JudikaturJustiz6Ob204/15s

6Ob204/15s – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. November 2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ. Prof. Dr. Kodek und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. M***** F*****, vertreten durch Dr. Simon Tonini, Rechtsanwalt in Innsbruck, als Verfahrenshelfer, gegen die beklagte Partei Dr. M***** H*****, wegen Nichtigkeit gemäß § 529 ZPO, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 14. September 2015, GZ 3 Nc 8/13a 25, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben .

Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben . Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung an das Landesgericht Innsbruck zurückverwiesen.

Der Kläger hat die Kosten seines Rekurses selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Zum bisherigen Verlauf dieses Nichtigerklärungsverfahrens gemäß § 529 ZPO kann auf die Entscheidung des erkennenden Senats vom 27. 5. 2015, 6 Ob 43/15i, verwiesen werden.

Nunmehr wies das Landesgericht Innsbruck auch den Antrag des Klägers auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in die (versäumte) Frist zur Einbringung der Nichtigkeitsklage zurück; diesen Antrag hatte der Kläger zugleich mit seinem Rekurs gegen die Zurückweisung der Nichtigkeitsklage durch das Landesgericht Innsbruck eingebracht. Begründet wurde die Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrags mit dessen Verspätung. Die Frist des § 148 Abs 2 ZPO beginne nicht erst mit der Aufklärung des Irrtums der säumigen Partei zu laufen, sondern bereits dann, wenn diese Aufklärung infolge auffallender Sorglosigkeit der Partei unterblieb. Der Kläger habe Kenntnis davon gehabt, dass sein Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Einbringung einer Nichtigkeitsklage nur dann fristwahrend war, wenn dieser noch am 6. 12. 2012 eingebracht worden war; sollte er dabei der Meinung gewesen sein, hiefür sei es lediglich auf den Zeitpunkt des Beginns des Telefax Übermittlungsvorgangs angekommen, so hätte er angesichts der auf „Fri 2012 12 07 00:15“ lautenden Sendebestätigung nicht die Zurückweisung seiner Nichtigkeitsklage abwarten, sondern sofort fachkundige Beratung einholen und einen Wiedereinsetzungsantrag stellen müssen. Auch in der Sache selbst wäre der Wiedereinsetzungsantrag unbegründet, sei es dem Kläger doch als Sorgfaltswidrigkeit anzulasten, dass er den Verfahrenshilfeantrag nicht zu einem früher möglichen Zeitpunkt bei Gericht eingebracht hatte; damit, dass es bei der Verwendung von technischen Hilfsmitteln immer wieder zu Verzögerungen und Problemen kommen kann, habe der Kläger rechnen müssen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig; er ist auch berechtigt.

1. Es entspricht der herrschenden Auffassung, dass die Fristen des § 534 ZPO zwar nicht verlängerbar (§ 128 Abs 1 ZPO), wohl aber restituierbar sind (9 ObA 13/95; 10 ObS 371/01h; Fasching , ZPR 2 [1990] Rz 2048; Jelinek in Fasching/Konecny IV/1 2 [2005] § 534 ZPO Rz 7; E. Kodek in Rechberger , ZPO 4 [2014] § 534 Rz 1). Der Wiedereinsetzungsantrag des Klägers gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung einer Nichtigkeitsklage nach § 529 ZPO ist somit grundsätzlich zulässig.

2. Nach § 148 Abs 2 ZPO muss der Wiedereinsetzungsantrag binnen 14 Tagen gestellt werden; diese Frist beginnt mit dem Tag, an welchem das Hindernis, welches die Versäumung verursachte, weggefallen ist. Hat das Hindernis in einem Irrtum bestanden, also etwa wie hier über den Umstand, dass eine Prozesshandlung tatsächlich verspätet vorgenommen worden war, so beginnt der Lauf der Wiedereinsetzungsfrist jedenfalls mit der tatsächlichen Aufklärung des Irrtums, insbesondere der Zustellung des die Prozesshandlung als verspätet zurückweisenden Beschlusses (vgl die Rechtsprechungsnachweise bei Gitschthaler in Rechberger , ZPO 4 §§ 148 149 Rz 7). Da der Zurückweisungsbeschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 23. 1. 2015 dem Kläger am 26. 1. 2015 zugestellt wurde, ist dessen am 6. 2. 2015 im Elektronischen Rechtsverkehr eingebrachter Wiedereinsetzungsantrag als fristgerecht erhoben anzusehen.

3. Das Landesgericht Innsbruck hat zwar zutreffend darauf hingewiesen, dass nach herrschender Auffassung die Frist auch schon dann zu laufen beginnt, wenn der säumigen Partei die Verspätung hätte auffallen müssen, also mit jeder schon bestehenden, von der Partei jedoch tatsächlich nicht ausgeschöpften Möglichkeit des Wegfalls des Irrtums (vgl die Nachweise bei Gitschthaler aaO Rz 8); dies wäre etwa der Fall, wenn die Partei Informationen hätte einholen können oder eine nachträgliche Kontrolle möglich gewesen wäre ( Gitschthaler aaO; vgl auch Deixler Hübner in Fasching/Konecny II/2 2 [2003] § 148 ZPO Rz 11).

Der Kläger hat sich jedoch in seinem Wiedereinsetzungsantrag darauf berufen, ihm sei bei Einbringen des Verfahrenshilfeantrags nicht bekannt gewesen, dass dessen bloßes Absenden per Fax vor 24 Uhr des 6. 12. 2012 für die Fristenwahrung nicht ausreichend war. Da der Kläger zunächst unvertreten war und ihm aufgrund seines Antrags auch die Verfahrenshilfe bewilligt wurde, ist nicht ersichtlich, weshalb der von ihm behauptete Irrtum (das Landesgericht Innsbruck hat dazu noch kein Bescheinigungsverfahren durchgeführt) vor Zurückweisung seiner Nichtigkeitsklage hätte wegfallen sollen. Einer unvertretenen Partei kann ein solcher Rechtsirrtum, dem auch das Gericht selbst unterlegen ist, nicht als grob fahrlässig zugerechnet werden. Wenn der Kläger wie er behauptet nicht wusste, dass ein Einlangen des Fax Verfahrenshilfeantrags erst unmittelbar nach Mitternacht nicht fristwahrend sein würde, kann ihm auch nicht zumindest nicht als grob schuldhaft vorgeworfen werden, insoweit keine fachliche Beratung eingeholt zu haben.

4. Auch geht es nicht darum, ob der Kläger mit Verzögerungen bei der Fax Übermittlung hätte rechnen müssen, wenn er behauptet, gemeint zu haben, maßgeblich sei der Beginn des Sendevorgangs.

5. Da somit die Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrags nach der derzeitigen Aktenlage verfehlt war, war der angefochtene Beschluss aufzuheben. Das Landesgericht Innsbruck wird nunmehr die beantragten Bescheinigungsmittel aufzunehmen und neuerlich zu entscheiden haben.

Die Entscheidung über die Rekurskosten gründet sich auf § 154 ZPO.