JudikaturJustiz7Ob262/05p

7Ob262/05p – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. November 2005

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gerald G*****, vertreten durch Prunbauer, Themmer Toth, Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei W***** AG, *****, vertreten durch Dr. Wolfgang Heufler, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 4.037, - sA, über die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 24. August 2005, GZ 35 R 454/05g 18, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 2. März 2005, GZ 78 C 425/04g 13, infolge Berufung des Klägers bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung einschließlich der bestätigten Teile insgesamt zu lauten hat:

„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei EUR 216, - samt 4 % Zinsen seit 15. 6. 2004 binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Das Mehrbegehren auf Zuspruch eines weiteren Betrages von EUR 3.821, - samt 4 % Zinsen seit 15. 12. 2003 sowie von 4 % Zinsen aus EUR 216, vom 15. 12. 2003 bis 14. 6. 2004 wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 1.042,21 (darin enthalten EUR 172,37 USt und EUR 8, - an Barauslagen) bestimmten Verfahrenskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Die klagende Partei ist ferner schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 582,96 (darin enthalten EUR 97,16 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit EUR 399,74 (darin enthalten EUR 66,62 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger hat seine Wohnung in ***** W***** bei der beklagten Partei im Rahmen einer Haushaltsversicherung ua gegen Einbruchsdiebstahl versichert. Dem Versicherungsvertrag liegen die Allgemeinen Bedingungen für Haushaltsversicherungen (ABH) zugrunde, die ua folgende Bestimmungen enthalten:

I. Sachversicherung

Art 1 - Welche Sachen und Kosten sind versichert?

1. Sachen:

1.1 Der gesamte Wohnungsinhalt.

Dieser umfasst alle beweglichen Sachen, die dem privaten Gebrauch oder Verbrauch dienen und im Eigentum des Versicherungsnehmers, des Ehegatten/Lebensgefährten, der Kinder und anderer Verwandter, die im gemeinsamen Haushalt leben, stehen.

...

Art 2 Welche Gefahren und Schäden sind versichert?

...

3.3 Haftungsbegrenzungen:

Für Bargeld, Valuten, Einlagebücher ohne Klausel, Schmuck, Edelsteine, Briefmarken und Münzensammlungen ist die Haftung mit folgenden Beträgen begrenzt:

a)a) In - auch unversperrten - Möbeln oder im Safe ohne Panzerung oder freiliegend

a)a für Bargeld, Valuten, Einlagebücher ohne Klausel EUR 2.200, , davon freiliegend EUR 500, -

...

Art 6 - Was wird im Schadenfall entschädigt?

1. Ersatzleistung

1.1 Es wird der Schaden ersetzt, der durch die unmittelbare Einwirkung der versicherten Gefahren oder deren unvermeidliche Folge entsteht.

1.2 Bei zerstörten oder entwendeten Sachen die Kosten der Anschaffung neuer Sachen gleicher Art und Güte (Wiederbeschaffungspreis am Tag des Schadens).

...

5.) Fälligkeit festgestellter Entschädigungen

Es gelten die Bestimmungen des Art 11 (1) ABS. Der Versicherungsnehmer erwirbt den Anspruch auf Zahlung des die Zeitwertentschädigung übersteigenden Teiles der Entschädigung nur insoweit, als die Verwendung der Entschädigung zur Wiederbeschaffung oder Wiederherstellung von Gegenständen des Wohnungsinhaltes innerhalb eines Jahres nach dem Schadenfall sichergestellt ist.

...

In der Nacht auf den 7. 6. 2003 wurde gegen 23.45 Uhr von unbekannten Tätern in die Wohnung des Klägers, in der dieser, seine Ehefrau und zwei Kinder schliefen, eingebrochen. Der oder die Täter stahlen folgende Gegenstände (deren Neuwert = Wiederbeschaffungswert - linke Spalte - dem Zeitwert - rechte Spalte - gegenübergestellt wird):

