JudikaturJustiz6Ob390/66

6Ob390/66 – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. Januar 1967

Kopf

SZ 40/5

Spruch

Rekursrecht des ehelichen Vaters gegen die Bestellung eines Kollisionskurators für seine Kinder - auch hinsichtlich der Auswahl der Person - für den Antrag auf Einleitung eines Entmündigungsverfahrens.

Die Entscheidung durch einen nach der Geschäftsverteilung nicht berufenen Richter des zuständigen Gerichtes begrundet keine Nichtigkeit.

Entscheidung vom 18. Jänner 1967, 6 Ob 390/66.

I. Instanz: Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:

Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.

Text

Die Ehe Dris. Gottfried I. mit Erika E. wurde am 9. Juli 1963 aus dem Alleinverschulden des Mannes geschieden. Aus der Ehe stammen die am 30. Dezember 1957 geborene Isabella und der am 10. Februar 1960 geborene Bernhard. Nach der Scheidung blieben die Kinder in Pflege und Erziehung der Mutter. Die Mutter beantragt nunmehr namens der beiden Kinder, den Vater wegen Geisteskrankheit zu entmundigen und führt eine Reihe von Fakten an, aus denen die Geisteskrankheit hervorgehen soll.

Das Erstgericht bestellte 1. die Kindesmutter zur besonderen Sachwalterin der Kinder im Entmündigungsverfahren, 2. lud es den Antragsgegner und Erika I. für den 4. Oktober 1966 vor Gericht und

3. stellte es dem Antragsgegner frei, bereits vorher zum Entmündigungsantrag schriftlich Stellung zu nehmen. Da der zur Entscheidung über den Entmündigungsantrag zuständige Richter OLGR. Dr. St. abgelehnt wurde und dessen Vertreter LGR. Dr. L. sich für befangen erklärte, wurde der weitere Vertreter der Gerichtsabteilung 16, Bezirksrichter Dr. T., mit der Weiterbearbeitung der Sache beauftragt.

Den Beschluß des Erstgerichtes bekämpfte der Antragsgegner in allen seinen Punkten mit Rekurs.

Das Rekursgericht wies den Rekurs, soweit er sich gegen die Punkte 1 und 3 des angefochtenen Beschlusses richtet, zurück und gab ihm im übrigen nicht Folge. Es führte aus, da der Antragsgegner in dem gegen ihn beantragten Entmündigungsverfahren die Antragsteller, nämlich seine ehelichen Kinder, nicht vertreten könne, habe das Gericht von Amts wegen einen besonderen Kurator für die Kinder bestellt, und zwar in der Person der ehelichen Mutter. Dem Antragsgegner stehe weder gegen die Tatsache der Bestellung des Kurators noch gegen dessen Auswahl ein Rechtsmittel zu.

Über den Entmündigungsantrag sei mit Recht eine Tagsatzung anberaumt worden, weil der Antrag von den Kindern des Antragsgegners gestellt worden sei, die hiezu gemäß § 26 EntmO. berechtigt seien. Überdies könne das Gericht wegen Geisteskrankheit von Amts wegen ein Entmündigungsverfahren einleiten, vor Einleitung des Verfahrens könne das Gericht, müsse aber nicht, die Beibringung eines ärztlichen Zeugnisses anordnen. Im vorliegenden Fall sei überdies ein Gutachten eines gerichtlich beeideten Sachverständigen vorgelegt worden, das die Einleitung des Verfahrens rechtfertige.

