JudikaturJustiz6Ob244/73

6Ob244/73 – OGH Entscheidung

Entscheidung
06. Dezember 1973

Kopf

SZ 46/119

Spruch

Die Vermutung nach § 163 Abs. 1 ABGB kann auch durch den Beweis der relativen Unwahrscheinlichkeit der Vaterschaft - weniger als 50% - entkräftet werden. Dieser Beweis kann in der Regel auch durch ein erbbiologisch-anthropologisches Gutachten geführt werden, selbst wenn das klagende Kind noch nicht drei Jahre alt ist; maßgebend ist der Schluß der Verhandlung zweiter Instanz

OGH 6. Dezember 1973, 6 Ob 244/73 (LG Eisenstadt R 132/73, BG Oberwart C 390/71)

Text

Das klagende Kind wurde am 10. Mai 1971 von Christine W unehelich geboren. Es hatte bei der Geburt eine Körperlänge von 50 cm und ein Gewicht von 3650 g. Die gesetzliche Empfängniszeit des § 163 ABGB (alter und neuer Fassung) liegt in der Zeit zwischen dem 12. Juli und dem 11. November 1970.

Mit den am 12. Juli 1971 gegen Mario W und am 27. Oktober 1971 gegen den im Rechtsmittelverfahren nunmehr alleinigen Beklagten Rudolf K erhobenen Klagen begehrte die klagende Partei jeweils das Urteil, daß der Beklagte als Vater des klagenden Kindes festgestellt werde; vom Beklagten Rudolf K wurde die Bezahlung eines monatlichen Unterhaltsbetrages von 720 S beansprucht. Die beiden Rechtsstreite wurden zur gemeinsamen Verhandlung verbunden (Art. V Z. 1 Satz 1 zweiter Halbsatz UeKindG).

Das Erstgericht gab nach Schluß der Verhanglung am 26. Feber 1973 dem Feststellunsbegehren gegen den Beklagten Rudolf K statt und verurteilte ihn zu einer monatlichen Unterhaltszahlung von 720 S vom 27. Oktober 1971 bis 1. März 1972 und ab 1. Juli 1972 sowie unter rechtskräftiger Abweisung des Mehrbegehrens zur Zahlung eines monatlichen Unterhalts von 370 S für die Zeit vom 1. März bis 1. Juli 1972. Das Klagebegehren gegen Mario W wies das Erstgericht - in eindeutiger Verletzung des Art. V Z. 1 Satz 2 erster Halbsatz UeKindG, wonach das Verfahren gegen ihn zu unterbrechen gewesen wäre - unangefochten ab. Das Erstgericht stellte im wesentlichen fest:

Bei der Mutter habe die letzte vorgeburtliche Menstruationsblutung am 2. August 1970 begonnen. Die Blutungen seien bei ihr nicht regelmäßig, sondern in Intervallen von 25 bis 35 Tagen eingetreten und hätten jeweils fünf bis sechs Tage gedauert. Bis Anfang August 1970 habe die Mutter mit dem Beklagten Rudolf K durch ein Jahr intime Beziehungen unterhalten. Der letzte Geschlechtsverkehr habe in der Nacht vom 6. auf den 7. August 1970 stattgefunden; damals sei die Menstruationsblutung noch nicht beendet, aber nur mehr schwach gewesen. Mit Mario W habe die Mutter erstmals in der Nacht vom 30. auf den 31. August 1970 oder am 5. September 1970 geschlechtlich verkehrt, Anfang Oktober 1970 und am 8. oder 10. Oktober sowohl mit Mario W als auch mit Rudolf K. Nach dem Ergebnis der Blutfaktorenuntersuchung seien weder Rudolf K noch Mario W als Vater des klagenden Kindes auszuschließen; auf Grund der untersuchten brauchbaren Blutmerkmalsysteme liege die Vaterschaftswahrscheinlichkeit bei Rudolf K bei 96.5%, bei Mario W bei 96%. Bei Kindern von der Geburtsgröße des klagenden Kindes liege die Zeugung in der Regel 263 bis 270 Tage zurück. Die Tragzeit könne jedoch bis zu 229 Tagen verkürzt oder bis 299 Tage verlängert sein; die Wahrscheinlichkeit einer noch längeren oder noch kürzeren Tragzeit sei hingegen so gering, daß diese als ausgeschlossen betrachtet werden könne. Die Wahrscheinlichkeit einer Konzeption durch einen Geschlechtsverkehr in der Nacht vom 30. auf den 31. August 1970 oder noch später, also praktisch am Ende der am 2. August 1970 begonnenen Periode, sei äußerst unwahrscheinlich. Der höchstwahrscheinliche Zeugungstermin liege bei einem 25-Tage-Zyklus in der Zeit zwischen 8. und 13. August 1970, für einen 34-Tage-Zyklus zwischen dem 17. und 22. August 1970. Der Zeitraum vom Eisprung bis zum Beginn der Menstruation sei praktisch immer gleich und betrage durchschnittlich 14 Tage; variabel sei hingegen die Zeit vom Beginn der letzten Menstruationsblutung bis zum Eisprung. Eine Zeugung durch einen Geschlechtsverkehr in diesem Zeitabschnitt sei immer wahrscheinlicher als zwischen Eisprung und Beginn der Menstruation. Daß ein Geschlechtsverkehr am Ende einer Menstruationsblutung stattgefunden habe, sei kein Hindernis für eine Befruchtung des Eies. Nicht erweislich sei, daß der Beklagte Rudolf K nach Feststellung, daß die Mutter blute, sofort "Schluß gemacht" habe. Eine Zeugung in der Nacht vom 6. auf den 7. August 1970 sei weitaus wahrscheinlicher als eine Zeugung ab dem 30. August 1970.

