JudikaturJustiz5Ob551/88

5Ob551/88 – OGH Entscheidung

Entscheidung
31. Mai 1988

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik, Dr. Zehetner, Dr. Klinger und Dr. Schwarz als Richter in der Vormundschaftssache des mj. Daniel R***, geboren am 18.April 1984, unehelicher Sohn der Andrea R***, derzeit ohne Beschäftigung, Innsbruck, Zeughausgasse 4 b/3, und des Clemens S***, Croupier, Innsbruck, Lindenbühelweg 2, infolge Revisionsrekurses der Mutter, vertreten durch Dr. Max Dengg, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 18.März 1988, GZ 3 b R 40/88-36, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 25.Jänner 1988, GZ 4 P 151/84-27, teilweise bestätigt und teilweise aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der mj. Daniel R***, geboren am 18.4.1984, ist ein

uneheliches Kind der Andrea R***, die am 1.10.1984 zu dessen Vormünderin bestellt wurde. Bereits am 1.6.1984 hatte Clemens S*** vor dem Stadtmagistrat Innsbruck-Stadtjugendamt die Vaterschaft zu dem Kind anerkannt.

Am 22.10.1987 beantragte der Vater beim Erstgericht Maßnahmen im Sinne des § 176 ABGB, weil das Wohl des in Pflege und Erziehung der Mutter befindlichen Kindes gefährdet sei.

Das Erstgericht hat "die elterlichen Rechte und Pflichten im Umfang des § 144 ABGB" hinsichtlich des Kindes der Mutter entzogen und dem Vater übertragen. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:

Die Lebensgemeinschaft zwischen der Mutter und dem Vater des Kindes gestaltete sich von Anfang an konfliktreich. Daran änderte sich auch durch die Geburt des gemeinsamen Kindes nichts. Dennoch verbinden starke Gefühle die Mutter mit dem Vater und lebten die beiden bis vor rund eineinhalb Jahren mehr oder weniger zusammen, als die Beziehung endgültig in die Brüche ging. Daraufhin verblieb das Kind in der alleinigen Erziehungsgewalt der Mutter, der diese Rechte und Pflichten auch alleine eingeräumt waren. Als die beiden Elternteile sich im Sommer 1987 auf dem Wege der Versöhnung befanden, trat Andrea T*** dazwischen, die schließlich Clemens S*** für sich gewinnen konnte. Dadurch entstand zwischen den beiden Frauen ein konfliktgeladenes Konkurrentinnendenken, zumal sie zunächst Freundinnen waren. Mit Hilfe ihres neuen Freundes Clemens S*** gelang es Andrea T***, zu einem festeren und konstanteren Lebenswandel zu gelangen, der unabdingbare Voraussetzung für die Erziehung eines Kleinkindes ist. Clemens S*** konnte die Abwärtsbewegung seiner jetzigen Lebensgefährtin Andrea T***, welche einst zur (allerdings nicht rechtskräftigen) Entziehung der elterlichen Rechte und Pflichten hinsichtlich der mj. Bianca T*** geführt hatte, auffangen; die Beziehung zwischen Andrea T*** und Clemens S*** scheint sich immer mehr zu verfestigen und zu verbessern. Der Vater der minderjährigen Bianca T*** gab Ende des Jahres 1987 an, daß das die mj. Bianca betreffende Pflegschaftsverfahren seiner geschiedenen Gattin Andrea T*** eine Lehre gewesen sei und daß sich die Beziehung mit Clemens S*** auf sie äußerst günstig auswirke. Er sehe für das gemeinsame Kind Bianca keinerlei Gefahr mehr. Es sind auch trotz umfangreicher Erhebungen in diesem Vormundschaftsverfahren keinerlei Verdachtsmomente mehr in der Richtung aufgetaucht, daß Andrea T*** eine Gefährdung des Kindeswohles für den mj. Daniel R*** darstellen könnte; vielmehr unterstützt Andrea T*** durch den positiven Einfluß ihres Lebensgefährten tatkräftig dessen Erziehungsarbeit hinsichtlich des mj. Daniel, die vom Vater in letzter Zeit in jeweiliger Absprache mit der Mutter de facto durchgeführt wurde.

