JudikaturJustiz6Ob254/05d

6Ob254/05d – OGH Entscheidung

Entscheidung
01. Dezember 2005

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Firmenbuchsache der zu FN ***** eingetragenen S***** AG ***** über den Revisionsrekurs des Vorstandsvorsitzenden Dr. Horst P*****, und des Vorstandsmitglieds Dr. Wolfgang B*****, beide vertreten durch Dr. Martin Piaty, Mag. Michael Müller-Mezin und Dr. Stefan Schoeller, Rechtsanwälte in Graz, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 25. August 2005, GZ 4 R 116/05v-9, womit der Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 1. Juni 2005, GZ 27 Fr 1395/05x-5, in Ansehung der Verhängung von Zwangsstrafen bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die im Firmenbuch des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz zu FN ***** eingetragene S***** AG (im Folgenden AG) ist ein Tochterunternehmen der zu FN ***** unter dem Namen „K***** Verein Privatstiftung" eingetragenen Privatstiftung (in der Folge Stiftung). Sie ist ihrerseits Konzernmutter einer Reihe von Tochterunternehmen. Mit Beschluss vom 14. 9. 2004, 27 Fr 10140/04y-1, forderte das Firmenbuchgericht die Vorstandsmitglieder der AG auf, binnen vier Wochen ab Beschlusszustellung die Konzernabschlüsse für sämtliche noch ausstehenden Geschäftsjahre (1997 bis 2003) gemäß § 280 HGB vorzulegen oder darzutun, dass diese Verpflichtung nicht bestehe. Die AG vertrat daraufhin den Standpunkt, die Voraussetzungen des § 245 Abs 1 HGB für die Befreiung von der Erstellung eines eigenen Konzernabschlusses seien erfüllt. Sie gehöre dem Vollkonsolidierungskreis der Stiftung an, diese habe den Konzernabschluss verpflichtend nach § 18 PSG aufzustellen. Die Konzernabschlüsse für die geforderten Geschäftsjahre seien auch erstellt und unter Berücksichtigung des § 269 Abs 2 HGB vom Stiftungsprüfer geprüft worden. Eine Offenlegung habe nicht zu erfolgen, weil § 18 PSG einen Verweis auf §§ 277 ff HGB nicht enthalte. Die Offenlegung von Konzernabschlüssen, in die das Tochterunternehmen einbezogen sei, sei keine Voraussetzung für die Befreiungswirkung des § 245 HGB. Weder der Aufsichtsrat noch eine qualifizierte Mehrheit der Gesellschafter hätten die Aufstellung eines Teilkonzernabschlusses verlangt.

Das Firmenbuchgericht forderte daraufhin die Vorstandsmitglieder der AG unter Androhung einer Zwangsstrafe von je 720 EUR auf, innerhalb von acht Wochen für die Geschäftsjahre zum 31. 12. 1997 bis 31. 12. 2003 entweder gemäß § 280 Abs 1 HGB die Konzernabschlüsse mit dem Bestätigungsvermerk oder dem Vermerk über dessen Versagung oder Einschränkung und die Konzernlageberichte beim Firmenbuch zur Offenlegung einzureichen oder gemäß § 280 Abs 2 HGB die Konzernabschlüsse und Konzernlageberichte der Stiftung mit dem Bestätigungsvermerk oder dem Vermerk über dessen Versagung oder Einschränkung beim Firmenbuchgericht zu hinterlegen oder darzutun, dass diese Verpflichtung nicht bestehe.

Die AG verwies auf ihren Rechtsstandpunkt und teilte ergänzend mit, nach § 246 Abs 2 HGB sei die Verpflichtung zur Erstellung eines Konzernabschlusses erstmals für das Geschäftsjahr zum 31. 12. 1999 entstanden, weil die Größenmerkmale des § 246 Abs 1 HGB an zwei Abschlussstichtagen zuvor überschritten worden seien. Für 1987 und 1988 sei daher ein Konzernabschluss jedenfalls nicht zu erstellen gewesen.

