JudikaturJustiz6Ob190/98d

6Ob190/98d – OGH Entscheidung

Entscheidung
11. März 1999

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Fellinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Franz M*****, vertreten durch Dr. Gerald Haas, Dr. Anton Frank und Mag. Ursula Schilchegger-Silber, Rechtsanwälte in Wels, wider die beklagten Parteien 1. Manfred N*****, und 2. Christine N*****, wegen Feststellung, Einverleibung, Beseitigung und Unterlassung (Gesamtstreitwert 100.000,-- S), infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Wels als Rekursgerichtes vom 11. März 1998, GZ 23 R 8/98k-6, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Lambach vom 2. Dezember 1997, GZ 2 C 988/97f-2, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Der Kläger ist Alleineigentümer der Liegenschaft EZ 10 Grundbuch ***** Bezirksgericht Lambach, bestehend unter anderem aus dem Grundstück Nr 213 (landwirtschaftlich genutzt) und Nr 26 (Baufläche mit dem Haus E***** 12). Ob dieser Liegenschaft ist zu TZ 428/1996 des Bezirksgerichtes Lambach die Einleitung des Zusammenlegungsverfahrens Z 405/8-1986 angemerkt.

Die Beklagten sind je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft EZ 222 Grundbuch ***** Bezirksgericht Lambach, bestehend aus dem Grundstück Nr 218/2 (landwirtschaftlich genutzt).

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger die Feststellung, daß ihm als Eigentümer des herrschenden Grundstückes Nr 26 mit der Grundstücksadresse E***** 12, dieses inneliegend in der EZ 10, Grundbuch *****, Bezirksgericht Lambach, und seinen Rechtsnachfolgern im Eigentum dieses Grundstückes gegenüber den beklagten Parteien als Eigentümern des dienenden Grundstückes Nr 218/2 mit der Grundstücksadresse E***** 66, dieses inneliegend in der EZ 222 Grundbuch *****, Bezirksgericht Lambach und ihren Rechtsnachfolgern im Eigentum dieses Grundstückes die näher umschriebene Dienstbarkeit des Geh- und Fahrtrechtes zustehe, sowie die Einwilligung der Beklagten in die Einverleibung dieser Dienstbarkeit. Weiters begehrt der Kläger die Beseitigung einer von den Beklagten am Dienstbarkeitsweg errichteten Rampe samt Erdreichaufschüttung sowie die Unterlassung künftiger Störungen.

Das Erstgericht wies die Klage mit der Begründung a limine wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurück, daß im Hinblick auf die ob der Liegenschaft des Klägers grundbücherlich angemerkte Einleitung des Zusammenlegungsverfahrens gemäß § 102 Abs 1 Oö Flurverfassungs-Landesgesetz (Oö FLG) die Entscheidungszuständigkeit der Agrarbehörde gegeben sei.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers nicht Folge.

Die Zuständigkeit der Agrarbehörde erstrecke sich gemäß § 102 Abs 2 lit a Oö FLG insbesondere auf Streitigkeiten über Eigentum und Besitz an den in das Verfahren einbezogenen Grundstücken. Das auf die Einverleibung einer Dienstbarkeit des Geh- und Fahrtrechtes gerichtete Begehren des Klägers stelle eine solche Streitigkeit im Sinne der zitierten Gesetzesstelle dar. Das vom Kläger ebenfalls erhobene Beseitigungs- und Unterlassungsbegehren stelle sich als Ausfluß der vom Kläger in Anspruch genommenen Dienstbarkeit dar, weshalb auch die Entscheidung über diese Begehren gemäß § 102 Abs 2 lit a Oö FLG in die Zuständigkeit der Agrarbezirksbehörde falle.

Darüberhinaus liege die Zuständigkeit der Agrarbehörde auch nach § 102 Abs 1 Oö FLG vor. Danach erstrecke sich die Zuständigkeit der Agrarbehörde ganz allgemein auf die Verhandlung und Entscheidung über alle tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die zum Zwecke der Durchführung der Zusammenlegung in das Verfahren einbezogen werden müssen. Nach § 11 Oö FLG habe die Agrarbehörde die in die Zusammenlegung einbezogenen Grundstücke und die gegebenen Eigentumsverhältnisse festzustellen sowie den Besitzstand einschließlich Ausmaß, Lage und Benützungsart dieser Grundstücke auf der Grundlage der gegebenen Eigentumsverhältnisse unter Berücksichtigung der Rechte dritter Personen zu erheben. Daraus folge, daß von der Agrarbehörde auch mit einer in das Zusammenlegungsverfahren einbezogenen Liegenschaft verbundene und die Nutzungsverhältnisse beeinflussende Rechte, wie beispielsweise Wege- und Fahrtrechte, zu berücksichtigen seien. Es sei daher die Entscheidungskompetenz der Agrarbehörde nach § 102 Abs 1 Oö FLG gegeben, sofern nur das als herrschend erachtete Grundstück in das Zusammenlegungsverfahren einbezogen sei.

