JudikaturJustiz7Ob186/13y

7Ob186/13y – OGH Entscheidung

Entscheidung
11. Dezember 2013

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. G***** H*****, vertreten durch Mag. Dr. Karlheinz Klema, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei W***** AG *****, vertreten durch Dr. Herbert Laimböck, Rechtsanwalt in Wien, wegen 66.659,70 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 31. Juli 2013, GZ 5 R 100/13g 42, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 22. März 2013, GZ 46 Cg 51/11m 35, bestätigt wurde, beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

a) Die Urteile der Vorinstanzen, die hinsichtlich der Abweisung von (richtig) 6.351,70 EUR sA unbekämpft in Rechtskraft erwachsen sind, werden dahin abgeändert, dass sie insgesamt als Teilurteil lauten:

„1. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 56.228,50 EUR samt 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 12. 5. 2010 binnen 14 Tagen zu bezahlen.

2. Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei weiters schuldig, der klagenden Partei 8.289,20 EUR samt 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus 4.829,20 EUR vom 12. 5. 2010 bis 14. 12. 2012 und aus 8.289,20 EUR seit 15. 12. 2012 zu bezahlen, wird abgewiesen.

3. Die beklagte Partei hat der klagenden Partei für alle weiteren Schäden aufgrund des am 12. 2. 2010 aufgetretenen Brandes im Lokal des Klägers im Erdgeschoss des Hauses *****, Deckung im Umfang des Versicherungsvertrags zu Polizze Nr ***** bis zur Versicherungssumme von 134.847 EUR (abzüglich des laut Punkt 1. zu bezahlenden Betrags) zu gewähren.“

b) Im Übrigen (hinsichtlich 2.142 EUR samt 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 12. 5. 2010 und der Kostenentscheidungen) werden die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben. Die Rechtssache wird in diesem Umfang an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

c) Die Entscheidung über die Verfahrenskosten bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Zwischen dem Kläger und der Beklagten besteht ein Versicherungsvertrag über eine Betriebsversicherung, die Brandschäden in seinem Souterrain Lokal deckt. Auf diesen Versicherungsvertrag sind unter anderem die Allgemeinen Feuerversicherungs Bedingungen (AFB 1995) und die 17T Sonderbedingungen für die Neuwertversicherung von Gebäuden und Einrichtungen, soweit sie industriell oder gewerblich genutzt sind oder Wohn und Bürozwecken dienen (kurz: Sonderbedingungen [17T]), anzuwenden. Die Sonderbedingungen (17T) lauten auszugsweise:

1. Als Ersatzwert gelten bei Gebäuden der ortsübliche Neubauwert, bei Einrichtungen und den sonstigen zum Neuwert versicherten Sachen die Wiederbeschaffungskosten (Neuwert), jeweils zur Zeit des Eintrittes des Schadenfalles.

...

4. Der Versicherungsnehmer erwirbt den Anspruch auf Zahlung des die Zeitwertentschädigung*) übersteigenden Teiles der Entschädigung nur insoweit als dieser Teil zusammen mit der Zeitwertentschädigung*) den Wiederherstellungsaufwand nicht übersteigt, und in dem Umfang, in dem die Verwendung der Entschädigung zur Wiederherstellung an der bisherigen Stelle gesichert ist.

Hiebei genügt es, wenn für zerstörte oder beschädigte Gebäude wieder Gebäude, für zerstörte oder beschädigte Einrichtungen wieder Einrichtungen und für zerstörte oder beschädigte sonstige Sachen gleichartige Sachen hergestellt bzw. beschafft werden, soweit alle vorgenannten Sachen dem gleichen Betriebszweck dienen.

...

Unterbleibt die Wiederbeschaffung oder Wiederherstellung innerhalb einer Frist von 3 Jahren nach dem Schadenfall oder erklärt der Versicherungsnehmer dem Versicherer vor Ablauf der Frist schriftlich, dass er nicht wiederherstellen wolle, so verbleibt es endgültig bei Gebäuden bei dem Anspruch auf Entschädigung nach dem Zeitwert, höchstens aber dem Verkehrswert*), bei Einrichtungen und den sonstigen Sachen bei dem Anspruch auf Zeitwertentschädigung; im Falle eines Deckungsprozesses wird die Frist für die Wiederbeschaffung oder Wiederherstellung um die Dauer des Deckungsprozesses erstreckt.

