JudikaturJustiz6Ob87/20t

6Ob87/20t – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. Juni 2020

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ. Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Franz J*****, vertreten durch Dr. Josef Lindlbauer, Rechtsanwalt in Enns, gegen die beklagte Partei A*****, vertreten durch Dr. Roland Grilc und andere Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen Mängelbehebung, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 22. April 2020, GZ 1 R 56/20s 38, womit der Rekurs der klagenden Partei gegen Punkt 1 des Beschlusses des Landesgerichts Steyr vom 4. März 2020, GZ 4 Cg 144/18m 33, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der Kläger begehrt, den Beklagten zu verpflichten, die Mängel bei dem von ihm gekauften Traktor zu beheben. Sein Interesse an der Mängelbehebung bewertete er mit 16.000 EUR.

Die beklagte Partei bemängelte in der Klagebeantwortung den Streitwert gemäß § 60 JN. Bei richtiger Bewertung wurde die Gerichtshofgrenze nicht erreicht.

Nach Einholung eines Gutachtens und Durchführung eines (weiteren) Beweisverfahrens setzte das Erstgericht den Streitwert mit 6.584,93 EUR fest (Punkt 1), sprach seine sachliche Unzuständigkeit aus (Punkt 2) und überwies die Rechtssache an das nicht offenbar unzuständige Bezirksgericht Steyr (Punkt 3). In Punkt 4 erkannte es den Kläger schuldig, die Kosten des Verfahrens zu ersetzen.

Das Rekursgericht wies den dagegen erhobenen Rekurs zurück, soweit er sich gegen Punkt 1 des Beschlusses richtete, gab jedoch dem Kostenrekurs Folge und änderte die Kostenentscheidung des Erstgerichts ab.

Außerdem sprach es aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs gegen die Zurückweisung des Rekurses nicht zulässig sei, weil die Entscheidung des Rekursgerichts nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage abhänge. Im Kostenpunkt sei der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig.

Nur gegen die Zurückweisung seines Rekurses richtet sich der Revisionsrekurs des Klägers mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahingehend abzuändern, dass dem Rekurs des Klägers Folge gegeben und der Beschluss des Erstgerichts dahin abgeändert werde, dass Punkt 1 ersatzlos entfalle.

Rechtliche Beurteilung

Hierzu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:

Der Revisionsrekurs ist unzulässig.

1.1. Nach § 60 Abs 1 JN kann, wenn bei einer Klage, welche bei einem Gerichtshof erster Instanz eingebracht wurde, die Bewertung des Streitgegenstands im Sinne des § 56 Abs 2 ZPO übermäßig hoch erscheint, das Gericht von Amts wegen die ihm zur Prüfung der Richtigkeit der Wertangabe nötig erscheinenden Erhebungen anordnen, wenn wahrscheinlich ist, dass bei richtiger Bewertung des Streitgegenstands dieser die für die Zuständigkeit des Gerichtshofs oder für die Besetzung des Gerichts maßgebende Wertgrenze nicht erreichen dürfte.

1.2. Stellt sich aufgrund der durchgeführten Erhebungen heraus, dass bei richtigem Streitwert das Bezirksgericht oder der Einzelrichter des Gerichtshofs erster Instanz zur Entscheidung berufen sind, hat der Gerichtshof erster Instanz bzw der Senat auszusprechen, dass der Streitwert der Klage derzeit 15.000 EUR bzw 100.000 EUR nicht übersteigt, seine Unzuständigkeit festzustellen und die Sache an das zuständige Bezirksgericht oder an den Einzelrichter des Gerichtshofs erster Instanz abzutreten ( Gitschthaler in Fasching/Konecny 3 § 60 JN Rz 15 mwN; Mayr in Rechberger/Klicka ZPO 5 § 60 JN Rz 3; OLG Linz 2 R 260/97m; OLG Wien EvBl 1949/588), nicht aber einen „neuen“ Streitwert festzusetzen ( Gitschthaler aaO). Anderes gilt hingegen bei einer – hier nicht beantragten – Streitwertneufestsetzung nach §§ 7, 8 RATG ( Gitschthaler aaO Rz 15, 22 ff).

