JudikaturJustiz6Ob270/07k

6Ob270/07k – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. Januar 2008

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ. Prof. Dr. Kodek als weitere Richter in der Firmenbuchsache der W***** GmbH Co OEG, *****, FN *****, über den Revisionsrekurs der Antragstellerin W***** GmbH, *****, FN *****, vertreten durch Dr. Wolf Georg Schärf, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 19. September 2007, GZ 28 R 141/07x 8, womit der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 21. Juni 2007, GZ 75 Fr 4693/07k 5, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die W***** GmbH Co OEG mit dem Sitz in W***** ist zu FN ***** in das Firmenbuch des Handelsgerichts Wien eingetragen. Sie hat zwei unbeschränkt haftende Gesellschafter, nämlich:

1. die W***** GmbH mit dem Sitz in W*****, FN ***** des Handelsgerichts Wien, deren Geschäftsführer und alleiniger Gesellschafter Leopold W*****, geboren ***** ist, und

2. die D***** GmbH mit dem Sitz in W*****, FN ***** des Handelsgerichts Wien, deren Geschäftsführer DI Gert D*****, geboren ***** und DI Robert D*****, geboren *****, sind. DI Gert D***** ist auch einziger Gesellschafter der D***** GmbH.

Die W***** GmbH (in der Folge: Antragstellerin) beantragte mit dem am 4. 5. 2007 beim Erstgericht eingelangten Antrag die Bestellung des für sie einschreitenden Rechtsanwalts Dr. Wolf Georg Schärf zum Kollisionskurator im Verfahren beim Handelsgericht Wien zu 29 Cg 12/07w und im Verfahren beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien zu 17 Cg 20/07a (gemeint 20 Cg 58/07g des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien).

Die W***** GmbH Co OEG habe gegen DI Gert D***** zu 20 Cg 58/07g des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien eine Schadenersatzklage eingebracht. Daraufhin habe DI Robert D***** als Geschäftsführer der D***** GmbH und daher als Geschäftsführer der W***** GmbH Co OEG mit Schreiben vom 23. 3. 2007 dem Vertreter der Antragstellerin Rechtsanwalt Dr. Wolf Georg Schärf in diesem Verfahren die Vollmacht gekündigt.

Zu 29 Cg 12/07w des Handelsgerichts Wien habe DI Gert D***** eine Klage gegen die W***** GmbH Co OEG, gegen die W***** GmbH sowie gegen DI Jürgen W***** eingebracht.

Zu (richtig) 16 Cg 20/07a des Handelsgerichts Wien habe die D***** GmbH gegen die Antragstellerin eine Klage verbunden mit einem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung auf Enthebung der Antragstellerin als Geschäftsführer der W***** GmbH Co OEG eingebracht. Auf Grund eines Versehens habe sich die Antragstellerin nicht rechtzeitig äußern können, sodass das Handelsgericht Wien die beantragte einstweilige Verfügung erlassen habe.

Als einzige „Geschäftsführerin" der W***** GmbH Co OEG sei daher die D***** GmbH verblieben, deren Geschäftsführer DI Robert D***** dem Vertreter der Antragstellerin jedoch die Vollmacht gekündigt habe. Der weitere Geschäftsführer und weisungsberechtigte Alleingesellschafter DI Gert D***** habe dem Vertreter der Antragstellerin die Vollmacht zwar nicht gekündigt, jedoch sei nach der Lebenserfahrung anzunehmen, dass die Vollmachtskündigung nach Rücksprache mit ihm und unter Umständen auf seine Weisung erfolgte.

Offensichtlich seien derart Handlungen zu Lasten der W***** GmbH Co OEG erfolgt, „die aufgrund einer Interessenkollision entstanden" seien. Es stelle sich die Frage nach der Wirksamkeit der Vollmachtskündigung. Sollte diese aber wirksam sein, sei die W***** GmbH Co OEG in den Verfahren gegen DI Gert D***** nicht vertreten bzw nicht vertretungsfähig. Deshalb sei die Bestellung eines Kollisionskurators in den genannten Verfahren erforderlich.

Mit Beschluss vom 16. 5. 2007 (ON 3) trug das Erstgericht der Antragstellerin auf, binnen 14 Tagen darzulegen, worauf sich die Zuständigkeit des Firmenbuchgerichts zur Bestellung eines Kollisionskurators in streitigen Angelegenheiten vor dem Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien und dem Handelsgericht Wien gründe.

Die Antragstellerin brachte daraufhin vor (ON 4), dass sich die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts auf § 5 Abs 2 Z 1 AußStrG stütze.

