JudikaturJustiz5Ob91/16t

5Ob91/16t – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. Oktober 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache des Antragstellers Univ.Prof. DDr. A***** S*****, vertreten durch Dr. Christoph Fidi, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegner 1. E***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Franz Podovsovnik, Rechtsanwalt in Wien, 2. Dr. J***** M*****, wegen §§ 16, 37 Abs 1 Z 8 MRG, über den Revisionsrekurs der Erstantragsgegnerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 18. November 2015, GZ 39 R 240/15f-12, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Hernals vom 5. Mai 2015, GZ 5 Msch 64/14p 6, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der Antragsteller ist Mieter einer im Haus *****, gelegenen Wohnung. Die Erstantragsgegnerin ist als Rechtsnachfolgerin des Zweitantragsgegners seit 19. 3. 2013 Eigentümerin dieses Hauses.

Im November 2009 hatten der Antragsteller und der Zweitantragsgegner einen bedingten Vorvertrag über die Anmietung der Wohnung geschlossen. Die Verpflichtung zum Vertragsabschluss sollte nur dann bestehen, wenn die Wohnung innerhalb von zwei Jahren ab Abschluss des Vorvertrags (aufgrund der erfolgreichen gerichtlichen Durchsetzung eines damals gegen die Verlassenschaft des Vormieters anhängigen Kündigungsverfahrens) geräumt werden könne. In einem vom Antragsteller angestrengten Verfahren auf Zuhaltung dieses Vorvertrags wurde der Zweitantragsgegner zum Abschluss eines Mietvertrags über die Wohnung verpflichtet. Dieses Urteil erwuchs am 23. 9. 2010 in Rechtskraft. Die Wohnung wurde dem Antragsteller am 28. 4. 2011 übergeben und am 23. 5. 2011 wurde ein schriftlicher Mietvertrag unterschrieben.

Der Antragsteller begehrte mit seinem am 2. 4. 2014 bei der Schlichtungsstelle eingebrachten Antrag die Überprüfung der Zulässigkeit des vereinbarten Hauptmietzinses. Das Mietverhältnis unterliege dem Richtwertgesetz und der als Mietzins vereinbarte Betrag sei bei weitem überhöht.

Die Antragsgegner bestritten. Die Erstantragsgegnerin brachte insbesondere vor, dass bereits in dem im November 2009 abgeschlossenen bedingten Vorvertrag die Konditionen des Mietvertrags genau bestimmt gewesen seien. Zufolge Eintritts der damals vereinbarten Bedingung sei damit der Mietvertrag bereits im Jahr 2009 zustande gekommen. Der Antrag sei daher präkludiert.

Das Erstgericht wies den Antrag ab. Die dreijährige Präklusivfrist des § 16 Abs 8 MRG für die Geltendmachung der Teilunwirksamkeit einer Vereinbarung beginne ab Abschluss der Mietzinsvereinbarung zu laufen. Die Mietzinsvereinbarung sei mit Rechtskraft des Urteils im Verfahren auf Vertragszuhaltung abgeschlossen. Dieses Urteil sei seit 23. 9. 2010 rechtskräftig, der erst am 2. 4. 2014 gestellte Antrag sei daher verspätet.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragstellers Folge. Es hob den angefochtenen Sachbeschluss auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Das Wesen des Vorvertrags bestehe darin, dass ein korrespondierender Wille der Parteien darüber bestehe, nicht schon den Hauptmietvertrag abzuschließen, sondern dessen Abschluss erst zu vereinbaren; die Parteien des Vorvertrags würden beschließen, die endgültige Verpflichtung hinauszuschieben und von einer – wie hier – erst in der Zukunft eintretenden Bedingung abhängig zu machen. Zwar bleibe bei Konsensualverträgen wie dem Bestandvertrag für einen Vorvertrag in der Regel kein Platz, weil der Bestandvertrag schon zustande komme, sobald sich die Parteien über die wesentlichen Punkte des Vertrags geeinigt hätten, allerdings sei ein Vorvertrag rechtlich möglich und sinnvoll, wenn – wie hier – der Eintritt einer Bedingung abgewartet werden müsse. Die dreijährige Frist zur Geltendmachung der Unwirksamkeit einer Mietzinsvereinbarung nach § 16 Abs 8 MRG beginne grundsätzlich mit dem Abschluss der Mietzinsvereinbarung. Entgegen der Rechtsansicht des Erstgerichts sei der Zeitpunkt des Eintritts der im Vorvertrag vereinbarten Bedingung nicht mit dem Zeitpunkt der Mietzinsvereinbarung gleich zu setzen. Richtigerweise sei auf den Zeitpunkt der Übergabe des Bestandobjekts oder der Unterfertigung des schriftlichen Mietvertrags abzustellen, habe der Antragsteller seinen Anspruch aus dem Vorvertrag auf Abschluss des Mietvertrags doch auch erst gerichtlich durchsetzen müssen. Solange es nicht zum Abschluss des Mietvertrags mit der – definitiven – Mietzinsvereinbarung oder zumindest zur Übergabe der Wohnung gekommen sei, könne die Präklusivfrist nicht zu laufen beginnen, auch wenn bei Abschluss des Vorvertrags die Konditionen des Mietvertrags bereits bekannt gewesen seien. Die „Mietzinsvereinbarung“ im Sinne des § 16 Abs 8 Satz 1 MRG sei erst im Hauptmietvertrag vom 23. 5. 2011 getroffen worden, die Präklusivfrist des § 16 Abs 8 Satz 2 MRG sei daher im Zeitpunkt der Antragstellung vor der Schlichtungsstelle noch nicht abgelaufen gewesen; das auch dann nicht, wenn man auf den Tag der Übergabe der Wohnung an den Antragsteller abstelle. Das Erstgericht werde daher im fortgesetzten Verfahren die behauptete Mietzinsüberschreitung und die jeweilige Passivlegitimation der Antragsgegner zu prüfen haben.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Revisionsrekurs zulässig sei. Die Frage, ab wann bei Abschluss eines Vorvertrages die Präklusivfrist des § 16 Abs 8 MRG laufe, sei noch nicht Gegenstand höchstgerichtlicher Rechtsprechung gewesen.