Bargeld EUR 608, EUR 608, -

eine Handtasche

„Esprit" EUR 40, - EUR 28, -

eine Damensonnenbrille EUR 30, - EUR 22, -

zwei Geldbörsen EUR 98, - EUR 56, -

eine Armbanduhr

„Swatch Chrono" EUR 109, - EUR 70, -

zwei Monatskarten

Wiener Linien EUR 90, - EUR 90, -

ein Mobiltelefon

Sony J 70 EUR 139, - EUR 111, -

ein Mobiltelefon

Siemens M 50 EUR 249, EUR 186, -

ein Mobiltelefon

Sony Ericsson T 600 EUR 300, - EUR 240, -

ein Mobiltelefon

Sony Ericsson T 310 EUR 635, - EUR 570, -

ein Spielcomputer

Nintendo EUR 99, - EUR 90, -

ein Reisepass EUR 69, - EUR 69, -

zwei gelbgoldene Ehe-

ringe EUR 349, - EUR 200, -

ein paar gelbgoldene

Ohrstecker EUR 160, - EUR 100, -

drei gelbgoldene Damen-

ringe EUR 124, - EUR 75, -

EUR 215, - EUR 140, -

EUR 275, - EUR 175, -

zwei gelbgoldene Hals-

ketten EUR 270, - EUR 165, -

eine gelbgoldene Hals-

kette EUR 195, - EUR 120, .

Die gestohlenen Gegenstände hatten demnach insgesamt einen Zeitwert von EUR 3.095, - und einen Wiederbeschaffungswert von EUR 4.054, .

Weiters wurden der Ehefrau des Klägers eine Bankomatkarte und eine „Sparkarte" („Pluscard" der CA BV) gestohlen, die sich in ihrer Geldbörse befanden. Die Codes zu diesen Karten waren - ebenso wie ein Teil des Schmuckes - in einer versperrten Stahlkassette aufbewahrt, die sich in einer Holzschatulle im Wohnzimmerschrank befand und mitsamt dem Inhalt gestohlen wurde. Um etwa 5.20 Uhr wurden unter Verwendung der gestohlenen Karten und Codes - offenbar vom Einbrecher - drei Bankomatbehebungen in Höhe von insgesamt EUR 3.110, - getätigt; diese Beträge wurden vom Konto der Ehefrau des Klägers abgebucht, die ihren Anspruch aus dem Schadensfall an ihren Ehemann abgetreten hat.

Sofort nach dem Diebstahl ersetzte der Kläger die gestohlenen Mobiltelefone durch neue Geräte. Da dazu vorwiegend die beim Netzbetreiber gesammelten „Mobilpoints" in Anspruch genommen und eine Vertragsverlängerung durchgeführt wurde, konnten die Geräte zu einem geringen, nicht mehr feststellbaren Preis erworben werden. Da das Konto des Klägers - jedenfalls zum Teil infolge der unbefugten Behebungen - überzogen war, erfolgten ansonsten (hinsichtlich der übrigen gestohlenen Gegenstände) keine Ersatzanschaffungen. Der Kläger legte auch hinsichtlich der wiederbeschafften Mobiltelefone der Beklagten keine Rechnung. Aber auch sonst legte er ihr keine Angebote oder Kostenvoranschläge vor, die auf eine Absicht, die gestohlenen Gegenstände durch neue zu ersetzen, schließen hätten lassen.

Die Beklagte hat dem Kläger auf Grund des Schadensfalles vom 7. 6. 2003 EUR 3.095, - bezahlt.

In der Klage bezifferte der Kläger seinen gesamten beim Einbruchsdiebstahl erlittenen Schaden mit EUR 7.132, - (statt, wie die Zusammenrechnung der Wiederbeschaffungswerte von EUR 4.054, - und der Bankomatbehebungen von EUR 3.110, - ergibt, mit EUR 7.164, ) und forderte daher den Zuspruch eines weiteren Betrages von EUR 4.037, . Er habe keine Möglichkeit gehabt, die Wiederbeschaffung zu dokumentieren. So seien etwa die Mobiltelefone durch die Inanspruchnahme eines „Punktevorgriffs" neu erworben worden und sei hierfür eine Vertragsverlängerung mit dem Netzbetreiber erforderlich gewesen. Die gestohlenen Schmuckstücke seien Schenkungen gewesen, die nicht wiederbeschafft hätten werden können.