*) Das ist gemäß den Allgemeinen Versicherungsbedingungen bei Gebäuden die Entschädigung nach dem Zeitwert, höchstens aber nach dem Verkehrswert (bei Teilschaden nach dessen anteiligem Verkehrswert), bei dessen Ermittlung der Wert des Grundstückes außer Ansatz bleibt; bei Einrichtungen und den sonstigen Sachen die Entschädigung nach dem Zeitwert.

Der Kläger betreibt im Souterrain Lokal einen Antiquitätenhandel. Am Morgen des 12. 2. 2010 entstand im Lokal aus ungeklärter Ursache ein Brand, wodurch diverse antike Ausgrabungsstücke verunreinigt wurden.

Weiters wurden beim Brand verschiedene näher angeführte Einrichtungs und Gebrauchsgegenstände beschädigt. Diese haben in Summe einen Neuwert von 7.450 EUR und einen Zeitwert von 5.512,50 EUR. Die beschädigten Einrichtungs und Gebrauchsgegenstände hat der Kläger noch nicht wiederbeschafft.

Der Kläger hatte bei einem anderen Versicherer auch eine Gebäudeversicherung abgeschlossen. Der Klagevertreter bemühte sich, alle eingetretenen Schäden der jeweils zuständigen Versicherung zuzuordnen. Der Gebäudeversicherer zahlte dem Kläger auf Grundlage der von diesem vorgelegten Kostenvoranschläge zweier Unternehmen eine Barablöse von pauschal 11.000 EUR. Aus den beiden Kostenvoranschlägen errechnete sich ein Nettobetrag von 16.572,68 EUR. In einem Kostenvoranschlag waren 1.320 EUR für die Alarmanlage enthalten. Im Gerichtsverfahren sagte der Kläger aus, dass er vom Gebäudeversicherer keinen Ersatz für die Alarmanlage erhielt. Die Kosten für den Ersatz der defekten Alarmanlage betragen laut Kostenvoranschlag 3.013 EUR. Der Kläger hat die Brandschäden im Geschäftslokal noch nicht saniert, weil ihm das Geld dazu fehlt.

Der Kläger begehrte von der Beklagten die Zahlung von (zuletzt) 66.659,70 EUR sA und stellte ein Feststellungsbegehren hinsichtlich der weiteren Schäden. Für den Fall der gänzlichen Abweisung des Leistungsbegehrens erhob er hilfsweise ein weiteres Feststellungsbegehren. Neben anderen Streitpunkten, die im Revisionsverfahren nicht mehr bestehen und daher hier nicht angeführt werden, brachte er zusammengefasst vor, die Beklagte habe ihm aus dem Versicherungsvertrag für den Brandschaden Ersatz zu leisten. Insbesondere fordere er Ersatz für die defekte Alarmanlage in Höhe von 3.013 EUR. Die Summe der beschädigten Einrichtungs und Gebrauchsgegenstände betrage 7.450 EUR. Die Schadensabwicklung im Rahmen der Pauschalabfindung mit dem Gebäudeversicherer sei aus seiner Sicht ohne Abgeltung der Alarmanlage erfolgt, was sich aus dem Vergleich der Kosten für die Alarmanlage im eingereichten Kostenvoranschlag mit der Abschlagssumme ergebe. Bei der von einem Unternehmen mitangebotenen Alarmanlage, dessen Kostenvoranschlag er dem Gebäudeversicherer übermittelt habe, handle es sich nicht um einen gleichwertigen Ersatz. Es liege keine Obliegenheitsverletzung oder gar Täuschungsabsicht vor. Sein Rechtsvertreter habe sich in Vorbereitung der Verhandlung redlich bemüht, alle Kosten der entsprechenden Versicherung zuzuordnen.

