JudikaturJustiz7Ob22/04t

7Ob22/04t – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. Januar 2005

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Willibald R*****, vertreten durch Dr. Stefan Herdey und Dr. Roland Gsellmann Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei A*****, vertreten durch Scherbaum/Seebacher Rechtsanwälte GmbH in Graz, wegen Feststellung (Revisionsinteresse: EUR 5.888,80), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 22. September 2003, GZ 1 R 165/03x 18, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 5. Mai 2003, GZ 26 C 4/03s 11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 499,39 (darin enthalten EUR 83,23 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger schloss bei der beklagten Partei zur Polizze Nr A 571400414 eine "Versicherung für den Agrar Bereich" mit den Risken Feuer, Haushalt, Kühlgut, Haftpflicht, Sturmschaden, Leitungswasser, Elektrogeräte und einer Laufzeit vom 1. 7. 1998 bis 1. 9. 2008, die er mit Schreiben vom 22. 1. 2002 unter Berufung auf das (vorzeitige) Kündigungsrecht als Verbraucher nach § 8 Abs 3 VersVG kündigte, weil er beabsichtigte, sich bei einer anderen Versicherungsgesellschaft versichern zu lassen. Die Beklagte stornierte die (privaten) Sparten Haushalt, Kühlgut und Elektrogeräte, hielt jedoch am Bestand der übrigen Sparten mit der Begründung fest, dass diese Risken des „Landwirtschaftsvertrages" nicht gekündigt werden könnten, weil der Kläger (insoweit) nicht Verbraucher iSd KSchG sei.

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass die genannte Kündigung zum 1. 7. 2002 rechtswirksam sei und mit diesem Termin daher auch die Versicherungsverträge Feuer, Sturmschaden und Leitungswasser zur oa Polizze beendet seien; in eventu die Feststellung, dass diese Kündigung im Umfang des versicherten Wohngebäudes zur Position 1. mit einer Versicherungssumme von S 4,500.000, (sowie) der Garage in Position 2. mit einer Versicherungssumme von S 750.000 für die genannten Risken zur oa Polizze rechtswirksam "und daher beendet" sei. Der Kläger habe als Verbraucher gemäß § 8 Abs 3 VersVG das Recht, die angeführten Sparten zu kündigen. Die private Nutzung der Sachen überwiege. Das Wohngebäude werde ausschließlich zu Wohnzwecken benützt. Die Beklagte hätte daher den Versicherungsvertrag zumindest im Umfang des auf das Wohnhaus entfallenden Teiles stornieren müssen, weil der Kläger zumindest hinsichtlich des Wohnhauses als Verbraucher anzusehen sei.

Die Beklagte beantragte Klageabweisung. Der Kläger sei als (Nebenerwerbs )Landwirt Unternehmer. Die Sparten Feuer , Sturm- und Leitungswasserversicherung deckten auch sein betriebliches Risiko mit ab, das außerdem überwiege. Eine Trennung sei nicht möglich, weil das Wohngebäude mit dem Stall und der Garage eine wirtschaftliche Einheit darstelle. Es bestehe kein (weiteres) Kündigungsrecht nach § 8 Abs 3 VersVG.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach zunächst aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Die Tatsacheninstanzen trafen folgende weitere Feststellungen:

Die Gebäude wurden für die gegenständlichen Versicherungssparten aufgrund der verschiedenen Risken (zwar) getrennt angeführt; der Zeuge Albert K*****, der die Vertragsgespräche (für die Beklagte) mit dem Kläger führte, stellte jedoch bei der Besichtigung über Kundenwunsch fest, dass es sich bei den Gebäuden um eine wirtschaftliche Einheit - "einen Hof" - handelte. Der Kläger betrieb zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses einen landwirtschaftlichen Nebenerwerb, den er von seinen Eltern übernommen hatte. Er hatte damals Viehbestand, landwirtschaftliche Geräte, einen Traktor mit Anhänger und verfügte über mehr als ein Hektar Ackerland. Als Kriterien für das Vorliegen eines landwirtschaftlichen Betriebes sind (für die Beklagte) der Viehbestand und der Futterbedarf bezüglich Gras, Weizenkorn udgl ausschlaggebend. Es wird vor allem auf die Nutzung und nicht auf die Berufsbezeichnung abgestellt.