Die Beklagte beantragte Klagsabweisung. Mangels Vorlage von Rechnungen habe sie den Schaden auf Zeitwertbasis ersetzt. Die darüber hinausgehenden Ansprüche seien nicht vom Versicherungsvertrag umfasst bzw verfristet, da es der Kläger verabsäumt habe, gemäß Art 6 der ABH die Wiederbeschaffung binnen Jahresfrist durch Vorlage von Rechnungen zu dokumentieren. Die Bankomat Behebungen seien nicht vom versicherten Risiko umfasst; die Abhebungen stellten infolge der Sorglosigkeit und Fahrlässigkeit des Klägers, Karten und Codes gemeinsam zu verwahren, einen nicht zu ersetzenden Folgeschaden dar.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Den von ihm festgestellten, hier bereits eingangs wiedergegebenen Sachverhalt beurteilte es rechtlich dahin, die Beklagte habe dem Kläger aus der Versicherung lediglich den Zeitwert der gestohlenen Gegenstände zu ersetzen gehabt, da er die Gegenstände zum überwiegenden Teil bis dato nicht ersetzt habe. Die Mobiltelefone habe er zwar wiederbeschafft, dies gegenüber der Beklagten aber in keiner Weise dargelegt. Somit sei die in Art 6 Z 5 ABH normierte Voraussetzung, dass die Wiederbeschaffung sichergestellt sein müsse, als nicht erfüllt anzusehen. Der Schaden durch die Bankomatkartenbehebungen in Höhe von EUR 3.110, - sei vom versicherten Risiko nicht umfasst. Es handle sich dabei weder um Sachen iSd Art 1 Z 1 ABH noch um Kosten gemäß Z 2 der Bestimmung. Auch ein Schaden durch einen vollbrachten Einbruchsdiebstahl (Art 2 Z 3 ABH) liege im Ergebnis nicht vor. Der Schaden sei nämlich nicht durch den Diebstahl direkt entstanden, sondern erst infolge der unbefugten Behebungen beim Bankomat. Diese Behebungen stellten ein gesondertes schadenauslösendes Ereignis dar. Durch die Wegnahme der Karten sowie der getrennt aufbewahrten Codes sei zunächst lediglich ein Schaden im Ausmaß der Wiederbeschaffungskosten der Bankomatkarten entstanden. Art 6 Z 1.1 ABH lege dazu fest, dass der Schaden ersetzt werde, der durch die unmittelbare Einwirkung der versicherten Gefahren und deren unvermeidliche Folge entstehe. Eine unvermeidliche Folge stelle eine Bankomatkartenbehebung aber gerade nicht dar. Einerseits wäre es denkbar, dass die Täter die in der Holzschatulle liegenden Zettel mit den Codes nicht mit den in der Geldbörse befindlichen Bankomatkarten in Verbindung bringen hätten können, andererseits hätten sie zur Durchführung der Abhebung einen gesonderten „kriminellen Entschluss" fassen müssen, der auch unterbleiben hätte können. Überdies werde in Art 3 ABH der Geltungsbereich der Versicherung auf die Wohnräume des Versicherungsnehmers sowie auf bestimmte, außerhalb der Wohnräume befindliche „Sachen des Wohnungshalters" begrenzt. Bei dem mittels unbefugter Bankomatbehebung (also nicht in den Wohnräumen) erlangten Bargeld handle es sich zweifellos nicht um Sachen des Wohnungsinhaltes. Auch hinsichtlich der Bargeldbehebungen mittels Bankomatkarten bestehe der Anspruch daher nicht zu Recht.

Das vom Kläger angerufene Berufungsgericht teilte die Rechtsansichten des Erstgerichtes und bestätigte daher dessen Entscheidung. Wolle der Versicherungsnehmer eine den Zeitwert übersteigende Entschädigung, sei er zur Wiederbeschaffung der gestohlenen Gegenstände verpflichtet. Der Begriff „sichergestellt" indiziere eindeutig, dass eine reine Glaubhaftmachung nicht ausreiche, sondern dem Versicherer Sicherheit geboten werden müsse, dass die Entschädigung zweckgebunden verwendet werde. Der Kläger hätte also die Sicherstellung durch Vorlage geeigneter Rechnungen innerhalb der (Jahres )Frist des Art 6 Z 5 ABH beweisen müssen. Die betreffende Frist beginne mit Eintritt des den Schaden auslösenden Ereignisses zu laufen und nicht, wie der Kläger fälschlich annehme, erst nach Zahlung der vollen Entschädigung durch den Versicherer.

