JudikaturJustiz6Ob222/07a

6Ob222/07a – OGH Entscheidung

Entscheidung
07. November 2007

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ.-Prof. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** reg.Gen.m.b.H., *****, vertreten durch Czernich Hofstädter Guggenberger Partner Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Uwe Bert W*****, Deutschland, vertreten durch Vogl Rechtsanwalt GmbH in Feldkirch, wegen 151.000 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 31. Mai 2007, GZ 2 R 80/07t-24, mit dem das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 9. Februar 2007, GZ 66 Cg 38/06z-17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Klägerin ist schuldig, dem Beklagten die mit 2.064,42 EUR (darin 344,07 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichts ist die ordentliche Revision nicht zulässig:

Das Berufungsgericht hat seinen Zulässigkeitsausspruch damit begründet, es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Pfändung anonymer Wertpapierdepots und damit zusammenhängender Wertpapier-Verrechnungskonten, bei denen die Bank ein Wertpapierkassabuch ausgegeben hat, sodass über Wertpapierdepot und Wertpapier-Verrechnungskonto nur unter Vorlage des Wertpapierkassabuchs und gleichzeitiger Nennung des Losungsworts verfügt werden kann.

1. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs erfolgt bei einem auf den Namen des Verpflichteten lautenden Wertpapierdepot die Pfändung des in seinem Miteigentum stehenden Sammelbestandteils an den in Sammelverwahrung befindlichen Wertpapieren gemäß § 331 EO durch Verfügungsverbot an den Verpflichteten und Leistungsverbot an den Drittschuldner; dabei ist die Bank, der der Verpflichtete die Wertpapiere anvertraut hat, Drittschuldner (1 Ob 190/04d = ÖBA 2005/1279 mwN).

2. Das (hier verfahrensgegenständliche) Wertpapierdepot war anonym und bestand aus einem Wertpapierdepot und einem Wertpapier-Verrechnungskonto, welche zusammen eine Einheit unter der Nummer 738.641 bildeten und über welche anonym unter bloßer Vorlage des Wertpapier-Kontenbuchs und Benennung des richtigen Losungsworts verfügt werden konnte. Derartige Wertpapierdepots sind seit 1. 8. 1996 gemäß § 40 Abs 1 Z 1 BWG idF BGBl Nr. 446/1996 nicht mehr zulässig (vgl dazu ausführlich 7 Ob 186/01f = SZ 74/182). Einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur konkreten Vorgangsweise bei Pfändung derselben bedarf es somit nicht mehr.

3.1. Da sowohl das Erstgericht als auch der Leiter der Rechtsabteilung der Klägerin selbst (vgl AS 77, 79) von einer Einheit von Wertpapierdepot, das dazu diente, Anteilsrechte an Wertpapieren zu verbriefen, und Wertpapier-Verrechnungskonto, das dazu diente, lukrierte Gewinne aus Verkäufen zu verbuchen bzw Geldbeträge zum Ankauf von Wertpapieren einzuzahlen, ausgingen und Auszahlungen vom Wertpapier-Verrechnungskonto nur dann zulässig waren, wenn der Kunde das Wertpapierkassabuch vorlegte und das richtige Losungswort nannte (s Berufung der Klägerin AS 173 und ihre Revision AS 258), ist die Auffassung des Berufungsgerichts durchaus vertretbar, dass eine Pfändung des anonymen Wertpapierdepots mit der Nummer 738.641 hinsichtlich der im Depot befindlichen Wertpapiere nach § 325 Abs 1 EO in Verbindung mit § 296 EO und hinsichtlich der auf dem Verrechnungskonto gutgebuchten Beträge nach § 296 Abs 1 EO erfolgen hätte müssen. Die Verfügungsberechtigung über diese Werte hing - neben der Nennung des Losungsworts - vom Besitz des von der Klägerin ausgestellten Wertpapierkassabuchs ab, ohne dessen Vorlage weder über Wertpapierdepot noch über das Wertpapier-Verrechnungskonto verfügt werden konnte.

3.2. Diese Auffassung steht auch im Einklang mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, wonach ein Wertpapierkassabuch (Effektenkassa-Bon, EKG-Bon, Juxten-Bon, Wertpapierbuch) ein qualifiziertes Legitimationspapier darstellt (7 Ob 186/01f), und der Lehre, wonach qualifizierte Legitimationspapiere der Exekution nach § 296 Abs 1 EO unterliegen (Schumacher, Zwangsvollstreckung auf Wertpapiere [1995] 194; Zechner, Forderungsexekution [2000] § 296 EO Rz 2; ebenso wohl Oberhammer in Angst, EO [2000] § 296 Rz 2) sowie der Rechtsprechung zweitinstanzlicher Gerichte (LGZ Wien EFSlg 61.031; OLG Innsbruck 3 R 234, 235/91, zit bei Schumacher, aaO 193 FN 23).

3.3. Die Revision hält dem lediglich entgegen, Wertpapierdepot und Wertpapier-Verrechnungskonto hätten tatsächlich keine Einheit gebildet. Dem kann jedoch im Hinblick auf die Feststellungen der Vorinstanzen nicht gefolgt werden. Dass die Notwendigkeit der Vorlage des Wertpapierkassabuchs nur die Auszahlungsmodalitäten betroffen hätte und „selbstverständlich ... die Bank [die Klägerin] auch an jemand ausbezahlen [hätte können], der nicht imstande ist, das Wertpapierbuch vorzulegen", widerspricht wiederum ihrem Rechtsstandpunkt, den sie im Verfahren erster Instanz eingenommen hat. Und dass tatsächlich sämtliche auf das Wertpapier-Verrechnungskonto einbezahlten Beträge ausschließlich dort liegen geblieben und niemals für den Ankauf von Wertpapieren verwendet worden wären, entspricht ebenfalls nicht den Feststellungen der Vorinstanzen.

4. Damit war aber die vom Bezirksgericht Reutte gemäß § 294 EO bewilligte Exekution im Hinblick auf das Wertpapierdepot mit der Nummer 738.641 verfehlt, weshalb die Klägerin auch nicht eine irrtümliche Auszahlung bzw Überweisung vom Wertpapier-Verrechnungskonto an den Beklagten vorgenommen hat. Der von ihr geltend gemachte Bereicherungsanspruch besteht nicht. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet auf §§ 41, 50 ZPO. Der Beklagte hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Der Schriftsatz ist daher als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig anzusehen.