JudikaturJustiz6Ob301/65

6Ob301/65 – OGH Entscheidung

Entscheidung
01. Dezember 1965

Kopf

SZ 38/207

Spruch

Rekurslegitimation des vorläufigen Beistandes, wenn zur Bestreitung des Lebensunterhaltes des Kuranden der Ertrag aus dem Vermögen des Kuranden oder dieses selbst herangezogen wird

Die Bestimmung der Unterhaltskosten gemäß § 219 ABGB. stellt keine Bemessung des gesetzlichen Unterhaltes bzw. Unterhaltsanspruches im Sinne des § 502 (2) ZPO. und § 14 (2) AußStrG. dar

Entscheidung vom 1. Dezember 1965, 6 Ob 301/65

I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt Wien; II. Instanz:

Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien

Text

Mit dem Beschluß des Bezirksgerichtes X. vom 11. Juni 1965 wurde Harald K. wegen Geisteskrankheit beschränkt entmundigt. Der Entmündigungsbeschluß ist, noch nicht in Rechtskraft erwachsen. Zum vorläufigen Beistand wurde mit Beschluß v. 10. Juni 1965 der Notarsubstitut Dr. Christian K. bestellt. Das Vermögen des beschränkt Entmundigten besteht nach der Aktenlage im wesentlichen aus einem Bargeldbetrag von rund 1.460.000 S.

Das Erstgericht hat mit Beschluß vom 25. August 1965 im Punkt 1 ausgesprochen, daß der Unterhalt des Kuranden mit einem monatlichen Betrag von 3000 S bemessen und das Mehrbegehren von 7000 S monatlich abgewiesen werde; es hat ferner im Punkt 2 den vorläufigen Beistand ermächtigt, aus dem ihm bereits überwiesenen Betrag von 5000 S

a) am 1. und 15. eines jeden Monates den Betrag von 1500 S zur Bestreitung der Unterhaltskosten an den Kuranden nachweislich auszubezahlen,

b) nach Vorlage der jeweiligen Rechnungen die Zins-, Licht-, Gas-, Telephon- und sonstigen Spesen, Krankheits- und Zahnbehandlungskosten gegen seinerzeitige Rechnungslegung zu bezahlen,

c) den Untermietvertrag über die vom Kuranden gemieteten Räumlichkeiten vorzulegen und zu erklären, ob dem Vertrag zugestimmt werde.

Im Punkt 3 dieses Beschlusses wurden dem vorläufigen Beistand verschiedene Berichtsaufträge erteilt.

Hinsichtlich des dem Kuranden aus seinem Vermögen für seinen Unterhalt monatlich zur Verfügung, zu stellenden Betrages ging das Erstgericht davon aus, daß unter Bedachtnahme gemäß § 219 ABGB. auf die bisherigen Lebensverhältnisse des Kuranden ein Betrag von monatlich 3000 S für die Bestreitung der reinen Lebenshaltungskosten durchaus angemessen sei. Dabei sei zu berücksichtigen, daß daneben die Kosten für Zins, Licht, Beheizung u. dgl. von dem Beistand unmittelbar berichtigt würden. Die vom Kuranden begehrte Freigabe eines Betrages von monatlich 10.000 S zur Bestreitung seines Unterhaltes würde der vom Gesetz geforderten wirtschaftlichen und sparsamen Verwaltung des Vermögens des Kuranden widersprechen.

Dieser Beschluß wurde in seinen Aussprüchen Punkt 1 und 2 a) vom Kuranden insoweit mit Rekurs bekämpft, als ihm für seinen Unterhalt nicht ein Betrag von monatlich 7500 S freigegeben worden ist.

Das Rekursgericht gab diesem Rekurs teilweise Folge und änderte den erstgerichtlichen Beschluß in den angefochtenen Punkten dahin ab, daß der zum Unterhalt des Kuranden bestimmte monatliche Betrag mit 4000 S bemessen und das Mehrbegehren abgewiesen wurde und daß daher im Punkt 2 a) an Stelle des Betrages von 1500 S der Betrag von 2000 S zu treten hat.

