JudikaturJustiz6Ob290/98k

6Ob290/98k – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. Januar 1999

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Kuno W*****, vertreten durch Dr. Anton Tschann, Rechtsanwalt in Bludenz, wider die beklagte Partei V*****gesellschaft mbH, ***** Nebenintervenient auf seiten der beklagten Partei Dr. Karl-Heinz P*****, beide vertreten durch Dr. Herwig Mayrhofer ua Rechtsanwälte in Dornbirn, wegen Nichtigerklärung eines Gesellschafterbeschlusses, infolge ordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 14. Mai 1998, GZ 2 R 90/98x-12, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 14. Jänner 1998, GZ 7 Cg 268/97z-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichtes wird zur neuerlichen Entscheidung über die Berufung der beklagten Partei aufgehoben.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die beklagte Gesellschaft mbH wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 24. 10. 1996 gegründet. Der Kläger ist einer von sechs Gesellschaftern. Das Stammkapital beträgt 1,2 Mio S. Jeder der Gesellschafter hat einen Geschäftsanteil von 200.000 S. Der Kläger ist Gesellschaftergeschäftsführer. In der Satzung der Beklagten ist ua folgendes festgelegt: Die Generalversammlung ist beschlußfähig, wenn zwei Drittel des Stammkapitals anwesend oder vertreten sind. Die Kündigung eines Geschäftsführers bedarf der Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen. Jeder Gesellschafter kann sich durch einen anderen Gesellschafter oder einen zur Berufsverschwiegenheit verpflichteten Dritten vertreten lassen. Die schriftliche Beschlußfassung gemäß § 34 GmbHG ist zulässig. Die Bestellung und die Abberufung von Geschäftsführern bedarf einer Mehrheit von drei Vierteln der abgegebenen Stimmen. Am 29. 8. 1997 wurde in den Briefkasten des Klägers ein "Gesellschafterbeschluß gemäß § 34 GmbHG (Umlauf)" eingeworfen. Im Kopf des Beschlusses wurden alle Gesellschafter namentlich samt Adressen angeführt. Der Text lautete:

"I. Der Geschäftsführer Bruno W***** wird abberufen. + Fristlos entlassen.

II. Zum neuen Geschäftsführer mit selbständiger Vertretungsbefugnis wird Herr Jens B*****, mit sofortiger Wirkung bestellt. 28./29. 8. 1997".

Die Worte "+ Fristlos entlassen" und das Datum waren mit der Hand geschrieben, der restliche Text in Maschinschrift.

Am 22. 10. 1997 fand eine außerordentliche Generalversammlung am Sitz der Gesellschaft statt. Über diese wurde von einem öffentlichen Notar eine Niederschrift aufgenommen. Darin wurden folgende Gesellschafter als anwesend angeführt: Gerhard M***** für sich und mit Stimmrechtsvollmacht vom 22. 10. 1997 für den Mitgesellschafter Günther A*****; Dipl.-Ing. Dr. Gerald M*****; Dr. Karl-Heinz P*****; Dr. Herwig M*****. Laut Niederschrift wurde Dr. M***** von den Anwesenden zum Vorsitzenden der Versammlung bestellt. Er stellte fest, daß auch der abwesende Gesellschafter Kuno W***** vom Termin schriftlich und nach den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages sowie des Gesetzes rechtzeitig verständigt worden sei. Die Tagesordnung habe gelautet: 1. Ausschluß des Gesellschafters Kuno W*****, 2. Abberufung des Geschäftsführers Kuno W***** und 3. Bestellung des Geschäftsführers Jens B*****. Zur Abberufung des Geschäftsführers stellte der Vorsitzende fest, daß der Kläger die Wirksamkeit seiner Abberufung (gemeint mit dem Umlaufbeschluß) als Geschäftsführer bestreite und daß daher sicherheitshalber über Antrag sämtlicher Anwesender nochmals über die Abberufung des Klägers als Geschäftsführer und seine fristlose Entlassung abgestimmt werde. Nach erfolgter Abstimmung stellte der Vorsitzende fest, daß sämtliche Anwesende (der Gesellschafter Gerhard M***** für sich und als Vollmachtsträger für den Gesellschafter Günther A*****) für den Antrag gestimmt hätten und daß der Kläger somit "neuerlich als Geschäftsführer abberufen und arbeitsrechtlich fristlos entlassen ist und die schon gefaßten Beschlüsse somit bestätigt werden". In der Niederschrift ist noch weiters der Antrag des Vorsitzenden, den neuen Geschäftsführer zu bestellen und die nach erfolgter Abstimmung getroffene Feststellung des Vorsitzenden enthalten, daß sämtliche Anwesenden für diesen Antrag gestimmt hätten.