Das Erstgericht wies den Antrag auf Bestellung eines Kollisionskurators wegen sachlicher Unzuständigkeit zurück.

Unter dem Begriff des „konkreten Verfahrens" sei ein konkretes Außerstreitverfahren zu verstehen. Die Rechtsstreitigkeiten beim Handelsgericht Wien zu 29 Cg 12/07w und beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien zu 20 Cg 58/07g seien jedoch streitige Verfahren; daher obliege es dem jeweiligen Verfahrensgericht, einen Kollisionskurator zu bestellen.

Das Rekursgericht änderte diese Entscheidung dahingehend ab, dass es die Unzuständigkeit des Handelsgerichts Wien aussprach und das Verfahren zur Entscheidung über den Antrag auf Bestellung eines Kollisionskurators an das Bezirksgericht Hernals überwies.

Gemäß § 15 Abs 1 FBG seien im Firmenbuchverfahren die allgemeinen Bestimmungen des AußStrG anzuwenden. Gemäß § 5 Abs 2 Z 1 AußStrG obliege dem Firmenbuchgericht die Bestellung eines Kollisions- und Zustellkurators für ein konkretes Verfahren ( G. Kodek in Kodek/Nowotny/Umfahrer , FBG § 15 Rz 119). Die Bestellung sonstiger Kuratoren obliege demgegenüber dem Pflegschaftsgericht (§§ 109, 112 JN; G. Kodek/G. Nowotny , NZ 2004, 261) oder den sonst zuständigen Gerichten (etwa dem Prozessgericht, vgl §§ 8, 116 ff ZPO).

Aus § 5 AußStrG ergebe sich unzweifelhaft die Abgrenzung, ob ein Kurator durch das Außerstreitgericht im konkreten Außerstreitverfahren zu bestellen sei, oder ob die Bestellung in einem gesonderten Verfahren von dem nach den §§ 109, 112 JN zuständigen Gericht vorzunehmen sei. Das Firmenbuchgericht habe daher den Kollisionskurator oder Zustellkurator nur in dem bei ihm anhängigen Firmenbuchverfahren selbst zu bestellen. Für die Bestellung eines Kollisionskurators in irgendeinem anderen Verfahren fehle ihm die Zuständigkeit ( Fucik/Kloiber , AußStrG § 5 Rz 5; Rechberger in Rechberger , AußStrG § 5 Rz 4 und 5).

Für die Bestellung eines Kurators für einzelne Streitsachen sei § 112 Abs 1 JN maßgeblich, der wiederum auf die besonderen für die einzelnen Fälle von Kuratelen erlassenen Vorschriften des bürgerlichen Rechts und des Verfahrensrechts verweise. Daher sei zur Bestellung von Kollisionskuratoren gemäß den §§ 271 f ABGB das Pflegschaftsgericht im Verfahren außer Streitsachen berufen, während gemäß § 8 ZPO für die Bestellung des Prozesskurators das Prozessgericht zuständig sei ( Fucik in Fasching I2 § 112 Rz 2).

Das Pflegschaftsgericht sei schon nach früherer Rechtslage für die Bestellung eines Kollisionskurators in analoger Anwendung der §§ 271, 272 ABGB zuständig gewesen ( Knell , Die Kuratoren im österreichischen Recht 55; Dittrich / Tades , ABGB36 § 271 E 1). So sei etwa die Bestellung eines Kollisionskurators für eine GmbH für möglich erachtet worden, gegen die einer der zwei kollektiv vertretungsbefugten Geschäftsführer als Kläger aufgetreten sei ( Knell aaO). Die Rechtsprechung habe einen Fall einer möglichen Bestellung eines Kollisionskurators auch angenommen, wenn einer von zwei kollektiv vertretungsbefugten Liquidatoren durch Interessenkollision nicht mehr befugt sei, rechtswirksame Erklärungen für die Gesellschaft abzugeben, weil dieser Umstand nicht zur aktiven Alleinvertretungsbefugnis des verbliebenen Liquidators führe (SZ 54/123). Die §§ 271, 272 ABGB seien mangels allgemeiner Bestimmungen (vgl § 400 UGB, § 25 Abs 4 GmbHG) über das Insichgeschäft analog auch in anderen Bereichen (zB zwischen einem Gesellschafter einer OG und der durch diesen vertretenen OG) anzuwenden ( Weizenböck in Schwimann , ABGB3 §§ 271, 272 Rz 2).