Die Beklagte stellte die Höhe der Kosten für den Ersatz der defekten Alarmanlage von 3.013 EUR außer Streit (ON 12, S 11) und wendete soweit für das Revisionsverfahren von Relevanz ein, die Alarmanlage sei schon vom Gebäudeversicherer pauschal abgegolten worden. Der Kläger habe jedoch behauptet, die Alarmanlage sei ihm nicht ersetzt worden, sodass er sie in diesem Punkt über den Umfang der zu erbringenden Leistung getäuscht und gegen seine Obliegenheiten verstoßen habe. Darüber hinaus habe der Kläger nur dann Anspruch auf Zahlung des die Zeitwertentschädigung übersteigenden Teils der Entschädigung, wenn der Schaden bereits wiederhergestellt oder die Wiederherstellung gesichert sei. Mangels Nachweises sei der Anspruch noch nicht fällig.

Das Erstgericht gab dem Zahlungsbegehren mit 60.308 EUR sA sowie dem Feststellungsbegehren statt. Das Mehrbegehren von 6.351,90 EUR sA (richtig: 6.351,70 EUR sA) wies es ab. Was die Alarmanlage betreffe, sei fraglich, ob und in welcher Höhe die Kosten der neuen Alarmanlage durch die Pauschalabfindung endgültig abgegolten seien. Im Kostenvoranschlag, der der Abfindung zu Grunde gelegen sei, sei offenbar eine billigere und weniger gute Alarmanlage zu Grunde gelegt worden als jene, für die nun Ersatz begehrt werde. Zudem sei die Pauschalablöse ein Drittel geringer als die Kostenvoranschläge. Der Klagevertreter habe sich redlich bemüht, die entsprechenden Schäden der jeweiligen Versicherung zuzuordnen. Möglicherweise sei die Alarmanlage falsch zugeordnet worden. Dem Kläger könne nicht vorgeworfen werden, dass er ausgesagt habe, die Alarmanlage wäre nicht ersetzt worden. Mangels dieser und anderer geltend gemachter Obliegenheitsverletzungen sei die Beklagte dem Kläger dem Grunde nach zum Ersatz verpflichtet. Betreffend die Alarmanlage habe der Gebäudeversicherer dem Kläger im Rahmen des Ablösebetrags 871 EUR (66 % von 1.320 EUR) ersetzt. Dieser Betrag sei vom begehrten Ersatzbetrag von 3.013 EUR abzuziehen, weshalb der Kläger Anspruch auf 2.142 EUR für die Alarmanlage habe. Durch die Barablöse sei nämlich nur ein Teil des Schadens gedeckt worden. Weiters habe der Kläger Anspruch auf den Neuwert der beschädigten Einrichtungsgegenstände und der sonstigen Fahrnisse in Höhe von 7.450 EUR. Er habe diese zwar noch nicht wiederbeschafft. Die Frist für die Wiederbeschaffung sei aber im Fall eines Deckungsprozesses gemäß Punkt 4. der Sonderbedingungen (17T) um die Dauer des Deckungsprozesses erstreckt worden. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger die Gegenstände nach Erhalt der Versicherungsleistung wiederbeschaffen werde.

