JudikaturJustiz7Ob270/01h

7Ob270/01h – OGH Entscheidung

Entscheidung
07. Dezember 2001

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer, Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Rosa S*****, vertreten durch Dr. Daniela Witt-Dörring, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei Richard H*****, vertreten durch Dr. Christian Widl, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 151.487,-- sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 16. Mai 2001, GZ 14 R 67/01b-14, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 1. Februar 2001, GZ 54 Cg 76/00v-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision der beklagten Partei wird zurückgewiesen. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei zu Handen ihrer Vertreterin binnen 14 Tagen die mit S 9.451,80 (hierin enthalten S 1.575,30 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Beklagte, der seinen eigenen PKW der klagenden Partei zur Reparatur überlassen hatte, erhielt von dieser im Jänner 2000 für die Zwischenzeit einen bereits sechs Jahre alten Ersatzwagen der Marke Volvo mit einem Kilometerstand von rund 88.000 unentgeltlich zur Verfügung gestellt, der bei einem vom Beklagten am 28. 1. 2000 verursachten Verkehrsunfall total beschädigt wurde. Der PKW war nur haftpflicht-, jedoch nicht auch (voll-)kaskoversichert. Der Wiederbeschaffungswert betrug S 166.000,--, der Wrackwert S 25.000,--; die Reparaturkosten hätten einen Aufwand von S 199.559,-- inklusive Umsatzsteuer erfordert. Der Klägerin erwuchsen an weiteren Kosten S 1.702,-- für einen Feuerwehreinsatz, S 1.500,-- für Abschleppkosten, S 550,-- für die Jahresvignette, S 2105,-- an An- und Abmeldekosten, S 4.880,-- an Mehrprämie auf Grund der Rückreihung im Bonus-Malus-System sowie schließlich S 1.000,-- an sonstigen unfallkausalen Nebenspesen. Ihr Gesamtschaden betrug S 151.487,--. Mit der am 13. 7. 2000 eingebrachten Klage begehrte die Klägerin die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung dieses Betrages samt 4 % Zinsen seit 28. 1. 2000.

Der Beklagte bestritt das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach und wendete ein, darauf vertraut zu haben, dass es branchenüblich sei, einen solchen Ersatz-PKW für die Reparaturdauer nur mit Kaskoversicherung überlassen zu bekommen; darüber, dass der gegenständliche PKW nur haftpflichtversichert gewesen sei, sei er nicht aufgeklärt worden. Die klagende Partei habe damit ihr obliegende Aufklärungspflichten verletzt.

Beide Vorinstanzen gaben dem Klagebegehren statt. Das Erstgericht beurteilte den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt rechtlich dahin, dass die unentgeltliche Überlassung des PKWs als Leihe im Sinne des § 974 ABGB zu qualifizieren sei, woraus sich die Pflicht des Beklagten (als Entlehner) ergebe, dieselbe (also unbeschädigte) Sache wieder zurückzustellen. Den Beweis, dass die Beschädigung ohne sein Verschulden eingetreten sei, habe er nicht einmal angetreten. Die unentgeltliche Überlassung eines bloß haftpflichtversicherten Leihwagens ohne Vollkaskoschutz sei keineswegs ungewöhnlich. Eine Aufklärungspflichtverletzung liege nicht vor. Sein Vorbringen lasse sich auch nicht als Geltendmachung einer Irrtumsanfechtung deuten. Das Berufungsgericht führte demgegenüber aus, dass zwar im Vorbringen des Beklagten auch eine Irrtumsanfechtung zu erblicken sei, hiefür jedoch die Voraussetzungen fehlten. Mit Koziol sei auch eine Obliegenheit der Klägerin zu verneinen, dem Beklagten (als späterem Schädiger) die Ersatzpflicht seiner Haftung durch einen Versicherungsabschluss gleichsam abzunehmen. Die Unterlassung des Abschlusses einer derartigen Versicherung begründe daher weder ein Mitverschulden noch eine (sonstige) Obliegenheitsverletzung. Eine solche Kaskoversicherung sei auch nach den Erfahrungen des Berufungsgerichtes nur bei relativ neuwertigen Fahrzeugen, sicher nicht jedoch bei einem bereits sechs Jahre alten PKW (wenn überhaupt) branchenüblich. Der Beklagte habe daher für den eingetretenen Schaden einzustehen. Anleitungs- und/oder Erörterungspflichten habe das Erstgericht in diesem Zusammenhang auch nicht verletzt. Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision mit der Begründung zu, dass hinsichtlich der Regressmöglichkeit gegenüber einem Entlehner und der diese ausschließende Haftungsfreistellung Judikatur nicht auffindbar sei, sodass erhebliche, über den Einzelfall hinausreichende Rechtsfragen zu lösen wären.

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, die bekämpfte Entscheidung im Sinne einer Klageabweisung abzuändern; hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der primär die Zurückweisung des gegnerischen Rechtsmittels wegen Unzulässigkeit, in eventu diesem keine Folge zu geben beantragt wird.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht zulässig. An den gegenteiligen Ausspruch des Berufungsgerichtes ist der Oberste Gerichtshof nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO).