Der Kläger begehrt die Nichtigerklärung des Gesellschafterbeschlusses vom 28./29. 8. 1997. Hilfsweise begehrt er die Feststellung, daß dieser Beschluß wirkungslos sei. Der Umlaufbeschluß sei nicht rechtsgültig zustandegekommen, weil er lediglich die Unterschriften der Gesellschafter P*****, M*****, M***** sowie eine weitere unleserliche Unterschrift aufweise. Es fehle zumindest die Zustimmung eines weiteren Gesellschafters. Die im Gesellschaftsvertrag vorgesehene Dreiviertelmehrheit der Stimmen sei nicht erreicht worden. Es liege auch nicht die gehörige Schriftform vor, weil der Beschluß nur "hin- und hergefaxt" worden sei. Da der Gesellschaftsvertrag auch für die Abstimmung und den Abschluß von Geschäftsführerverträgen eine Dreiviertelmehrheit der abgegebenen Stimmen vorsehe, sei auch die Geschäftsführerbestellung des Jens B***** ungültig. Eine schriftliche Abstimmung hätte vorausgesetzt, daß sich sämtliche Gesellschafter damit einverstanden erklärt hätten.

Die beklagte Gesellschaft beantragt die Abweisung des Klagebegehrens und wandte ein, daß die Abberufung des Klägers als Geschäftsführer und die Bestellung seines Nachfolgers in der nachfolgenden Gesellschafterversammlung bestätigt worden seien. Der angefochtene Beschluß sei obsolet. Dem Kläger fehle ein Rechtsschutzbedürfnis.

Der Mitgesellschafter Dr. Karl-Heinz P***** trat dem Verfahren auf seiten der Beklagten als Nebenintervenient bei und erstattete ein inhaltsgleiches Vorbringen.

Das Erstgericht gab dem Hauptbegehren des Klägers statt. Es stellte über den schon wiedergegebenen Sachverhalt hinaus noch folgendes fest:

Der Gesellschafterbeschluß sei jeweils zwischen den zustimmenden Gesellschaftern hin- und hergefaxt worden. Der Umlaufbeschluß sei von den Gesellschaftern Dr. P*****, Dr. M***** und Dipl.-Ing. Dr. M***** unterschrieben worden. Auf dem Umlaufbeschluß befinde sich eine weitere Unterschrift, von der nicht festgestellt werden könne, von wem sie stamme. Insbesondere könne nicht festgestellt werden, daß die Unterschrift von einem weiteren Gesellschafter der Beklagten herrühre. Der Kläger und zumindest ein Gesellschafter der Beklagten hätten dem Beschluß auf Abberufung und fristlosen Entlassung des Klägers und auf Bestellung eines neuen Geschäftsführers nicht zugestimmt.

Es könne nicht festgestellt werden, daß der Beklagte vom Termin der außerordentlichen Generalversammlung vom 22. 10. 1997 schriftlich verständigt worden wäre.

In rechtlicher Hinsicht beurteilte das Erstgericht den Sachverhalt im wesentlichen dahin, der Gesellschaftsvertrag normiere zwar, daß eine Generalversammlung beschlußfähig sei, wenn zwei Drittel des Stammkapitals anwesend seien. Die bekämpfte Beschlußfassung sei aber nicht anläßlich einer Generalversammlung, sondern im Zuge eines Umlaufbeschlusses erfolgt. Eine schriftliche Beschlußfassung sehe die Satzung als zulässig vor. § 34 Abs 2 GmbHG normiere aber, daß bei der Abstimmung im schriftlichen Weg die nach dem Gesetz oder dem Gesellschaftsvertrag zu einer Beschlußfassung der Generalversammlung erforderliche Mehrheit nicht nach der Zahl der abgegebenen, sondern nach der Gesamtzahl der allen Gesellschaftern zustehenden Stimmen berechnet werde. Dies bedeute, daß für die Dreiviertelmehrheit die Gesamtzahl der allen Gesellschaftern zustehenden Stimmen maßgeblich sei und daß daher die Zustimmung von zumindest fünf Gesellschaftern zum strittigen Beschluß vorliegen müßte. Diese Zustimmung liege nicht vor. Der Umlaufbeschluß vom 28./29. 8. 1997 stehe nicht im Einklang mit dem Gesellschaftsvertrag. Die Nichtigkeit könne mit Klage gemäß § 41 GmbHG geltend gemacht werden. Der Einwand der Beklagten, der angefochtene Beschluß sei bestätigt worden, gehe ins Leere. Es könne zwar ein Generalversammlungsbeschluß einen nicht ordnungsgemäßen Gesellschafterbeschluß bestätigen und anfechtungsfrei machen. Die dazu ergangene Vorjudikatur (RdW 1992, 144) habe sich aber auf einen Fehler bei der Stimmenauszählung anläßlich einer Generalversammlung bezogen und sei mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar. Wenn mit dem Bestätigungsbeschluß in die Rechte des Klägers eingegriffen werde, bleibe der bestätigte Beschluß anfechtbar. Eine rückwirkende Sanierung komme nicht in Betracht.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Es erledigte die Mängelrüge und die Anfechtung der Beweiswürdigung nur teilweise und beurteilte den vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt rechtlich im wesentlichen wie folgt:

