JudikaturJustiz6Ob159/05h

6Ob159/05h – OGH Entscheidung

Entscheidung
03. November 2005

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 15. Mai 2003 verstorbenen Reinhold L*****, über den Revisionsrekurs der Witwe Veronika L*****, vertreten durch Dr. Erich Bernögger, Rechtsanwalt in Windischgarsten, gegen den Beschluss des Landesgerichts Leoben als Rekursgericht vom 29. April 2005, GZ 3 R 29/05d 74, womit der Beschluss (die Einantwortungsurkunde) des Bezirksgerichts Liezen vom 7. Februar 2005, GZ 3 A 200/03y 68, berichtigt durch den Beschluss des Bezirksgerichts Liezen vom 22. Februar 2005, GZ 3 A 200/03y 71, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Erlassung einer Einantwortungsurkunde nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Begründung:

Der Erblasser war Eigentümer eines land- und forstwirtschaftlichen Anwesens, das als Erbhof zu qualifizieren ist. In seinem Testament vom 23. 8. 2000 setzte er seine drei Töchter Gudrun L*****, Heidemarie P***** und Elisabeth L***** als Erben ein und bestimmte eine von ihnen, nämlich Heidemarie P***** zur Anerbin. Seine Ehefrau verwies er auf den Pflichtteil. In einem „Zusatztestament" vom 18. 3. 2003 hielt der Erblasser fest, dass der Hof keinesfalls verkauft werden dürfe; seine Tochter Heidemarie als Anerbin solle ihre beiden Schwestern mit Geldbeträgen abfinden. Die drei Töchter gaben jeweils bedingte Erbserklärungen aufgrund des Testaments ab.

Am 17. 1. 2005 wurde vor dem Gerichtskommissär ein Inventar errichtet. Die Witwe erklärte, dass sie sämtliche ihr familien- und anerbenrechtlich zustehenden Unterhalts- und sonstigen Ansprüche sowie das ihr zustehende Vorausvermächtnis und den ihr zustehenden Pflichtteil geltend mache. Sie beantragte, „sämtliche ihr zustehenden Ansprüche, insbesondere jene nach dem Anerbengesetz" grundbücherlich sicherzustellen. Die zur Anerbin bestimmte Tochter des Erblassers bestritt, dass Forderungen der Witwe bestünden, „zumal der Wert des Vorausvermächtnisses ihre Ansprüche bei Weitem übersteigt". Ein Unterhaltsanspruch bestehe nicht, weil sich die Witwe aus eigenem Einkommen erhalten könne. Die Ausübung einer Erwerbstätigkeit sei ihr zumutbar. Darüber hinaus habe sie sich alle sozialversicherungsrechtlichen Leistungen anrechnen zu lassen, die sie nach dem Ableben ihres Ehemanns in Anspruch nehmen könne. Ein Anspruch auf grundbücherliche Sicherstellung jedweder Forderung der Witwe als Pflichtteilsberechtigte bestehe nicht und werde daher abgelehnt. Die Witwe erklärte hiezu, dass sie nicht in der Lage sei, sich aus eigenem Vermögen zu erhalten, über kein eigenes Einkommen verfüge und dass es ihr auch nicht gelingen werde, eigenes Einkommen zu erzielen.

Das Erstgericht nahm mit Beschluss vom 7. 2. 2005 (ON 67) das Hauptinventar zu Gericht an (Pkt. 4.), die Erklärung der drei Töchter über den Abschluss eines „Pflichtteilsübereinkommens" zur Kenntnis (Pkt. 5.) und sprach aus, dass die Einantwortungsurkunde erlassen und mit deren Rechtskraft die Verlassenschaftsabhandlung für beendet erklärt werde (Pkt. 10.). Mit Einantwortungsurkunde vom selben Tag antwortete es den Nachlass der Heidemarie P***** aufgrund des Testaments vom 23. 8. 2000 zur Gänze ein und ordnete die Einverleibung des Eigentumsrechts für Heidemarie P***** auf den drei in den Nachlass fallenden Liegenschaften an.

