JudikaturJustiz6Ob46/16g

6Ob46/16g – OGH Entscheidung

Entscheidung
30. März 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ. Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein *****, vertreten durch Riesemann Rechtsanwalt GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei Verein *****, vertreten durch Onz, Onz, Kraemmer, Hüttler Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 180.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 21. Jänner 2016, GZ 11 R 3/16s 59, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung:

Zweck des klagenden Vereins ist die umfassende Förderung von Ingenieurbüros in der *****, insbesondere die Pflege des Ansehens dieser Unternehmen und die Vertretung und Unterstützung der Vereinsmitglieder in standesrechtlichen, beruflichen und interessenpolitischen Belangen. Alle Vorstandsmitglieder sind aus dem Kreis des zurzeit aktiven Ausschusses der Fachgruppe der Ingenieurbüros im Bereich der Wirtschaftskammer ***** zu nominieren.

Auf Initiative des klagenden Vereins und der Fachgruppe wurde am 19. 1. 2011 der beklagte Verein gegründet, der als österreichische Plattform für erneuerbare Energie dienen und im Interesse des Umwelt- und Klimaschutzes sowie der Verringerung der Abhängigkeit von fossilen und nuklearen Energieträgern (insbesondere Forschungs- und Bildungs-)Aktivitäten entfalten sollte. Nach § 11 Abs 1 der Statuten des beklagten Vereins besteht sein Vorstand aus sechs Mitgliedern, wobei ursprünglich zumindest drei Vorstandsmitglieder auch im Fachverbandsausschuss des Fachverbands Ingenieurbüros vertreten sein „mussten“.

Im März und Juli 2011 leistete der klagende an den beklagten Verein zwei als Subventionen bezeichnete Zahlungen in Höhe von insgesamt 180.000 EUR.

Allen an der Gründung des beklagten Vereins beteiligten Personen war von Anfang an klar gewesen, dass dieser eine Vorfeldorganisation des in die Wirtschaftskammer Österreich eingegliederten Fachverbands Ingenieurbüros sein und dieser Fachverband daher einen ganz wesentlichen Einfluss auf den Verein haben sollte. Die für den klagenden Verein handelnden Organe gingen deshalb auch bei Leistung der genannten Zahlungen davon aus, dass dieser Einfluss weiterhin gewahrt bleiben würde. Diesen Wissensstand hatte damals auch der beklagte Verein, dessen Vizepräsident zugleich Obmann des klagenden Vereins war. Die Zuwendung von 180.000 EUR erfolgte daher in der für den beklagten Verein erkennbaren Erwartung des klagenden Vereins, der beklagte Verein werde unter dem Einfluss des genannten Fachverbands stehen. Zur Bedingung der Zahlungen wurde dies aber nicht gemacht.

Am 14. 3. 2013 änderte die Generalversammlung des beklagten Vereins § 11 Abs 1 dessen Statuten dahin, dass dieser nun zu lauten hat: Zumindest drei Vorstandsmitglieder sollen im Fachverbandsausschuss der Ingenieurbüros vertreten sein. Sollte keines dieser drei Mitglieder auch im Fachausschuss der Fachgruppe ***** vertreten sein, so kann anstelle eines Mitgliedes des Fachverbandes der Ingenieurbüros Österreich ein Mitglied der Fachgruppe ***** der Ingenieurbüros nominiert werden.

Die Vorinstanzen wiesen das Begehren des klagenden Vereins auf Rückzahlung der geleisteten 180.000 EUR ab. Dieser hatte sein Begehren soweit dies noch Gegenstand des Revisionsverfahrens ist damit begründet, dass nach den Vorstellungen seiner Gründer der beklagte Verein als Vorfeldorganisation des Fachverbands für Ingenieurbüros agieren sollte, weshalb er die Zahlungen unter der Voraussetzung und Bedingung erhalten habe, dass er unter dem Einfluss des Fachverbands und des klagenden Vereins stehe; diesem Einfluss habe er sich durch die Satzungsänderung entzogen. Der klagende Verein stützt sich im Revisionsverfahren auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage und eine analoge Anwendung des § 1435 ABGB.

Rechtliche Beurteilung

1. Die Anfechtung eines Vertrags wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage wird von der Rechtsprechung in Ausnahmefällen aus der Erwägung zugelassen, dass von Vertragschließenden nicht erwartet werden kann, Selbstverständliches ausdrücklich im Vertrag zu erwähnen, sodass solches vielmehr auch ohne ausdrückliche Parteienvereinbarung als Vertragsinhalt angesehen werden kann (RIS-Justiz RS0017530 [T8]). Allerdings ist zu beachten, dass nur der Wegfall der typischen Grundlage, das heißt jener, die jedermann mit einem solchen Geschäft verbindet, unter Umständen zur Vertragsauflösung führen kann (RIS-Justiz RS0017530 [T17, T24], RS0017516), wobei nur der Wegfall einer von beiden Parteien gemeinsam dem Vertragsabschluss unterstellten Voraussetzung erfasst ist (RIS-Justiz RS0017487).