Der Punkt 3 des Beschlusses beinhalte nur eine Anweisung bzw. Belehrung, wodurch der Antragsgegner nicht beschwert sein könnte, weshalb ihm in diesem Punkt ebenfalls kein Rekursrecht zusteht.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurse des Dr. Gottfried I„ soweit sein Rekurs gegen Punkt 1 der erstgerichtlichen Entscheidung zurückgewiesen wurde, Folge und verwies die Sache in diesem Umfang an das Rekursgericht in sachlicher Entscheidung zurück. Dem Rekurs gegen die Zurückweisung des Rekurses gegen Punkt 3 des erstgerichtlichen Beschlusses gab der Oberste Gerichtshof nicht Folge. Den Revisionsrekurs gegen die Bestätigung des Punktes 2 des erstgerichtlichen Beschlusses wies er zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Eine Nichtigkeit nach § 477 (1) Z. 2 ZPO. sieht der Rechtsmittelwerber darin, daß den Beschluß vom 7. September 1966 der Bezirksrichter Dr. T. gefaßt hat, der aber erst mit Beschluß vom 21. September 1966 mit der Weiterbearbeitung der Sache betraut worden sei.

Tatsächlich wurde Dr. T. bereits mit Beschluß des Personalsenates des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 5. August 1966 zum weiteren Vertreter des Leiters der Gerichtsabteilung 16, OLGR. Dr. St. bestellt und hat den angefochtenen Beschluß während des Urlaubes des OLGR. Dr. St. als dessen Stellvertreter gefaßt. Bezirksrichter Dr. T. wurde auch zur Bearbeitung des Pflegschaftsaktes bestellt. Er hat den Beschluß über die Bestellung der Mutter zur besonderen Sachwalterin der Kinder zwar nicht im Pflegschaftsverfahren, sondern im vorliegenden Verfahren gefaßt, darin liegt aber keine Nichtigkeit. Selbst wenn ein anderer Richter des an sich zuständigen Bezirksgerichtes, der nicht gleichzeitig Pflegschaftssachen und Entmündigungssachen zu bearbeiten hat, die Entscheidung gefällt hätte, wenn also eine Verletzung der Geschäftsverteilung vorläge und das Gericht bei der Entscheidung nicht vorschriftsmäßig besetzt wäre, müßte dieser Verstoß nicht eine mit Nichtigkeit ausgestattete Wirkung nach sich ziehen (Walter, Geschäftsverteilung und das Recht auf das Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, JBl. 1964 S. 177). Nach Wahl (Festschrift der Österreichischen Richterzeitung 1927 S. 41) ist nur dann die Prozeßhandlung eines Senates mit Nichtigkeit nach § 477 (1) Z. 2 ZPO. bedroht, wenn der Senat gesetzwidrig, insbesondere mit Richtern eines anderen Gerichtes zusammengesetzt ist. Dagegen liegt keine Nichtigkeit vor, wenn ein anderer nicht derart fehlerhaft zusammengesetzter Senat des angerufenen Gerichtes mit der Sache befaßt wurde. Pollak (System des österreichischen Zivilprozeßrechtes[2] S. 213) gibt der Partei, die Anspruch auf Einhaltung der ständigen Geschäftsverteilung hat, eine verzichtbare Rüge (§ 196 ZPO.), nicht aber den Einwand der Unzuständigkeit, weil die Rechtssache zwar vor die richtige Gerichtsanstalt, nicht aber vor das richtige Amt gekommen sei. Sperl (Lehrbuch der bürgerlichen Rechtspflege S. 84) meint, daß die Entscheidung eines Rechtsstreites durch einen Einzelrichter des (zuständigen) Gerichtshofes, der hiezu durch die Geschäftsverteilung nicht berufen ist, nicht mit Nichtigkeit bedroht sei (so auch JBl. 1966 S. 616). Eine Nichtigkeit nach § 477 (1) Z. 2 ZPO. liegt daher nicht vor.

Eine Nichtigkeit nach § 477 (1) Z. 4 ZPO. soll deshalb gegeben sein, weil das Verfahren durchgeführt wurde, ohne daß ein Kurator bestellt wurde. Diese nicht recht verständliche Rüge ist schon deshalb haltlos, weil ein Verfahren noch gar nicht durchgeführt, sondern bisher nur der Antragsgegner und die Vertreterin der Antragsteller zu Gericht geladen wurde. Res judicata liegt nicht vor, weil der vom Antragsgegner genannte Beschluß im Verfahren über das Besuchsrecht des ehelichen Vaters gegenüber den Kindern erging, es sich hier aber um ein anderes Verfahren handelt.

