JudikaturJustiz7Ob233/99m

7Ob233/99m – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. Oktober 1999

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller und Dr. Kuras als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V***** Versicherungs AG, ***** vertreten durch Dr. Wolfgang Danninger, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Helmut S*****, vertreten durch Dr. Ernst Kaltenbrunner, Rechtsanwalt in Linz, wegen S 100.000,-- sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 12. Mai 1999, GZ 15 R 184/98d-18, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Freistadt vom 19. Juni 1998, GZ 2 C 469/95g-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 6.086,40 (darin enthalten S 1.014,40 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte verschuldete am 20. 6. 1992 als Lenker seines bei der klagenden Partei haftpflicht- und kaskoversicherten PKW einen Verkehrsunfall. Die Klägerin hat den geschädigten Dritten berechtigte Ansprüche in Höhe von S 159.344,10 aus der Haftpflichtversicherung ersetzt.

Mit ihrer auf § 6 Abs 2 und 3 AKHB gestützten, am 6. 6. 1995 beim Erstgericht eingelangten Regressklage begehrte sie vom Beklagten S 100.000,-- mit der Begründung, er sei zum Unfallszeitpunkt alkoholisiert gewesen, weshalb sie bis zum geforderten Betrag leistungsfrei sei.

Der Prozess wurde bereits in der ersten Verhandlung - ohne dass die Klägerin weiteres Vorbringen erstattet hätte - bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens zu 37 Cg 41/94 des Handelsgerichtes Wien unterbrochen. Dort wurde letztlich am 20. 10. 1997 sein Begehren auf Ersatz seines eigenen beim Unfall erlittenen Fahrzeugschadens gegenüber der Klägerin als Kaskoversicherin rechtskräftig abgewiesen, weil er nicht nach Möglichkeit zur Feststellung des Sachverhalts beigetragen und damit gegen die Obliegenheit des Art 5.3.1 der dem Kaskoversicherungsvertrag zugrundeliegenden AFIB 1986 verstoßen habe.