Richtig sei das Erstgericht auch davon ausgegangen, dass Bankomatkartenbehebungen nicht vom versicherten Risiko umfasst seien. In den ABH würden dezidiert Haftungsbegrenzungen für freiliegendes Bargeld, Einlagebücher ohne Klausel, Valuten etc angeführt. Bankomatkarten bzw eine Behebung beim Bankomat würden nicht erwähnt. Wäre es beabsichtigt gewesen, dieses Risiko ebenfalls in die Haushaltsversicherung aufzunehmen, würde sich wohl eine Bestimmung bezüglich getrennter Aufbewahrung von Bankomatkarte und Code in den Haftungsbegrenzungen der ABH finden. Insbesondere der Umstand, dass für freiliegendes Bargeld eine Haftungsbegrenzung auf EUR 500, - bestehe, lasse folgern, dass das Risiko der Bankomatbehebung nicht umfasst sei, da mit einer Bankomatkarte in der Regel EUR 400, - pro Tag abgehoben werden können und sich die Risken bei der Verwahrung von freiliegendem Bargeld und gemeinsamer Verwahrung von Bankomatkarte samt Code sehr ähnelten. Richtig sei auch, dass die Bargeldbehebung ein gesondertes schadenauslösendes Ereignis darstelle und dass durch die Wegnahme der Bankomatkarten nur ein Schaden im Ausmaß der Wiederbeschaffungskosten entstanden sei.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, da keine Judikatur des Obersten Gerichtshofes vorliege, ob im Rahmen eines Haushaltsversicherungsvertrages bei einem Einbruchsdiebstahl Versicherungsschutz iSd Art 6 Z 1.1 ABH für nachfolgende Bankomatbehebungen mittels beim Einbruchsdiebstahl widerrechtlich erlangter Bankomatkarten und -codes bestehe und - im Falle der Deckung - „welches Maß für die getrennte Aufbewahrung von Bankokarte und -code anzuwenden ist".

Gegen die Entscheidung der zweiten Instanz richtet sich die Revision des Klägers, der unrichtige rechtliche Beurteilung der Sache geltend macht und beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren stattgegeben werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt in der Revisionsbeantwortung, dem Rechtsmittel ihres Prozessgegners keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, aber nur zu einem relativ geringen Teil berechtigt.

Der Kläger hält in der Revision zum einen daran fest, dass ihm die Beklagte gemäß Art 6.1.1 ABH den durch die Bankomatbehebungen mit den beim gegenständlichen Einbruchsdiebstahl erbeuteten Bankomatkarten verursachten Schaden von EUR 3.110, - zu ersetzen habe. Zum anderen sei die Bestimmung des Art 6.5 ABH „widersprüchlich und geradezu irreführend"; es sei fraglich, was unter dem Begriff „sichergestellt" zu verstehen sei. Hätte die Beklagte beabsichtigt, dass eine Neuwertentschädigung nur dann erfolge, wenn die (gestohlenen) Gegenstände (vom Versicherungsnehmer) nachgekauft würden, sei nicht nachvollziehbar, weshalb dies nicht einfach in die Allgemeinen Versicherungsbedingungen aufgenommen worden sei. Daraus folgert der Revisionswerber - unausgesprochen - offenbar, dass ihm die Beklagte auch die Differenz zwischen dem bereits geleisteten Zeitwert und dem festgestellten Wiederkaufswert der gestohlenen Gegenstände zu bezahlen habe; es sei daher das gesamte Klagebegehren berechtigt.