Nach § 41 Abs 1 GmbHG könne die Nichtigerklärung eines Gesellschafterbeschlusses mittels Klage verlangt werden, wenn der Beschluß nach dem zitierten Gesetz als nicht zustandegekommen anzusehen sei (Z 1) oder wenn der Beschluß durch seinen Inhalt zwingende Vorschriften des Gesetzes verletze (Z 2 erster Fall) oder wenn er, ohne daß bei der Beschlußfassung die Vorschriften über die Abänderung des Gesellschaftsvertrages eingehalten worden wären, mit letzterem im Widerspruch stehe (Z 2 zweiter Fall). Der Oberste Gerichtshof habe die Frage, ob es nicht nur bloß anfechtbare, sondern auch absolut nichtige Gesellschafterbeschlüsse gebe, meist offen gelassen. Die Lehre unterscheide zwischen anfechtbaren und absolut nichtigen Gesellschafterbeschlüssen. Anfechtbare Beschlüsse könnten nur in einem Verfahren nach § 41 GmbHG beseitigt werden, bei absolut nichtigen Beschlüssen sei ein solches Verfahren zwar zulässig, aber nicht notwendig. Die Nichtigkeit solle, falls die Voraussetzungen des § 228 ZPO gegeben seien, mit Feststellungsklage geltend gemacht werden können, für die die einmonatige Frist des § 41 GmbHG nicht gelte. Der Oberste Gerichtshof habe dies nur für Fälle anerkannt, in denen nur zum Schein ein Beschluß vorgelegen sei, der mit derart gravierenden Mängeln behaftet sei, daß von einer rechtlich unbeachtlichen Willensäußerung gesprochen werden müsse. Ein wirkungsloser Scheinbeschluß sei auch angenommen worden, wenn ein Beschluß im Widerspruch zu § 34 GmbHG weder in einer Generalversammlung noch unter Einhaltung der Voraussetzungen einer schriftlichen Abstimmung gefaßt worden sei. Nach der Satzung der Beklagten sei die schriftliche Beschlußfassung gemäß § 34 GmbHG zulässig. Die Zulässigkeit sei davon abhängig, daß sich sämtliche Gesellschafter im einzelnen Fall schriftlich mit der zu treffenden Bestimmung oder doch mit der Abstimmung im schriftlichen Weg einverstanden erklärten. Ein Einverständnis des Klägers zum Inhalt des Umlaufbeschlusses liege nicht vor. Es sei von der Beklagten nicht einmal behauptet worden, daß der Kläger mit der Abstimmung im schriftlichen Weg einverstanden gewesen sei. Die schriftliche Beschlußfassung stehe daher mit der zwingenden Bestimmung des § 34 Abs 1 GmbHG im Widerspruch. Die Abberufung des Geschäftsführers und die Bestellung eines neuen Geschäftsführers hätten für ein gültiges Zustandekommen die Zustimmung von jeweils drei Vierteln des Stammkapitals erfordert. Die Zustimmung von nur vier Gesellschaftern reiche dazu nicht aus, um die gemäß § 34 Abs 2 GmbHG vorausgesetzte Mehrheit zu begründen. Eine schriftliche Beschlußfassung sei nicht zustandegekommen. Der Umlaufbeschluß sei weder in einer Generalversammlung noch unter Einhaltung der Vorschriften über die schriftliche Abstimmung gefaßt worden. Es liege ein wirkungsloser Scheinbeschluß vor, der einem nichtigen Beschluß gleichkomme. Ein solcher Beschluß sei von vorneherein unwirksam. Er könne nicht bestätigt, sondern nur neu vorgenommen werden. Selbst wenn also der Kläger zur außerordentlichen Generalversammlung der Beklagten vom 22. 10. 1997 schriftlich und rechtzeitig geladen worden wäre, könnte der absolut nichtige Umlaufbeschluß (oder Scheinbeschluß) nicht nachträglich mit der Wirkung ex tunc saniert worden sein. Die absolute Nichtigkeit des angefochtenen Beschlusses mache eine Anfechtung nach § 41 GmbH nicht unzulässig. Das Erstgericht habe im Ergebnis zu Recht der Anfechtungsklage stattgegeben.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 260.000 S übersteige und daß die ordentliche Revision zulässig sei. Die oberstgerichtliche Rechtsprechung über die Ablehnung der absoluten Nichtigkeit von Gesellschafterbeschlüssen sei in der Lehre auf Kritik gestoßen.