Das Berufungsgericht gab den von beiden Parteien erhobenen Berufungen nicht Folge. Rechtlich führte es soweit für das Revisionsverfahren von Relevanz aus, nach Art 4 Abs 1 lit f AFB 1995 habe der Versicherungsnehmer alle schriftlichen und mündlichen Angaben im Zuge der Schadenerhebung dem Versicherer richtig und vollständig zu machen. Der Kläger habe zwar ausgesagt, er habe für die Alarmanlage keinen Ersatz vom Gebäudeversicherer bekommen. In der vom Gebäudeversicherer eingeholten Stellungnahme eines Sachverständigen sei als Grundlage für die entstandenen Schäden ein Ablöseangebot von 16.572,68 EUR angeführt. Dass darin die Alarmanlage enthalten gewesen sei, könne dieser Stellungnahme allein nicht entnommen werden. Darin werde auf den Kostenvoranschlag eines Unternehmens verwiesen, in dem offenbar in vier Positionen die Alarmanlage enthalten sei, was allerdings nur hinsichtlich der Positionen „Einbruchsmeldesystem“ und „Innensirene für Alarmanlage“ klar erkennbar sei. Als Barablöse seien dem Kläger insgesamt 11.000 EUR angeboten worden, ohne dass diese Summe einzelnen Positionen zugeordnet werde. Zwar sei die Aussage des Klägers, er habe für die Alarmanlage nichts erhalten, unrichtig. Mangels Anhaltspunkten sei aber zu Grunde zu legen, dass er der Beklagten den Erhalt eines Teilbetrags nicht absichtlich zwecks Täuschung, also mit dolus coloratus, verschwiegen habe. Ebensowenig könne daraus der Schluss gezogen werden, dass dieser Umstand einen Einfluss auf die Leistungspflicht der Beklagten gehabt habe. Die Beweislage habe sich durch die Aussage des Klägers nicht verändert. Die Beklagte habe über sämtliche Urkunden verfügt und sich vom Ausmaß des Ersatzes bezüglich der Alarmanlage ein Bild verschaffen können. Auch insoweit könne eine Leistungsfreiheit der Beklagten im Sinn des § 6 Abs 3 VersVG nicht bejaht werden.

Die Rechtsrüge der Beklagten, die für die Alarmanlage restlich zugesprochenen Kosten und die Neuwertspanne für die Sachwerte in Höhe von 1.937,50 EUR seien nicht berechtigt, weil der Kläger die Wiederbeschaffung dieser Gegenstände weder behauptet noch sichergestellt habe, sei nicht gesetzmäßig ausgeführt. Zudem komme Punkt 4. der Sonderbedingungen (17T) zur Anwendung. Da sich der Brand im Februar 2010 ereignet habe und die Klage im Mai 2011 eingebracht worden sei, sei die Frist von drei Jahren für die Wiederbeschaffung oder Wiederherstellung zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung am 14. 12. 2012 noch nicht abgelaufen gewesen. Eine Feststellung, dass der Kläger erklärt habe, eine Wiederherstellung nicht zu wollen, finde sich nicht. Vielmehr habe er die Brandschäden im Geschäftslokal noch nicht saniert, weil ihm das Geld dazu fehle.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil die Rechtsfragen anhand der herrschenden Rechtsprechung gelöst worden seien.

Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten mit dem Antrag, das restliche Zahlungsbegehren von 60.308 EUR sA sowie das Feststellungsbegehren abzuweisen. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt in der ihm freigestellten Revisionsbeantwortung, das Rechtsmittel der Prozessgegnerin zurückzuweisen, hilfsweise ihm keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil die Vorinstanzen von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zum Zuspruch der Neuwertspanne abwichen; sie ist auch teilweise berechtigt.

1. Nach Art 4 Abs 1 lit f der AFB 1995 trifft den Versicherungsnehmer im Schadenfall die Obliegenheit, „alle schriftlichen und mündlichen Angaben im Zuge der Schadenerhebung dem Versicherer richtig und vollständig zu machen“. Diese Obliegenheit dient dem Zweck, den Versicherer in die Lage zu versetzen, nach Eintritt des Versicherungsfalls eine sachgerechte Entscheidung über die Entschädigungspflicht und die Höhe der zu leistenden Entschädigung zu treffen (7 Ob 34/87 [zum inhaltsgleichen Art 8 Abs 2 AEB 1972]).

Die (Wiederbeschaffungs )Kosten für den Ersatz der defekten Alarmanlage betragen nach den erstinstanzlichen Feststellungen 3.013 EUR. Deren Höhe stellte die Beklagte außer Streit (ON 12, S 11). Dass der Kläger ein überhöhtes Angebot für die Ersatzkosten der Alarmanlage vorgelegt hätte, steht somit einerseits nicht fest, andererseits verstößt dieser erstmals in der Revision erhobene Einwand einer Obliegenheitsverletzung, für deren Vorliegen den Versicherer die Behauptungs und Beweislast trifft (RIS Justiz RS0043510; RS0081313), auch gegen das Neuerungsverbot (§ 504 Abs 2 ZPO).