Nach ständiger Rechtsprechung muss somit zwischen den individuellen und den typischen Voraussetzungen unterschieden werden (RIS-Justiz RS0017551): Der Fortfall der individuellen (= durch gerade diese beteiligten Parteien vereinbarten) Voraussetzungen als Geschäftsgrundlage ist durch § 901 ABGB geregelt. Eine solche Voraussetzung ist nur dann von Bedeutung, wenn die Parteien durch ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarung die Wirkungen des Geschäfts von dem Vorhandensein der vorausgesetzten Sachlage abhängig gemacht haben (ebenso RIS-Justiz RS0017394). Hingegen besteht hinsichtlich der typischen Voraussetzungen eines bestimmten Rechtsgeschäfts als Geschäftsgrundlage, die durch die Rechtssätze des § 901 ABGB nicht geregelt sind, eine Gesetzeslücke, die mit Hilfe einer Rechtsanalogie zu füllen ist. Die aus dem ABGB zu entnehmenden einzelnen Anhaltspunkte für Berücksichtigung der Geschäftsgrundlage rechtfertigen die Ableitung eines allgemeinen Rechtssatzes in der Richtung, dass eine Partei an das Geschäft nicht gebunden ist oder dessen Anpassung begehren kann, wenn eine Voraussetzung nicht zutrifft, die stets einem Geschäft von der Art des geschlossenen zugrunde gelegt wird (RIS-Justiz RS0017551).

Die bloße Nichterwartung einer Veränderung des gegebenen Zustands betrifft nicht den von den Parteien als bestehend angenommenen Sachverhalt, sondern nur die Einschätzung der Möglichkeit einer späteren Veränderung. Eine dabei unterlaufene Fehleinschätzung stellt weder einen beachtlichen Irrtum dar noch kann sie als Wegfall einer typischen Voraussetzung im Sinne der Lehre über die Geschäftsgrundlage gewertet werden (RIS-Justiz RS0017591). Im Übrigen darf mit dem Argument des Wegfalls der Geschäftsgrundlage eine vertragliche Risikoverteilung nicht unterlaufen werden (RIS-Justiz RS0113788).

Da es im Allgemeinen nicht als Voraussetzung der Gewährung einer Förderung angesehen werden kann, dass der geförderte Verein seine Satzung nicht ändert, ist die Verneinung des Wegfalls der Geschäftsgrundlage durch das Berufungsgericht durchaus vertretbar. Der genannte Umstand war auch keine individuelle Voraussetzung, von der beide Parteien ausgegangen wären. Tatsächlich lag auf Seiten des klagenden Vereins ein unbeachtlicher Motivirrtum über Zukünftiges vor, glaubte dieser doch bloß daran, dass der beklagte Verein seine Statuten nicht ändern werde.

2. Nach ständiger Rechtsprechung greift die Kondiktion wegen Zweckverfehlung in Analogie zu § 1435 ABGB dann ein, wenn die Umstände, die nach dem Sinn und Zweck des Geschäfts die Grundlage der Leistung waren, weggefallen sind (RIS-Justiz RS0033855), wobei der klagende Verein davon ausgeht, dass durch die Satzungsänderung vom 14. 3. 2013 die weitere wesentliche Einflussmöglichkeit des in die Wirtschaftskammer Österreich eingegliederten Fachverbands Ingenieurbüros auf den beklagten Verein weggefallen sei. Die Verneinung dieser Voraussetzung eines Bereicherungsanspruchs des klagenden Vereins durch das Berufungsgericht ist jedoch durchaus vertretbar:

Nach den Feststellungen wurde eine Subvention zur Förderung der Energieautarkie an den beklagten Verein, dessen Vereinsziel genau auf diese Förderung ausgerichtet ist, für dessen „Anlaufen“ geleistet und dafür auch verwendet. Das Berufungsgericht ist im Ergebnis gut vertretbar davon ausgegangen, dass vage Vorstellungen über im Übrigen auch vor der Statutenänderung gar nicht gesicherte (vgl zum Dirimierungsrecht des nicht dem klagenden Verein zuzurechnenden Präsidenten § 11 Abs 7 der Vereinsstatuten [Beilage ./E]) Einflussmöglichkeiten auf diesen Verein (vgl zu den Möglichkeiten der Änderung der Vereinsstatuten deren § 10 lit h) nicht als Grundlage der Leistung im Sinne der dargestellten Rechtsprechung angesehen werden können.

3. Das Vorliegen eines relevanten Verfahrensmangels wurde geprüft; dieser liegt aber nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Rechtssätze
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  • RS0017551OGH Rechtssatz

    30. März 2016·3 Entscheidungen

    1./ Bei der rechtlichen Beurteilung der als Beweggrund in Betracht kommenden Voraussetzungen (Geschäftsgrundlage) muß zwischen individuellen und typischen Voraussetzungen unterschieden werden. Es kommt dabei darauf an, ob die Sachlage nicht vorhanden ist oder wegfällt, die gerade diese Parteien bei Abschluß des Geschäftes vorausgesetzt haben, oder die überhaupt und allgemein beim Abschluß von Geschäften bestimmten Inhaltes vorausgesetzt wird. 2./ Der Fortfall der individuellen Voraussetzungen als Geschäftsgrundlage ist durch die Bestimmung des § 901 ABGB geregelt. Eine solche Voraussetzung ist nur dann von Bedeutung, wenn die Parteien durch ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarung die Wirkungen des Geschäfts von dem Vorhandensein der vorausgesetzten Sachlage abhängig gemacht haben. Hingegen besteht hinsichtlich der typischen Voraussetzungen eines bestimmten Rechtsgeschäftes als Geschäftsgrundlage, die durch die Rechtssätze des § 901 ABGB nicht geregelt sind, eine Gesetzeslücke, die mit Hilfe einer Rechtsanalogie zu füllen ist. Die aus dem ABGB zu entnehmenden einzelnen Anhaltspunkte für Berücksichtigung der Geschäftsgrundlage (vgl §§ 936, 1052 letzter Satz, 1170a, 947 f ABGB) rechtfertigen die Ableitung eines allgemeinen Rechtssatzes in der Richtung, daß eine Partei an das Geschäft nicht gebunden ist oder dessen Anpassung begehren kann, wenn eine Voraussetzung nicht zutrifft, die stets einem Geschäft von der Art des geschlossenen zugrundegelegt wird.