Das Erstgericht verhängte daraufhin über die beiden Vorstandsmitglieder der AG Zwangsstrafen von je 720 EUR wegen Nichtvorlage der Jahresabschlüsse für die Geschäftsjahre 1999 bis 2003 und forderte sie auf, binnen zwei Monaten diese Konzernabschlüsse mit dem Bestätigungsvermerk oder dem Vermerk über dessen Versagung oder Einschränkung und die Konzernlageberichte gemäß § 280 Abs 1 HGB zur Offenlegung beim Firmenbuchgericht einzureichen oder gemäß § 280 Abs 2 HGB die Konzernabschlüsse und Konzernlageberichte der Stiftung mit dem Bestätigungsvermerk oder dem Vermerk über dessen Versagung oder Einschränkung beim Firmenbuchgericht zu hinterlegen, widrigens eine weitere Zwangsstrafe von je 1.450 EUR verhängt und der Beschluss über die Zwangsstrafenverhängung veröffentlicht werde. Unter den Voraussetzungen des § 244 HGB habe grundsätzlich jedes Mutterunternehmen einen Konzernabschluss und einen Konzernlagebericht aufzustellen und zwar auch dann, wenn es selbst Tochter eines Mutterunternehmens sei und in dessen Konzernabschluss und -lagebericht einbezogen werde. Die Befreiungswirkung eines von einer Privatstiftung als Muttergesellschaft nach § 18 PSG erstellten Konzernabschlusses setze bei richtlinienkonformer Auslegung des § 245 HGB eine entsprechende Offenlegung nach § 280 HGB voraus. Der Konzernabschluss der Privatstiftung erfülle diese Voraussetzungen nicht. Zur Befolgung der die AG treffenden Offenlegungsvorschriften seien ihre Vorstandsmitglieder durch Zwangsstrafen anzuhalten. Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vorstands der AG nicht Folge; den gegen die Androhung einer weiteren Zwangsstrafe von je 1.450 EUR gerichteten Rekurs wies es (rechtskräftig) zurück. Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs hinsichtlich seines bestätigenden Beschlusses zulässig sei, weil zur Frage der Befreiungswirkung nicht offengelegter Konzernabschlüsse Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehle. Im Übrigen sei der Revisionsrekurs nicht zulässig. Die zur Konzernrechnungslegung aufgeforderte AG sei Tochterunternehmen einer Stiftung und zugleich Mutterunternehmen im Sinn des § 244 HGB von unter ihrer einheitlichen Leitung stehenden (Tochter)unternehmen. Ihre gesetzlichen Vertreter seien nach § 244 Abs 1 HGB verpflichtet, einen Konzernabschluss und einen Konzernlagebericht aufzustellen und (gemäß §§ 277 ff HGB, insbesondere § 280 HGB) offenzulegen. Die AG nehme den Befreiungstatbestand des § 245 HGB in Anspruch, weil sie als Tochterunternehmen in den Konzernabschluss und Konzernlagebericht einer inländischen Privatstiftung einbezogen werde und Konzernabschluss und -lagebericht nach den für die Privatstiftung geltenden Bestimmungen aufgestellt und geprüft worden seien. Weder der Aufsichtsrat noch die in § 245 Abs 1 HGB bezeichnete Minderheit hätten einen Antrag auf Erstellung eines Teilkonzernabschlusses gestellt. Entscheidend sei daher, ob sich die AG zufolge ihrer Eigenschaft als Tochterunternehmen einer Privatstiftung auf die Befreiung von der Erstellung und Veröffentlichung eines (Teil)konzernabschlusses berufen könne, wenn der sie einbeziehende Konzernabschluss und Konzernlagebericht - wie im Privatstiftungsgesetz vorgesehen - zwar aufgestellt und durch Stiftungsprüfer geprüft, nicht aber offengelegt worden sei. Diese Frage werde im Schrifttum kontroversiell beurteilt. Das Rekursgericht folge der von einem Teil des Schrifttums vertretenen Auffassung, wonach die Befreiungswirkung nur jenen Konzernabschlüssen zukomme, die - anders als jene nach dem Privatstiftungsgesetz - auch offengelegt worden seien. Die in § 244 HGB festgelegte Pflicht müsse richtlinienkonform auch im Licht der Offenlegungsverpflichtung der §§ 277 ff HGB gesehen werden. § 245 HGB sei insoweit unvollständig und bedürfe - gemessen an seiner Absicht und Teleologie - einer Ergänzung. Die fehlende Offenlegung von Konzernabschluss und Konzernlagebericht der Privatstiftung lasse die Befreiungswirkung des § 245 HGB für ihre Tochtergesellschaft nicht zu. Die AG hätte daher selbst einen Teilkonzernabschluss erstellen und offenlegen müssen. Mangels Befolgung seiner entsprechenden Aufforderung habe das Firmenbuchgericht zu Recht eine Beugestrafe über die Vorstandsmitglieder der AG verhängt. Die Beugestrafe verstoße auch nicht gegen Art 7 EMRK. Sie sei im Hinblick auf die in der 4. Richtlinie 78/660/EWG (Bilanzrichtlinie) den Staaten auferlegte Verpflichtung, geeignete Maßnahmen für den Fall anzudrohen, dass die geforderte Offenlegung unterblieben sei, zulässig, weil sie angemessen und vorhersehbar sei. Sie sei Folge der Missachtung des gerichtlichen Auftrags, nach § 280 Abs 1 HGB die Konzernabschlüsse und Konzernlageberichte (der AG) zur Offenlegung beim Firmenbuch einzureichen. Der unter Androhung der Erhöhung der Zwangsstrafe formulierte weitergehende Auftrag greife noch nicht in die Rechtsposition der Rechtsmittelwerber ein. Insoweit sei ihr Rechtsmittel daher zurückzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Vorstandsmitglieder der AG ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Rechtsmittelwerber machen geltend, eine Regelungslücke im Sinn einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes liege gemessen an seiner Absicht und Teleologie nicht vor. Der Gesetzgeber habe die Befreiungsvoraussetzungen in § 245 HGB (die Einbeziehung des Tochterunternehmens in Konzernabschluss und Lagebericht der Mutter, deren Erstellung und Prüfung nach den österreichischen Vorschriften und die mangelnde Antragstellung des Aufsichtsrats oder einer qualifizierten Mehrheit) taxativ aufgezählt. Die Privatstiftung sei zur Offenlegung nicht verpflichtet, weil die Offenlegungsbestimmungen der §§ 277 ff HGB mangels Erwähnung in der taxativen Aufzählung der §§ 18 und 21 PSG auf Privatstiftungen nicht anzuwenden seien. Die gesetzliche Regelung sei eindeutig. Die Rechnungslegungsvorschriften seien seit Inkrafttreten des Privatstiftungsgesetzes mehrfach geändert worden, ohne dass der Gesetzgeber die befreiende Wirkung des § 245 Abs 1 HGB auf Fälle eingeschränkt hätte, in denen die Abschlüsse der Konzernspitze offengelegt werden. Das Rekursgericht nehme in Wahrheit eine Korrektur des Gesetzgebers vor, dessen eindeutige Regelung ihm unbefriedigend erscheine. Der Hinweis auf die