Mit ihrer ordentlichen Revision beantragt die Beklagte die Abänderung dahin, daß das Klagebegehren abgewiesen werde, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger verweist in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision, beantragt aber nur, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und mit ihrem Aufhebungsantrag auch berechtigt.

Das Berufungsgericht hat die Nichtigerklärung des Umlaufbeschlusses bestätigt, obwohl es selbst von einer ursprünglichen Wirkungslosigkeit im Sinne einer absoluten Nichtigkeit des vom Kläger bekämpften Gesellschafterbeschlusses - wie dies von einem Teil der Lehre vertreten wird - ausgeht. In einem solchen Fall bedarf es keiner rechtsgestaltenden Gerichtsentscheidung. Die Nichtigkeit kann aber unter den Voraussetzungen des § 228 ZPO gerichtlich festgestellt werden. Bei Bejahung eines in der oberstgerichtlichen Rechtsprechung anerkannten Scheinbeschlusses (oder Nichtbeschlusses) sowie bei Bejahung des in zahlreichen Lehrmeinungen vertretenen Standpunkts über die absolute Nichtigkeit von Gesellschafterbeschlüssen (vgl dazu Koppensteiner, GmbHG Rz 7 zu § 41; Reich-Rohrwig, GmbHR 292) wäre nur dem Eventualbegehren stattzugeben gewesen. Bei Vorliegen eines nicht anfechtungsbedürftigen, schon per se wirkungslosen Beschlusses ist die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes zu teilen, daß eine Sanierung durch einen später mängelfreien Gesellschafterbeschluß schon deshalb nicht in Frage kommt, weil ein sanierbarer fehlerhafter Gesellschafterbeschluß, also eine Willenserklärung aller Gesellschafter als Organ der Gesellschaft gar nicht vorliegt. Die Anerkennung eines Sanierungsbeschlusses würde im Ergebnis die rückwirkende Abberufung eines Geschäftsführers bedeuten, was sich schon aus Gründen des Gläubigerschutzes verbietet. Die Gesellschafter einer Gesellschaft mbH können den Geschäftsführer zwar mit sofortiger Wirksamkeit abberufen (ecolex 1993, 815 mwN), nicht aber rückwirkend. Das Verfahren ist daher im Sinne der Feststellung der Wirkungslosigkeit des Umlaufbeschlusses nur dann spruchreif, wenn der Umlaufbeschluß als Scheinbeschluß oder im Sinne der Lehrmeinungen als absolut nichtiger Beschluß zu qualifizieren wäre, andernfalls hätte sich das Berufungsgericht mit dem Berufungsvorbringen der Beklagten zum Thema der Sanierung des anfechtungsbedürftigen Umlaufbeschlusses durch den Generalversammlungsbeschluß (also mit den zu diesem Thema erstatteten Berufungsausführungen der Beklagten) auseinanderzusetzen gehabt.