Der erkennende Senat hat dazu erwogen:

Die beiden Streitpunkte entscheidet die Auslegung der bereits eingangs wiedergegebenen Pkte 1.1 bzw 5. des Art 6 der dem gegenständlichen Versicherungsverhältnis zugrundegelegten Versicherungsbedingungen. Nach ganz hM sind allgemeine Versicherungsbedingungen nach Vertragsauslegungsgrundsätzen (§§ 914 ff ABGB) auszulegen. Die Auslegung hat sich daher am Maßstab des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers zu orientieren (7 Ob 31/91, VR 1992/277; 7 Ob 6/92, VR 1992/284; RIS Justiz RS0050063 mit zahlreichen Entscheidungsnachweisen). Die einzelnen Klauseln der Versicherungsbedingungen sind, wenn sie - wie hier - nicht auch Gegenstand und Ergebnis von Vertragsverhandlungen waren, objektiv unter Beschränkung auf ihren Wortlaut auszulegen (RIS Justiz RS0008901 mit zahlreichen Entscheidungsnachweisen, zuletzt etwa 7 Ob 231/04b und 7 Ob 58/05p). In allen Fällen ist der einem objektiven Beobachter erkennbare Zweck einer Bestimmung der Allgemeinen Versicherungsbedingungen zu berücksichtigen (7 Ob 3/89, VR 1990/182 = RdW 1989, 329 [Schauer]; 7 Ob 1/90, VR 1990/224; 7 Ob 16/91, VR 1992/269; 7 Ob 41/01p, ÖBA 2001, 987; 7 Ob 115/01i, VersR 2001, 1312; 7 Ob 205/02a; 7 Ob 70/03z; 7 Ob 83/04p; 7 Ob 231/04b; 7 Ob 58/05p uva). Nach objektiven Gesichtspunkten als unklar aufzufassende Klauseln müssen daher so ausgelegt werden, wie sie ein durchschnittlich verständiger Versicherungsnehmer verstehen musste (SZ 69/134; 7 Ob 372/98a, SZ 72/83; 7 Ob 93/00b, SZ 73/169; 7 Ob 107/04t mwN uva), wobei Unklarheiten iSd § 915 ABGB zu Lasten des Verwenders der AVB, also des Versicherers gehen (7 Ob 37/98, JBl 1990, 316 = EvBl 1990/28 = VR 1990/198 = VersR 1990, 445; 7 Ob 231/04b; 7 Ob 58/05p uva; Rummel in Rummel ABGB3 Rz 13 zu § 864a mwN).

Ausgehend von diesen vom Obersten Gerichtshof entwickelten und in ständiger Rechtsprechung vertretenen Grundsätzen ist die Ansicht der Vorinstanzen, die Beklagte habe für die Bargeldbehebungen aus der Haushaltsversicherung gemäß Art 6.1.1 ABH nicht zu haften, zu billigen. Ist doch der dadurch eingetretene Schaden weder durch die unmittelbare Einwirkung der versicherten Gefahr eines Einbruchsdiebstahls entstanden, noch stellt er eine unvermeidliche Folge des Einbruchsdiebstahles dar. Zutreffend haben die Vorinstanzen nämlich erkannt, dass der Einbruchsdiebstahl insofern nur mittelbar zur Bargeldbehebung an den Bankomaten führte, als es dazu eines weiteren kriminellen Entschlusses des Täters bedurfte, der auch nicht zwingend bzw unvermeidlich war. Unvermeidlich im Sinne des Art 6.1.1 ABH meint nicht, wie der Revisionswerber offenbar annimmt, dass für ihn als Versicherungsnehmer der Zugriff nicht verhinderbar war, sondern dass der betreffende Schaden eine notwendige, unausweichliche Folge des Einbruchsdiebstahles war (wie etwa das Zerbrechen des Fensters, durch das der Dieb einsteigt oder die Zerstörung eines Behälters durch den Täter, um an die darin verwahrten Preziosen zu gelangen, etc).