Mit Beschluss vom 22. 2. 2005 (ON 71) berichtigte das Erstgericht den Beschluss ON 67 und die Einantwortungsurkunde ON 68 wie folgt:

„1. Der Wortlaut des Beschlusses ... (ON 67) wird in seinem Punkt 5. dahingehend berichtigt, dass es dort nicht 'Pflichtteilsübereinkommen', sondern richtigerweise 'Erbübereinkommen' zu heißen hat;

2. Der Wortlaut der Einantwortungsurkunde vom 7. 2. 2005 (ON 68) wird dahingehend

a) berichtigt, dass der Nachlass der erbl. Tochter Heidemarie P***** ... nicht zur Gänze, sondern zu einem Drittel eingeantwortet wird;

b) ergänzt, dass der Nachlass den erbl. Töchtern Gudrun L***** ... und Elisabeth L***** ... ebenfalls zu je einem Drittel eingeantwortet wird."

Mit Beschluss vom 23. 2. 2005 (ON 70) - der richtigerweise nach dem Beschluss vom 22. 2. 2005 (ON 71) einzujournalisieren gewesen wäre, stellte das Erstgericht fest, dass es sich bei den Liegenschaften um einen Erbhof im Sinne des Anerbengesetzes handle, wies den Erbhof der Heidemarie P***** als Anerbin zu und bestimmte den für die Erbteilsberechnung heranzuziehenden Übernahmspreis mit 204.707,86 EUR.

Noch bevor die Beschlüsse ON 70 und 71 an die Witwe zugestellt wurden, erhob diese gegen die Einantwortung Rekurs, weil ihrem Antrag auf grundbücherliche Sicherstellung ihrer Forderungen, „im Besonderen jener nach dem Anerbengesetz (§ 14 Abs 1 und 2 iVm § 15 AnerbenG sowie § 12 AnerbenG)" nicht entsprochen worden sei. Sie beantragte die Abänderung der Einantwortungsurkunde dahin, dass zugleich mit der Einverleibung des Eigentumsrechts für Heidemarie P***** die grundbücherliche Sicherstellung ihrer Ansprüche angeordnet werde.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs nicht Folge. Durch die angefochtene Einantwortung in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses (ON 71) sei der Nachlass den Töchtern des Erblassers zu je einem Drittel eingeantwortet worden. Den für die Einverleibung des Eigentumsrechts der Anerbin notwendigen Titel habe erst der Zuweisungsbeschluss (ON 70) gebildet, der mangels Anfechtung in Rechtskraft erwachsen sei. Dieser Zuweisungsbeschluss enthalte keine Anordnung, dass gleichzeitig mit dem Eigentumsrecht der Anerbin die Ansprüche der Witwe nach dem Anerbengesetz einzutragen seien. Das mit dem Rekurs angestrebte Ziel der grundbücherlichen Sicherstellung dieser Ansprüche sei infolge der Rechtskraft des Zuweisungsbeschlusses nicht mehr erreichbar, weil es zur Klärung der Frage, welche Ansprüche der Witwe zustünden, einer Aufhebung des Zuweisungsbeschlusses und einer Verfahrensergänzung bedürfte. Der ordentliche Revisionsrekurs sei mangels einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Witwe ist jedoch zulässig, weil der angefochtene Beschluss der im Folgenden dargestellten Rechtslage widerspricht. Er ist im Sinn einer Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen berechtigt.

Gemäß § 8 AnerbenG ist mit Ausnahme der Bestimmungen über die gesetzliche Erbfolge das Anerbengesetz unter den dort genannten Voraussetzungen auch bei der gewillkürten Erbfolge aufgrund eines Testaments anzuwenden. Diese Voraussetzungen liegen hier vor, weil der Erblasser von den eingesetzten mehreren Miterben eine natürliche Person zum alleinigen Übernehmer des Erbhofs bestimmte (§ 8 Abs 1 Z 2 AnerbenG) und der letztwilligen Anordnung nicht zu entnehmen ist, dass auf die Erbteilung das Anerbengesetz nicht angewendet werden solle (§ 8 Abs 6 AnerbenG).

§ 14 AnerbenG sieht gesetzliche Ansprüche des überlebenden Ehegatten, der nicht Anerbe ist, vor. Ihm steht gemäß § 14 Abs 1 AnerbenG unter bestimmten Voraussetzungen ein den ortsüblichen Verhältnissen angemessener Unterhalt auf Lebenszeit (Ausgedinge) am Erbhof zu. § 14 Abs 2 AnerbenG sieht weiters ein ebenfalls an bestimmte Voraussetzungen geknüpftes Fruchtgenussrecht des überlebenden Ehegatten am Erbhof vor.