Nach Ansicht des erkennenden Senates ist der bekämpfte Umlaufbeschluß weder ein Scheinbeschluß noch ein im Sinne der Lehrmeinungen nichtiger Beschluß. Der derzeitige Stand der Lehre und der oberstgerichtlichen Rechtsprechung wurde zu den hier wesentlichen Rechtsfragen in der ausführlich begründeten Entscheidung SZ 67/103 wie folgt dargestellt:

"Nach § 41 Abs 1 GmbHG kann die Nichtigerklärung eines Beschlusses der Gesellschafter mittels Klage verlangt werden, wenn der Beschluß nach dem GmbHG als nicht zustande gekommen anzusehen ist (Z 1) oder wenn der Beschluß durch seinen Inhalt zwingende Vorschriften des Gesetzes verletzt oder, ohne daß bei der Beschlußfassung die Vorschriften über die Abänderung des Gesellschaftsvertrages eingehalten worden wären, mit letzterem im Widerspruch steht (Z 2). Während der Oberste Gerichtshof die Frage, ob es nicht bloß anfechtbare, sondern (absolut) nichtige Gesellschafterbeschlüsse gibt, bisher offengelassen hat (ua SZ 49/51; SZ 56/84; JBl 1988, 339; s auch ecolex 1991, 782; RdW 1992, 79), unterscheidet die Lehre zwischen anfechtbaren und (absolut) nichtigen Gesellschafterbeschlüssen. Während anfechtbare Beschlüsse (nur) in einem Verfahren nach § 41 GmbHG beseitigt werden können, ist ein solches Verfahren nach nahezu einhelliger Auffassung bei (absolut) nichtigen Beschlüssen zwar zulässig, aber nicht notwendig (Koppensteiner, GmbHG Kommentar § 41 Rz 7; Reich-Rohrwig, Das österreichische GmbH-Recht 378; Kastner/Doralt/Nowotny, Gesellschaftsrecht3, 420 f; Gellis/Feil, Kommentar zum GmbHG2 Anm 1 f zu § 41 je mwN; s auch Schönherr, Die Nichtigkeit von Gesellschafterbeschlüssen einer Gesellschaft mbH JBl 1960, 3, 39 [3 ff]; anders nur Wünsch in Egger-Jud-Lechner-Wünsch [Hrsg], Unternehmensbewertung 53 [125 ff]). Die Nichtigkeit soll, wenn die Voraussetzungen des § 228 ZPO gegeben sind, mit Feststellungsklage geltend gemacht werden können, für die die einmonatige Frist des § 41 GmbHG nicht gilt. Der Oberste Gerichtshof hat dies für Fälle anerkannt, in denen nur zum Schein ein Beschluß vorlag (SZ 50/51; SZ 58/88).

Koppensteiner (aaO § 41 Rz 8) will die Kategorie des (wirkungslosen) Scheinbeschlusses zugunsten der Annahme eines (absolut) nichtigen Beschlusses aufgeben (so offenbar auch OLG Wien in ecolex 1991, 392); welche anderen Mängel einen Beschluß nichtig machen sollen, ist strittig. Einigkeit besteht im wesentlichen darüber, daß Generalversammlungsbeschlüsse, die gegen ein Strafgesetz, durch ihren Inhalt gegen die guten Sitten sowie gegen zwingende Bestimmungen, insbesondere Gläubigerschutzvorschriften, verstoßen, nichtig sein sollen (s Koppensteiner aaO § 41 Rz 10 ff; Reich-Rohrwig aaO 392 ff; Gellis/Feil aaO § 41 Anm 5 ff; Harrer, Haftungsprobleme bei der Gesellschaft mbH 81 ff). Thöni (Sittenwidrigkeit von GmbH-Gesellschafterbeschlüs- sen - Nichtigkeits- oder Anfechtungsgrund? WBl 1992, 353 [359 f] lehnt die analoge Übernahme der aktienrechtlichen Beschränkung der Nichtigkeitssanktion auf inhaltlich sittenwidrige Beschlüsse (§ 199 Abs 1 Nr 4 AktG) in das GmbH-Recht ab und wendet § 879 ABGB an. Danach sollen Generalversammlungsbeschlüsse auch dann sittenwidrig sein, wenn ihr Gesamtcharakter (Beweggrund, Zweck, Inhalt) oder ihr Zustandekommen gegen die guten Sitten verstößt; sittenwidrig seien aber nur grob rechtswidrige Verstöße. Die überwiegende Zahl der Mehrheits/Minderheitskonflikte lasse sich nur mittels der strengeren sachspezifischeren Verhaltensmaßstäbe des Gleichbehandlungsgebots sowie der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht lösen, bei deren Verletzung die Anfechtungsklage offenstehe (Thöni aaO 361 f)."

