JudikaturJustiz6Ob27/16p

6Ob27/16p – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. April 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ. Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. S***** MSc, 2. Mag. Dr. E*****, beide *****, vertreten durch Dr. Herbert Gartner und Mag. Daniel Karandi, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. DI M*****, 2. DI I*****, beide *****, vertreten durch Mag. Lothar Korn, Rechtsanwalt in Linz wegen 274.932,70 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 22. Dezember 2015, GZ 16 R 80/15z 137, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionsausführungen zeigen keine erhebliche Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) auf:

1. Wenn das Berufungsgericht im vorliegenden Fall von der Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung abgesehen hat, so ist darin auch unter dem Aspekt des fairen Verfahrens kein grober, vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit wahrzunehmender Ermessensfehler zu erblicken (RIS Justiz RS0126298 [T2]), zumal das Berufungsgericht die Stichhaltigkeit der Beweiswürdigung des Erstgerichts lediglich anhand der Begründung des Erstgerichts überprüfte (6 Ob 63/13b).

2. Unbegründet ist der Vorwurf, das Berufungsgericht habe (im Rahmen der Behandlung der Beweiswürdigungsrüge) die Aussage eines Zeugen verkürzt und damit unrichtig wiedergegeben. Entgegen der Ansicht der Revisionswerber steht die Darstellung der Ergebnisse der Aussage dieses Zeugen durch das Berufungsgericht nicht im Widerspruch zu dem protokollierten Wortlaut der Aussage des Zeugen. Auf Seite 46 des Verhandlungsprotokolls vom 25. 4. 2012 (ON 72) findet sich die behauptete „unmissverständliche Klarstellung“ durch den Zeugen, dass die örtliche Bauaufsicht vom Erstbeklagten ausgeübt wurde, nicht, vielmehr wird auf eine Bauaufsicht für den Generalunternehmer verwiesen.

3. Die Beurteilung von konkludenten Willenserklärungen ist regelmäßig einzelfallbezogen und stellt in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage dar (RIS Justiz RS0109021 [T5], RS0014158 [T8]). Eine erhebliche Rechtsfrage liegt nur vor, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (vgl RIS Justiz RS0042776). Stillschweigen kann nur unter besonderen Umständen als Annahme gesehen werden; eine Verkehrssitte, welche dem Schweigen allgemein die Bedeutung der Zustimmung beilegen würde, besteht weder im bürgerlichen, noch im Handelsrecht (RIS Justiz RS0013991). Für die Schlüssigkeit eines Verhaltens im Hinblick auf einen rechtsgeschäftlichen Willen legt § 863 ABGB einen strengen Maßstab an (RIS Justiz RS0014146).

3.1. Die Revisionswerber leiten einen konkludenten Vertragsabschluss aus der „Tatsache“ ab, dass der Zweitkläger mit E Mail vom 13. 12. 2007 die Letztversion des Ziviltechnikervertrags Beilage ./F an den Erstbeklagten übermittelt und gleichzeitig unmissverständlich erklärt habe, sich diesem Vertragswerk unterwerfen zu wollen, sowie aus dem Umstand, dass die Beklagten in der Folge die Tätigkeiten aufgenommen hätten.

Es trifft schon der Ausgangspunkt dieser Argumentation nicht zu. Der Zweitkläger führte im E Mail vom 13. 12. 2007 (Beilage ./G) aus: „(...) haben wir den Vertragsvorschlag (...) durchgesehen und etwas überarbeitet. Falls er für Dich/Euch in Ordnung ist, könnten wir ihn dann am Samstag unterschreiben“. Die Beklagten haben auch nicht erst nach diesem E Mail Leistungen erbracht, sondern schon vorher, als der Erstbeklagte erfolglos eine „schriftliche Grundlage“ für seine Tätigkeit schaffen wollte. Das Berufungsgericht hat begründet, weshalb die Ausübung der örtlichen Bauaufsicht auch nicht konkludent Vertragsinhalt wurde. Diese Beurteilung ist jedenfalls vertretbar, zumal der Zweitkläger im E-Mail selbst darauf Bezug nahm, dass der von ihm überarbeitete Vertragsentwurf unterschrieben werden sollte. Es überzeugt deshalb die Ansicht der Revisionswerber nicht, dass er nach „Treu und Glauben“ davon ausgehen durfte, hinsichtlich dieses Vertragsentwurfs bestehe „Einigung“.

3.2. Aus der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 1 Ob 58/98f ist für den Standpunkt der Revisionswerber nichts zu gewinnen. In dem dieser Entscheidung zugrundeliegenden Fall war die Frage zu prüfen, ob die Parteien auch nach dem strengen Maßstab des § 863 Abs 1 ABGB vom zweiten Bauzeitplan abgegangen sind. Es war dort „allen Beteiligten klar“, dass die in diesem Zeitplan vereinbarten Ausführungsfristen jedenfalls auch wegen der nicht unerheblichen Leistungsänderungen und verzögerten Materialentscheidungen der Werkbesteller nicht eingehalten werden konnten und dass deshalb keine verbindliche Ausführungsfrist für das Gesamtbauwerk gegeben war. Im vorliegenden Fall war aber nach den Feststellungen der Vorinstanzen nicht „allen Beteiligten alles klar“.

4. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen konnten die Kläger auch eine Vereinbarung, mit der sich die Beklagten zu einer Detailplanung verpflichtet hätten, nicht nachweisen.

Rechtssätze
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