Das Rekursgericht sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil zur Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges für den Fall, daß in einem Dienstbarkeitsstreit nur die herrschende Liegenschaft in das Zusammenlegungsverfahren einbezogen sei, eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle.

Mit seinem Revisionsrekurs beantragt der Kläger, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens aufzutragen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Im Hinblick auf die umfassende und zutreffende rechtliche Beurteilung des Rekursgerichtes genügt es, auf die Richtigkeit der Begründung hinzuweisen (§ 510 Abs 3 zweiter Satz, § 528a ZPO). Im einzelnen ist den Ausführungen im Revisionsrekurs folgendes entgegenzuhalten:

Nach § 102 Abs 1 Oö FLG erstreckt sich die Zuständigkeit der Agrarbehörde von der Einleitung eines Zusammenlegungs- oder Flurbereinigungsverfahrens an - die Ausnahmebestimmungen des Abs 4 kommen im vorliegenden Fall nicht in Betracht - auf die Verhandlung und Entscheidung über alle tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die zum Zweck der Durchführung der Zusammenlegung oder Flurbereinigung in das Verfahren einbezogen werden müssen. Während dieses Zeitraumes ist in diesen Angelegenheiten die Zuständigkeit der Behörden ausgeschlossen, in deren Wirkungsbereich diese Angelegenheiten sonst gehören. Diese Zuständigkeit der Agrarbehörden erstreckt sich gemäß § 102 Abs 2 lit a leg cit insbesondere auch auf Streitigkeiten über Eigentum und Besitz an den in das Verfahren einbezogenen Grundstücken.

Nach den zutreffenden Ausführungen des Rekursgerichtes ist Hintergrund dieser die Zuständigkeit der Zivilgerichte einschränkenden Regelung, daß sich bei der Durchführung von Bodenreformmaßnahmen die Notwendigkeit ergibt, die damit betrauten Behörden mit einer konzentrierten Entscheidungsbefugnis auszustatten, da Vorschriften sowohl des öffentlichen als auch des privaten Rechts zur Anwendung kommen, die sonst die Zuständigkeit verschiedener Verwaltungsbehörden und der Gerichte ergeben würden. Der Oberste Gerichtshof hat daher in Anlehnung an die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 11. 10. 1960 K I-3/60 (= JBl 1961, 412) bereits ausgesprochen, daß es sich bei § 102 Oö FLG so wie bei gleichgelagerten Bestimmungen der anderen Bundesländer (zB § 72 Abs 5 Tiroler Flurverfassungs-Landesgesetz und § 50 Steiermärkisches Zusammenlegungsgesetz) um Sonderbestimmungen handelt, mit denen der Gesetzgeber beabsichtigte, das Zusammenlegungsverfahren zu vereinfachen und zu beschleunigen. Diese Absicht wäre gefährdet, wenn in jedem Fall strittiger Eigentums- und Besitzverhältnisse erst zu prüfen wäre, ob der entstandene Streit in einem tatsächlichen und rechtlichen Zusammenhang mit der Zusammenlegung steht, weil die Zuständigkeit je nach dem Ergebnis der keineswegs immer leichten Entscheidung verschieden wäre. Die Gerichte wären auch kaum in der Lage, verläßlich zu beurteilen, ob die Lösung eines einzelnen Rechtsstreites eine Voraussetzung für die Durchführung der Zusammenlegung bildet und demnach der Agrarbehörde überlassen werden muß (vgl 7 Ob 558/92; SZ 59/212 mwN).

Nach ebenfalls zutreffender Rechtsansicht des Rekursgerichtes stellt eine Streitigkeit über die vom Kläger begehrte Einverleibung einer Dienstbarkeit des Geh- und Fahrtrechtes eine Streitigkeit "über Eigentum und Besitz" im Sinne des § 102 Abs 2 lit a Oö FLG dar (vgl EvBl 1988/74 zum inhaltsgleichen § 50 Abs 3 Steiermärkisches Zusammenlegungsgesetz; EvBl 1985/162 zu § 72 Abs 5 lit a Tiroler Flurverfassungs-Landesgesetz) und es stellen sich die weiteren Begehren des Klägers auf Beseitigung und Unterlassung als Ausfluß der von ihm in Anspruch genommenen Dienstbarkeit dar, sodaß auch diese Begehren ihrer Art nach den im § 102 Abs 2 lit a Oö FLG bezeichneten Streitigkeiten zuzuordnen sind.