Clemens S*** ist als Croupier bei der S***ktiengesellschaft in Seefeld beschäftigt und ebewohnt mit Andrea T*** und deren Kind Bianca eine Wohnung in Innsbruck, Lindenbühelweg 20. Da der Vater den Nachtberuf des Croupiers ausübt, hat er untertags sowie aufgrund eines großzügigen Zeitausgleichs viel Zeit für die Kindererziehung und die Widmung seiner Person zur Förderung seines Kindes. Er hat im Gegensatz zu anderen Berufen mehr Möglichkeiten, sich um ein Kind zu kümmern, und stellt es auch kein Problem dar, im Falle einer Versetzung in ein anderes Spielkasino in Österreich das Kind und seine nicht berufstätige Lebensgefährtin mitzunehmen. Der Haupteinfluß auf den mj. Daniel bleibt trotz der Berufstätigkeit des Vaters jedenfalls gewahrt. Besonders fällt bei dem sehr verantwortungsbewußten Vater Clemens S*** auf, daß er sowohl fähig als auch bereit ist, für sein Kind selbst zu sorgen. Es ist ihm auch ein wichtiges Anliegen, den mj. Daniel seiner Mutter nicht zu entfremden und steht er nach wie vor in einem guten Grundkonsens zur Mutter, welcher eine weitere Schädigung des Kindes zu vermeiden hoffen läßt. Dem Vater ist bewußt, daß zwischen Mutter und Kind eine positive Beziehung besteht. Er ist für den Fall der Unterbringung des Kindes in seinem Haushalt vollinhaltlich damit einverstanden, daß Daniel jeweils am Wochenende zur Gänze sowie wochentags besuchweise der Mutter überlassen wird. Die Lebensgefährtin des Vaters, Andrea T*** ist mit der Übernahme einer erweiterten Erziehungsfunktion im gemeinsamen Haushalt bereit und versteht sich auch der mj. Daniel mit der mj. Bianca T*** recht gut. Schwierigkeiten diesbezüglich sind daher nicht zu erwarten.

Dieser Erziehungsmöglichkeit auf der einen Seite steht das tatsächliche Leben des mj. Daniel bei der Mutter auf der anderen Seite gegenüber. Die Lebensverhältnisse des mj. Daniel bei der Mutter können derzeit bestenfalls als gerade noch vertretbar bezeichnet werden. Dies zum einen deshalb, weil die seelische Belastbarkeit der Mutter nicht nur momentan, sondern über lange Zeiträume hinweg ihre Grenzen erreicht hat und zum anderen die Gestaltung des Alltages im mütterlichen Haushalt geradezu planlos bzw. ohne jedes Vorhandensein einer Zeiteinteilung vor sich geht. Diese Umstände,welche einander logischerweise bedingen, haben sich auf das Kind in der Vergangenheit sicherlich negativ ausgewirkt. Die Ursachen dieser Unstabilität liegen ausschließlich in der Persönlichkeitsstruktur der Mutter, welche durch eine zweifellos schwierige Kindheit bis heute nicht gelernt hat, mit sich und ihren Problemen adäquat umzugehen. Schwierigkeiten werden von ihr entweder nicht oder falsch wahrgenommen, die Lösung derselben geschieht dann auch spontan unrealistisch bzw. überhaupt nicht. Gemeint sind damit beispielsweise die Aufnahme einer Berufstätigkeit (die der Mutter gewährte Sozialhilfe läuft mit 31.3.1988 ab), zwischenmenschliche Beziehungen, die Kindererziehung, ja die Zukunftsgestaltung im allgemeinen. Die Auswirkungen für das Kind liegen auf der Hand, wenn z. B. durch die verständliche Frustration der Mutter die Existenz ihres Kindes zeitweise sekundärer Natur ist und in weiterer Folge dadurch Verwahrlosungssymptome beim Kind auftreten. In diesen langen Frustrationsphasen treten für Mutter und Kind ungünstige Männerbekanntschaften und Freizeitvergnügungen (zB nächtliches Ausgehen) in den Vordergrund. Zwar versucht Andrea R***, eine gute Mutter zu sein und ihrem Kind das Beste zu geben, sie ist jedoch nicht in der Lage, für Daniel mehr als bisher zu tun, und sind die Befürchtungen des Vaters, sein Kind habe bei der Mutter keine entsprechende Pflege und Erziehung, in vielen Punkten berechtigt. Mehrfachbelastungen der Mutter (Streitigkeiten mit ihrem Freund, materielle Unsicherheit, keine moralische Unterstützung dritter Personen) führen zu einer Flucht in eine irrationale Lebenswelt ("großes Einkommen durch Aufnahme einer Tätigkeit als Fotomodell", "die Lebensumstände werden sich ohnedies bald zu ihren Gunsten verändern"). Die Mutter lebt zeitweise in einer Scheinwelt, in der sie eine gedeihliche Kindererziehung ummöglich durchführen kann. Unter diesen Voraussetzungen ist eine günstige Erziehungsmöglichkeit des Kindes bei der Mutter in Zukunft nicht mehr gewährleistet. Die Gefahr einer Verwahrlosung des Kindes liegt in der Art der Mutterpersönlichkeit sowie in deren Mitwelt, sohin in der derzeitigen Umgebung des Kindes.