7. Richtlinie (Konzernabschlussrichtlinie) wie auch auf die Publizitätsrichtlinie sei nicht geeignet, den Standpunkt des Rekursgerichts zu unterstützen, weil der Richtliniengeber den Begriff „Offenlegung" anders als der nationale Gesetzgeber verstehe. Offenlegung im Sinn der Richtlinie sei nämlich auch die Hinterlegung bei der Gesellschaft selbst und das bloße Ermöglichen der Einsichtnahme.

Der Senat hat erwogen:

Dass die AG als Konzernmutter ihrerseits dem Anwendungsbereich des § 244 HGB unterliegt und - sollte die Befreiungsbestimmung des § 245 HGB nicht greifen - verpflichtet ist, einen Teilkonzernabschluss und -lagebericht aufzustellen, durch Abschlussprüfer prüfen zu lassen und nach § 280 HGB entsprechend offenzulegen, stellen die Rechtsmittelwerber nicht in Abrede. Sie berufen sich vielmehr auf § 245 HGB und machen geltend, nach dieser Bestimmung sei die AG von der Aufstellung (und damit auch von der Prüfung und Offenlegung) eines Teilkonzernabschlusses befreit. Sie werde als Tochterunternehmen einer inländischen Privatstiftung in deren ordnungsgemäß nach den Bestimmungen des PSG aufgestellten und geprüften Konzernabschluss einbezogen. Eine Offenlegung des Konzernabschlusses und Konzernlageberichts sehe das PSG nicht vor. Weder der Aufsichtsrat noch eine qualifizierte Mehrheit hätten die Aufstellung eines Teilkonzernabschlusses verlangt.