In § 109 Abs 1 letzter Halbsatz JN sei die juristische Person ebenso genannt wie ein sonstiges parteifähiges Gebilde. Die herrschende Meinung beziehe § 109 JN - entgegen seiner eng gefassten Überschrift - auf alle Fälle von Kuratorenbestellungen. Auch für die Bestellung eines Kollisionskurators für eine Personengesellschaft oder ein rechts- oder parteifähiges Gebilde sei daher das Bezirksgericht sachlich zuständig ( Fucik in Fasching I2 § 109 JN Rz 4).

Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 8 ZPO könne vom Prozessgericht für alle physischen und juristischen Personen, denen Parteifähigkeit zukommt, in den Fällen, in denen eine Kuratorbestellung nach bürgerlichem Recht möglich ist, ein Kurator bestellt werden ( Knell aaO 129). Daher treffe die Rechtsansicht der Rekurswerberin, das Firmenbuchgericht sei zur Bestellung eines Kollisionskurators für streitige Verfahren zuständig, nicht zu. Gemäß § 44 JN sei der Antrag daher von Amts wegen an das zuständige Gericht zu überweisen. „Angerufenes" Gericht im Sinne dieser Bestimmung sei auch jedes Rechtsmittelgericht, an das die Entscheidungskompetenz auf Grund eines zulässigen Rechtsmittels übergehe (3 Ob 393/97h).

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil - soweit überblickbar - eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage der Zuständigkeit des Firmenbuchgerichts für die Bestellung eines Kollisionskurators in einem anderen als dem vor ihm anhängigen Verfahren fehle und der Frage der Zuständigkeit eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig; er ist aber nicht berechtigt.

Der Oberste Gerichtshof billigt die rechtliche Beurteilung des Rekursgerichts sowohl im Ergebnis als auch in der methodischen Ableitung, sodass vollinhaltlich darauf verwiesen werden kann (§ 72 Abs 3 AußStrG).

Wenngleich nach neuerer Auffassung ein Notgeschäftsführer auch in Kollisionsfällen bestellt werden kann (vgl 6 Ob 53/06x; Pöltner , Notgeschäftsführer 40 ff), sieht die herrschende Auffassung doch im Fall der Kollision die Bestellung eines Kollisionskurators ebenso für zulässig an wie die Bestellung eines Notgeschäftsführers (vgl RIS Justiz RS0049116; RIS Justiz RS0059923). Auch nach der Lehre ist bei Auftreten von Interessenkollisionen wie etwa im Prozess zwischen Gesellschaft und Geschäftsführung in erster Linie an die Bestellung eines Kollisionskurators oder eines Notgeschäftsführers zu denken ( Koppensteiner/Rüffler GmbHG3 § 20 Rz 25 mwN). Die Publizitätsrichtlinie überlässt diese Frage der Regelung durch die Mitgliedstaaten (EuGH vom 16. 12. 1997, C 104/96, Rabobank gegen Minderhoud; Koppensteiner/Rüffler aaO § 20 Rz 25 mwN).

Dass sich die Befugnis des Außerstreitgerichts zur Bestellung eines Kurators in einem anhängigen Verfahren nur auf das konkret anhängige Verfahren bezieht, ergibt sich nicht nur aus den schon vom Rekursgericht zutreffend zitierten Lehrmeinungen, sondern auch zweifelsfrei aus den Gesetzesmaterialien (abgedruckt bei Fucik/Kloiber , AußStrG 57 f). Demnach erfolgt die Abgrenzung der Frage, ob die notwendige Bestellung eines gesetzlichen Vertreters innerhalb des konkreten Außerstreitverfahrens oder in einem gesonderten Verfahren von dem nach § 109 oder § 112 JN zuständigen Gericht vorzunehmen sei, derart, dass nur die Kollisionskuratel sowie der Zustellkurator im konkreten Verfahren, alle übrigen Kuratoren aber ebenso wie Sachwalter in dem dafür vorgesehenen Pflegschaftsverfahren bestellt werden sollen.

Zutreffend verwies auch bereits das Rekursgericht auf den Wortlaut des § 109 Abs 1 letzter Halbsatz JN, wo ausdrücklich von einer „juristischen Person" und „sonstigen parteifähigen Gebilden" die Rede ist. Dass der Gesetzgeber hierbei die praktisch eindeutig im Vordergrund stehenden, im Firmenbuch (vormals Handelsregister) eingetragenen Rechtsträger nicht bedacht hätte, kann nicht angenommen werden. Für eine analoge Anwendung des § 15a GmbHG iVm § 102 GmbHG fehlt es sohin schon am Vorliegen einer Gesetzeslücke.

Damit erweist sich der angefochtene Beschluss als frei von Rechtsirrtum, sodass dem unbegründeten Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen war.