Zwar haben die Untersuchungen ergeben, daß der behauptete bedeutende Reifungs- und Entwicklungsrückstand beim mj. Daniel mit hoher Sicherheit zumindest jetzt nicht mehr gegeben ist, daß die vom Vater vorgebrachten Verwahrlosungssymptome nicht vorhanden sind und daß das Kind im Bereich der Sprache im Normbereich liegt. Andererseits besteht jedoch geradezu mit manifester Deutlichkeit eine Gefährdung des Kindeswohles durch die Lebensart und durch die Umgebung der Mutter. So verkehrte die Mutter in Suchtgiftkreisen und zeigt diesbezüglich auch keinerlei Einsicht, daß dies eine Gefährdung sowohl für sie als auch für das Kind darstellen könnte. Für sie ist das Einnehmen von Marihuana nichts besonderes und kann bei dieser Einstellung der Suchtgiftkonsum durch sie keinesfalls ausgeschlossen werden, wenngleich die Suchtgiftproblematik bei der Mutter derzeit nicht aktuell sein mag. Desgleichen muß der mj. Daniel bei der Mutter in einer Welt leben, die weit von den Anforderungen einer Integration in unsere Gesellschaft entfernt ist und sich weit vom Normbereich unserer Gesellschaft gelöst hat. Diesem Problemkreis wird der mj. Daniel in Hinkunft nicht mehr gewachsen sein. Er ist neben seiner Mutter, die über besondere Lebensansichten verfügt und in ihrem Verhalten ichbezogen sowie auf den Augenblick bezogen ist, in seinen Entwicklungs- und Entfaltungsmöglichkeiten stark gefährdet. Die Mutter vermittelt dem minderjährigen Daniel eine wenig planende Lebenseinstellung, bei welcher die Gesellschaft die Verantwortung für die Zustände trägt und nicht man selbst. Alles wird eher dem Zufall überlassen, Eigenverantwortung wird nicht übernommen und Durchsetzungsvermögen im Leben wird nicht geschult. Die Mutter würde zwar psychische und soziale Hilfestellung von außen annehmen, jedoch kann ihr diese im Rahmen eines Pflegschaftsverfahrens nicht gewährt werden, solange für das Kind eine anderweitige gute Unterbringungsmöglichkeit besteht. Erst nach zahlreichen Gesprächen gelang es, die Mutter davon zu überzeugen, daß der Minderjährige regelmäßig in den Hort im Stadtpark Pradl gehen müsse.