Das Berufungsgericht gab nach einer am 20. September 1973 durchgeführten Verhandlung der Berufung des Rudolf K, mit der u. a. die Unterlassung einer erbbiologisch-anthropologischen Untersuchung als Mangel des erstgerichtlichen Verfahrens gerügt worden war, keine Folge. Der erbbiologisch-anthropologische Ähnlichkeitsbeweis zeige erst nach einem bestimmten Alter des zu untersuchenden Kindes brauchbare Ergebnisse. Im allgemeinen werde hiefür die Vollendung des dritten Lebensjahres gefordert, nur ausnahmsweise genüge schon ein Alter von wenigstens zwei Jahren. Das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalles sei im Verfahren nicht zu erkennen; derzeit seien brauchbare Ergebnisse noch nicht zu erwarten. Gleichgültig sei es auch, ob es am 5. August 1970 beim Beklagten Rudolf K zu einem Samenerguß gekommen sei; gehe man vom Geständnis des Berufungswerbers aus, sei es am 5. August 1970 jedenfalls zu einer Berührung der Geschlechtsteile gekommen, weshalb eine Beiwohnung im Sinne des § 163 ABGB vorliege. Auch bei einem unterbrochenen Geschlechtsverkehr liege eine Schwängerung im Bereiche der Möglichkeit. Weder Rudolf K noch Mario W sei der Beweis gelungen, daß sie nicht der Vater des klagenden Kindes sein könnten. Da die höhere Wahrscheinlichkeit für die Vaterschaft des Beklagten spreche, habe das Erstgericht nichtig gegen ihn entschieden.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten Folge, hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Durch das Bundesgesetz über die Neuordnung der Rechtsstellung des unehelichen Kindes vom 30. Oktober 1970, BGBl. 342/1970 (UeKindG), traten wesentliche Änderungen der bisherigen Rechtslage ein. Da das Gesetz am 1. Juli 1971 in Kraft trat und die Klagen gegen Mario W und Rudolf K nach diesem Zeitpunkt erhoben wurden, sind im vorliegenden Verfahren die neuen gesetzlichen Bestimmungen anzuwenden (Art. X § 2 Abs. 1 UeKindG).

Der § 163 ABGB in der neuen Fassung hat, hier noch nicht von den zuvor geltenden Grundsätzen abweichend, den biologischen und nicht etwa einen rechtlichen Vaterbegriff im Auge (Erläuternde Bemerkungen zur Regierungsvorlage des UeKindG, 6 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates, XII. GP, 12). Die Bestimmung des § 163 Abs. 1 ABGB, neue Fassung, hat auch die Vermutung des § 163 ABGB, alte Fassung, daß der Mann, der der Mutter eines unehelichen Kindes innerhalb eines Zeitraumes von nicht mehr als 302 und nicht weniger als 180 Tagen vor der Entbindung beiwohnte, das Kind gezeugt habe, beibehalten. Es kann daher auch die bisherige Rechtsprechung zur Frage, unter welchen Voraussetzungen der Nachweis der Beiwohnung und damit der Möglichkeit der Schwängerung als erbracht gilt, aufrechterhalten werden. Nach dieser Rechtsprechung bedeutet der Begriff "Beiwohnung" eine solche Vereinigung oder doch Berührung der Geschlechtsteile von Mann und Frau, die ein Eindringen des Samens in die Scheide nicht in völlig einwandfreier Weise ausschließt (EvBl. 1955/237 u. a.). Diese Voraussetzung ist insbesondere bereits bei Einführung des männlichen Gliedes in den Scheidenvorhof der Frau als erfüllt anzusehen (EFSlg. 9794). Es kommt nicht darauf an, ob der Geschlechtsakt vor dem Samenerguß unterbrochen wurde, zumal eine sichere Wahrnehmungsfähigkeit auf Seite des Konkubenten nicht gegeben ist (EFSlg. 9794; EvBl. 1952/410 u. a.). Nach den in dieser Richtung auch von Rudolf K nicht bestrittenen Feststellungen der Untergerichte hat der Beklagte Rudolf K zumindest in der bezeichneten Weise innerhalb der gesetzlichen Empfängniszeit der Mutter des klagenden Kindes beigewohnt, so daß die gesetzliche Vaterschaftsvermutung gegen ihn spricht. Ihm obliegt sodann der Beweis zur Entkräftung dieser Vaterschaftsvermutung.