Die Beklagte geht mit ihrem Einwand, der Kläger habe bewusst verschwiegen, dass er vom Gebäudeversicherer bereits durch einen Pauschalvergleich angemessene Ersatzkosten für die Alarmanlage von 1.320 EUR erhalten habe, nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Sie wiederholt in diesem Zusammenhang unzulässigerweise Beweisergebnisse, um damit Feststellungen zu erlangen, wonach der Kläger mit Schädigungs , Verschleierungs oder Täuschungsvorsatz gehandelt habe. Der Oberste Gerichtshof ist jedoch nicht Tatsacheninstanz, weshalb eine Auseinandersetzung mit den diesbezüglichen Ausführungen zu unterbleiben hat (vgl 1 Ob 140/13i mwN).

Abgesehen davon, dass die Beklagte gar nicht ausführt, gegen welche vertraglich vereinbarte Aufklärungsobliegenheit der Kläger durch seine gerichtliche Aussage verstoßen haben soll (gemeint offenbar Art 4 Abs 1 lit f AFB 1995), ist dem Kläger wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte kein „dolus coloratus“ vorzuwerfen. Nur der Versicherungsnehmer, der eine Obliegenheit mit dem Vorsatz verletzt, die Beweislage nach dem Versicherungsfall zu Lasten des Versicherers zu manipulieren (sogenannter „dolus coloratus“), verwirkt den Anspruch, und es ist der Kausalitätsgegenbeweis ausgeschlossen (§ 6 Abs 3 VersVG; RIS Justiz RS0081253; RS0109766). Nicht erforderlich ist, dass der Versicherungsnehmer geradezu und ausschließlich mit dem Ziel handelt, den Versicherer zu täuschen (Betrugsabsicht); es genügt, wenn er erkennt, dass die von ihm dargelegten oder unvollständig angegebenen Umstände, die für die Beurteilung der Leistungspflicht des Versicherers maßgeblich sind, Letzteren beeinträchtigen oder fehlleiten können und er sich damit abfindet. Täuschung liegt vor, wenn der Versicherungsnehmer einen Vermögensvorteil anstrebt, aber auch, wenn er durch die Angaben unrichtiger Tatsachen einen für berechtigt gehaltenen Anspruch durchsetzen oder einfach „Schwierigkeiten“ bei der Schadensfeststellung verhindern will (RIS Justiz RS0109766). Absichtlich unvollständig gemachte Angaben des Versicherungsnehmers gegenüber dem Versicherer, die sich erkennbar nicht darauf bezogen, diesen zu täuschen, sind nicht als „dolus coloratus“ zu werten und erlauben dem Versicherungsnehmer den Kausalitätsgegenbeweis (RIS Justiz RS0109767). Die Frage, ob dem Versicherungsnehmer „dolus coloratus“ vorzuwerfen ist, ist primär eine Tatfrage (7 Ob 34/12v).

Nach den Feststellungen bemühte sich der Klagevertreter, alle eingetretenen Schäden dem jeweils zuständigen Versicherer (dem Gebäudeversicherer oder dem beklagten Feuerversicherer) zuzuordnen. Die Aussage des Klägers im Prozess, dass er vom Gebäudeversicherer keinen Ersatz für die Alarmanlage erhielt, ist zwar unrichtig, weil in einem Kostenvoranschlag auch 1.320 EUR (bestehend aus vier Einzelpositionen, wovon nur zwei klar erkennbar waren) für die Alarmanlage enthalten waren. Der Gebäudeversicherer zahlte dem Kläger auf der Grundlage von Kostenvoranschlägen über insgesamt 16.572,68 EUR pauschal 11.000 EUR Barablöse. Nach diesen Feststellungen ist dem Kläger kein „dolus coloratus“ vorzuwerfen. Der Kläger verschwieg den Erhalt eines Teilbetrags vom Gebäudeversicherer nicht mit dem (auch nur bedingten) Vorsatz, die Versicherungsleistung zu beeinflussen. Da er dies offenkundig aus Nachlässigkeit tat, steht ihm der Kausalitätsgegenbeweis offen.