Unzumutbar für das Kind sich auf Einzelereignisse, welche für sich allein schon den Tatbestand des § 176 ABGB erfüllen würden: So erhält das 3,8 Jahre alte Kind - wie bei Hausbesuchen feststellbar - noch um 10 Uhr vormittags kein Frühstück, geht nackt in der Wohnung umher, wo die Mutter und deren Freund bis in den Vormittag hinein zusammen schlafen. Es tritt tagtäglich in Kontakt mit der unzuverlässigen und von wenig Verantwortung getragenen Lebensart der Mutter und deren näheren Umgebung. Materiell verwöhnende Aspekte geben oft den Ausschlag. Die Mutter des Kindes ist tagtäglich von einem Freund umgeben, der nicht davor zurückschreckt, seine Freundin zu schlagen; das Kind muß diese Gewalttätigkeiten miterleben. so hat der jetzige Lebensgefährte der Mutter das Nasenbein gebrochen. Das außerhalb der Norm liegende Lebensverhalten der Mutter und ihres Umkreises bedingt ständig weitere erziehungsschädliche Einzelereignisse.

In rechtlicher Beziehung führte das Erstgericht aus:

Gefährde der berechtigte Elternteil das Wohl eines minderjährigen Kindes, so habe das Gericht, von wem immer es angerufen werde, die zur Sicherung des Wohles des Kindes nötigen Verfügungen zu treffen. Bestehe auf Seiten des außerehelichen Vaters nicht die festgestellte, für eine gedeihliche Kindererziehung ausreichende Unterbringungsmöglichkeit, so müsse das Gericht diesfalls zwischen einer Fremdunterbringung und einer ständig eingerichteten, umfangreichen ambulanten Betreuung der Mutter und des Kindes entscheiden. Im konkreten Fall bestehe aber keine andere Möglichkeit, als der Mutter alle aus den familienrechtlichen Beziehungen zwischen Eltern und mj. Kindern erfließenden rein persönlichen Rechte und Pflichten im Umfang des § 144 ABGB zu entziehen, weil mit anderen Maßnahmen beim festgestellten Sachverhalt eine Gefährdung des Kindeswohles nicht aufgegangen werden könnte. Insbesondere sei dabei aber ausschlaggebend gewesen, daß der Vater bereit sei, den Kontakt des Kindes zur Mutter in keiner Weise zu unterbrechen, diesen vielmehr auch in Zukunft zu fördern, sodaß die für das Kind so wichtige Möglichkeit bestehe, daß ihm beide Elternteile erhalten blieben. Die rechtliche Änderung der Erziehungsverhältnisse sei daher unumgänglich gewesen; im Faktischen sei dies für das Kind jedoch nicht in diesem Maße bemerkbar. Das von der Mutter angerufene Rekursgericht bestätigte den erstgerichtlichen Beschluß, soweit damit die Pflege und Erziehung des mj. Daniel der Mutter entzogen und dem Vater übertragen worden sind; im übrigen hob es den erstgerichtlichen Beschluß auf und überließ dem Erstgericht eine allfällige weitergehende Beschlußfassung. Das Rekursgericht führte aus:

