JudikaturJustiz5Ob92/09d

5Ob92/09d – OGH Entscheidung

Entscheidung
09. Juni 2009

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen/Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. Roch und Dr. Tarmann-Prentner als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache des Karl G*****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Sachwalterin Dr. Birgit R*****, gegen den Beschluss des Landesgerichts Krems als Rekursgericht vom 9. März 2009, GZ 2 R 118/08b-24, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Text

Begründung:

Die als Rechtsanwältin nicht vertretungsbedürftige (§ 6 Abs 2 AußStrG) und im eigenen Namen rekurslegitimierte (§ 127 AußStrG) Sachwalterin wendet sich gegen ihre Bestellung zur Sachwalterin und führt zur Zulässigkeit ihres außerordentlichen Revisionsrekurses aus, die zweitinstanzliche Entscheidung stehe in Widerspruch zur Entscheidung 10 Ob 18/08g, wonach Rechtsanwälte und Notare nur bei der Notwendigkeit der Besorgung rechtlicher Angelegenheiten der behinderten Person heranzuziehen seien; im konkreten Fall wären sozialarbeiterische und psychologische Fähigkeiten erforderlich, über die sie nicht verfüge.

Rechtliche Beurteilung

Die angefochtene Entscheidung ist jedoch durch ausreichende und einheitliche Rechtsprechung des Höchstgerichts gedeckt.

§ 279 ABGB, der die Auswahl des Sachwalters regelt, gibt - vorbehaltlich der allgemeinen Auswahlkriterien des Abs 1 in Abs 2 bis 4 - eine Reihung der zum Sachwalter berufenen Personen vor. Demnach ist mangels Verfügbarkeit einer nahestehenden Person ein Vereinssachwalter, dann ein Rechtsanwalt oder Notar oder - deren Zustimmung vorausgesetzt - eine andere geeignete Person zu bestellen. Nur wenn die Besorgung der Angelegenheiten der behinderten Person besondere Fachkenntnisse erfordert, ist von vornherein gemäß § 279 Abs 4 ABGB ein Rechtsanwalt oder Notar zu bestellen (vgl 4 Ob 126/08w; 3 Ob 19/08b; 10 Ob 18/08g; 7 Ob 105/08d ua). In der von der Revisionsrekurswerberin herangezogenen Entscheidung 10 Ob 18/08g wurde die Nichteinhaltung dieser Prioritätenreihung beanstandet, wofür im gegenständlichen Fall kein Anlass besteht. Beim Kreis jener Personen, welche zum Sachwalter bestellt werden können, ist dem Gericht ein auf das Wohl der behinderten Person zugeschnittene Ermessensspielraum eingeräumt (vgl RIS-Justiz RS0087131).

Rechtsanwälte zählen schon kraft Gesetzes zu den „besonders geeigneten Personen". Der klare Gesetzeswortlaut des § 274 Abs 2 ABGB normiert überdies, dass Rechtsanwälte Sachwalterschaften grundsätzlich übernehmen müssen und Ablehnungsgründe konkret geltend zu machen sind (§ 16 Abs 1 AußStrG). Dass etwa eine konkrete individuelle und extreme berufliche Belastung eines Rechtsanwalts zur Unzumutbarkeit im Sinn des § 274 Abs 2 ABGB führen kann, wurde bereits ausgesprochen (vgl 3 Ob 19/08b unter Hinweis auf die RV 1420 BlgNR 22. GP 13). Der allein vorgebrachte Umstand, im vorliegenden Fall seien keine Aufgaben zu erledigen, die Rechtskenntnisse erfordern, wurde hingegen nicht als ausreichender Grund, die Übernahme zu verweigern, angesehen (vgl ebenfalls 3 Ob 19/08b mwN). Insgesamt werden daher Rechtsfragen von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG nicht dargetan.

Das hatte zur Zurückweisung des außerordentlichen Revisionsrekurses zu führen.

Rechtssätze
5
  • RS0123297OGH Rechtssatz

    30. November 2023·3 Entscheidungen

    Nach den Gesetzesmaterialien verfolgt der neue § 279 ABGB unter anderem das Ziel, jene Personenkreise abschließend zu regeln, die für die Bestellung als Sachwalter potenziell in Frage kommen. Dabei ist ein Stufenbau vorgesehen. Primär ist als Sachwalter eine von der betroffenen Person selbst gewählte oder von einer nahe stehenden Person empfohlene Person (§ 279 Abs 1 Satz 2 ABGB) heranzuziehen. Sekundär (mangels Wahl beziehungsweise Anregung oder bei fehlender Eignung der vorgeschlagenen Person) ist ein der betroffenen Person nahe stehender Mensch zum Sachwalter zu bestellen (§ 279 Abs 2 ABGB). Ist eine solche geeignete Person nicht verfügbar, ist (mit dessen Zustimmung) der örtlich zuständige Sachwalterverein nach § 1 VSPAG zu bestellen (§ 279 Abs 3 Satz 1 ABGB). Ist ein Vereinssachwalter nicht verfügbar (etwa mangels freier Kapazitäten), so ist ein Rechtsanwalt (Rechtsanwaltsanwärter) oder Notar (Notariatskandidat) oder - mit ihrer Zustimmung - eine andere geeignete Person zu bestellen (§ 279 Abs 3 Satz 2 ABGB). Rechtsanwälte und Notare (nicht aber Berufskandidaten) trifft nach Maßgabe des § 274 Abs 2 ABGB die Verpflichtung, Sachwalterschaften zu übernehmen. Nur wenn die Besorgung der Angelegenheiten der behinderten Person besondere Fachkenntnisse erfordert, ist von Vornherein - je nach der notwendigen Expertise - ein Rechtsanwalt oder Notar beziehungsweise der Sachwalterverein zum Sachwalter zu bestellen (§ 279 Abs 4 ABGB). Unter Berücksichtigung dieser Prioritätenreihung muss aber im Mittelpunkt der Entscheidung über die Auswahl eines Sachwalters immer das Wohl der betroffenen Person stehen.