§ 15 AnerbenG lautet: „Das Verlassenschaftsgericht hat in der Einantwortungsurkunde anzuordnen, dass mit dem Eigentumsrecht für den Anerben gleichzeitig die in den §§ 13 und 14 angeführten Versorgungsrechte grundbücherlich eingetragen werden müssen. Die im § 13 Abs 1, 2 und 3 letzter Satz und im § 14 Abs 1 bezeichneten Rechte sind als Reallasten, das im § 14 Abs 2 bezeichnete Recht als Dienstbarkeit unter Berufung auf die vorstehenden Gesetzesstellen ins Grundbuch einzutragen".

§ 12 AnerbenG regelt die Auszahlung und die Sicherstellung der Abfindungsansprüche der Miterben und nimmt auf die Ansprüche des überlebenden Ehegatten (nur) insoweit Bezug, als in der Einantwortungsurkunde das Pfandrecht zur Sicherstellung der Abfindungsansprüche der Miterben im Rang hinter allfälligen Versorgungsrechten nach § 15 AnerbenG grundbücherlich eingetragen werden muss.

§ 10 Abs 1 und 4 AnerbenG idF vor dem AußStr BegleitG Nov BGBl 112/2003, das hier noch nicht anzuwenden ist (Art XXXII § 10 BGBl 112/2003), lauten:

„Hat ... der Anerbe unter mehreren Miterben den Erbhof zu übernehmen, so hat das Verlassenschaftsgericht vor der Einantwortung von Amts wegen eine Erbteilung vorzunehmen. Hiebei ist vorerst der Erbhof dem Anerben zuzuweisen. Dieser wird mit dem Übernahmspreis (§ 11) Schuldner der Verlassenschaft. In die Erbteilung selbst ist der Übernahmspreis des Erbhofs als Forderung der Verlassenschaft einzubeziehen; der Erbhof als solcher scheidet aus (Abs 1).

Das Verlassenschaftsgericht hat in der Einantwortungsurkunde die grundbücherliche Eintragung des Eigentumsrechts des Anerben am Erbhof ... anzuordnen (Abs 4)."

Der Beschluss des Erstgerichts auf Einantwortung samt seinem „Berichtigungsbeschluss" verstößt gegen § 10 Abs 1 und § 15 iVm § 14 AnerbenG, weil beide Beschlüsse (ON 68 und 71) vor der Zuweisung des Erbhofs an die Anerbin ergingen und weil weder davor noch im Einantwortungsbeschluss über die geltend gemachten Versorgungsrechte und insbesondere nicht zugleich mit der Anordnung der Eintragung des Eigentumsrechts für die Anerbin über den Antrag auf bücherliche Sicherstellung der Versorgungsrechte abgesprochen wurde. Die Erlassung der Einantwortungsurkunde und die im Beschluss ON 67 enthaltene Erklärung, dass das Verlassenschaftsverfahren mit der Rechtskraft der Einantwortung für beendet erklärt werde, verstieß zudem gegen die ständige Rechtsprechung, dass die Feststellung der Erbhofeigenschaft und des Übernahmspreises zwingend noch im Verlassenschaftsverfahren und nicht nachher zu erfolgen habe (RIS Justiz RS0036902). Durch den in mehrfacher Hinsicht verfehlten Einantwortungsbeschluss sind die Rechte der Witwe zumindest dadurch unmittelbar beeinträchtigt, dass die Einantwortung vor der Entscheidung über ihre Versorgungsrechte und ohne Bedachtnahme auf ihren Antrag, diese Versorgungsrechte sicherzustellen, erlassen wurde.