Voranzustellen sei zunächst, daß das Erstgericht zu Unrecht unter Zitierung des § 144 ABGB dem unehelichen Vater die elterlichen Rechte und Pflichten, somit auch die gesetzliche Vertretung und Vermögensverwaltung, übertragen habe. § 144 ABGB umschreibe die Rechte und Pflichten von Eltern ehelicher Kinder; diese Bestimmung sei daher im gegenständlichen Fall in Ansehung des unehelich geborenen mj. Daniel nicht heranziehbar. Hinsichtlich unehelicher Kinder habe für Pflege und Erziehung die Bestimmung des § 170 ABGB Geltung. Die gesetzliche Vertretung und Vermögensverwaltung unehelicher Kinder erfolge demgegenüber durch einen Vormund, wobei bei Nichteignung der Mutter grundsätzlich die Amtsvormundschaft zu verbleiben bzw. wieder einzutreten habe. Der uneheliche Vater könne nach dem klaren Gesetzeswortlaut (§ 198 Abs 2 ABGB) erst dann zum Vormund bestellt werden,wenn er sich in der Pflege und Erziehung des Kindes bewährt habe. Letztere Voraussetzung liege nicht vor, und es sei im übrigen auch gar keine diesbezügliche Antragstellung des Vaters gegeben, welcher in seiner Eingabe vom 22.10.1987 nur auf geeignete Maßnahmen bezüglich der Pflege und Erziehung des Kindes abgestellt habe. Dem erstinstanzlichen Beschluß sei nun allerdings nicht gesichert zu entnehmen, ob das Erstgericht amtswegig auch die Entlassung der Mutter als Vormund und die Bestellung des Vaters zum Vormund aussprechen wollte oder nicht. Hiefür spreche die erfolgte Bezugnahme - im Spruch wie auch in der Begründung - auf § 144 ABGB, welche Bestimmung auch die gesetzliche Vertretung und Vermögensverwaltung mitumfasse; in gegenteiliger Richtung deuteten wiederum die abschließenden rechtlichen Ausführungen des Erstgerichtes in der Begründung, insbesondere der vorletzte Halbsatz, wonach die rechtliche Änderung der Erziehungsverhältnisse unumgänglich gewesen sei. Inhaltlich könne so vorerst auch nur auf die mit dem erstrichterlichen Beschluß gesichert ausgesprochene Entziehung von Pflege und Erziehung wie Übertragung derselben an den Vater eingegangen werden, während der darüber hinausgehende Ausspruch aufzuheben gewesen sei, wobei es dem Erstgericht überlassen bleibe, ob es im Wege neuerlicher Beschlußfassung amtswegig - ein darauf abzielender Antrag selbst liege nicht vor - aussprechen wolle, daß auch eine Entlassung der Mutter als Vormund und eine demgemäß notwendig werdende Umbestellung geboten sei, in welchem Rahmen es allerdings auf die Bestimmung des § 254 ABGB sowie auf jene über die gesetzliche Amtsvormundschaft Rücksicht zu nehmen hätte.

Was das Recht auf Pflege und Erziehung, welches der Mutter gemäß § 170 ABGB zustehe, anlange, so sei in der Rechtsprechung ausreichend gesichert, daß diese Rechte unter den Voraussetzungen des § 176 ABGB entzogen werden könnten. Die Mutter vertrete nun hiezu in ihrem Rechtsmittel den Standpunkt, die hiefür geforderten Voraussetzungen lägen nicht vor. Es bestehe beim Kind laut Sachverständigengutachten kein Reife- und Entwicklungsrückstand. Eine Gefährdung des Kindeswohles, insbesondere eine Verwahrlosung, habe nicht eindeutig festgestellt werden können. Sie habe sich nunmehr von ihrem Freundeskreis wie auch von ihrem Lebensgefährten getrennt und den mj. Daniel in den Mittelpunkt ihrer Interessen gerückt. Sie habe auch ihre Nervenkrise positiv überwunden und sei es letztlich der Vater gewesen, auf dessen Verhalten die ihr nunmehr angelastete psychische und soziale Instabilität zurückzuführen gewesen seien.