Der Oberste Gerichtshof hat sich mit der Frage, ob einem nach § 18 PSG aufgestellten und dementsprechend nicht offengelegten Konzernabschluss und Konzernlagebericht einer Privatstiftung Befreiungswirkung im Sinn des § 245 HGB zukommt, noch nicht beschäftigt. Diese Frage wird im Schrifttum kontroversiell beurteilt:

Vetter (Privatstiftung und befreiender Konzernabschluss, ecolex 1998, 141) vertritt die Auffassung, die Verpflichtung, den Konzernabschluss der Muttergesellschaft als Voraussetzung seiner Befreiungswirkung offenzulegen, sei weder aus § 245 Abs 1 HGB noch aus anderen Bestimmungen des HGB abzuleiten. Eine planwidrige Gesetzeslücke, die durch Annahme einer ungeschriebenen Offenlegungspflicht für Konzernabschlüsse von Privatstiftungen zu schließen wäre, sei nicht anzunehmen. Eine teleologische Reduktion des § 245 Abs 1 HGB auf offen gelegte Konzernabschlüsse von Privatstiftungen sei mangels eindeutig bestimmbarer Absicht des Gesetzgebers nicht angezeigt. Es sei daher - wenngleich dies rechtspolitisch unbefriedigend sein möge - vom Wortlaut der Bestimmung auszugehen.

Demgegenüber meint Chr. Nowotny (in Straube HGB II²/RLG vor § 244 Rz 1 und § 244 Rz 1), § 245 HGB sei richtlinienkonform im Sinn des Art 8 iVm § 7 Abs 2 Konzern-Richtlinie auszulegen. Demnach komme dem Konzernabschluss und -lagebericht einer Stiftung befreiende Wirkung im Sinn des § 245 Abs 1 HGB nur dann zu, wenn auch eine Offenlegung entsprechend § 280 HGB erfolgt sei.

Diese Auffassung vertritt auch J. Zehetner (in Straube HGB II²/RLG § 280 Rz 18), der meint, die Befreiungswirkung sei nur jenen Konzernabschlüssen zuzuerkennen, die auch offengelegt worden seien. Dass der Gesetzgeber die Offenlegung des Konzernabschlusses in § 245 HGB nicht ausdrücklich als Befreiungsvoraussetzung angeführt habe, sei verständlich, weil grundsätzlich ohnehin jeder zu erstellende Konzernabschluss auch offenzulegen sei. Den Fall, dass durch eine entsprechende Konzernstrukturierung mit einer Privatstiftung als Konzernspitze die Offenlegung von Konzernunterlagen gänzlich vermieden werden könnte, habe der Gesetzgeber offenbar nicht bedacht. Gemessen an der Regelungsabsicht des Gesetzgebers sei die Befreiungsregelung daher unvollständig. Der Regelungszweck in Verbindung mit dem Gleichheitsgrundsatz erfordere die Ausfüllung dieser Lücke unter Beachtung der Regelungsabsicht und des Zwecks der Offenlegungsbestimmungen. Es biete sich eine teleologische Reduktion des § 245 auf jene Abschlüsse an, die auch offengelegt wurden. Auch E. Gruber (in Doralt/Nowotny/Kalss, Privatstiftungsgesetz § 18 Rz 24) verlangt eine entsprechende Offenlegung des Konzernabschlusses einer Privatstiftung als Voraussetzung seiner Befreiungswirkung im Sinn des § 245, weil sonst diese Vorschrift zur Umgehung der Offenlegungsvorschriften der §§ 280 ff missbraucht werden könnte. Gelter (Rechnungslegung und Stiftungsprüfer, in: Doralt/Kalss, Aktuelle Fragen des Privatstiftungsrechts, 249) weist darauf hin, dass die fehlende Offenlegung des Konzernabschlusses einer Privatstiftung als Konzernmutter dazu führte, dass auch die der Konzernrechnungslegung nach HGB unterliegenden Teilkonzerne und Konzernunternehmen in keinem offengelegten Konzernabschluss aufschienen. § 245 HGB sei daher in einem systematischen Zusammenhang mit § 280 Abs 2 HGB zu sehen, der für befreiende ausländische Konzernabschlüsse eine Offenlegungspflicht in Österreich normiere. Dies zeige, dass der Gesetzgeber des RLG davon ausgegangen sei, dass jedes von einer verpflichtenden Konzernrechnungslegung erfasste österreichische Unternehmen auch in einem in Österreich offengelegten Konzernabschluss aufscheinen müsse, woran auch das nachfolgende PSG nichts hätte ändern sollen. Auch eine richtlinienkonforme Interpretation des § 245 Abs 1 HGB spreche dafür, weil Art 7 Abs 2 lit b) bb) der 7. EG-Richtlinie die Offenlegung als Voraussetzung der Berfreiungswirkung verlange. In teleologischer Reduktion des § 245 Abs 1 HGB sei die Befreiungswirkung daher auf jene Konzernabschlüsse von Privatstiftungen zu beschränken, die auch tatsächlich offengelegt würden.