Unter Kausalitätsgegenbeweis ist der Nachweis zu verstehen, dass die Obliegenheitsverletzung weder auf die Feststellung des Versicherungsfalls noch auf die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers einen Einfluss gehabt hat (RIS Justiz RS0116979). Zutreffend hat das Berufungsgericht dargelegt, dass dem Kläger der Kausalitätsgegenbeweis gelungen ist, was von der Beklagten auch nicht substantiiert bestritten wird.

2. Zu Recht rügt die Beklagte die mangelnde Fälligkeit der Neuwertspanne der Differenz zwischen Zeitwert und Wiederherstellungswert für die beschädigten Einrichtungs und Gebrauchsgegenstände (1.937,50 EUR sA) und die Alarmanlage (restliche Kosten von 2.142 EUR), weil der Kläger die Wiederherstellung oder Wiederbeschaffung noch nicht sichergestellt habe.

Zunächst ist festzuhalten, dass die Beklagte in der Berufung diese Positionen, wenn auch nicht unter Verweis auf Punkt 4. der Sonderbedingungen (17T), jedoch unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs wegen mangelnder Fälligkeit bekämpfte. Die Eventualbegründung des Berufungsgerichts, die Rechtsrüge der Beklagten sei insofern nicht gesetzmäßig ausgeführt, trifft daher nicht zu.

Punkt 4. der vereinbarten Sonderbedingungen (17T) beinhaltet eine sogenannte „strenge“ Wiederherstellungsklausel (7 Ob 35/09m; 7 Ob 67/06p; 7 Ob 103/01z; vgl 7 Ob 96/01w; 7 Ob 125/99d). Diese lässt im Sinn einer Risikobegrenzung (RIS Justiz RS0081840) den Anspruch durch den Versicherungsfall zunächst nur in der Höhe des Zeitwerts entstehen und der Restanspruch auf die „Neuwertspanne“ entsteht erst dadurch, dass die Wiederherstellung durchgeführt wird oder gesichert ist (RIS Justiz RS0120710). Durch die Wiederherstellungsklausel wird mittelbarer Zwang auf den Versicherungsnehmer ausgeübt, der erst bei Sicherung des Wiederaufbaus an die Versicherungssumme gelangt. Die Fälligkeit dieses Teils der Entschädigungsforderung ist bis dahin aufgeschoben (RIS Justiz RS0111471; RS0119959). Grundsätzlich kann lediglich gesagt werden, dass eine 100%ige Sicherheit nicht verlangt werden kann, sondern es ausreichen muss, wenn angesichts der getroffenen Vorkehrungen keine vernünftigen Zweifel an der Durchführung der Wiederherstellung bestehen (RIS Justiz RS0112327; RS0081868). Die Vorlage von Kostenvoranschlägen, die Absichtserklärung des Versicherungsnehmers, ein noch nicht angenommenes Angebot, die bloße Bauplanung oder eine bloß behelfsmäßige Reparatur sind für die Sicherung der Wiederherstellung nicht ausreichend (7 Ob 217/10b mwN; 7 Ob 190/11h).

Der Kläger hat die beschädigten Einrichtungs und Gebrauchsgegenstände noch nicht wiederbeschafft und die Brandschäden (und damit auch die Alarmanlage) im Geschäftslokal noch nicht saniert, weil ihm dazu das Geld fehlt. Auch wenn das Erstgericht „davon ausgeht“, dass der Kläger nach Erhalt der Versicherungsleistung die Gegenstände wiederbeschaffen wird, steht damit nach den dargelegten Grundsätzen gerade nicht fest, dass die Verwendung der Versicherungsleistung zur Anschaffung der Alarmanlage und der Einrichtungs und Gebrauchsgegenstände sichergestellt ist (vgl 7 Ob 125/99d). Die Fälligkeit der „Neuwertspanne“ für die Einrichtungs und Gebrauchsgegenstände von 1.937,50 EUR sA ist damit noch nicht gegeben, sodass dieser Teil des Entschädigungsbetrags abzuweisen ist. Hinsichtlich des noch strittigen Restbetrags für die Alarmanlage von 2.142 EUR sA (Differenz zwischen den Wiederbeschaffungskosten und dem vom Gebäudeversicherer anteilig ersetzten Betrag) fehlen Feststellungen über den Zeitwert, sodass die Höhe der „Neuwertspanne“ noch nicht beurteilt werden kann. Das Erstgericht wird daher mit den Parteien im fortzusetzenden Verfahren die Höhe des Zeitwerts der zu ersetzenden Alarmanlage zu erörtern und auf dieser Grundlage Feststellungen zu treffen haben.