Unter Hinweis auf diesen Umstand stellte die klagende Partei mit am 13. 1. 1998 bei Gericht eingelangtem Schriftsatz den Antrag, das gegenständliche Verfahren fortzusetzen und brachte ergänzend vor, den Beklagten treffe auch eine Obliegenheitsverletzung nach der - korrespondierenden - Bestimmung des § 8 Abs 2 Z 2 AKHB 1988, worauf der Beklagte erwiderte, dass dieses Vorbringen eine unzulässige Klagsänderung darstelle; es werde Verjährung eingewendet.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nach seinen Feststellungen hatte der Beklagte vor dem Unfall ein Seidel Bier getrunken. Die nach dem Unfall herbeigerufene Gemeindeärztin stellte ebenso wie die Gendarmeriebeamten fest, dass seine Atemluft "nach Alkohol roch". Eine Blutabnahme verweigerte der Beklagte. Er hatte im Unfallszeitpunkt unter 0,8 %o Blutalkoholgehalt. Ein gegen ihn nach § 5 Abs 6 StVO (Verweigerung des Alkotests) eingeleitetes Strafverfahren wurde eingestellt. Im Strafverfahren wurde er wegen des Vergehens des fahrlässigen Tötung nach § 80 StGB zu einer Geldstrafe verurteilt, wobei dazu ausgeführt wurde, dass er durch den Genuss eines Seidel Bier weder im Sinne des § 81 Abs 2 StVO nachweisbar fahruntüchtig noch in seiner vollen Fahrleistung beeinträchtigt gewesen sei. In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, mangels der Voraussetzungen des § 6 Abs 2 Z 2 AKHB könne die Klägerin ihre Leistungsfreiheit nicht auf diese Bestimmung stützen. Das Vorbringen betreffend eine Leistungsfreiheit nach § 8 Abs 2 Z 2 AKHB stelle eine Klageänderung dar. Der darauf gestützte Regressanspruch unterliege der gleichen Verjährung wie der ursprüngliche Schadenersatzanspruch und sei daher verjährt.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Es teilte die Rechtsauffassung des Erstrichters und stimmte auch dessen Ansicht zu, dass der Anspruch der Klägerin, sofern er sich auf § 8 Abs 2 Z 2 AKHB stütze, verjährt sei. Lehre und Rechtsprechung gingen von einem zweigliedrigen Streitgegenstand aus, der einerseits aus dem Entscheidungsantrag, also dem Klagebegehren, und andererseits aus den Tatsachenbehauptungen, also dem rechtsbegründenden Sachverhalt bestehe, aus dem der in Anspruch genommene materiell-rechtliche Tatbestand abgeleitet werden könne. Nicht erfasst sei hingegen die rechtliche Qualifikation; eine etwaige vom Kläger vorgenommene rechtliche Beurteilung sei für das Gericht nicht bindend, sondern dieses habe trotzdem nach jeder Richtung hin rechtlich zu prüfen, ob das Klagebegehren nicht aus einem anderen - nicht genannten - Rechtsgrund berechtigt sei. Dabei sei das Gericht jedoch stets an die Tatsachenbehauptungen des Klägers gebunden, dessen Sachvorbringen allerdings nicht den gesamten Tatbestand, sondern nur die wesentlichen Tatsachen enthalten müsse. Der rechtserzeugende Sachverhalt müsse aber vollständig vorgetragen sein. Werde ein weiteres Sachvorbringen mit vom ursprünglich vorgetragenen Sachverhalt abweichenden Tatsachen erstattet, die zur Antragsbegründung eine andere rechtliche Norm notwendig machten, liege kein identer Streitgegenstand mehr vor. Das neue Vorbringen der Klägerin in ihrem Fortsetzungsantrag sei daher als Klagsänderung im Sinne des § 235 ZPO zu werten. Eine Unterbrechung der Verjährungsfrist durch eine Klagsänderung erfolge aber erst mit dem Einlangen des diese enthaltenden Schriftsatzes bzw Vortrag bei Gericht. Für den Ersatzanspruch des Versicherungsunternehmens gemäß § 158f VersVG gelte die gleiche Verjährungsfrist wie für den übergegangenen Anspruch. Der gegenständliche Regressanspruch verjähre daher wie der zugrundeliegende Schadenersatzanspruch in drei Jahren. Fristbeginn sei das Schadensereignis, also der 20. 6. 1992 gewesen, zu welchem Zeitpunkt auch die mangelnde Mitwirkung des Beklagten bereits bekannt geworden sei, weshalb der Anspruch der Klägerin nach § 8 Abs 2 Z 2 AKHB verjährt sei.

Der Ausspruch der Zulässigkeit der ordentlichen Revision gründe sich darauf, dass es zum Verhältnis der §§ 6 und 8 AKHB 1988 in Bezug auf die Verjährung keine höchstgerichtliche Judikatur gebe.

Die von der Klägerin erhobene Revision ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Strittig ist im Revisionsverfahren allein noch die Frage der Verjährung des auf § 8 Abs 2 Z 2 AKHB gestützten Regressanspruches. Die Revisionswerberin wendet sich vor allem gegen die Auffassung der Vorinstanzen, das ergänzende Vorbringen einer weiteren Obliegenheitsverletzung nach § 8 Abs 2 Z 2 AKHB im Fortsetzungsantrag habe eine Klagsänderung dargestellt. Das Berufungsgericht habe außer Acht gelassen, dass nach oberstgerichtlicher Judikatur das Vorbringen nur eines Rechtsgrundes nicht schade, wenn aus dem Klagsvorbringen hervorgehe, dass der Kläger den von ihm vorgetragenen Sachverhalt offenbar rechtlich unrichtig qualifiziert habe. Als Klagsgrund sei das tatsächliche Vorbringen, nicht dessen rechtliche Qualifikation anzusehen. Nach ständiger Rechtsprechung sei die Änderung der rechtlichen Qualifikation bei gleichbleibenden Klagebegehren keine Klagsänderung.