Auch Filnkößl (Rechnungslegung und Prüfung der Privatstiftung, in:

Rechnungslegung, Prüfung und Beratung, Festschrift aus Anlass des 50-Jahr-Jubiläums der KPMG Alpen-Treuhand, 49) sieht insofern eine Regelungslücke, als der Konzernabschluss der Privatstiftung keiner Publizitätsverpflichtung unterliegt; sie sei durch den Gesetzgeber zu schließen.

Der Senat schließt sich aus nachstehenden Überlegungen der im Schrifttum vertretenen Auffassung an, wonach die Befreiungswirkung des § 245 Abs 1 HGB nur jene Konzernabschlüsse und Konzernlageberichte einer Privatstiftung erfasst, die auch tatsächlich offengelegt wurden:

§ 245 HGB geht auf das Rechnungslegungsgesetz BGBl 1990/475 zurück. Das RLG konzentrierte die in einer Reihe von Gesetzen verstreute Bestimmungen über die kaufmännische Rechnungslegung im 3. Buch des HGB (H. Torggler/U. Torggler in Straube HGB II²/RLG vor § 189 Rz 9), dessen dritter Abschnitt sich mit dem Konzernabschluss und Konzernlagebericht befasst. Nach den Materialien zum RLG (RV 1270 BlgNR 17. GP 45) sind bei Interpretation der neuen Bestimmungen die Vorbilder der EG-Richtlinien (so insbesondere die 7. Richtlinie 83/349/EWG über den konsolidierten Abschluss) und das in Umsetzung der EG-Richtlinien 1986 in Deutschland in Kraft getretenen Bilanzrichtliniengesetz (es setzte die EG-Richtlinien im deutschen HGB um) zu beachten. Im Schrifttum ist anerkannt, dass bei Auslegung der neuen Bestimmungen auf ihre Übereinstimmung mit den Vorgaben der Richtlinien zu achten und bei Widersprüchen nach Möglichkeit im Wege einer richtlinienkonformen Interpretation vorzugehen ist (H. Torggler/U. Torggler aaO vor § 189 Rz 3b mwN).

Nach den Erwägungsgründen der 7. Richtlinie stellt die vorgesehene Koordinierung im Bereich des konsolidierten Abschlusses auf den Schutz der gegenüber Kapitalgesellschaften bestehenden Interessen ab. In Fällen, in denen ein Tochterunternehmen selbst Mutterunternehmen sei, sei es weiterhin im Interesse einer vollständigen Information erforderlich, einen konsolidierten Abschluss aufzustellen. Die Befreiung eines Mutterunternehmens von der Pflicht, den konsolidierten Teilabschluss aufzustellen, sei aber in bestimmten Fällen möglich, und zwar dann, wenn Gesellschafter und Dritte hinreichend geschützt seien. Nach Art 7 der 7. Richtlinie setzt die Befreiung eines Mutterunternehmens, das zugleich Tochterunternehmen ist, unter anderem auch die Offenlegung des konsolidierten Abschlusses (ihres Mutterunternehmens) voraus. Er muss entsprechend Art 3 der 1. Richtlinie 68/151/EWG des Rates bei dem für die Gesellschaft zuständigen Handels- oder Gesellschaftsregister hinterlegt oder in das Register eingetragen und vollständig oder auszugsweise oder in Form eines Hinweises auf die Hinterlegung des Dokuments bekanntgemacht werden.