Der Oberste Gerichtshof anerkannte bisher nur die Kategorie des Scheinbeschlusses. Die Anfechtung fehlerhafter Beschlüsse mittels Klage nach § 41 GmbH ist nur dort entbehrlich, wo ein Beschluß mit solch gravierenden Mängeln behaftet ist, daß von einer rechtlich unbeachtlichen Willensäußerung gesprochen werden muß (SZ 58/88). Dies wurde beispielsweise im Fall der Abberufung eines Geschäftsführers mit dem Beschluß einer Minderheit der Gesellschafter (SZ 50/51) oder durch den nur vermeintlichen Alleingesellschafter (SZ 59/172) angenommen. Daß die von Nichtgesellschaftern gefaßten Beschlüsse als Scheinbeschlüsse wirkungslos sind, ist herrschende Meinung (Reich-Rohrwig aaO 395). Die Lehre geht darüber hinaus und nimmt die absolute Nichtigkeit von Gesellschafterbeschlüssen auch dann an, wenn gegen elementare Grundsätze der Rechtsordnung verstoßen wird. Was darunter zu verstehen ist, ist aber durchaus strittig. Abgrenzungsschwierigkeiten liegen auf der Hand. Absolute Nichtigkeitsgründe sollen nach der Lehre sowohl bei der Verletzung materiellen Rechts (etwa § 879 ABGB) als auch bei der Verletzung von Verfahrensvorschriften vorliegen. Reich-Rohrwig bejaht die Wirkungslosigkeit von Beschlüssen, bei denen die Einberufungsvorschriften "grundlegend mißachtet" werden (aaO). Koppensteiner räumt zur restriktiven oberstgerichtlichen Rechtsprechung immerhin ein, daß die Beurteilung weniger krasser Fälle deshalb schwierig sei, weil im § 41 Abs 1 Z 1 GmbHG formelle Mängel offenbar nur als Anfechtungsgrund gewertet werden (aaO Rz 10 zu § 41).

Der Kläger macht mit seiner fristgerechten Anfechtungsklage die formellen Mängel des Umlaufbeschlusses geltend, daß entgegen § 34 GmbHG die schriftliche Abstimmung ohne seine Gesellschafterzustimmung und ohne seine Mitwirkung erfolgte und daß der Beschluß nicht von allen Gesellschaftern unterschrieben worden sei. Liegt wegen der unstrittigen Verletzung der Vorschrift des § 34 GmbHG ein bloßer Scheinbeschluß vor oder ist im gegebenen Anlaßfall der Lehre zur absoluten Nichtigkeit wegen Verstoßes gegen elementare Grundsätze der Rechtsordnung zu folgen?

Für die Bejahung eines Scheinbeschlusses kann die Begründung in SZ 50/51 ins Treffen geführt werden, wonach die Beschlußfassung, die entgegen der Vorschrift des § 34 GmbHG weder in einer Generalversammlung noch in der in dieser Gesetzesstelle für die schriftliche Abstimmung vorgesehenen Weise erfolgte, keinen rechtswirksam zustandegekommenen Gesellschafterbeschluß, sondern nur eine rechtlich unbeachtliche Willensäußerung einer Minderheit (der Gesellschafter) darstelle. Die tragende Begründung dieser in einem Provisorialverfahren ergangenen Entscheidung liegt jedoch nach Ansicht des erkennenden Senats im Umstand, daß als bescheinigt angesehen wurde, daß nur die Willensäußerung einer Minderheit der Gesellschafter zu beurteilen war, während der hier bekämpfte Umlaufbeschluß nach der äußeren Form von allen Gesellschaftern gefaßt und von vier Personen (unstrittig von drei Gesellschaftern) unterschrieben worden war. Schon die Gesellschaftermehrheit kann grundsätzlich einen Geschäftsführer abberufen oder einen Gesellschafter ausschließen. Die Verletzung von inhaltlichen (Mehrheitsquorum) und formellen Voraussetzungen (Schriftlichkeit) ist im Gesetz grundsätzlich als Anfechtungsgrund normiert. Die außerhalb dieses Bereichs liegende Kategorie eines Scheinbeschlusses ist damit zu begründen, daß keine (anfechtbare) Erklärung von Gesellschaftern in ihrer Eigenschaft als Gesellschaftsorgan vorliegt, wie eben bei der Beschlußfassung eines Minderheitsgesellschafters oder eines nur vermeintlichen Gesellschafters. In solchen Fällen kann im Sinne der Lehrmeinung Faschings auch von einem Nichtbeschluß gesprochen werden (Fasching III 825). In der oberstgerichtlichen Rechtsprechung wurden Mängel bei der Einberufung einer Generalversammlung (Dreitagesfrist; Bekanntgabe der Tagesordnung) als sanierbare Formverstöße behandelt (SZ 47/70; HS XIV, XV/25) und eine Anfechtungsmöglichkeit nach § 41 GmbHG wegen fehlender Kausalität verneint, wenn wenigstens das Mehrheitserfordernis für den angefochtenen Beschlußinhalt feststand. Auch inhaltliche Mängel eines Gesellschafterbeschlusses aus den Gründen des Stimmrechtsmißbrauchs (SZ 69/254), des rechtswidrigen Entzugs von Sonderrechten (SZ 59/104) oder des Verstoßes der Regeln über das Stimmverbot (SZ 58/88) wurden § 41 GmbHG unterstellt, das Vorliegen eines bloßen Scheinbeschlusses verneint und der Installierung des Instituts einer absoluten Nichtigkeit nicht nähergetreten. An dieser Linie hält der erkennende Senat aus folgenden Erwägungen fest:

Der schriftliche Umlaufbeschluß ersetzt die Abstimmung in der Generalversammlung. Die Einberufung und der Gegenstand der Beschlußfassung sind durch den schriftlichen Vorgang fixiert, an dem alle Gesellschafter teilnehmen müssen. Wenn ein Gesellschafter der schriftlichen Beschlußfassung nicht zustimmt oder von den übrigen Gesellschaftern an der Mitwirkung gehindert wird, gleichwohl aber vom Beschlußergebnis unmittelbar selbst und einschneidend betroffen ist (hier geht es um die Abberufung als Gesellschaftergeschäftsführer), so werden durch einen solchen fehlerhaften Beschlußvorgang zweifellos elementare Grundsätze des formellen und materiellen Rechts verletzt, insbesondere auch das Recht auf Gehör. Der ausgeschlossene Gesellschafter hat keine Gelegenheit, seine Mitgesellschafter umzustimmen. Das Gehör wird ihm aber nicht endgültig verweigert. Er hat das Klagerecht nach § 41 GmbHG. Von einer rechtsunwirksamen Willenserklärung der Mitgesellschafter könnte zweifellos dann nicht die Rede sein, wenn sie in einem mängelfreien Verfahren den Ausschluß und die Abberufung gegen die Stimme des Anfechtungsberechtigten durchsetzen könnten. Die Anerkennung eines absoluten Nichtigkeitsgrundes führte dazu, daß die Gesellschafter ihren fehlerhaften Umlaufbeschluß nicht sanieren und der betroffene Gesellschafter auch nicht auf die Einhaltung der Formvorschriften verzichten könnte. Ob diese überhaupt verletzt wurden, hängt oft von streitigen Tatfragen ab (Erhalt des Einladungsschreibens; Echtheit von Unterschriften). Der Normzweck der Anfechtungsmöglichkeit besteht in der Beseitigung inkorrekt zustandegekommener oder inhaltlich bedenklicher Beschlüsse. Die Befristung der Klagemöglichkeit soll sicherstellen, daß ein Beschluß "nicht allzu lange in der Schwebe" belassen wird (Koppensteiner aaO Rz 2 zu § 41 mwN). Der weite Wortlaut des § 41 GmbHG spricht für die Ansicht, daß sowohl Einberufungs- und Ankündigungsmängel als auch Inhaltsmängel den Gesellschafterbeschluß nur anfechtbar, nicht aber von Anfang an unwirksam und damit nicht sanierbar machen.

Die gegenteilige Auffassung könnte nur mit einer von einem Teil der Lehre geforderten Analogie zu den Bestimmungen des AktG begründet werden. Dies setzte einerseits eine planwidrige Gesetzeslücke und andererseits vergleichbare Fälle voraus. Das GmbHG verweist in zahlreichen Bestimmungen auf das AktG. Es verweist aber gerade nicht auf die dort normierte absolute Nichtigkeit von Beschlüssen der Hauptversammlung. Da § 199 AktG für eine Fülle von Rechtsverletzungen die Nichtigkeit vorsieht und eine Heilung der Nichtigkeit vorsieht (§ 200 AktG) sowie die Voraussetzungen einer Nichtigkeitsklage normiert, andererseits für andere Rechtsverletzungen die rechtsgestaltende Anfechtungsklage kennt (§ 197 AktG), fällt die Begründung einer planwidrigen Gesetzeslücke im GmbH-Recht schwer. Selbst wenn man diese aber bejahte, fehlte es an einer zum Umlaufbeschluß einer Gesellschaft mbH (§ 34 GmbHG) vergleichbaren gesetzlichen Regelung im Aktienrecht. Dort sind die Verletzungen der Vorschriften über die Einberufung einer Hauptversammlung (§ 105 AktG) als Nichtigkeitsgründe normiert (§ 199 Abs 1 Z 2 AktG). Ein Umlaufbeschluß ist dem AktG (wegen der Anonymität der Aktionäre zwangsläufig) fremd. Für die Rechtsfolgen der Verletzung der gesetzlichen Voraussetzungen einer Gesellschafterabstimmung im schriftlichen Wege bietet das Aktienrecht keine analogiefähige Grundlage.

