JudikaturJustiz6Ob643/94

6Ob643/94 – OGH Entscheidung

Entscheidung
10. November 1994

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Redl, Dr.Kellner und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Alfred E*****, und 2. Martha E*****, beide vertreten durch Dr.R.Kaan ua Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Brigitte F*****, vertreten durch Dr.Reinhard Tögl und Dr.Nicoletta Wabitsch, Rechtsanwälte in Graz, wegen S 71.255,36 samt Anhang und Räumung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 20.Juli 1994, GZ 3 R 57/94-30, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Wildon vom 13.10.1993, GZ C 381/93w-23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 6.086,40 (darin S 1.014,40 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger sind Eigentümer eines Bauernhauses in L*****, das nicht mehr als eine selbständige Wohnung aufweist. Sie begehren, die Beklagte zur Zahlung rückständiger Mietzinse und zur Räumung zu verpflichten. Im Mietvertrag vom 18.11.1990 sei vereinbart worden, daß das Mietverhältnis am 31.3.1993 ohne weitere Aufkündigung ende. Trotz ausdrücklicher Aufforderung zur Räumung sei diese nicht erfolgt. Das Räumungsbegehren werde daher auf titellose Benützung infolge Ablaufes der vereinbarten Mietdauer, aber auch auf grob schuldhaften Verzug der Beklagten in der Zahlung rückständiger Mietzinse gestützt.

Die Beklagte wandte ein, es sei die Zahlung des Mietzinses "durch jährliche Abrechnung" vereinbart gewesen, es bestehe kein Rückstand. Es sei ein Mietrecht auf unbestimmte Zeit vereinbart. Die Kläger hätten auf eine Aufkündigung verzichtet. Überdies habe die Beklagte, um das Haus bewohnbar zu machen, Investitionen in Höhe von ca S 250.000 bis S 300.000 getätigt, welche kompensando gegen die Geldforderung eingewendet würden.

Das Erstgericht stellte fest, daß die Klagsforderung hinsichtlich des Räumungsbegehrens und mit einem Betrag von S 71.255,36 zu Recht, die Gegenforderung hingegen nicht zu Recht bestehe; es verurteilte die Beklagte zur Zahlung und zur Räumung des Bestandobjektes.

Es traf folgende wesentliche Feststellungen: 1984 wandte sich die Beklagte an die Kläger und ersuchte sie, ihr das Bauernhaus L*****, das nicht mehr als eine selbständige Wohnung aufweist, zu vermieten. Aufgrund des schlechten Zustandes hatte der Erstkläger zunächst Bedenken. Die Streitteile kamen aber in der Folge überein, daß sich die Beklagte das Haus herrichten werde, dafür aber der Mietzins gering sein sollte. Am 31.12.1984 schlossen die Kläger mit der Beklagten und deren Lebensgefährten erstmals einen auf zwei Jahre befristeten Mietvertrag. Als Mietzins wurde im Hinblick auf die notwendigen Arbeiten ein Betrag von monatlich nur S 1.000 vereinbart. In weiterer Folge wurden mehrere jeweils befristete Mietverträge geschlossen, der letzte mit einer Vertragsdauer vom 1.4.1990 bis 31.3.1993. Wie schon zuvor war schriftlich vereinbart, daß das Mietverhältnis durch Ablauf der Zeit endet, ohne daß es einer Kündigung bedürfe. Seit 1987 lebt die Beklagte allein im Haus. Die Beklagte tätigte eine Reihe von Investitionen, unter anderem wurden ein Bad, ein WC und eine Zentralheizung errichtet, Fußbäden neu verlegt und Verputzarbeiten durchgeführt. Welche Kosten der Beklagten dadurch entstanden, konnte nicht festgestellt werden.