Es ist nicht aktenwidrig, daß die Antragsteller im vorliegenden Verfahren ein psychiatrisches Gutachten Dris. R. vorgelegt haben, denn es erliegt im angeschlossenen Pflegschaftsakt. Ob dieses Gutachten bereits in einem anderen Verfahren - mit oder ohne Erfolg - vorgelegt wurde, und ob sich das Gericht diesem Gutachten anschließen wird, ist eine andere Frage, die behauptete Aktenwidrigkeit liegt aber nicht vor. Auch von einer offenbaren Gesetzwidrigkeit des angefochtenen Beschlusses, soweit dieser Punkt 2 des erstgerichtlichen Beschlusses bestätigte, kann keine Rede sein. In der in der Ladung zur Tagsatzung gelegenen Einleitung des Entmündigungsverfahrens kann eine offenbare Gesetzwidrigkeit nicht gesehen werden, weil das Gesetz die Voraussetzungen für die Einleitung des Entmündigungsverfahrens nicht regelt, das Verfahren auch von Amts wegen eingeleitet werden kann und die Bestimmung des § 28 EntmO. nur eine Kann-Bestimmung darstellt. Außerdem handelt es sich um eine Frage des Verfahrensrechtes, die mit dem Anfechtungsgrund der offenbaren Gesetzwidrigkeit nicht aufgegriffen werden kann. Da somit keiner der Anfechtungsgrunde des § 16 AußStrG. gegeben ist, war der Revisionsrekurs gegen den bestätigenden Teil des angefochtenen Beschlusses zurückzuweisen.

Unbedenklich ist auch die Zurückweisung des Rekurses gegen Punkt 3 des erstgerichtlichen Beschlusses, weil es sich hier tatsächlich nur um eine Anweisung handelt, der kein Entscheidungscharakter zukommt. Der Rekurswerber hat auch gar nicht ausgeführt, warum diese Zurückweisung verfehlt sein sollte.

Das Rechtsmittel ist aber insoweit begrundet, als es sich gegen die Zurückweisung des Rekurses gegen Punkt 1 des Beschlusses des Erstgerichtes, womit die Mutter zur besonderen Kuratorin für die ehelichen Kinder bestellt wurde, wendet. Der Oberste Gerichtshof hat zwar in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt vertreten, daß dem Prozeßgegner, auch wenn er der eheliche Vater ist, in dem Verfahren über die pflegschaftsbehördliche Ermächtigung zur Prozeßführung keine Parteistellung zukommt (EvBl. 1953 Nr. 424, JBl. 1965 S. 476, EvBl. 1958 Nr. 48), die zuletzt genannte Entscheidung hat daraus den Schluß gezogen, daß dem Vater daher auch kein Einfluß auf die Auswahl der Person des Kollisionskurators zusteht. Diese Entscheidung hat aber unter Berufung auf eine ältere Entscheidung eingeräumt, daß dem Vater ein Rekursrecht gegen die Bestellung eines Kollisionskurators an sich zugebilligt werden könne, wenn er die Voraussetzungen für die Bestellung eines solchen Kurators bestreitet. Die grundsätzliche Berechtigung des ehelichen Vaters zur Rekurserhebung gegen die Bestellung eines Kollisionskurators, deren Gesetzmäßigkeit er bestreitet, ergibt sich schon aus der Erwägung, daß die Bestellung eines Kollisionskurators immer eine Einschränkung des Umfanges der väterlichen Gewalt bedeutet, da dem Kollisionskurator Vertretungsrechte eingeräumt werden, während sonst die Vertretung des Kindes nur dem Vater zusteht. Darüber hinaus ist der Oberste Gerichtshof der Meinung, daß dem ehelichen Vater auch hinsichtlich der Auswahl der Person, die zum Zweck der Stellung eines Antrages auf Einleitung des Entmündigungsverfahrens gegen ihn als Kollisionskurator für seine Kinder bestellt wurde, ein Rekursrecht zusteht. Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