Bei einem nicht anfechtungsbedürftigen bloßen Scheinbeschluß (oder Nichtbeschluß) liegt - wie schon ausgeführt - kein Beschluß "der Gesellschafter" im Sinne des Einleitungssatzes des § 41 Abs 1 GmbHG sondern ein Beschluß von Nichtgesellschaftern oder einer Minderheit der Gesellschafter vor. Hier wurde dem Kläger aber der Beschluß seiner Mitgesellschafter zugestellt, wenngleich der Umlaufbeschluß die schon mehrfach angeführten Mängel aufweist. Dieser Beschluß kann keinesfalls als von gesellschaftsfremden Personen gefaßt angesehen werden. Auch wenn die vom Gesetz verlangte Schriftlichkeit nicht eingehalten wurde, präsentiert sich der Beschluß als Willenserklärung aller, jedenfalls aber der Mehrheit der Gesellschafter (arg.: im Kopf sind alle Gesellschafter angeführt). Die fehlenden Unterschriften einiger Gesellschafter bedeuten zweifellos einen Formmangel. Wenn im Gesetz Schriftlichkeit verlangt wird, ist dies vor allem im Vertragsrecht als "Unterschriftlichkeit" zu verstehen (§ 886 ABGB). Diese wird aber auch für einseitige Willenserklärungen verlangt (ein Telefax reicht beispielsweise für die Übernahme einer Bürgschaft nicht: JBl 1995, 656). Damit ist aber noch nichts für die Lösung der Frage gewonnen, ob die Verletzung des Schriftlichkeitsgebots die unheilbare Unwirksamkeit des Beschlusses (der Gesellschaftervereinbarung über die Abberufung eines Geschäftsführers) bewirkt oder nur die Anfechtbarkeit im Sinne des § 41 GmbHG. Im Ergebnis kann auch die Mißachtung der Regeln über das Stimmrecht sogar zum Ausschluß eines Gesellschafters führen. Dies macht den Beschluß noch nicht zum Schein- oder Nichtbeschluß (SZ 58/88). Es wäre nun ein Wertungswiderspruch, wenn man dieser Ansicht folgte und bei einem von der Mehrheit der Gesellschafter beschlossenen Stimmverbot eine Anfechtung verlangte, bei einem mangelhaften Umlaufbeschluß aber nicht. Das Hauptbegehren des Klägers ist daher wegen der angeführten Verstöße gegen die Vorschriften des § 34 GmbHG (Schriftlichkeit; Zustimmung aller Gesellschafter; Mehrheitsquorum) grundsätzlich berechtigt. Die Beklagte hat aber die Mangelhaftigkeit des Umlaufbeschlusses selbst erkannt und dessen Sanierung durch einen Generalversammlungsbeschluß behauptet. Zu den für sie nachteiligen Feststellungen des Erstgerichtes wurde ein Berufungsvorbringen erstattet und eine Mängel- und Beweisrüge erhoben. Darauf ist das Berufungsgericht aufgrund seiner nicht zu teilenden Rechtsansicht über das Vorliegen eines absolut nichtigen Gesellschafterbeschlusses nicht eingegangen. Bei einem nach § 41 GmbHG anfechtbaren Gesellschafterbeschluß ist die Sanierung allfälliger Beschlußmängel mit einem Bestätigungsbeschluß zulässig, was auch zu einer rückwirkenden Sanierung führen kann (SZ 64/191). Das Berufungsgericht wird auf das zum Thema der Sanierung des Umlaufbeschlusses erstattete Berufungsvorbringen der Beklagten einzugehen haben. Bei Feststellung eines anfechtungsfesten oder nicht angefochtenen Generalversammlungsbeschlusses wird von einer rückwirkenden Sanierung des Umlaufbeschlusses auszugehen und die Anfechtungsklage abzuweisen sein.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 52 ZPO.

Rechtssätze
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