Die in den Richtlinien vorgesehene Offenlegung von Konzernabschluss und Konzernlagebericht wurde in § 280 HGB in der Fassung des Rechnungslegungsgesetzes umgesetzt. Zum Zeitpunkt seines Inkrafttretens war die Privatstiftung als Rechtsträger noch nicht existent. Sie wurde erst mit dem Bundesgesetz BGBl 1993/694 geschaffen. Der Gesetzgeber des Rechnungslegungsgesetzes konnte daher noch nicht voraussehen, dass ein künftiger Rechtsträger - anders als die bisher bekannten - als Konzernmutter auftreten könnte, ohne verpflichtet zu sein, die aufgestellten und geprüften Konzernabschlüsse offenzulegen. Er konnte diesen Fall daher bei der Formulierung des § 245 HGB nicht bedenken. Er hat daher auch von der weiteren Möglichkeit des Art 38 Abs 4 der 7. Richtlinie, anstelle der Verpflichtung zur Offenlegung im Sinn des Art 3 der Richtlinie 68/151/EWG die Bereithaltung der Unterlagen am Sitz der Muttergesellschaft vorzusehen, nicht Gebrauch gemacht. Im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Rechnungslegungsgesetzes war für den Gesetzgeber kein Rechtsträger denkbar, der als Konzernmutter zur Konzernrechnungslegung verpflichtet sein könnte, von den Offenlegungsbestimmungen aber befreit wäre. Der Gesetzgeber des Rechnungslegungsgesetzes ging daher ganz offensichtlich davon aus, dass jeder (verpflichtend) aufgestellte Konzernabschluss auch im Sinn des § 280 HGB offenzulegen ist (J. Zehetner aaO § 280 Rz 12 ff; Nowotny aaO § 244 Rz 1). Dies entspricht auch der in Deutschland in Umsetzung der 7. Richtlinie geschaffenen Regelung: § 291d HGB setzt ausdrücklich eine Offenlegung des befreienden Konzernabschlusses voraus. Dass sich der österreichische Gesetzgeber an der 7. Richtlinie und deren Umsetzung in Deutschland orientierte, ergibt sich deutlich aus dem Verweis der Materialien zum Rechnungslegungsgesetz (RV 1270 BlgNR 17. GP 61 f). Auch in weiterer Folge ergab sich für den Gesetzgeber kein zwingender Anlass, die Offenlegung des Konzernabschlusses und -lageberichts einer Privatstiftung als Konzernmutter als Voraussetzung der Befreiung ihrer Tochter nach § 245 HGB aufzugreifen. Das GesRÄG 1993 (BGBl 1993/458) erging noch vor dem Privatstiftungsgesetz und nahm Änderungen des HGB nur aus Anlass der zugleich durch das Spaltungsgesetz ermöglichten Umgründungsmaßnahmen vor. Die Bestimmungen über den Konzernabschluss wurden dabei nicht geändert. Die Errichtung einer Privatstiftung wurde - wie bereits gesagt - erst durch das PSG BGBl 1993/694 möglich. Die Rechnungslegung der Privatstiftung findet sich im § 18 PSG, der die sinngemäße Anwendung der §§ 244 bis 267 HGB über den Konzernabschluss und den Konzernlagebericht anordnet. Auf § 268 über die Abschlussprüfung und auf §§ 277 ff über die Offenlegung verweist er nicht. Daraus leiten die Rechtsmittelwerber ab, dass die Privatstiftung keinesfalls verpflichtet sei, einen allfälligen Konzernabschluss im Sinn des § 280 HGB offenzulegen. Sie meinen, dies entspreche auch dem Willen des Gesetzgebers, weil es ihm schon mehrmals offengestanden wäre, § 245 HGB entsprechend zu ändern.