Ein solcher Beweis war auch nach der früheren Rechtslage zulässig er war nur sehr schwer zu erbringen. Der im Vaterschaftsprozeß Beklagte, der innerhalb der gesetzlichen Empfängniszeit der Mutter des klagenden Kindes beigewohnt hatte, mußte nämlich beweisen, daß die Zeugung des klagenden Kindes durch ihn unmöglich war oder in so hohem Grade unwahrscheinlich ist, daß die Annahme der Möglichkeit dem Stande der menschlichen Erfahrungen und Kenntnisse widerspreche (EFSlg. 15.241; SZ 24/181 u. a.); die Beweisergebnisse mußten also eine so geringe Komponente entgegenstehender Möglichkeiten offenlassen, daß diese füglich vernachlässigt werden konnten (EFSlg. 15.241; EvBl. 1961/168; SZ 22/164 u. v. a.). Es wurde angenommen, daß auch ein Zeugungswahrscheinlichkeitsgrad von nur 0.5% oder 0.4% zur Widerlegung der Vaterschaftsvermutung noch nicht hinreiche (RZ 1969, 32; JBl. 1961, 227 u. a.), sondern erst eine solche von nur mehr 0.27% (EFSlg. 15.244; JBl. 1968, 624 u. a.).

Die Voraussetzungen für die Führung des Gegenbeweises gegen die gesetzliche Vaterschaftswermutung wunden durch die neuen Bestimmungen des § 163 Abs. 2 ABGB jedoch grundlegend abgeändert, so daß die bisherige Judikatur nicht mehr maßgeblich sein kann. Nunmehr kann die gesetzliche Vaterschaftsvermutung zunächst durch den Beweis einer solchen Unwahrscheinlichkeit entkräftet werden, die unter Würdigung aller Umstände gegen die Annahme spricht, daß der in Anspruch genommene Mann das Kind gezeugt hat. Durch diese Gesetzesregelung sollte in Bedachtnahme auf den Fortschritt der Naturwissenschaften ein Schritt nach vorne getan, der Gegenbeweis erleichtert und die Feststellung eines unrichtigen Mannes als Vater in den meisten Fällen verhindert werden (EB 6 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates, XII. GP, 13). Der Gesetzgeber wollte mit der erwähnten Bestimmung des § 163 Abs. 2 erster Halbsatz ABGB allein aber doch nicht wesentlich von der bisherigen Rechtslage abweichen. Das im Gesetz gebrauchte Wort "Unwahrscheinlichkeit" ist vielmehr dahin zu verstehen, daß nach den Vorfahrensergebnissen "in der Wesenheit des in Anspruch genommenen Mannes bestimmte, gegenständliche Anhaltspunkte vorhanden" sein müssen, die "seine Erzeugerschaft völlig unglaubhaft" machen, so daß der verbleibende ganz geringe Grad von Wahrscheinlichkeit bei Würdigung aller Umstände vernachlässigt werden muß (so die EB 6 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates, XII. GP, 14). Dem Berufungsgericht kann insoweit beigepflichtet werden, daß die Verfahrensergebnisse zur abschließenden Beurteilung ausreichen, daß dem Beklagten Rudolf K dieser immer noch strenge Gegenbeweis nicht gelungen ist und auch durch eine erbbiologischanthropologische Untersuchung oder andere Beweismittel derzeit nicht gelingen kann. Nach den Ergebnissen der Blutmerkmaleuntersuchung konnte der Beklagte Rudolf K nämlich die Vermutung seiner Vaterschaft nicht nur nicht widerlegen, sondern es wurde die Wahrscheinlichkeit seiner Vaterschaft sogar als sehr hoch (96.5%) bezeichnet. Nach der herrschenden Auffassung der Wissenschaft läßt aber eine vor Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes durchgeführte erbbiologischanthropologische Begutachtung kein solches Ergebnis erwarten, daß allein durch diese der Gegenbeweis als erbringbar angesehen werden könnte (EFSlg. 14.259, 8957, 6472 u. a.).