In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus, das Erstgericht habe zutreffend bejaht, dass die vom Kläger damals ausgeübte landwirtschaftliche Tätigkeit unstrittig unter den Unternehmerbegriff des KSchG falle, wobei weder eine bestimmte Betriebsgröße noch eine sonstige Mindestorganisation erforderlich sei. Der vorliegende Vertragsabschluss habe eine "Versicherung für den Agrar Bereich" betroffen, wobei die versicherten Risken teils ausschließlich dem Betrieb zuzuordnen seien (wie die Haftpflichtversicherung für einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb), teils betriebliche Risken beinhalteten (wie die Sturm- oder Feuerversicherung, in der auch der Stall, landwirtschaftliche Maschinen und Geräte, landwirtschaftliche Motorfahrzeuge und der Viehbestand versichert seien) und letztlich auch ausschließlich dem privaten Bereich zuzuordnende Risken (Haushalts , Kühlgut- und Elektrogeräte Versicherung), hinsichtlich derer die Kündigung von der Beklagten auch akzeptiert worden sei. Den Gegenbeweis als (Anscheins )Unternehmer, dass ein Privatgeschäft vorliege, habe der Beklagte nicht erbracht, weshalb das Geschäft dem Unternehmen zuzurechnen und eine Kündigungsmöglichkeit nach § 8 Abs 3 VersVG nicht gegeben sei.

Den (nachträglich abgeänderten) Ausspruch über die Zulässigkeit der ordentlichen Revision begründete das Berufungsgericht damit, dass - soweit überblickbar - keine oberstgerichtliche Rsp zu der einen großen Kreis von Nebenerwerbslandwirten betreffenden Frage vorliege, ob solche hinsichtlich des Abschlusses von (betriebliche und private Risken umfassenden) Bündelversicherungen als Unternehmer oder als Verbraucher nach dem KSchG anzusehen seien, und ob dabei (wie der Revisionswerber meint) auf das "Überwiegensprinzip" abzustellen sei.

Dagegen richtet sich die Revision des Klägers aus den "Revisionsgründen des § 503 ZPO" mit dem Antrag, die Berufungsentscheidung im klagestattgebenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt die Revision nicht zuzulassen; in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist mangels Judikatur zu einem allfälligen Kündigungsrecht für Nebenerwerbslandwirte nach der Konsumentenschutzbestimmung des § 8 Abs 3 VersVG zulässig, aber nicht berechtigt.

Das Berufungsgericht hat zutreffend verneint, dass dem Kläger das zwingende (vorzeitige) Kündigungsrecht gemäß § 8 Abs 3 VersVG (bei Versicherungsverhältnissen mit mehr als dreijähriger Dauer für Versicherungsnehmer, die Verbraucher sind) zur Verfügung steht. Grundsätzlich kann daher gemäß § 510 Abs 3 Satz 2 ZPO auf die Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung verwiesen werden. Ergänzend ist den Ausführungen des Revisionswerbers Folgendes zu erwidern:

Der Kläger beruft sich in der (mit dem erfolgreichen Zulassungsantrag nach § 508 ZPO verbundenen) Revision auf 7 Ob 155/03z, wonach es für die Frage, ob eine Wohnungseigentümergemeinschaft als Verbraucher oder Unternehmer iSd § 8 Abs 3 VersVG auf das " Überwiegensprinzip " ankommt. Die Rechtsprechung des erkennenden Senates zur zit Bestimmung iVm Wohnungseigentümergemeinschaften wird dabei insoweit zutreffend wiedergegeben, als solche in der Regel keine wirtschaftliche Tätigkeit iSd § 1 Abs 2 Satz 1 KSchG ausüben, wobei auch daraus, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft seit dem 3. WRÄG eine (teilrechtsfähige) juristische Person ist, nicht auf deren grundsätzliche Unternehmereigenschaft geschlossen werden kann. Eine klagende Eigentümergemeinschaft ist daher hinsichtlich der Kündigung des Versicherungsvertrages als Verbraucher anzusehen, wobei der Verbraucherschutz auch nicht deshalb verloren geht, weil ein Verbraucher beim Abschluss mit einem Unternehmer durch einen Unternehmer (Verwalter als Organ der Eigentümergemeinschaft) vertreten wird (RIS Justiz RS0117843).