Davon, dass demnach, wie die Revisionswerberin meint, das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen wäre, weil im Fortsetzungsantrag das Klagsvorbringen nur anders qualifiziert worden sei, also dadurch keine Änderung oder qualitative Erweiterung des Klagebegehrens vorgenommen worden sei, kann aber gar keine Rede sein:

Die von den Vorinstanzen vorgenommene Definition des den sachlichen Umfang des Rechtsstreits abgrenzenden Begriffs des Streitgegenstandes in Form einer Gliederung in Klagebegehren und Klagegrund, also einerseits den Urteilsantrag und andererseits die Tatsachenbehauptungen, auf die sich dieser Antrag gründet, entspricht der herrschenden Meinung (vgl Fasching Zivilprozessrecht2 Rz 1155 ff; Rechberger in Rechberger ZPO Rz 15 vor § 226 mwN; Rechberger-Simotta, Grundriß des österreichischen Zivilprozessrechts4 Rz 252 ff mwH). Nach der Lehre vom zweigliedrigen Streitgegenstand liegt derselbe Streitgegenstand immer dann vor, wenn sowohl der Sachantrag als auch die zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachen identisch sind (Fasching aaO Rz 1156). Dies trifft im vorliegenden Fall aber keineswegs zu. Die Klägerin hat in der Klage folgendes Vorbringen erstattet.

"Wir haben als Haftpflichtversicherer des vom Beklagten gehaltenen PKWs Mercedes FR-S 888 aus einem vom Beklagten verschuldeten Unfall vom 20. 6. 1992 berechtigte Ansprüche der geschädigten Dritten in Höhe von S 159.344,10 erfüllt. Der Beklagte war jedoch zum Unfallszeitpunkt alkoholisiert, sodass wir gemäß § 6 Abs 2 und 3 der AKHB dem Beklagten gegenüber bis zu einem Betrag von S 100.000,-- leistungsfrei sind. Gemäß § 158c VersVG wurde dieser Betrag jedoch an die Geschädigten bereits ausgezahlt, wir sind daher zur Rückforderung berechtigt. Der eingeklagte Betrag wurde trotz Fälligkeit nicht bezahlt."

Das zur Dartuung des Klagebegehrens erstattete Klagsvorbringen hat sich also in der Behauptung einer Alkolholisierung des Beklagten zum Unfallszeitpunkt erschöpft. Daraus wurde eine Obliegenheitsverletzung gemäß § 6 Abs 2 und 3 AKHB abgeleitet, also eine rechtliche Qualifikation vorgenommen.

Von der Rechtsprechung wurde betont, dass eine rechtliche Qualifikation des Klagsgrundes durch den Kläger nicht zu verlangen ist, aber wiederholt dann als bindend betrachtet, wenn sie ausdrücklich vorgenommen wurde (s die Entscheidungsnachweise von Rechberger aaO Rz 16 vor § 226 uva). Ob an dieser von Vertretern der Lehre (s etwa Rechberger aaO; Fasching aaO Rz 1448 ua) kritisierten Auffassung festzuhalten ist, muss hier nicht weiter untersucht werden, weil jedenfalls infolge des evidenten Mangels der Identität des Klagegrundes die Einführung eines neuen Streitgegenstandes durch das Vorbringen im Fortsetzungsantrag klar auf der Hand liegt. Lässt sich doch nicht ernsthaft bestreiten, dass aus der bloßen Behauptung einer Alkoholisierung des Versicherungsnehmers dessen Verletzung der Obliegenheit nach § 8 Abs 2 Z 2 AKHB 1988, nach Möglichkeit zur Feststellung des Sachverhaltes beizutragen, keineswegs ableitbar ist. Die Meinung der Revisionswerberin, ihr Vorbringen im Fortsetzungsantrag ON 10, der am 13. 1. 1998 beim Erstgericht eingelangt ist, stelle keine Klagsänderung dar, ist im Hinblick auf diese evidente Änderung des Klagegrundes rechtsirrig.

Demnach ist davon auszugehen, dass die Verjährung des der Klägerin - zufolge ihrer Leistungsfreiheit nach § 8 Abs 2 Z 2 AKHB 1988 gemäß der (dem für die allgemeine Haftpflichtversicherung geltenden § 158f VersVG entsprechenden) Bestimmung des § 24 Abs 4 KHVG- zustehenden Regressanspruches nicht bereits durch die Klage, sondern erst durch die mit dem Fortsetzungsantrag (maßgeblich ist dessen Einlangen bei Gericht - SZ 62/69 verstSen) erfolgte qualitative Klagsänderung unterbrochen wurde, falls Verjährung bis dahin noch nicht eingetreten war.