Gegen diese Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs der Erstantragsgegnerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss abzuändern und den erstinstanzlichen Sachbeschluss wiederherzustellen. Hilfsweise stellt sie einen Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag.

Der Antragsteller beantragt in seiner Revisionsrekursbeantwortung , dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig; er ist aber nicht berechtigt.

1. Nach § 16 Abs 8 Satz 1 MRG sind Mietzinsvereinbarungen unwirksam, soweit sie den nach den Absätzen 1 bis 7 zulässigen Höchstbetrag überschreiten. Diese Unwirksamkeit muss nach § 16 Abs 8 Satz 2 MRG bei unbefristeten Mietverträgen binnen einer Frist von drei Jahren geltend gemacht werden.

2. Die in § 16 Abs 8 Satz 2 MRG normierte Präklusivfrist für die Geltendmachung der Unwirksamkeit einer Mietzinsvereinbarung beginnt mit dem Abschluss der Vereinbarung zu laufen und nicht etwa ab erster Mietzinszahlung oder ab Beginn des Mietverhältnisses (RIS Justiz RS0112326).

3.1 Thema des Revisionsrekursverfahrens ist ausschließlich die Frage, ab wann die Präklusivfrist des § 16 Abs 8 Satz 2 MRG zu laufen beginnt, wenn die Parteien des Mietvertrags einen darauf bezogenen Vorvertrag abgeschlossen hatten. Das Rekursgericht ging davon aus, dass die Frist nicht – wie vom Erstgericht angenommen – mit Rechtskraft des Urteils über die Verpflichtung zum Abschluss eines Hauptvertrags oder – wie von der Erstantragsgegnerin in ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs angestrebt – überhaupt schon mit dem Abschluss des Vorvertrags zu laufen beginnt, sondern (erst) mit dem Abschluss des Hauptvertrags, frühestens jedoch mit dem Zeitpunkt der Übergabe des Bestandobjekts. Die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen, wonach die Parteien im November 2009 (bloß) einen Vorvertrag geschlossen haben, wird im Revisionsrekursverfahren nicht bekämpft.

3.2 Damit die Präklusionsregelung des § 16 Abs 8 Satz 2 MRG zur Anwendung kommen kann, muss jedenfalls eine Mietzinsvereinbarung vorliegen, die einerseits als rechtsgeschäftliche Einigung grundsätzlich wirksam ist, aber andererseits – der Höhe nach – bestimmten gesetzlichen Mietzinsbildungsvorschriften widerspricht und deshalb insoweit teilnichtig sein soll (5 Ob 166/10p, 5 Ob 213/15g). Zu 5 Ob 166/10p hat der erkennende Senat daher im Zusammenhang mit einer Mietzinserhöhungsvereinbarung ausgesprochen, dass eine – entgegen § 16 Abs 1 Z 5 MRG – bloß mündlich und nicht schriftlich abgeschlossene Mietzinsvereinbarung unwirksam ist und demzufolge nicht nur keiner Anfechtung nach § 16 Abs 8 Satz 2 MRG bedarf, sondern mangels Wirksamkeit der Vereinbarung einer solchen fristgebundenen Anfechtung gar nicht zugänglich ist. Der Entscheidung 5 Ob 213/15g wiederum lag die rechtsgeschäftliche Willenseinigung auf eine erst zu einem späteren Zeitpunkt festzulegende ortsübliche Miete zu Grunde. In einem solchen Fall wird die Präklusivfrist des § 16 Abs 8 Satz 2 MRG nicht schon mit der Vereinbarung, sondern erst mit der erstmaligen Vorschreibung des ziffernmäßig bestimmten Entgelts in Gang gesetzt.