In diesem Sinne führt auch Martin, Sachversicherungsrecht3 Q II Rz 35 mit Bezug auf Euro Scheckkarten, die bei gleichzeitiger Eingabe der Karte und einer PIN Nummer zwischen 0001 und 9999 in ein Lesegerät (wie die gegenständliche Bankomatkarte) ua die Entnahme von Bargeld aus Geldausgabeautomaten ermöglichen, aus, Versicherungswert sei nicht der Betrag, der mit Hilfe der Karte erschwindelt werden könne, sondern nur der Materialwert, also die Bankgebühren für die Wiederbeschaffung einer gleichartigen Karte, jedoch ohne Kosten für das Sperren der abhanden gekommenen Karte.

Gleiches gilt auch für die der Ehefrau des Klägers entwendete sog „Sparkarte", auch wenn diese (anders als die ebenfalls entwendete Bankomatkarte) als eine Art „elektronisches Sparbuch" anzusehen ist. Zwar ist aus Art 2.3.3 ABH zu schließen, dass die Aneignung von in „Einlagebüchern ohne Klausel" dokumentierten Sparguthaben durch den Dieb (bis zu einer Grenze von EUR 500, - bzw EUR 2.200, ) versichert ist. Insofern liegt, da die Aneignung solcher Sparguthaben weder iSd Art 6.1.1 ABH unmittelbar erfolgt noch iS dieser Bestimmung eine unvermeidliche Folge des Einbruchsdiebstahls darstellt, hinsichtlich Sparbüchern ohne Losungswort offensichtlich ein sekundärer Risikoeinschluss vor. Sog Sparkarten, die - wie die gegenständliche - nur mit einem Code verwendet werden können, sind aber zweifellos nicht „Einlagebüchern ohne Klausel", sondern Einlagebüchern mit Losungsworten oder ähnlichen Sperrmechanismen gleichzusetzen, die in den ABH nicht erwähnt werden und für die daher kein sekundärer Risikoeinschluss angenommen werden kann.

Die klagsabweisliche Entscheidung erweist sich hinsichtlich des die Behebungen aus Geldausgabeautomaten betreffenden Begehrens auf Ersatz von EUR 3.110, - demnach frei von Rechtsirrtum. Auf den von der Beklagten in der Revisionsbeantwortung aufrechterhaltenen, vom Berufungsgericht iSd § 502 Abs 1 ZPO für erheblich erachteten Einwand, der Kläger habe durch eine nicht ordnungsgemäße Verwahrung von Bankomatkarten und -codes die Behebungen erst ermöglicht, muss daher nicht mehr eingegangen werden.

Die zweite im Revisionsverfahren zu entscheidende Streitfrage, ob dem Kläger über die (bereits erfolgte) Zeitwertentschädigung hinausgehende Ersatzansprüche zustehen, ist - wie bereits erwähnt - nach Maßgabe des Punktes 5. des Art 6 der ABH zu entscheiden. Auch bei der Interpretation dieser Bestimmung, wonach ein Anspruch des Versicherungsnehmers auf eine solche weitergehende Entschädigung nur insoweit erworben wird, als deren Verwendung „zur Wiederbeschaffung oder Wiederherstellung von Gegenständen des Wohnungsinhaltes innerhalb eines Jahres nach dem Schadenfall sichergestellt ist", ist den Vorinstanzen kein Rechtsfehler unterlaufen. Entgegen der Ansicht des Klägers handelt es sich dabei keineswegs um eine unklare bzw undeutliche Bestimmung iSd § 915 ABGB, sondern um eine sog Wiederherstellungsklausel, die nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (RIS Justiz RS0081840; vgl auch RS0081460) weder eine Wiederherstellungspflicht noch eine Obliegenheit des Versicherungsnehmers begründet, sondern im Sinne einer Risikoab- oder -begrenzung an das Vorliegen eines objektiven Tatbestandsmerkmals insofern Rechtsfolgen knüpft, als die Leistung einer den Zeitwert übersteigenden Entschädigung davon abhängig gemacht wird, dass gesichert ist, dass die Entschädigung zur Wiederbeschaffung bzw Wiederherstellung der gestohlenen Gegenstände verwendet wird (Kollhosser in Prölss/Martin VVG27 Rz 1a). Der entsprechende Nachweis gegenüber dem Versicherer ist binnen eines Jahres ab Schadenseintritt zu erbringen. Die Klausel entspricht der Bestimmung des § 97 VersVG, die eine Auslegungsregel für (Gebäude betreffende) Wiederherstellungsklauseln darstellt (Kollhosser aaO Rz 1).