Im Jahr 1987 kam die Beklagte in finanzielle Schwierigkeiten. Sie ersuchte den Erstkläger, den Mietzins später bezahlen zu dürfen, was dieser ihr gestattete, ohne grundsätzlich von der vereinbarten monatlichen Zahlungsweise abzugehen. Nachdem die Beklagte zwei Jahre hindurch keine Zahlungen geleistet hatte, brachte sie über schriftliche Aufforderung des Erstklägers im Jänner 1989 S 19.000 zur Einzahlung, womit sämtliche Mietzinse bis einschließlich Dezember 1988 bezahlt waren. In der Folge kam es trotz mehrfacher Zahlungsaufforderungen neuerlich zu Zinsrückständen. Im Herbst 1991 leistete die Beklagte eine Barzahlung von S 34.000. Dadurch waren die Mietzinse für 1989 zur Gänze und jene für 1990 bis auf einen Restbetrag von S 1.000 abgedeckt. Seither leistete die Beklagte trotz mehrfacher Aufforderungen keinerlei Zahlung mehr, so daß an Hauptmietzinsen und Betriebskosten bis einschließlich 1993 S 71.255,36 aushaften.

Mit Schreiben vom 10.2.1993 mahnte der Erstkläger die rückständigen Mietzinse neuerlich ein und wies darauf hin, daß der Mietvertrag am 31.3.1993 ende und mit diesem Tag das Mietverhältnis beendet sei. Er ersuchte die Beklagte, bis zu diesem Zeitpunkt das Haus zu räumen und ihm die Schlüssel zu übergeben.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den Sachverhalt dahin, daß aus der gelegentlichen Stundung kein Abgehen von der grundsätzlich vereinbarten monatlichen Zahlungsweise abzuleiten sei; die Beklagte schulde daher den zugesprochenen Betrag. Auch das Räumungsbegehren sei berechtigt. Da das Mietobjekt ein Einfamilienhaus im Sinne des § 1 Abs 4 Z 2 MRG sei, bestehe die Möglichkeit, zeitlich unbeschränkt befristete Mietverträge abzuschließen. Das Bestandverhältnis habe am 31.3.1993 geendet; die weitere Benützung des Bestandobjektes durch die Beklagte erfolge daher titellos. Überdies sei die Beklagte mit den Mietzinszahlungen qualifiziert im Rückstand, so daß der Tatbestand des § 1118 ABGB zweiter Fall verwirklicht sei. Eine Vereinbarung über eine etwaige Vergütung der getätigten Investitionen sei nicht nachgewiesen. Auch die Gegenforderung erweise sich als unberechtigt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten keine Folge.