2.1. Das Rekursgericht hat die ziffernmäßige Festsetzung eines „neuen“ Streitwerts durch das Erstgericht als untrennbaren Bestandteil der Zuständigkeitsentscheidung gemäß § 60 JN angesehen und daher (auch) diesen Ausspruch den Anfechtungsbeschränkungen des § 45 JN (dazu Schneider in Fasching/Konecny 3 § 45 JN Rz 9; Mayr in Rechberger/Klicka , ZPO 5 § 45 JN Rz 5; RS0046336, RS0046341) unterworfen und demgemäß den Rekurs insoweit zurückgewiesen.

2.2. Der Kläger steht auf dem Standpunkt, der Rechtsmittelausschluss des § 45 JN sei im vorliegenden Fall nicht anzuwenden, weil das Rekursgericht ohne gesetzliche Grundlage eine ziffernmäßige Festsetzung eines „neuen“ Streitwerts vorgenommen habe.

2.3. Die Richtigkeit dieser Auffassung des Rekursgerichts ist jedoch einer Überprüfung im Wege des Revisionsrekursverfahrens nicht zugänglich:

2.4. Zulässigkeitsvoraussetzung für ein Rechtsmittel ist regelmäßig die Beschwer, mithin das in höherer Instanz vorausgesetzte Rechtsschutzbedürfnis des Rechtsmittelwerbers. Das Fehlen einer Beschwer macht ein Rechtsmittel nach völlig einhelliger Auffassung unzulässig (RS0041770; Sloboda in Fasching/Konecny 3 § 514 ZPO Rz 40 ff mwN).

2.5. Im vorliegenden Fall beeinträchtigt die vorgenommene Streitwertfestsetzung den Rechtsschutz des Klägers in keiner Weise, wird doch auch durch den vom Rekursgericht festgesetzten „neuen“ Streitwert die Streitwertgrenze des § 501 ZPO sowie die Revisionsgrenze des § 502 Abs 1 ZPO jedenfalls überschritten. Damit kann sich die Entscheidung des Rekursgerichts im fortgesetzten Verfahren aber nur noch auf der Ebene der Kostenentscheidung auswirken. Insoweit besteht jedoch für eine Anrufung des Obersten Gerichtshofs kein Raum:

2.6. Nach ständiger Rechtsprechung begründet das Interesse am Zuspruch der für ein Rechtsmittel verzeichneten Kosten kein Rechtsschutzbedürfnis an der meritorischen Erledigung (RS0002396). Das Interesse an der Abänderung der Kostenentscheidung der zweiten Instanz – die für sich allein gar nicht angefochten werden kann – bewirkt nicht die Zulässigkeit der Anfechtung der Sachentscheidung (4 Ob 21/07b; 8 Ob 124/11k; 9 ObA 150/14w). Eine Beschwer durch die Kostenentscheidung ist in dritter Instanz in der Regel ohne Rücksicht darauf zu verneinen, ob es sich um Kosten der ersten oder der zweiten Instanz handelt (SZ 61/6; SZ 64/88 uva).

2.7. Diese Überlegung lässt sich aber auf die vorliegende Konstellation übertragen (vgl auch Musger in Fasching/Konecny 3 § 528 ZPO Rz 72). Die Überprüfung einer Entscheidung, die in weiterer Folge nur für die Entscheidung über die Verfahrenskosten Bedeutung hätte, kann nicht in weiterem Umfang angefochten werden als eine direkte ziffernmäßige Kostenentscheidung, wird doch durch die vorliegende Entscheidung die Bemessungsgrundlage abschließend geklärt.

3. Der somit unzulässige Revisionsrekurs war daher spruchgemäß zurückzuweisen.