Entgegen den Ausführungen des Revisionswerbers sind die Vorinstanzen keineswegs davon ausgegangen, dass der Anspruch auf die Differenz zwischen Zeitwert und den Kosten der Anschaffung neuer Sachen iSd Art 6.1.2 ABH (Wiederbeschaffungswert) die tatsächlich erfolgte Wiederbeschaffung der betreffenden Gegenstände voraussetzte. Sie haben vielmehr zutreffend erkannt, dass die Fälligkeit der über den Zeitwert hinausgehenden Entschädigung bereits mit der Sicherstellung der Wiederbeschaffung der Gegenstände eintritt. Bereits durch eine solche Sicherstellung wird nämlich eine Bereicherung des Versicherungsnehmers in Form von Bargeld (weitgehend) verhindert und so der Zweck erreicht, das durch die Neuwertversicherung erhöhte subjektive Risiko zu vermindern (Martin, Sachversicherngsrecht3 R IV 8). Wann die Verwendung der Entschädigungszahlung zur Wiederbeschaffung bzw Wiederherstellung „gesichert" ist, entscheidet nach hM Treu und Glauben (Kollhosser aaO Rz 14 mwN); es hängt diese Frage von den Umständen des Einzelfalles ab. Grundsätzlich kann lediglich gesagt werden, dass eine 100 %ige Sicherheit nicht verlangt werden kann, sondern es ausreichen muss, wenn angesichts der getroffenen Vorkehrungen keine vernünftigen Zweifel an der Durchführung der Wiederherstellung bestehen (7 Ob 125/99d, VersR 2001, 487; 7 Ob 96/01w; RIS Justiz RS0112327).

Im vorliegenden Fall hat nun der Kläger - abgesehen vom Erwerb von vier Mobiltelefonen - bis zuletzt keinerlei Handlungen gesetzt, durch die sich sein allfälliger Wille zur Wiederbeschaffung der gestohlenen Gegenstände in irgendeiner Weise manifestiert hätte. Er hat eine derartige Absicht innerhalb der in der gegenständlichen Klausel normierten, einjährigen Ausschlussfrist (vgl Kollhosser aaO Rz 7 mwN) gegenüber der Beklagten nicht einmal geäußert. Er hat vielmehr hinsichtlich der gestohlenen Schmuckstücke sogar behauptet, dass sie gar nicht ersetzbar seien. Er übersieht dabei, dass gemäß Art 6.1.2 ABH lediglich „Sachen gleicher Art und Güte" wiederbeschafft werden müssen, was allerdings nicht exakt, aber doch „ziemlich genau" der Fall sein muss (Martin aaO Rn 79; vgl Dörner/Staudinger in BK, § 97 VersVG Rn 35). Bei Individualstücken wie Schmuckgegenständen ist eine idente stück und fertigungsbezogene Wiederherstellung bei gänzlichem Verlust kaum möglich bzw überhaupt unmöglich. Insoweit entspricht die Anschaffung (Wiederbeschaffung iS der AVB) von Sachen „gleicher Zweckbestimmung, Art und Güte" gerade bei Schmuck den oa Prämissen (RIS Justiz RS0117982). Der Kläger hätte daher nur die Sicherstellung der Anschaffung von mit den gestohlenen vergleichbaren Schmuckstücken nachzuweisen gehabt (vgl 7 Ob 169/03h), hat dies aber nicht getan.

Von einer Sicherstellung einer Wiederbeschaffung oder Wiederherstellung iSd Art 6.5. AHB kann daher - mit Ausnahme der Mobiltelefone (dazu gleich) - keine Rede sein. Damit haben die Vorinstanzen einen Anspruch des Klägers auf den Zeitwert der gestohlenen Gegenstände überschreitende Entschädigungen grundsätzlich zutreffend verneint.