Dass der Gesetzgeber bei der Formulierung des § 18 PSG zugleich auch § 245 HGB bedacht hat und ganz bewusst eine Konzerngesellschaft von der Aufstellung eines Teilkonzernabschlusses und -lageberichts auch dann befreien wollte, wenn die Konzernmutter als Privatstiftung ihren Konzernabschluss nicht offenlegt, ist auszuschließen. Diese Annahme würde dem durch das System der Konzernrechnungslegung verfolgten Zweck - Wahrung von Interessen Dritter - zuwiderlaufen. Sie führte dazu, dass die Offenlegung sowohl bei der Privatstiftung (weil in § 18 PSG nicht ausdrücklich vorgesehen), als auch bei ihren Konzerntöchtern (weil diese nach § 245 HGB befreit sind) unterbliebe. Teilkonzerne und Konzernunternehmen würden dadurch - obwohl sie grundsätzlich der Konzernrechnungslegung des HGB unterliegen - in keinem offengelegten Konzernabschluss aufscheinen (Gelter aaO 253). Ein derart unbefriedigendes Ergebnis kann dem Gesetzgeber nicht zugesonnen werden. Es ist daher anzunehmen, dass er bei Erlassung des Privatstiftungsgesetzes - wie auch noch in der Folge - diese Problematik übersehen hat. Für ein Übersehen spricht auch, dass sich die Befreiungsbestimmung im HGB findet, das im Zusammenhang mit dem Privatstiftungsgesetz auch sonst nicht geändert wurde. Durch dieses Versehen des Gesetzgebers erhielt § 245 HGB seinem Wortlaut nach einen - vom Willen des Gesetzgebers nicht mehr gedeckten - zu weiten Anwendungsbereich. Der Umstand, dass der Gesetzgeber bis zum heutigen Tag keine entsprechende Einschränkung des Anwendungsbereichs von § 245 HGB vorgenommen hat, spricht entgegen der Auffassung der Rechtsmittelwerber nicht gegen eine Gesetzeslücke. Die nachfolgenden Novellen des HGB berührten weder Fragen der Offenlegung des Konzernabschlusses in Bezug auf Privatstiftungen noch den Umfang der Befreiung von der Konzernrechnungslegung durch § 245 Abs 1 HGB. Das ReLÄG 2004, BGBl 2004/161, fügte dem § 245 HGB zwar einen Abs 5 als Ausnahme von der Befreiungsbestimmung des Abs 1 hinzu. Ein Anlass, sich mit der Offenlegungspflicht der Privatstiftung als Konzernmutter zu beschäftigen, bestand aber auch damals nicht. Im Übrigen wirkten sich die im HGB geänderten Rechnungslegungsbestimmungen für den Bereich der Privatstiftung stets nur indirekt aus, weil § 18 PSG auf diese Bestimmungen verweist. Ihre Änderung gab dem Gesetzgeber aber nie unmittelbar Anlass für Überlegungen zur Offenlegung des Konzernabschlusses einer Privatstiftung als Konzernmutter. Der Senat folgt der im Schrifttum vertretenen Auffassung, wonach die zu weite Fassung des § 245 HGB durch teleologische Reduktion seines Anwendungsbereichs zu schließen ist (J. Zehenter aaO § 280 Rn 18; Gelter aaO 249; Nowotny aaO § 244 Rz 1). Die teleologische Reduktion verschafft der „ratio legis" gegen einen überschießend weiten Gesetzeswortlaut Durchsetzung. Die (verdeckte) Lücke besteht hier im Fehlen einer nach der „ratio legis" notwendigen Ausnahmeregel. Auch eine taxative Aufzählung schließt das Vorliegen einer unechten Lücke nicht aus (RIS-Justiz RS0008839). Vorausgesetzt ist stets der Nachweis, dass eine abstrakt umschriebene Fallgruppe von den Grundwertungen oder Zwecken des Gesetzes entgegen seinem Wortlaut gar nicht getroffen wird und dass sie sich von den „eigentlich gemeinten" Fallgruppen soweit unterscheidet, dass die Gleichbehandlung sachlich ungerechtfertigt und willkürlich wäre (Bydlinski in Rummel ABGB³ § 7 Rz 7). Die teleologische Reduktion erfordert den klaren Nachweis des Gesetzeszwecks, an dem sich die (dem Gesetzeswortlaut letztlich) korrigierende Auslegung orientieren soll (Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff² 480; SZ 69/181; 6 Ob 243/01f; RIS-Justiz RS0008979 und RS0106113).