Soweit Verfahrensmängel erster Instanz, welche bereits Gegenstand des Berufungsverfahrens waren und vom Berufungsgericht verworfen wurden, neuerlich releviert werden (insbesondere Verletzung der richterlichen Anleitungspflicht), ist gleich vorweg zu erwidern, dass solche nicht im Revisionsverfahren erneut mit Erfolg geltend gemacht werden können (Kodek in Rechberger, ZPO2 Rz 3 zu § 503; RIS-Justiz RS0106371). Gemäß § 510 Abs 3 dritter Satz ZPO bedarf dies keiner weiteren Begründung.

Die Auslegung eines konkreten Vertragsverhältnisses zwischen zwei Parteien stellt nur dann eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO dar, wenn das Berufungsgericht dabei die Rechtslage krass verkannt hätte oder von den allgemein anerkannten Regeln der Vertragsauslegung abgewichen wäre (7 Ob 142/97a; RIS-Justiz RS0044358). Davon kann im vorliegenden Fall keine Rede sein:

Dass das Rechtsverhältnis zwischen den Streitteilen betreffend die unentgeltliche Überlassung eines PKWs durch einen Kraftfahrzeughändler (und Reparaturbetrieb) an seinen Kunden als Leihvertrag zu qualifizieren ist, hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen (5 Ob 2015/96a). Dass die Überlassung nicht unentgeltlich erfolgt wäre - wie nunmehr in der Revision behauptet - widerspricht der ausdrücklichen eigenen Außerstreitstellung des Beklagten in der Streitverhandlung vom 10. 1. 2001 (ON 8). Nur für diesen Fall (nämlich einer entgeltlichen) Fahrzeugüberlassung wird auch der Einwand der Branchenüblichkeit einer Vollkaskoversicherung bei Mietfahrzeugen neuerlich releviert. Damit entfernt sich der Revisionswerber jedoch von den Feststellungen der Tatsacheninstanzen, wonach eben gerade kein (entgeltlicher: § 1090 ABGB) Bestandvertrag über das Ersatzfahrzeug geschlossen worden war. Handelte es sich jedoch um einen Leihvertrag, dann hatte der Beklagte als Entlehner gleich einem Verwahrer für diejenigen Schäden aufzukommen, die durch sein Verschulden an der geliehenen Sache entstanden (§ 979 ABGB; Koziol/Welser II12 183; 5 Ob 2015/96a). Dass er den verfahrensgegenständlichen Unfall nicht verschuldet hätte, wurde nicht einmal in der Klagebeantwortung behauptet. Auch die Höhe der hieraus entstandenen und nunmehr geltend gemachten (aus diesem Titel zugesprochenen) Schadenersatzbeträge bildet im Revisionsverfahren keinen Streitpunkt (mehr). Dass zur behaupteten Branchenüblichkeit einer Kaskoversicherung im Fahrzeughandel überlassener Ersatzfahrzeuge kein Sachverständigengutachten eingeholt wurde (was als weitere Mangelhaftigkeit gerügt wird), kann schon deshalb keine erhebliche Rechtsfrage (diesfalls des Verfahrensrechtes) begründen, weil der Beklagte ein derartiges Beweisanbot im gesamten Verfahren erster Instanz nie gestellt, sondern als einziges Beweismittel (für sein gesamtes Bestreitungsvorbringen) nur "PV" (also seine Parteinvernehmung) angeboten hat (ON 2 und 8). Die Nichtaufnahme dieses (nach dem Vorgesagten gar nicht angebotenen) Beweismittels wurde auch in der Berufung nicht als Mangelhaftigkeit des Verfahrens erster Instanz gerügt; auch dies kann daher in der Revision nicht mit Erfolg nachgeholt werden (RIS-Justiz RS0043111). Sollte mit "Branchenüblichkeit" das Bestehen eines Handelsbrauches gemeint sein, so handelt es sich in der Verneinung eines solchen durch das Berufungsgericht (jedenfalls bei Gebrauchtfahrzeugen mit wie hier hoher Kilometerzahl und Jahre zurückliegendem Baujahr) um eine nicht revisible Tatfrage (RIS-Justiz RS0042274, 010997, 006208, 0062133). Die Geltendmachung eines hiezu erst im Rechtsmittelverfahren aufgegriffenen neuen Beweismittels verstößt überdies gegen das Neuerungsverbot. Schließlich hat das Berufungsgericht auch zutreffend eine Aufklärungspflicht der Klägerin als Übergeber der geliehenen Sache verneint, weil eine solche in der Regel nur dann nach der Verkehrsauffassung verlangt werden kann, wenn das Fehlen bestimmter Eigenschaften den Gebrauch der Sache für den Übernehmer gefährlich oder sonst riskant machen würde (RIS-Justiz RS0018792). Davon kann beim Fehlen einer Kasko-, jedoch Bestehen einer aufrechten gesetzlichen Haftpflichtversicherung selbstredend ebenfalls keine Rede sein. Vielmehr wäre es in casu am Beklagten gelegen, sich vor Übernahme des Fahrzeuges über den Bestand oder Nichtbestand einer solchen Kaskoversicherung selbst verbindlich Gewissheit zu verschaffen. Auf Irrtumsanfechtung nach den Regeln des § 871 ABGB kommt er in der Revision nicht mehr zurück; vielmehr behauptet er selbst hierin, dass die Tatsache der Vollkaskoversicherung für ihn nur ein (wenngleich wesentliches) "Motiv" gewesen sei. Damit erweist es sich - zusammenfassend -, dass keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO vorliegt. Die Revision ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die klagende Partei hat auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels zutreffend hingewiesen.