Punkt 4. (sechster Absatz) der Sonderbedingungen (17T) stellt nicht darauf ab, ob die bestimmungsgemäße Verwendung des Geldes „sichergestellt“ ist. Es kommt vielmehr darauf an, ob die „Wiederherstellung oder Wiederbeschaffung innerhalb einer Frist von 3 Jahren nach dem Schadenfall unterbleibt“. Diese Klausel legt fest, dass der Anspruch auf Ersatz der „Neuwertspanne“ die Wiederherstellung des Gebäudes oder die Wiederbeschaffung der Einrichtungen und sonstigen Sachen innerhalb der dreijährigen Frist ab Schadenseintritt voraussetzt (7 Ob 103/01z [Punkt IV Abs 5 der Klausel 402 Sonderbedingungen für die die Neuwertversicherung industrieller und gewerblicher Anlagen]). Im Fall eines Deckungsprozesses wie hier wird diese Frist um die Dauer des Deckungsprozeses erstreckt. Damit tritt durch einen Deckungsprozess für dessen Dauer die Hemmung der dreijährigen Frist ein. Dabei handelt es sich um die Regelung einer Fortlaufhemmung in der Weise, dass nach dem Fortfall des Hemmungsgrundes (Beendigung des Deckungsprozesses) die bei Eintritt des Hemmungsgrundes noch nicht abgelaufenen Teile der dreijährigen Wiederherstellungsfrist abzulaufen haben. Da sich der Brand am 12. 2. 2010 ereignete, war (auch ohne Einbringung der Deckungsklage am 11. 5. 2011) im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz am 14. 12. 2012 die Frist von drei Jahren für die Wiederherstellung oder Wiederbeschaffung noch nicht abgelaufen. Da jedoch feststeht, dass die Wiederbeschaffung der Alarmanlage sowie der Einrichtungs und Gebrauchsgegenstände bisher weder erfolgt noch sichergestellt ist, besteht insofern kein fälliger Anspruch auf die „Neuwertspanne“.

Wenn der Kläger, der einen Antiquitätenhandel betreibt, in der Revisionsbeantwortung argumentiert, die Berufung der Beklagten, die jegliche Zahlung ablehne, auf die Wiederherstellungsklausel verstoße gegen Treu und Glauben und Punkt 4. der Sonderbedingungen (17T) sei bei derartiger Anwendung gröblich benachteiligend und daher nichtig (§ 879 Abs 3 ABGB), ist ihm zu entgegnen, dass er diesen Einwand in erster Instanz nicht erhob. Es handelt sich somit um eine im Rechtsmittelverfahren unzulässige Neuerung (§ 504 Abs 2 ZPO). Von Amts wegen der Kläger ist nicht Verbraucher ist auf diese Umstände nicht einzugehen (RIS Justiz RS0016435).

3. Die Urteile der Vorinstanzen sind daher hinsichtlich der Stattgebung des Leistungsbegehrens von 60.308 EUR sA als Teilurteil dahin abzuändern, dass der Zuspruch von 56.228,50 EUR sA bestätigt und neben der vom Revisionsverfahren unberührten (bereits rechtskräftigen) Abweisung von 6.351,70 EUR sA auch das Mehrbegehren von 1.937,50 EUR sA abgewiesen wird. Hinsichtlich der weiteren Forderung von 2.142 EUR sA (restliche Kosten Alarmanlage) sind die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben und dem Erstgericht ist insofern eine neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.

Die Kostenaussprüche gründen sich auf § 52 ZPO. Das Erstgericht wird im Endurteil über den Prozesskostenersatz für das gesamte Verfahren abzusprechen haben.

Rechtssätze
6