Gemäß § 271 ABGB. ist die Kollisionskuratel eines der im § 270 ABGB. genannten Kuratelsfälle. Für all diese Fälle gilt die Bestimmung des § 280 ABGB., wonach der Kurator unter der nämlichen Vorsicht und den nämlichen Grundsätzen zu bestellen ist wie ein Vormund. Es gilt also insbesondere auch die Bestimmung des § 194 ABGB., wonach derjenige nicht zum Vormund bestellt werden kann, den der Vater von der Vormundschaft ausgeschlossen hat. Nun folgt allerdings aus dem Wesen der Kollisionskuratel, mit der die Interessen des Kindes gegen die damit kollidierenden Interessen des Vaters geschützt werden sollen, daß ungeachtet der Bestimmung des § 280 ABGB. die Vorschriften über die Bestellung des Vormundes in diesem Falle nicht uneingeschränkt angewendet werden können. So werden bei der Auswahl des Kollisionskurators die Bestimmungen der §§ 196 bis 198 ABGB. gegenüber der Bestimmung des § 199 ABGB. in der Regel in den Hintergrund zu treten haben (Wentzel - Piegler im Klang-komm.[2] I/2 497). Aber auf jeden Fall ergibt sich aus der Bestimmung des § 194 in Verbindung mit § 280 ABGB., daß dem Vater bei der Bestellung des Kurators ein Mitspracherecht und daher hinsichtlich der Auswahl des Kurators auch ein Rekursrecht zukommt. Allenfalls läßt sich dieses Mitspracherecht mit der Entscheidung EvBl. 1958 Nr. 48 noch bei der Prozeßkuratel aus der Erwägung verneinen, daß dem Vater nicht das Recht eingeräumt werden kann, die Auswahl einer Person zum Kurator durchzusetzen, die die Rechte der Kinder gegen ihn mit weniger Nachdruck verfolgen soll als der vom Gericht zum Kurator Ausersehene. Bei anderen Fällen der Kollisionskuratel hingegen läßt sich der Ausschluß des Mitspracherechtes nicht rechtfertigen, namentlich auch nicht bei der Bestellung eines Kollisionskurators zum Zwecke der Einleitung eines Entmündigungsverfahrens. Daß dieses Verfahren in erster Linie dem Schutze des zu Entmundigenden selbst dienen soll, ergibt die Normierung des engen Kreises der zur Antragstellung berechtigten Angehörigen und namentlich der Ausschluß der geschiedenen Frau aus diesem Kreis. Hier ergibt sich deutlich der Unterschied gegenüber der Rechtslage im Falle der Bestellung eines Kollisionskurators zu Klagserhebung, da diese nicht auf einen bestimmten Personenkreis eingeschränkt ist. Da der Person, gegen die ein Entmündigungsverfahren eingeleitet wurde, ein Rekursrecht jedenfalls dann zusteht, wenn sie die Berechtigung zur Antragstellung nach § 26 EntmO. bestreitet (SZ. VII 187), ist nicht einzusehen, warum ihr ein Rekursrecht nicht auch dann zustehen sollte, wenn sie zwar nicht die Berechtigung des als Antragsteller Genannten zur Antragstellung, wohl aber dessen gehörige Vertretung durch einen geeigneten Kollisionskurator bestreitet.

Da das Gericht zweiter Instanz den Rekurs des Antragsgegners daher in diesem Punkt zu Unrecht als unzulässig zurückgewiesen hat, war die Sache in diesem Umfang an das Rekursgericht zurückzuverweisen, das über den Rekurs sachlich zu entscheiden haben wird.