerlei Anhaltspunkte dafür finden, dass sie, wenn sie das Krankenhaus wieder hätte verlassen können, nicht gemeinsam mit dem Beklagten als ihrem Ehegatten dort gelebt hätte. Es sei vielmehr davon auszugehen, dass mit dem Zeitpunkt der Eheschließung die schon bisher gemeinsam benutzte Wohnung Ehewohnung geworden sei, dies nicht zuletzt auch deshalb, weil die Erblasserin bis zuletzt ihren Hauptwohnsitz im gegenständlichen Haus gehabt habe und sie das Haus insoferne auch selbst benützt habe. Dem Beklagten stehe daher gemäß § 758 ABGB das Recht zu, dort weiter zu wohnen. Damit erübrige es sich, darauf einzugehen, inwieweit ein testamentarisch bezüglich der (nunmehr im Eigentum der Klägerin stehenden) Wohnung eingeräumtes Wohnrecht auch für das streitgegenständliche Haus von Relevanz sei.

Das Verfahren sei jedoch noch nicht spruchreif. Denn wenn auch dem Beklagten grundsätzlich ein Anspruch zukomme, weiter im Haus zu wohnen, so sei die Klägerin doch nicht verpflichtet, die Ausübung dieses Rechtes weiter zu dulden, wenn der Beklagte durch sein Verhalten den Fortbestand einer Wohngemeinschaft unzumutbar mache. Das Erstgericht werde sich daher im fortzusetzenden Verfahren mit dem Vorbringen der Klägerin hinsichtlich der Zumutbarkeit des weiteren Zusammenlebens auseinanderzusetzen und diesbezügliche Feststellungen zu treffen haben.

Seinen Ausspruch der Zulässigkeit des Rekurses an den Obersten Gerichtshof begründete das Berufungsgericht damit, dass zur Frage, ob das gesetzliche Vorausvermächtnis des überlebenden Ehegatten voraussetze, dass die gemeinsam bewohnte Wohnung dies auch noch nach der Eheschließung gewesen sei, keine höchstgerichtliche Rechtsprechung existiere.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes richtet sich der Rekurs der Klägerin, die unrichtige rechtliche Beurteilung geltend macht und beantragt, den angefochtenen Aufhebungsbeschluss im Sinne einer Klagsstattgebung (also im Sinne der Wiederherstellung des Ersturteiles) abzuändern, oder dem Berufungsgericht eine neuerliche, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällende Entscheidung aufzutragen.

Der Beklagte begehrt in seiner Rekursbeantwortung, dem Rechtsmittel der Klägerin keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Im Hinblick darauf, dass die Vorinstanzen zum betreffenden Einwand des Beklagten nicht (ausdrücklich) Stellung genommen haben, ist vorweg zu bemerken, dass die Klägerin, auch wenn sie noch nicht Eigentümerin des gegenständlichen Hauses ist, als erbserklärte Testamentserbin, die mit der Verwaltung des Nachlasses betraut wurde, zur Erhebung einer Räumungsklage grundsätzlich legitimiert ist (vgl GlU 5312; AnwZ 1935, 298; SZ 28/267; JBl 1968, 522 [524]). Zu erwähnen ist auch, dass der Klägerin - wie im Ersturteil unbekämpft festgestellt wurde - zu 29 P 32/02g des Bezirksgerichtes Villach der von ihr gewählte Anwalt als Sachwalter zur Vertretung vor Ämtern, Behörden und Gerichten bestellt und die Vertretung des Sachwalters im gegenständlichen Verfahren mit Beschluss vom 20. 12. 2002 pflegschaftsgerichtlich genehmigt wurde.

Die Rekurswerberin widerspricht der Ansicht des Berufungsgerichtes, das gegenständliche, von der Beklagten mit dem Erblasser gemeinsam bewohnte Haus sei durch die Verehelichung zur Ehewohnung geworden, sodass dem Beklagten gemäß § 758 ABGB das Recht zustehe, dort weiter zu wohnen. Um als Ehewohnung im Sinne der genannten Gesetzesstelle zu gelten, müsse eine Wohnung (bzw ein Haus - RIS Justiz RS0057678) während der Ehe von den Ehegatten einmal gemeinsam benützt worden sein. Da dies hier niemals der Fall gewesen sei, gebühre dem Beklagten kein gesetzlichen Vorausvermächtnis, im Haus weiter zu wohnen. Die bloße Widmung einer Wohnung als Ort des gemeinsamen Wohnens reiche nicht aus, damit sie zur Ehewohnung iSd § 758 ABGB werde. Das gegenständliche Haus hätte daher nur dadurch zur Ehewohnung werden können, dass die Erblasserin dahin zurückgekehrt wäre.

Dem kann nicht beigepflichtet werden. Gemäß § 758 ABGB idF des ErbRÄG (BGBl 1989/656) steht dem überlebenden Ehegatten als gesetzliches Vorausvermächtnis das Recht zu, in der Wohnung weiter zu wohnen und die zum Haushalt gehörenden beweglichen Sachen zu benützen. Das Vorausvermächtnis soll nach der erklärten Absicht des Gesetzgebers (JAB 1158 BlgNR 17. GP 4) dem überlebenden Ehegatten seine bisherigen Lebensverhältnisse erhalten und sichern. Der Tod des Ehegatten soll nicht dazu führen, dass der andere die ihm vertrauten Dinge des Alltages verliert. Der hinterbliebene Ehegatte soll seine gewohnte Umgebung beibehalten können. Sein Anspruch auf die Ehewohnung bleibt inhaltlich gleich und setzt sich als Anspruch gegen den Vermächtnisschuldner fort (1 Ob 2364/96w, SZ 70/47 mwN; 6 Ob 184/99y, JBl 2000, 377; 6 Ob 13/02h).