Auf diese schwierige Beweisführung muß sich der Beklagte Rudolf K im vorliegenden Falle aber nicht einlassen. Nach der weiteren Bestimmung des § 163 Abs. 2 zweiter Halbsatz ABGB konnte er nämlich auch den Beweis antreten, daß seine Vaterschaft unwahrscheinlicher ist als die eines anderen Mannes, für den die Vermutung des § 163 Abs. 1 ABGB gleichfalls gilt. Er mußte hiezu nur Gründe behaupten, die wenigstens abstrakt geeignet sind, diesen Beweis zu erbringen (RZ 1973, 60). Fest steht nun, daß innerhalb der gesetzlichen Empfängniszeit des § 163 Abs. 1 ABGB zumindest auch Mario W der Mutter des klagenden Kindes beiwohnte und von ihr sogar primär als Vater angesehen wurde. Nach den Ergebnissen der Blutmerkmaleuntersuchung kann zudem Mario W ebenfalls mit dem hohen Wahrscheinlichkeitsgrad von 96% der Vater des klagenden Kindes sein. Unter diesen Umständen waren auch ohne weiteres Vorbringen des Beklagten Rudolf K die Voraussetzungen des § 163 Abs. 2 zweiter Halbsatz ABGB zu prüfen. Das Gericht hatte von Amts wegen dafür zu sorgen, daß alle für die Entscheidung wichtigen Tatumstände vollständig aufgeklärt wenden (Art. V Z. 5 Satz 1 UeKindG). Die Untergerichte waren, wenn eine so hohe Wahrscheinlichkeit der Vaterschaft auch für einen anderen bestimmten Mann sprach, verpflichtet, alle nur möglichen Beweismittel zur Klärung der Frage, wer unter den in Betracht kommenden Männern am wahrscheinlichsten der Vater ist, heranzuziehen.