3.3 Der Vorvertrag ist die Vereinbarung, in Zukunft einen Hauptvertrag zu schließen (RIS-Justiz RS0019140 [T6, T7, T8]). Damit der Vorvertrag Verbindlichkeit erlangt, muss der beabsichtigte Hauptvertrag zwar bereits weitestgehend konkretisiert und sein Abschlusszeitpunkt vorweg bestimmt sein (RIS-Justiz RS0019140 [T7], vgl auch RS0018034). Bei Vorliegen eines Vorvertrags kann aber nur der Abschluss des Hauptvertrags und nicht unmittelbar Erfüllung begehrt werden (RIS-Justiz RS0019079). Beim Vorvertrag berücksichtigt das Gesetz in Gestalt der clausula rebus sic stantibus den Wegfall der Geschäftsgrundlage (RIS-Justiz RS0017589). Die daraus resultierende Bindung ist also schwächer als die an einen Hauptvertrag. Ändern sich vertragswesentliche Umstände nachträglich wesentlich und unvorhersehbar, so verliert der Vorvertrag seine Verbindlichkeit ( P. Bydlinski in KBB, ABGB 4 § 936 ABGB Rz 4; Gruber in Kletečka/Schauer , ABGB-ON 1.02 § 936 ABGB Rz 12; Reischauer in Rummel , ABGB³ § 936 ABGB Rz 6). Wegen der geringeren Bindung ist ein triftiger Grund für den Nichtabschluss eines Vertrags dabei schon dann zu bejahen, wenn der Vertragsabschluss nicht aus sachfremden Überlegungen gescheitert ist, sondern die neu aufgetretenen Umstände den Vertragsabschluss unzumutbar erscheinen lassen (RIS-Justiz RS0016389 [T1]). Das gilt beispielsweise auch für eine erhebliche Veränderung des ortsüblichen Mietzinses (5 Ob 138/02h).

3.4 Leistungsgegenstand des Vorvertrags ist demnach die Verpflichtung zum Abschluss des Hauptvertrags, nicht die Pflicht, die Gegenstand des Hauptvertrags sein soll. Bei Abschluss eines auf die Vereinbarung eines Mietvertrags gerichteten Vorvertrags liegt daher noch keine grundsätzlich wirksame rechtsgeschäftliche Einigung über den Mietvertrag und die darin enthaltene Mietzinsvereinbarung vor, sodass die daran anknüpfende Präklusionsregelung des § 16 Abs 8 Satz 2 MRG (noch) nicht zur Anwendung kommen kann. Auch im Hinblick auf den Zweck, den der Gesetzgeber mit dieser Befristung des Anspruchs, die Unwirksamkeit einer Mietzinsvereinbarung geltend zu machen, verfolgt, ist kein Grund ersichtlich, weshalb die Frist des § 16 Abs 8 Satz 2 MRG im Falle des Abschlusses eines Vorvertrags bereits mit diesem Zeitpunkt und nicht erst bei Abschluss des Hauptvertrags zu laufen beginnen soll. Verjährungsbestimmungen verfolgen generell den Zweck, den Gläubiger zu zwingen, seinen Anspruch zu einer Zeit geltend zu machen, in der regelmäßig die Prüfung seiner Voraussetzungen noch ohne übermäßigen Aufwand möglich ist (RIS-Justiz RS0034674). Diese Präklusivfrist des § 16 Abs 8 Satz 2 MRG wurde mit dem 3. WÄG, BGBl I 1993/800 (in Kraft seit 1. 3. 1994), eingeführt (5 Ob 131/14x). Auch mit dieser Präklusionsregelung verfolgte der Gesetzgeber des 3. WÄG (vgl AB 1268 XVIII. GP 13) die Absicht, Beweisprobleme zu vermeiden, die sich daraus ergeben, dass die Angemessenheit des Hauptmietzinses stets nach den Umständen im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zu beurteilen ist (5 Ob 187/99g). Ist aber für die Beurteilung der Zulässigkeit des Mietzinses ohnedies der Zeitpunkt des Abschlusses der Mietzinsvereinbarung maßgebend (RIS-Justiz RS0070132 [T1, T5]), können aus dem Umstand, dass die Präklusivfrist auch erst mit diesem Zeitpunkt zu laufen beginnt und die Zeit zwischen dem Abschluss eines allfälligen Vorvertrags und dem Abschluss des Hauptvertrags nicht in die Präklusivfrist einzurechnen ist, keine solchen zu vermeidenden Beweisprobleme erwachsen.

4. Der Revisionsrekurs ist somit nicht berechtigt. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG. Erst mit der endgültigen Sachentscheidung können die gebotenen Billigkeitserwägungen angestellt werden (RIS-Justiz RS0123011 [T1]).

Rechtssätze
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