Die Rechtsansicht des Rekursgerichts, dass die Rechtskraft des Zuweisungsbeschlusses einer Berücksichtigung der Versorgungsrechte der Witwe und deren Sicherstellung entgegenstünden, steht mit der aufgezeigten Gesetzeslage nicht im Einklang. Wie sich aus § 15 AnerbenG ergibt, entfaltet die Rechtskraft des Zuweisungsbeschlusses keineswegs Bindungswirkung dahin, dass in der Einantwortungsurkunde eine Belastung des Erbhofs durch die grundbücherliche Sicherstellung derartiger Ansprüche nicht mehr zulässig sei. Auch weist die Rechtsmittelwerberin in diesem Zusammenhang zutreffend daraufhin, dass sie den Zuweisungsbeschluss gar nicht wirksam bekämpfen hätte können, weil durch diesen Beschluss nicht in ihre Rechtssphäre eingegriffen wurde und ihr daher keine Rechtsmittellegitimation zukam. Die vom Rekursgericht zitierte Entscheidung des Obersten Gerichtshofs SZ 55/150 stützt die Ansicht des Rekursgerichts, dass nach Rechtskraft des Zuweisungsbeschlusses eine Sicherstellung der Ansprüche nach § 14 AnerbenG, nicht mehr möglich sei, nicht. Die in der zitierten Entscheidung enthaltene Aussage, dass der Zuweisungsbeschluss als besonderer Titel für den Eigentumserwerb durch den Anerben zu sehen sei, hat keinen erkennbaren Bezug zur Bestimmung des § 15 AnerbenG, wonach in der Einantwortungsurkunde sowohl die Eintragung des Eigentumsrechts für den Anerben als auch die Sicherstellung der Versorgungsrechte nach den §§ 13 und 14 AnerbenG angeordnet werden müssen. Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung 6 Ob 55/98a (EvBl 1998/133, 613 = JBl 1999, 124) klargestellt, dass zwar für die Eigentumseinverleibung des Anerben der Zuweisungsbeschluss den Titel bildet, dass aber dessen ungeachtet der Ausspruch über die Sicherstellung der Abfindungsansprüche der Miterben nach Anerbenrecht (nichts anderes kann für die Sicherstellung der Ansprüche des überlebenden Ehegatten nach Anerbenrecht gelten) einen Titel zu schaffen hat. In dieser Entscheidung wird ausdrücklich das gesetzliche Erfordernis hervorgehoben, dass die Verbücherungsanordnung betreffend derartige Sicherstellungen einen konstitutiven Beschluss darstelle, der gleichzeitig mit der Einantwortung zu ergehen habe.

Ob der Witwe (sicherzustellende) Ansprüche nach dem Anerbengesetz zustehen, blieb bislang ungeprüft. Die Anerbin hat derartige Ansprüche mit entsprechendem Vorbringen bestritten. Die bekämpften Entscheidungen der Vorinstanzen leiden an sekundären Feststellungsmängeln infolge der unrichtigen rechtlichen Beurteilung, dass über den Sicherstellungsanspruch nicht in der Einantwortungsurkunde zu entscheiden sei. Es schadet daher im Gegensatz zu den Ausführungen der Anerbin in ihrer Revisionsrekursbeantwortung nicht, dass die Witwe nicht schon in ihrem Rekurs das erstinstanzliche Verfahren als mangelhaft gerügt hat. Auch der Umstand, dass die Witwe ihre Ansprüche, die gesichert werden sollen, nicht ausdrücklich bezeichnete, steht einer Stattgebung ihres Revisionsrekurses im Sinn einer Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse nicht entgegen. Das Gericht muss, bevor es ein unbestimmtes Begehren abweist, dessen Verbesserung anregen. Darauf ist auch von Amts wegen Bedacht zu nehmen (vgl 1 Ob 73/03x; 10 ObS 24/02f). An die Bestimmtheit eines Begehrens im außerstreitigen Verfahren sind keine allzu strengen Anforderungen zu stellten. Sollte eine Präzisierung erforderlich sein, hat das Gericht den Antragsteller entsprechend anzuleiten (RIS Justiz RS0070562). Im außerstreitigen Verfahren genügt es, wenn dem Vorbringen der Parteien zu entnehmen ist, welche Entscheidung die Partei anstrebt. Bedarf ein Antrag bloß der Verdeutlichung, darf er nicht schon deshalb abgewiesen werden (RIS Justiz RS0005965). Durch den Hinweis auf Ansprüche nach dem Anerbengesetz machte die Witwe hinreichend deutlich, dass sie die in § 14 AnerbenG geregelten Ansprüche geltend machen will. Falls das Erstgericht das Begehren der Witwe für zu wenig präzise erachtet, wird es die Witwe zu einer entsprechenden Konkretisierung anzuleiten haben. Soweit in der Revisionsrekursbeantwortung vorgebracht wird, dass die Voraussetzungen des § 14 AnerbenG nicht vorlägen, kann darauf nicht eingegangen werden, weil die betreffende Sachverhaltsgrundlage im fortgesetzten Verfahren erst erhoben werden muss.

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