Zutreffend habe die Vorinstanzen erkannt (und wird dies von der Revisionswerberin auch gar nicht in Frage gestellt), dass die Regressforderung des Versicherers nach § 158f VersVG bzw § 24 Abs 4 KHVG in der gleichen Zeit wie der zugrundeliegende Schadenersatzanspruch des geschädigten Dritten verjährt (stRsp; Heiss/Lorenz, Versicherungsvertragsgesetz 474 uva) und daher im vorliegenden Fall gemäß § 1489 ABGB drei Jahre beträgt.

Die Revisionswerberin tritt nun der Ansicht der Vorinstanzen, die Verjährung des gegenständlichen Regressanspruches habe entsprechend der zugrundeliegenden Schadenersatzforderung mit Kenntnis des geschädigten Dritten von Schade und Schädiger sohin am Unfallstag begonnen, mit dem Argument entgegen, die Obliegenheitsverletzung gemäß § 8 AKHB könne begrifflich erst nach Eintritt des Versicherungsfalles begangen werden; die Verjährungsfrist könne nicht schon vor dem Forderungsübergang beginnen. Der Fristbeginn sei erst mit der rechtskräftigen Feststellung der Obliegenheitsverletzung nach Eintritt des Versicherungsfalles anzunehmen, im vorliegenden Fall daher nach Rechtskraft des im Verfahren 37 Cg 41/94x HG Wien ergangenen Urteiles zweiter Instanz.

Mit diesen Ausführungen setzt sich die Revisionswerberin in

Widerspruch zur herrschenden Meinung, wonach es sich bei der gemäß §

24 Abs 4 KHVG auf den Versicherer übergegangen Forderung um die

ursprüngliche Schadenersatzforderung des Geschädigten gegen den

Versicherungsnehmer (oder den Mitversicherten) handelt. Dies ergibt

sich schon aus der Überlegung, dass etwa im Falle der

Kfz-Haftpflichtversicherung der Versicherer nach § 24 Abs 1 KHVG im

Rahmen der Kfz-Haftpflichtversicherung, ungeachtet seiner gegenüber

dem Versicherungsnehmer eingetretenen Leistungsfreiheit, zur Leistung

an den geschädigten Dritten verpflichtet ist und, hat er auf Grund

dieser Bestimmung Leistungen erbracht, der Schadenersatzanspruch des

Geschädigten gegenüber dem Versicherungsnehmer oder dem

Mitversicherten gemäß § 24 Abs 4 KHVG auf ihn übergeht. Durch die in

§ 24 Abs 4 KHVG festgestellte Legalzession erfährt die betreffende

Schadenersatzforderung keinerlei inhaltliche Änderung (stRsp; vgl

Mader in Schwimann ABGB2 VII § 1489 Rz 32 mwN). Demnach kann, wie

bereits betont, nach ständiger oberstgerichtlicher Judikatur dadurch

keine Änderung der Verjährungsfrist bewirkt werden und ist deshalb

auch der Zeitpunkt, zu dem der Versicherer von der Person des

Regresspflichtigen oder von den Umständen, die seine Regresspflicht

begründen, Kenntnis erhält, für die Verjährung der Regressforderung

ohne Bedeutung (JBl 1979, 257; ZVR 1986/111; VR 1989/145 = VersR

1989, 827 = ZVR 1989/87 ua).

Ausgehend demnach von einem Verjährungsbeginn Ende Juni 1992, erweist sich auch die Auffassung der Vorinstanzen, der gegenständliche, auf der Leistungsfreiheit der Klägerin gemäß § 8 Abs 2 Z 2 AKHB 1988 basierende Regressanspruch sei verjährt, frei von Rechtsirrtum. War doch zum Zeitpunkt seiner klagsweisen Geltendmachung durch das Einlangen des Fortsetzungsantrags beim Erstgericht am 13. 1. 1998 die 3-Jahresfrist des § 1489 ABGB erster Satz bereits längst abgelaufen.

Die Revision muss daher erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.