Für den Standpunkt des Revisionswerbers ist damit jedoch nichts gewonnen, entscheidend ist vielmehr, dass der Kläger auch mit seiner Tätigkeit als (Nebenerwerbs )Landwirt grundsätzlich den Unternehmerbegriff des § 1 Abs 1 KSchG erfüllt, soweit das konkrete Geschäft (hier also der mit der Beklagten abgeschlossene Versicherungsvertrag) zum Betrieb seines Unternehmens gehörte, wovon die Vorinstanzen - gleich der Vermutung des § 344 HGB - im Zweifel auszugehen hatten. All dies ist aber - wie bereits die Revisionsbeantwortung aufzeigt - völlig unstrittig (stRsp; zu „ betriebsbezogenen " Rechtsgeschäften von Landwirten bereits: SZ 55/157; SZ 63/134; EvBl 1989/116; RIS Justiz RS0065380; RS0061157; RS0065326; zuletzt: 2 Ob 340/01s; Krejci in Rummel ³ II/4 [2002] Rz 9, 14 und zu § 1 KSchG mwN).

Hinzuweisen ist die Revision somit nur noch auf die Rsp des erkennenden Senates, wonach auch das Kündigungsrecht nach der mit der VersVG Novelle 1994 eingeführten Konsumentenschutzbestimmung des § 8 Abs 3 VersVG auf Verbraucher iSd KSchG zu beschränken ist, weil einem Unternehmer zugesonnen werden kann, dass er die Tragweite langfristiger vertraglicher Bindungen richtig einschätzt (RIS Justiz RS0112255; zuletzt SZ 74/162). In diesem Zusammenhang entspricht es nämlich, wie der erkennende Senat erst jüngst bekräftigt hat, herrschender Ansicht, dass eine Analogie oder teleologische Reduktion von Bestimmungen des KSchG (etwa der in § 3 Abs 1 und 3 KSchG normierten Rücktrittsvoraussetzungen nach Maßgabe der konkreten Überrumpelungsgefahr) nicht in Frage kommt (RIS Justiz RS0065288 wmN), weil es die klare Anordnung des Gesetzgebers verbietet, entgegen der von ihm vorgenommenen Typisierung auf die Ungleichgewichtslage im Einzelfall abzustellen (zuletzt: 7 Ob 78/04b = RdW 2004, 727 ; Krejci in Rummel ³ II/4 [2002] Rz 5 zu § 3 KSchG mwN). Selbst ein wirtschaftlich dem Geschäftspartner erheblich Unterlegener ist, wenn er wie hier als Nebenerwerbslandwirt - ein Unternehmen betreibt, bei „betriebsbezogenen" Rechtsgeschäften auch seinem spezialisierten Vertragspartner gegenüber nicht Verbraucher sondern Unternehmer iSd KSchG (SZ 55/51; SZ 55/157; Krejci aaO Rz 10 zu § 3 KSchG mwN).

Insoweit kann auch dem vom Kläger ins Treffen geführten "Überwiegensprinzip" keine Bedeutung zukommen:

Da ein Geschäft (wie der gegenständliche Versicherungsvertrag) auch dann zur Gänze als Unternehmergeschäft zu werten ist, wenn es teils zur privaten, teils zur unternehmerischen Sphäre gehört ( Krejci aaO Rz 23 zu § 1 KSchG mit Hinweis auf Welser in Krejci , Handbuch zum KSchG 200; Feil KSchG² Rz 8 zu § 1 KSchG), hat der Kläger nämlich mit Abschluss der gegenständlichen "Versicherung für den Agrar Bereich" (im Rahmen der Übernahme der Nebenerwerbslandwirtschaft von seinen Eltern) jedenfalls ein Unternehmergeschäft, nämlich ein solches als Kleinlandwirt (Feil aaO Rz 7 aE mit Hinweis auf SZ 55/157) abgeschlossen. Wenn er dennoch den Schutz des KSchG für sich in Anspruch nehmen wollte, hätte er - wie bereits die Vorinstanzen zutreffend erkannten - behaupten und nachweisen müssen, dass die Voraussetzungen für diesen Schutz gegeben sind (RIS Justiz RS0065220; RS0065264; Krejci aaO Rz 44 zu § 1 KSchG mwN).

Davon kann hier aber keine Rede sein; führte der Kläger doch selbst aus, neben seinem "ansonsten" ausgeübten Beruf als Tischler auch als Nebenerwerbslandwirt tätig (gewesen) zu sein (Aktseite 54 = Seite 4 in ON 10). Die vorliegende Klage macht daher geltend, die landwirtschaftliche Verwendung der versicherten Sachen liege hier in einem derart geringen Ausmaß, dass von keinem Unternehmen gesprochen werden könne, und stützt sich darauf, dass die private Nutzung der versicherten Sachen überwiege. Darauf kommt es aber wie dargestellt - ebenso wenig an, wie auf ein bestimmtes Mindestmaß an geschäftlicher Tätigkeit (RIS Justiz RS0065309; RS0065380).

Ausschlaggebend war vielmehr dass sich die unstrittige wirtschaftliche Tätigkeit des Klägers als Nebenerwerbslandwirt in Bezug auf das konkrete Rechtsgeschäft (Versicherungsvertrag) zumindest zum Teil als unternehmerisch darstellte. Aus diesem Grund liegt auch die vom Revisionswerber in der Unterlassung weiterer Feststellungen zur Nutzung der einzelnen versicherten Sachen erblickte Mangelhaftigkeit bzw Nichtigkeit des Berufungsverfahrens nicht vor.

Die Revision muss daher erfolglos bleiben.

Der Zuspruch der Kosten der Revisionsbeantwortung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Rechtssätze
9
  • RS0112255OGH Rechtssatz

    24. September 2019·3 Entscheidungen

    Das Kündigungsrecht nach § 8 Abs 3 VersVG ist auf Verbraucher im Sinn des KSchG zu beschränken, weil einem Unternehmer zugesonnen werden kann, dass er die Tragweite langfristiger vertraglicher Bindungen richtig einschätzt. § 8 Abs 3 VersVG soll für Verträge nicht voll gelten, die vor seinem Inkrafttreten geschlossen wurden. Eine uneingeschränkte Rückwirkung dieser Bestimmung auf bestehende Verträge würde in unvertretbarer Weise in die vertragliche Gestaltungsfreiheit des Versicherers eingreifen, der ja bei diesen Verträgen die Prämie im Vertrauen auf eine lange Laufzeit kalkuliert hat. § 8 Abs 3 zweiter Satz VersVG ist auf Verträge, die vor dem 1. Jänner 1995 geschlossen worden sind, mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Versicherer auch die Differenz zwischen der vereinbarten Prämie und der Prämie für Verträge mit einer Laufzeit, die der tatsächlich verstrichenen Laufzeit entspricht, verlangen kann, falls er zur Zeit der Eingehung des Versicherungsvertrages in seinem Tarif eine Prämie für derartige Verträge mit kürzerer Laufzeit vorgesehen hatte. Mit dieser Bestimmung wollte der Gesetzgeber offenbar verhindern, dass ein Versicherer vom rückwirkenden zeitlichen Geltungsbereich des § 8 Abs 3 VersVG überrascht wird und er einen dem Versicherungsnehmer de facto gewährten Dauerrabatt deswegen nicht zurückfordern kann, weil er unter der im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses berechtigten Annahme, dass dem Versicherungsnehmer ohnehin kein ordentliches Kündigungsrecht zukomme, diesbezüglich keine Abrede getroffen hat.