Zweck des § 245 HGB ist es, eine Konzerngesellschaft als Mutterunternehmen von der Pflicht, einen Teilkonzernabschluss aufzustellen, nur dann zu befreien, wenn Gesellschafter und Dritte durch den konsolidierten Konzernabschluss ihrer Muttergesellschaft hinreichend geschützt sind (siehe Erwägungen der 7. Richtlinie). Ist ein derartig hinreichender Schutz nicht gewährleistet, soll die Ausnahmeregel nicht Platz greifen. Dies ist etwa dann der Fall, wenn eine Offenlegung des Konzernabschlusses und -lageberichts der Muttergesellschaft (Konzernspitze) etwa deshalb unterbleibt, weil die Konzernmutter als Privatstiftung nicht zur Offenlegung verpflichtet ist. Wollte man die Befreiungswirkung des § 245 auch auf diesen Fall erstrecken, so würde dies dazu führen, dass Konzernunternehmen, die grundsätzlich der Konzernrechnungslegung des HGB unterliegen, in keinem offen gelegten Konzernabschluss aufscheinen. Die Offenlegung bei der Konzernmutter Privatstiftung wäre unterblieben, weil § 18 PSG nicht auf § 280 HGB verweist, jene der Tochtergesellschaft deshalb, weil sie sich auf die Befreiung nach § 245 HGB berufen könnte. Dieses Ergebnis steht weder mit dem Zweck des Befreiungstatbestands noch mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung im Einklang. Die Konzernrechnungslegung dient nämlich vorrangig der Information von Interessenten wie etwa außenstehenden Gesellschaftern von Tochtergesellschaften oder Gläubigern, Lieferanten und Abnehmern konzernverbundener Unternehmen (vgl Münchener Kommentar zum HGB, vor § 290 Rz 23). Ihren Schutzbedürfnissen wird nicht allein durch die Aufstellung des Konzernabschlusses und -lageberichts und dessen Prüfung Rechnung getragen, sondern vor allem auch durch die im Wege der Offenlegung erlangbare Information.

§ 245 HGB führt einzelne Voraussetzungen an, die zum Schutz Dritter vorliegen müssen, um die Interessen trotz Nichterstellung eines Teilkonkzernabschlusses zu wahren. Dass der Gesetzgeber des Rechnungslegungsgesetzes in dieser Aufzählung die Offenlegung des Konzernabschlusses und -lageberichts nicht ausdrücklich angeführt hat, obwohl er nachvollziehbar davon ausging, dass jeder aufzustellende Konzernabschluss auch offengelegt werden müsse, führte zu einer verdeckten Gesetzeslücke, die unter Berücksichtigung des Zwecks der Regelung dadurch geschlossen werden kann, dass nur jenen Konzernabschlüssen und -lageberichten Befreiungswirkung nach § 245 HGB zukommt, die auch tatsächlich offengelegt wurden. Erfolgte - wie im vorliegenden Fall - keine Offenlegung des Konzernabschlusses und -lageberichts der Konzernmutter, kann sich ihre Tochter, die zugleich als Mutterunternehmen zur Konzernrechnungslegung nach HGB verpflichtet ist, nicht auf die Befreiungsbestimmung des § 245 Abs 1 HGB berufen. Sie hat einen Konzernabschluss und Konzernlagebericht aufzustellen und entsprechend § 280 Abs 1 HGB offenzulegen. Die Vorstandsmitglieder der AG sind dieser Verpflichtung trotz Aufforderung durch das Firmenbuchgericht und Androhung einer Zwangsstrafe nicht nachgekommen.

Die Rechtsmittelwerber machen noch geltend, die auferlegte Zwangsstrafe widerspreche Art 7 EMRK, weil niemand wegen einer Handlung oder Unterlassung verurteilt (bestraft) werden dürfe, die zur Zeit ihrer Begehung nach inländischem Recht nicht strafbar gewesen sei. Die Rechtspflicht, wegen deren Verletzung die Sanktion verhängt worden sei, sei nicht hinreichend bestimmt und die verhängte Strafe nicht angemessen vorhersehbar gewesen.

Ein Verstoß gegen Art 7 EMRK liegt schon deshalb nicht vor, weil ein neuer Straftatbestand nicht geschaffen wurde. Die AG ist aufgrund ihrer Eigenschaft als Muttergesellschaft einer Reihe von Konzernunternehmen zur Konzernrechnungslegung nach HGB verpflichtet. Die Zwangsstrafe wurde deshalb verhängt, weil die Vorstandsmitglieder dieser - nach den Umständen auch hinreichend bestimmten - Verpflichtung nicht nachgekommen sind.

Dass das PSG eine entsprechende Strafandrohung nicht enthält, ist ohne Bedeutung, weil es hier nicht um die Erzwingung des Konzernabschlusses der Konzernmutter Privatstiftung geht, sondern um die Frage, ob ihre Tochter (AG) - mangels Anwendbarkeit des § 245 HGB - einen entsprechenden Abschluss aufzustellen und offenzulegen hat.

Rechtssätze
5