Für die berufungsgerichtliche Beurteilung der Frage, ob auch das Beweismittel der erbbiologisch-anthropologischen Begutachtung in Betracht kam, hatte, da im Vaterschaftsprozeß das Neuerungsverbot des § 482 Abs. 2 ZPO im Berufungsverfahren nicht gilt (Art. V Z. 5 Satz 2 UeKindG), nie im Eheverfahren, im Verfahren über die Bestreitung der ehelichen Geburt (1 Ob 502/56) und im arbeitsgerichtlichen Verfahren (Fasching III, 661) nicht der Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz, sondern der des Schlusses der Verhandlung zweiter Instanz maßgeblich zu sein. Am 20. September 1973, dem Zeitpunkt des Schlusses der Berufungsverhandlung, war das Kind bereits mehr als zwei Jahre und vier Monate alt. Wenn es nun auch richtig ist, daß zur Erbringung des früher nur unter sehr schwierigen Voraussetzungen erbringbaren Gegenbeweises eine erbbiologisch-anthropologische Begutachtung vor Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes kaum zielführend sein konnte, kann dies bei der für den Beklagten wesentlich erleichterten Beweisführungspflicht nach § 163 Abs. 2 zweiter Halbsatz ABGB keineswegs ohne weiteres in gleicher Weise gesagt werden. Kann nämlich der als Vater in Anspruch genommene Mann auf einen oder mehrere Männer verweisen, für die die Vaterschaftsvermutung des § 163 Abs. 1 ABGB gleichfalls gilt, kann der Beklagte die ihn treffende Vermutung auch durch den Beweis der relativen Unwahrscheinlichkeit seiner Vaterschaft entkräften (EB 6 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates, XII. GP, 14); diese Bestimmung stellt damit eine echte Erleichterung des Gegenbeweises, eine "abgeschwächte Einrede des Mehrverkehrs" (Kralik in JBl. 1971, 278), dar. Es genügt die geringere Wahrscheinlichkeit der eigenen Vaterschaft gegenüber der des anderen Mannes, also auch der Beweis, daß die Wahrscheinlichkeit der eigenen Vaterschaft gegenüber der des anderen Mannes weniger als 50% beträgt (siehe zur praktisch nicht in Betracht kommenden gleichen Wahrscheinlichkeit die EB 6 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates, XII. GP, 14 und den Bericht des Justizausschusses, 155 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates, XII. GP, 2). Zumindest dann, wenn das Kind bereits mehr als zwei Jahre alt ist, kann ohne Feststellungen auf Grund eines Sachverständigengutachtens keineswegs ausgeschlossen werden, ob nicht eine erbbiologisch-anthropologische Begutachtung nicht doch schon sehr wesentliche Anhaltspunkte für die Frage der relativen Wahrscheinlichkeit der biologischen Vaterschaft des einen oder des anderen Mannes ergeben könnte. Ist ein zweiter Mann vorhanden, der der Mutter innerhalb der gesetzlichen Empfängniszeit beiwohnte, ist damit - anders als nach der bisherigen Rechtslage - jedenfalls auch dann schon eine erbbiologisch-anthropologische Untersuchung anzuordnen, wenn das klagende Kind das zweite Lebensjahr bereits überschritten hat und nicht durch ein Sachverständigengutachten geklärt ist, daß eine solche Beweisführung zu keinem Ergebnis führen kann. Daran ändert auch nichts, daß im vorliegenden fall, wie den Untergerichten beizupflichten ist, die aufgenommenen Beweise überwiegend für die Vaterschaft des Beklagten Rudolf K sprechen. Es steht aber nicht fest, ob diese überwiegende Wahrscheinlichkeit nicht doch schon durch ein erbbiologisch-anthropologisches Gutachten widerlegt werden könnte. Ohne ausreichende Feststellungen darüber, ob eine erbbiologisch-anthropologische Untersuchung zu wesentlichen tatsächlichen Feststellungen führen könnte, ist aber eine abschließende rechtliche Beurteilung, ob der Grad der Unwahrscheinlichkeit der Zeugung des klagenden Kindes durch den Beklagten Rudolf K gering genug ist, um den ihm obliegenden Gegenbeweis als erbracht ansehen zu können (siehe auch dazu EB 6 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates, XII. GP, 13; vgl. EFSlg. 16.295; RZ 1969, 69 u. a.), nicht möglich. Die Mängelrüge der Revision ist damit berechtigt.

Im fortgesetzten Verfahren werden die Beweisgrundlagen unter Umständen über auch noch in anderer Richtung erweitert werden müssen. Die Feststellung, daß ein Geschlechtsverkehr am Ende einer Menstruationsblutung kein Hindernis für die Zeugung eines Kindes sei, sagt nämlich noch nichts über den Grad der Wahrscheinlichkeit der Zeugung eines Kindes zu einem solchen Zeitpunkt. Nach der neuen Rechtslage muß es aber auch von Bedeutung sein, ob der Beklagte tatsächlich, wie er es behauptet, bei seinem Geschlechtsverkehr am 5. August 1970 wahrscheinlich nicht zum Samenerguß gelangte. Sollte nicht schon das erbbiologisch-anthropologische Gutachten zur Abweisung des Klagebegehrens gegen Rudolf K ausreichen, werden auch noch die anderen Fragen zu erörtern sein; das Berufungsgericht kann jedenfalls nicht die Beweiswürdigungsrügen des Beklagten Rudolf K mit dem Hinweis auf die bisherige Judikatur abtun, daß es etwa darauf, in welcher Form und inwieweit der Geschlechtsverkehr tatsächlich vollzogen wurde, nicht ankomme. Auch die erwähnten Umstände können vielmehr für die Beurteilung der Frage der Wahrscheinlichkeit der Zeugung des klagenden Kindes durch Rudolf K oder Mario W von Bedeutung sein. Erst wenn alle Umstände bekannt sind, werden die für und gegen beide Männer sprechenden Wahrscheinlichkeiten ihrer Vaterschaft miteinander abschließend ins Verhältnis gesetzt werden können. Es wird gegebenenfalls auch noch eine ergänzende Vernehmung des bereits angehörten Sachverständigen sowie der Mutter und Rudolf K stattzufinden haben.

Nach dem Dargestellten erweist sich das vor dem Berufungsgericht durchgeführte Verfahren als mangelhaft. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Rechtssache an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen. Eine neuerliche Berufungsverhandlung wird nur deswegen nicht aufgetragen, weil es der Beurteilung durch das Berufungsgericht überlassen bleiben soll, ob es die Rechtssache an die erste Instanz zurückverweist oder die noch erforderlichen Beweise selbst aufnimmt.

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