Eine Beschlußfassung nach § 33 MRG oder die Fällung eines Teilurteiles über die Mietzinsforderung sei entbehrlich, weil in Ansehung des Mietzinsrückstandes, auf den die dem Räumungsbegehren zugrundegelegte Auflösungserklärung nach § 1118 ABGB gestützt werde, auch ein Zahlungsbegehren erhoben sei. Das Abwarten der Rechtskraft der über das Zahlungsbegehren gefällten Teilentscheidung erübrige sich, weil dem Räumungsbegehren schon wegen titelloser Benützung nach Ablauf der Bestandzeit stattzugeben sei. Der Abschluß mehrerer befristeter Mietverträge sei, da es sich um einen Mietgegenstand im Sinne des § 1 Abs 4 Z 2 MRG handle, gemäß § 29 Abs 1 Z 3 lit a MRG zulässig, die vereinbarte Befristung durchsetzbar. Die stillschweigende Erneuerung von Bestandverträgen im Sinne des § 569 ZPO könne nicht nur durch rechtzeitige Erhebung der Klage, sondern durch jeden Vorgang verhindert werden, durch den ein Vertragsteil seinen Willen, eine stillschweigende Erneuerung des Vertrages zu verhindern, durch unverzügliche nach außen erkennbare Erklärungen oder Handlungen so deutlich zum Ausdruck bringe, daß bei objektiver Würdigung kein Zweifel an einer ernstlichen Ablehnung der Vertragserneuerung aufkommen könne. Eine solche Erklärung sei nach der jüngsten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes auch vor dem Endtermin möglich, wenn die Erklärung in einem unmittelbaren Zusammenhang mit diesem erfolge. Dies sei aber durch den Hinweis auf den Endtermin im Schreiben vom 10.2.1993 mit der Aufforderung zur termingerechten Räumung und Schlüsselübergabe klar zum Ausdruck gekommen. Im übrigen sei die Räumungsklage auch nach § 1118 zweiter Fall ABGB berechtigt, weil die Beklagte dafür, daß sie kein grobes Verschulden am qualifizierten Mietzinsrückstand treffe, behauptungs- und beweispflichtig sei und keinerlei entschuldigenden Sachverhalt konkretisiert habe.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei, weil die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu der Frage, wann eine vor Ablauf des Endtermines abgegebene Erklärung des Bestandgebers, das Bestandverhältnis nicht fortsetzen zu wollen, noch in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Endtermin stehe, noch vereinzelt sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Die jüngste Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ist der Rechtsansicht des erkennenden Senates (WoBl 1992,104) gefolgt, daß auch eine vor dem Endtermin eines Zeitmietvertrages abgegebene eindeutige Erklärung des Bestandgebers, das Bestandverhältnis nicht fortsetzen zu wollen, dann beachtlich ist, wenn sie im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Endtermin abgegeben wird (WoBl 1992,117 mit Anm von Hanel; WoBl 1992,104; 1 Ob 42/92; 3 Ob 116/92). Die Frage, wann eine Erklärung als noch im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Endtermin abgegeben anzusehen ist, kann nicht mit einer genau abgegrenzten Zeitspanne beantwortet werden, sondern muß sich jeweils nach den Umständen des Einzelfalles richten. Denn auch das Verhalten bei der Beendigung von Bestandverhältnissen hat sich an den Anforderungen von Treu und Glauben zu orientieren. Kommt für den Bestandnehmer durch das Verhalten des Bestandgebers kurz vor dem bevorstehenden Endtermin ohne jeden Zweifel zum Ausdruck, daß der Bestandgeber nicht gewillt ist, das Bestandverhältnis fortzusetzen, wird die in § 1114 ABGB enthaltene Vermutung des Fortsetzungswillens entkräftet. Für das Vorliegen der eindeutigen Ablehnung ist der Bestandgeber beweispflichtig (2 Ob 527/94). Das Schreiben des Erstklägers vom 10.2.1994 macht die Beklagte auf den bevorstehenden Endtermin aufmerksam und enthält die unzweideutige Aufforderung, das Haus bis zum genannten Termin zu räumen und die Schlüssel zu übergeben. Es darf nicht übersehen werden, daß die Beklagte ein ganzes Haus bewohnt hat, es daher auch in ihrem Interesse gelegen war, rechtzeitig davon Kenntnis zu erlangen, daß sie entgegen den früher erfolgten Verlängerungen des Mietverhältnisses nunmehr mit einer solchen Verlängerung nicht mehr rechnen könne, um sich darauf einstellen und ihre Vorkehrungen treffen zu können. Die Bestandgeber haben den Zeitpunkt der Ablehnungserklärung jedenfalls so gewählt, daß für die Beklagte, die nicht einmal versucht hat, durch Zahlung der rückständigen Mietzinse die Kläger allenfalls noch umzustimmen, kein Zweifel bestehen konnte, daß mit einer Verlängerung des Mietvertrages nicht zu rechnen sei. Die drei Wochen nach dem Endtermin eingebrachte Räumungsklage erweist sich daher als rechtzeitig.

Der in der Revision der Klägerin geltend gemachte Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor.

Zu den übrigen Revisionsausführungen kann auf die zutreffende Begründung des Berufungsgerichtes verwiesen werden (§ 510 Abs 3 ZPO).

Der Ausspruch über die Kosten der Revisionsbeantwortung beruht auf §§ 41 und 50 ZPO.

Rechtssätze
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