Soweit der Kläger dagegen geltend macht, daß er mit dem Klagebegehren die Feststellung und Einverleibung der Dienstbarkeit zugunsten des herrschenden Grundstücks Nr 26 der EZ 10 Grundbuch E***** begehre und dieses Grundstück nicht vom Zusammenlegungsverfahren betroffen sei, ist ihm zu entgegnen, daß er die Feststellung und Einverleibung der Dienstbarkeit zur Bewirtschaftung aller zu seiner Liegenschaft EZ 10 Grundbuch E***** gehörenden Grundstücke und nicht nur zur Bewirtschaftung des Grundstückes Nr 26 begehrt. Aus dem vom Erstgericht hinsichtlich der Liegenschaft des Klägers eingeholten Grundbuchsauszug ergibt sich, daß hinsichtlich der weitaus überwiegenden Anzahl der zu dieser Liegenschaft gehörenden Grundstücke im Zuge des Zusammenlegungsverfahrens eine Änderung der Fläche in Vorbereitung ist. Der oben dargelegte Vorteil einer Konzentration der Zuständigkeit ginge verloren, wenn eine Teilung der Zuständigkeit auf Zivilgericht und Agrarbehörde vorgenommen würde. Auch der Grundsatz der Entscheidungsharmonie gebietet es in einem solchen Fall, daß die Zuständigkeit des Zivilgerichtes hinter jener der Agrarbehörde zurücktritt. Diese Erwägung hat entgegen der Ansicht des Klägers nicht nur für den Fall zu gelten, daß ein dienendes Grundstück in ein Zusammenlegungsverfahren einbezogen ist, sondern auch für den hier vorliegenden Fall, daß herrschende Grundstücke in ein Zusammenlegungsverfahren einbezogen sind. Die Grunddienstbarkeiten setzen nämlich gemäß § 474 ABGB zwei Grundbesitzer voraus, deren einem als Verpflichtetem das dienstbare und dem anderen als Berechtigtem das herrschende Gut gehört. Grunddienstbarkeiten beschränken das Eigentum am dienenden Gut und erweitern oder fördern gleichzeitig das Eigentum am herrschenden Gut (vgl EvBl 1980/173).

Zu Recht hat aber das Rekursgericht die Zuständigkeit der Agrarbehörde auch aus § 102 Abs 1 Oö FLG abgeleitet. Daß der vom Kläger geltend gemachte Anspruch zu den rechtlichen Verhältnissen gehört, die zur Durchführung der Zusammenlegung in das Verfahren vor der Agrarbehörde einbezogen werden müssen, kann angesichts der Aufgaben und Ziele der Zusammenlegung (§ 1 Abs 1 Oö FLG) nicht zweifelhaft sein. Das zeigt auch § 24 Oö FLG, wonach Grunddienstbarkeiten und Reallasten, die sich auf einen der im § 480 ABGB genannten Titel gründen, mit Ausnahme der Ausgedinge ohne Entschädigung erlöschen, wobei es jedoch in den Aufgabenbereich der Agrarbehörde fällt, im Zusammenlegungsplan darüber zu entscheiden, ob solche Dienstbarkeiten ausdrücklich aufrecht zu erhalten oder neu zu begründen sind, weil sie im öffentlichen Interesse oder aus wirtschaftlichen Gründen notwendig sind. Es wird daher die Agrarbehörde im Zuge des Zusammenlegungsverfahrens darüber zu entscheiden haben, ob eine Grunddienstbarkeit zugunsten der Liegenschaft des Klägers aus wirtschaftlichen Gründen notwendig ist. Dazu kann die Agrarbehörde nach § 4 Abs 1 Oö FLG auch noch während des Verfahrens mit Bescheid weitere Grundstücke in das Zusammenlegungsgebiet einbeziehen, wenn die Einbeziehung zur Erreichung der Ziele und Aufgaben der Zusammenlegung erforderlich ist. Damit kann kein Zweifel bestehen, daß die Frage des Bestehens der vom Kläger behaupteten Dienstbarkeit in das Zusammenlegungsverfahren einbezogen werden muß, sodaß die Verhandlung und Entscheidung darüber - neben den bereits vom Rekursgericht zutreffend dargelegten Erwägungen - auch aus diesem Grund gemäß § 102 Abs 1 Oö FLG in die Zuständigkeit der Agrarbehörde fällt (vgl EvBl 1985/162). Das Erstgericht hat daher zu Recht die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückgewiesen.

Dem Revisionsrekurs ist somit ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50 und 41 ZPO.

Rechtssätze
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