Das Rekursgericht ging davon aus, daß der Kurand ein Vermögen von annähernd 1.500.000 S besitze. Mit Rücksicht darauf erscheine der für den Unterhalt des Kuranden bestimmte monatliche Betrag von 3000 S auch unter Bedachtnahme darauf, daß im erstgerichtlichen Beschluß darüber hinaus die gesonderte Bezahlung der Auslagen für Mietzins, Licht, Gas, Telephon usw. vorgesehen ist, als etwas zu knapp bemessen. Es sei vielmehr neben diesen Zahlungen die Freigabe eines Betrages von monatlich 4000 S möglich, ohne daß gesagt werden könne, daß bei der Freigabe dieses monatlichen Betrages die Gefahr einer Vermögensverschleuderung bestehe.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des vorläufigen Beistandes Folge und stellte den erstgerichtlichen Beschluß wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Ausführungen im Revisionsrekurs gehen im wesentlichen dahin, daß das Vermögen des Kuranden im Betrage von 1.450.000 S mit Rücksicht darauf, daß die Entmündigung noch nicht rechtskräftig sei, in analoger Anwendung der Bestimmung des § 219 AußStrG. in einem jederzeit realisierbaren Sparbuch der Creditanstalt-Bank-Verein mit einer 3 1/2%igen jährlichen Verzinsung angelegt sei, so daß die jährlichen Zinsen 50.750 S, sohin monatlich 4229.16 S, betragen. Zufolge der Bestimmung des § 220 ABGB. sei der Unterhalt des Kuranden aus den Einkünften seines Vermögens zu bestreiten, wobei eine Heranziehung des Hauptstammes nach Tunlichkeit zu vermeiden sei. Dagegen verstoße der angefochtene Beschluß, da nach Abzug der bewilligten monatlichen 4000 S nur mehr der in keiner Weise ausreichende Betrag von 229.16 S monatlich für die Bestreitung des Mietzinses und der Kosten für Gas, Licht, Telephon usw. verbleibe. Eine Ermächtigung, auch das Hauptvermögen anzugreifen, sei bis jetzt nicht erteilt worden und könne wohl, solange die Entmündigung nicht rechtskräftig sei, auch nicht erteilt werden. Da vor rechtskräftiger Beendigung des Entmündigungsverfahrens eine Anlage des Vermögens des Kuranden zu besseren Bedingungen nicht möglich sei, erweise sich der dem Kuranden mit dem angefochtenen Beschluß zur Bestreitung eines Teiles seines Unterhaltes zur Verfügung gestellte monatliche Betrag als seiner derzeitigen Einkommenslage nicht angepaßt.

Die Rekurslegitimation des vorläufigen Beistandes ergibt sich daraus, daß die Rechte und Pflichten eines vorläufigen Beistandes die gleichen wie die eines Vormundes sind (§§ 9 und 4 (3) EntmO., § 282 ABGB.) und darin bestehen, vorzüglich für die Person des Kuranden zu sorgen, zugleich aber auch sein Vermögen zu verwalten (§ 188 ABGB., § 5 EntmO.). Die Unterhaltsfürsorge des Beistandes bildet dann, wenn zur Bestreitung des Lebensunterhaltes des Kuranden der Ertrag aus dem Vermögen des Kuranden oder dieses selbst herangezogen wird, einen Teil der dem Beistand obliegenden Vermögensverwaltung (Wentzel, Piegler im Klang-Komm.[2] I/2; 376, Vorbemerkungen zu §§ 219 - 221 ABGB.) Er hat darüber zu wachen, daß das Vermögen bzw. dessen Ertrag nur in einem solchen Umfang zur Bestreitung des Unterhaltes des Kuranden herangezogen wird, wie es der Vermögensverwaltung eines redlichen und fleißigen Hausvaters (§ 228 ABGB.) entspricht.

Ferner ist zu prüfen, ob der Zulässigkeit des Revisionsrekurses die Rechtsmittelbeschränkung des § 14 (2) AußStrG. (Bemessung gesetzlicher Unterhaltsansprüche) entgegensteht. Im Revisionsrekurs wird darauf hingewiesen, daß es sich im vorliegenden Fall nicht um die Bemessung eines gesetzlichen Unterhaltsanspruches handle, sondern nur um die Frage, welche Beträge an den Kuranden aus seinem Vermögen zur Bestreitung der Kosten seines Lebensunterhaltes zur Verfügung zu stellen seien. Diese Frage sei aber begrifflich gänzlich verschieden von der Bemessung eines Unterhaltsanspruches, den der Kurand auf Grund des Gesetzes gegenüber bestimmten Personen habe.