Bezüglich des Begriffs "Ehewohnung" verweisen die Materialien (s neuerlich JAB 1158 BlgNR 17. GP 4) auf § 81 Abs 1 EheG (vgl dazu auch Eccher , Zum neuen Wohnrecht des überlebenden Ehegatten, WoBl 1991, 1 [2]), verstehen darunter also "jenen Verband, der der Abwicklung des ehelichen Lebens dient und in dem die Haushaltsführung, Pflege und Erziehung der Kinder gewöhnlich stattfinden" (SZ 53/48; SZ 54/114; SZ 54/126; vgl Bernat in Schwimann I 2 Rz 14 zu § 81 EheG; vgl auch Stabentheiner in Rummel 3 Rz 7 zu § 81 EheG mwN). Darüber hinaus muss es sich, da sonst von einem "Weiterwohnen" keine Rede sein könnte, nach hM um die bisherige Ehewohnung handeln (NZ 1996, 304 [Zankl]; Eccher aaO; Welser in Rummel 3 Rz 7 zu § 758 ABGB).

Die Auffassung des Berufungsgerichtes, das gegenständliche Haus sei als "bisherige Ehewohnung" iSd § 758 ABGB anzusehen, da es von der Erblasserin und dem Beklagten bereits mehr als ein Jahr lang gemeinsam - wenn auch noch nicht als Eheleute - bewohnt wurde, ist zu billigen. Ausgehend von dem dargestellten Sinn und Zweck der Bestimmung des § 758 ABGB, das Wohnrecht des überlebenden Ehegatten zu sichern, dessen Bedarf nicht nach § 14 MRG, § 10 WEG oder anderen Sonderbestimmungen des Wohnrechtes (vgl zB § 20 Abs 3 WGG) gedeckt ist ( Welser aaO mwN) kann es, wenn die Ehegatten, wie hier, ein von ihnen längst bewohntes Haus auch als weitere Ehewohnung bestimmt haben, nicht darauf ankommen, ob der Erblasser und der überlebende Ehegatte einmal auch tatsächlich darin gemeinsam als Eheleute gewohnt haben, oder nur durch den Tod des Erblassers daran gehindert wurden. Liegt doch hier nicht nur eine bloße Widmung als Ort des gemeinsamen zukünftigen Wohnens der Ehegatten vor (die nach Stabentheiner in Rummel 3 Rz 7 zu 81 EheG zur Vermeidung eines allzu weitgehenden Begriffsverständnisses im Aufteilungsverfahren nicht ausreichen soll), sondern hat sich die Widmung des gegenständlichen Hauses als Ehewohnung durch das vorhergehende dortige Zusammenwohnen der späteren Eheleute bereits augenfällig manifestiert und bekräftigt. Auch in einem Fall wie dem vorliegenden muss nach den Intentionen des Gesetzgebers, dem überlebenden Ehegatten zu ermöglichen, die vertraute Umgebung beizubehalten, daher dem überlebenden Ehegatten das Recht zugebilligt werden, wie bisher im Haus des verstorbenen Ehegatten - entsprechend den tatsächlichen Lebensverhältnissen zum Todeszeitpunkt (vgl SZ 66/102; RIS Justiz RS0012824) weiter zu wohnen. Nach dem JAB 5 soll durch den Begriff "weiter" zum Ausdruck gebracht werden, dass der überlebende Ehegatte die Wohnung so benützen können soll wie bisher. Hatte er etwa mit Kindern des Erblassers gemeinsam gewohnt (was hier in Ansehung der Klägerin der Fall war), so habe er keinen Anspruch, nun allein ohne die Kinder in der Wohnung zu leben. Habe er nur einen Teil der Wohnung bewohnt, so erstrecke sich sein Recht auch nur auf diesen Teil.

Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin hat das Berufungsgericht daher dem Beklagten ohne Rechtsirrtum im Rahmen des Vorausvermächtnisses gemäß § 758 ABGB ein Wohnrecht im gegenständlichen Haus zugebilligt. Da dieses Wohnrecht auf einem (gesetzlichen) Dauerschuldverhältnisses zwischen dem überlebenden Ehegatten (hier dem Beklagten) und dem Erben (hier der Klägerin) beruht, kann es - so wie andere Dauerschuldverhältnisse - aus wichtigem Grund beendet werden ( Zankl , Das gesetzliche Vorausvermächtnis des Ehegatten, 247 ff; ders, Das Wohnrecht des überlebenden Ehegatten gemäß § 758 ABGB, immolex 1997, 145). Ein solcher wichtiger Grund wurde von der Klägerin behauptet. Dagegen, dass in diesem Zusammenhang - um verlässlich beurteilten zu können, ob ein solcher wichtiger Grund gegeben ist - das Verfahren noch ergänzt werden muss, bringt die Rekurswerberin in ihrem Rechtsmittel, das aus den dargestellten Gründen erfolglos bleiben muss, ohnehin nichts vor.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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