Bei einer vom Obersten Gerichtshof auf Grund der gesetzmäßig ausgeführten Rechtsrüge des Revisionswerbers vorzunehmenden allseitigen rechtlichen Überprüfung darf aber, auch wenn dies in der Revision nicht ausdrücklich ins Treffen geführt wird, nicht außer Acht gelassen werden, dass der Kläger unter Beweis stellen konnte, die vier entwendeten Mobiltelefone tatsächlich umgehend durch neue ersetzt zu haben. Da er sog „Mobilpoints" verwendete und Vertragsverlängerungen vornahm, hatte er dafür aber festgestelltermaßen nur „geringe Preise" - also zweifellos weit weniger als die festgestellten Wiederbeschaffungskosten - zu bezahlen. Damit erhebt sich die Frage, ob er dennoch Anspruch auf Ersatz der unbekämpft feststehenden Wiederbeschaffungswerte hat. Dies ist, den Erwägungen Martins aaO Rn 56 ff folgend, zu bejahen, weil wohl bessere Gründe dafür sprechen, „einen besonders günstigen Einkauf oder einen besonders preisgünstigen Wiederaufbau dem Versicherungsnehmer zugutezukommen zu lassen", so etwa beim Gelegenheitskauf einer gleichartigen neuwertigen Sache, bei Verwandten oder Werksangehörigenrabatten etc. Andernfalls würde ein Versicherungsnehmer, wenn er die Neuwertentschädigung in Höhe des Versicherungswertes, aus dem ja auch die Prämie berechnet wurde, tatsächlich erhalten will, geradezu zu einem unwirtschaftlich teuren Kauf genötigt (Martin aaO Rn 60).

Dass der Kläger die Wiederbeschaffung der Mobiltelefone der Beklagten festgestelltermaßen nicht binnen Jahresfrist nach dem Diebstahl angezeigt hat, schadet nach dem Wortlaut des Art 6 Pkt 5 ABH nicht. Daraus, dass eine (tatsächlich noch nicht erfolgte) Wiederbeschaffung gestohlener Gegenstände binnen Jahresfrist nach dem Schadensfall sichergestellt sein muss, lässt sich lediglich der Umkehrschluss ziehen, dass die Wiederbeschaffung ohne eine solche Sicherstellung binnen Jahresfrist zu erfolgen hat. Hingegen ist - nach den dargestellten Auslegungsgrundsätzen - nicht zwingend daraus zu folgern, dass auch eine (fristgerecht tatsächlich erfolgte) Wiederbeschaffung innerhalb eines Jahres nach dem Diebstahl dem Versicherer angezeigt worden sein muss.

Da dem Kläger also hinsichtlich der vier „sofort nach dem Vorfall" (jedenfalls innerhalb Jahresfrist) wiederbeschafften Mobiltelefone der Ersatz der festgestellten, den Zeitwert um EUR 216, - übersteigenden Wiederbeschaffungskosten zusteht, waren die Entscheidungen der Vorinstanzen spruchgemäß abzuändern. Mangels Feststellung einer vorprozessualen Geltendmachung dieses Betrages stehen dem Kläger aber Zinsen aus dem ersiegten Betrag erst ab Klagseinbringung zu.

Die Kostenentscheidungen gründen sich auf §§ 43 Abs 2, 50 Abs 1 ZPO. Die Beklagte ist nur mit ca 5 %, also einem verhältnismäßig geringfügigen Teil der vom Kläger geltend gemachten Ansprüche unterlegen, dessen Geltendmachung auch besondere Kosten nicht veranlasst hat. Demnach steht ihr der Ersatz ihrer gesamten Kosten sowohl des erstinstanzlichen als auch der Rechtsmittelverfahren auf Basis des Streitwerts der abgewehrten Ansprüche zu (RIS Justiz RS0116722). Da zwischen dem betreffenden Betrag von EUR 3.821, - und dem Gesamtstreitwert von EUR 4.037, - kein Tarifsprung besteht, tritt hinsichtlich der Kostenentscheidungen der Vorinstanzen keine Änderung ein.

Rechtssätze
7
  • RS0081840OGH Rechtssatz

    23. November 2022·3 Entscheidungen

    Die Wiederherstellungsklausel bei der Neuwertversicherung begründet keine Obliegenheit, sondern eine Risikobegrenzung (vgl bereits SZ 58/207).