Diese Argumentation ist im wesentlichen richtig. Es wurde zwar nach dem Wortlaut der untergerichtlichen Beschlüsse ausdrücklich der Unterhalt des Kuranden bemessen (Punkt 1) und gleichzeitig angeordnet (Punkt 2 a), daß der zur Bestreitung dieser Unterhaltskosten in der Höhe von monatlich 3000 S (erste Instanz) bzw. 4000 S (zweite Instanz) erforderliche Betrag aus dem Vermögen des Kuranden an diesen ausbezahlt wird, weshalb nicht schlechthin gesagt werden kann, es gehe nur darum, welche Beträge dem Kuranden aus den Erträgnissen seines eigenen Vermögens zur Verfügung zu stellen seien, doch handelt es sich trotz der im Punkt 1 vorgenommenen Unterhaltsbemessung aus folgenden Gründen nicht um die Bemessung gesetzlicher Unterhaltsansprüche des § 14 (2) AußStrG. Im Revisionsrekurs wurde zutreffend darauf hingewiesen, daß unter dem im § 14 (2) AußStrG. gebrauchten Ausdruck "Bemessung gesetzlicher Unterhaltsansprüche" nur die Bemessung solcher Unterhaltsansprüche zu verstehen ist, die der Unterhaltsberechtigte auf Grund des Gesetzes gegenüber bestimmten Personen (§§ 141, 143 ABGB.) hat. Dafür spricht auch Judikat 60 neu (= SZ. XXVII 177), das den im Gesetz gebrauchten Ausdruck "Bemessung gesetzlicher Unterhaltsansprüche" (§ 14 (2) AußStrG.) bzw. "Bemessung des gesetzlichen Unterhaltes" (§ 502 (2) ZPO.) nur in diesem Sinne versteht, was sich insbesondere aus den in diesem Judikat unter den im Punkt II 1 - 3 angeführten Voraussetzungen für die Höhe eines Alimentationsanspruches ergibt (siehe Judikat 60 neu = SZ. XXVII 177, S. 429). Hingegen wird mit einem Beschluß nach §§ 219, 220 ABGB. keine Bemessung eines gesetzlichen Unterhaltsanspruches im Sinne des § 14 (2) AußStrG. vorgenommen, vielmehr der vom Kuranden aus seinem Vermögen zu bestreitende Unterhalt bestimmt. Wenn dabei auch Bemessungsfragen zu lösen sind, bei der Bestimmung der "Unterhaltskosten" nach § 219 ABGB. ist unter anderem auf das Vermögen, den Stand und auf andere Verhältnisse des Minderjährigen (Kuranden) Rücksicht zu nehmen, so hat dies die Rechtsmittelbeschränkung des § 14 (2) AußStrG. nicht zur Folge, weil diese sich nicht schlechthin auf die Frage der Unterhaltsbemessung bezieht, sondern nur auf die Bemessung des gesetzlichen Unterhaltes, worunter aber aus den dargelegten Gründen eine Beschlußfassung nach §§ 219, 220 ABGB. nicht fällt.

Der Revisionsrekurs ist daher zulässig und es kommt ihm auch Berechtigung zu.

Nach der Aktenlage besteht derzeit das Vermögen des Kuranden aus einem Bargeldbetrag von rund 1.460.000 S, welcher gegen eine jährliche Verzinsung von 3 1/2% auf einem jederzeit realisierbaren Sparbuch angelegt ist. Diese Verzinsung ergibt im Jahr einen Betrag von rund 51.000 S, sohin im Monat rund 4258 S. Es ist daher davon auszugehen, daß bis auf weiteres das Vermögen des Kuranden Erträgnisse von monatlich rund 4258 S abwirft.

Aus den Bestimmungen des § 228 ABGB. im Zusammenhalt mit der Bestimmung des § 220 ABGB. (§ 150 ABGB) ergibt sich, daß das Vermögen des Kuranden mit aller Aufmerksamkeit eines redlichen und aufmerksamen Hausvaters zu verwalten ist und daß ohne Not das Kapital nicht angegriffen werden soll.

Dieser Sinn und Zweck der Verwaltung des Vermögens des beschränkt Entmundigten durch den (vorläufigen) Beistand ist neben den im § 219 ABGB. für die Bemessung der Unterhaltskosten angeführten Umstände zu berücksichtigen. Wird nun bedacht, daß mit dem erstgerichtlichen Beschluß nicht etwa mit dem Betrag von 3000 S monatlich die gesamten Unterhaltskosten des Kuranden bestimmt wurden, sondern mit diesem Betrag die Unterhaltskosten nur insoweit zu decken sind, als sie nicht den Mietzins, die Kosten für Gas, Licht, Telephon und sonstige Spesen betreffen, nach dem Bericht des vorläufigen Beistandes allein der Untermietzins für die Unterkunft des Kuranden monatlich 1800 S beträgt, ferner Kosten für zahnärztliche Behandlung in der Höhe von 5000 S und verschiedene Ärztekosten zu bestreiten sind, dann stellt der vom Erstgericht zur freien Verfügung des Kuranden zwecks teilweiser Bestreitung seines Unterhaltes bestimmte Betrag von 3000 S bei den derzeitigen Erträgnissen des Vermögens des Kuranden und den persönlichen Verhältnissen des Kuranden den gerade noch vertretbaren Höchstbetrag dar. Entgegen der vom Rekursgericht vertretenen Auffassung kommt bei dieser derzeitigen Sach- u Rechtslage eine Erhöhung des Betrages von 3000 S auf 4000 S monatlich nicht in Betracht. Das Erstgericht wird allerdings zu prüfen haben, ob trotz der im übrigen nur sinngemäß anwendbaren Bestimmung des § 219 AußStrG., nicht eine günstigere mundelsichere Anlegung wenigstens eines Teiles des Vermögens des Kuranden ohne langjährige Bindung möglich ist.