Letzterer wider den Vater erhobene Vorwurf erweise, daß die Mutter offensichtlich die Trennung vom Vater und dessen neue Beziehung zu Andrea T*** nicht verkraftet habe, ansonsten sie wohl schwerlich trotz der nun schon monatelangen Trennung noch den Vater für ihre vorgenannte Instabilität verantwortlich machen könnte, deren Ursachen jedoch, wie vom Erstgericht aufgezeigt, anders gelagert seien. Die Persönlichkeitsstruktur der Mutter sei es nun aber, welche für die vom Erstgericht gefundene Entscheidung hinsichtlich Pflege und Erziehung spreche. Hervorzuheben seien in diesem Zusammenhang ihre vom Sachverständigen bestätigte zerrissene Haltung, ihre eigenartigen, nicht den Gesellschaftsnormen entsprechenden Grundsätze hinsichtlich Lebensführung und Lebensauffassung, ihre Ich- und Augenblicksbezogenheit, ihre wenig planende Vorausschau und ihre Gefühlsüberlassung wie ihre Abwälzung der Verantwortung für das ihr widerfahrene Negative auf Dritte bzw. die Gesellschaft, anstatt die Ursachen bei sich selbst zu suchen. Im Zusammenhang hiemit stehe ihre Flucht in eine irrationale Lebenswelt, womit wiederum naheliegenderweise Frustrationsphasen mit nachteiligen Auswirkungen der vom Erstgericht genannten Art verbunden seien. Daß die Persönlichkeitsstruktur der Mutter nicht gefestigt sei, erweise letztlich auch ihr eigenes diesbezügliches Eingeständnis vor dem Erstgericht wie die Tatsache ihres wenngleich nur kurzfristigen Aufenthaltes in der Psychiatrischen Abteilung der Universitätsklinik in Innsbruck. Bei der gegebenen Persönlichkeitsstruktur der Mutter, ihrer psychischen und sozialen Instabilität, welche nach der Aktenlage auch nicht als nur vorübergehender Natur bezeichnet werden könne, sei es aber auch höchstwahrscheinlich, daß Auswirkungen derselben auf das Kind zu befürchten, dessen Entwicklungs- und Entfaltungsmöglichkeiten in Frage gestellt und eine verantwortungsbewußte und dem Kindeswohl förderliche Pflege und Erziehung nicht mehr gewährleistet seien. Es sei zwar richtig, daß bislang ein bedeutender Reife- und Entwicklungsrückstand nicht sicher angenommen werden könne; ein solcher Rückstand sei aber bei einem Weiterverbleib des Kindes bei der Mutter ernstlich zu besorgen,welcher Gefahr vom Erstgericht im Einklang mit der abschließenden Stellungnahme des Stadtjugendamtes Innsbruck wie der Schlußfolgerung des Sachverständigen vorgebeut worden sei, welche Beschlußfassung aber auch vom Rekursgericht inhaltlich geteilt werden müsse, zumal eine günstige Zukunftsprognose in Richtung einer umgehenden Änderung der Wesensart wie der Lebensumstände der Mutter nicht zu ersehen sei, und zwar auch nicht mit Rücksicht auf ihre diesbezüglich im Rekurs aufgestellten Behauptungen, welche ihr gar nicht wegzuleugnendes Interesse am Kind manifestieren mögen, aber nichts daran ändern könnten, daß nach den Ergebnissen des erstinstanzlichen Verfahrens ihr Bemühen um das Kind nicht zu einer sachgerechten Interessenswahrung für dasselbe führen könne. Ein Wechsel in Pflege und Erziehung sei hiemit vom Erstgericht zu Recht als geboten angesehen worden, wobei sich abschließend in Überprüfung der Aktenlage auch keine Bedenken gegen die Eignung des Vaters hinsichtlich dieser ihm nunmehr übertragenen Funktionen ergäben. Gegen den bestätigenden Teil der rekursgerichtlichen Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Mutter mit dem Antrag, den erstgerichtlichen Beschluß vom 1.10.1984, mit welchem die Mutter zur Vormünderin bestellt worden ist, wiederherzustellen. Die Mutter macht zusammengefaßt geltend, daß sie die ihr angelastete psychische und soziale Instabilität nunmehr positiv überwunden habe. Sie habe sich von ihrem Lebensgefährten und ihrem bisherigen Freundeskreis getrennt und sei nun bemüht, dem mj. Daniel eine gute Mutter zu sein; sie sei auch bereit, mit dem Stadtjugendamt Innsbruck zusammenzuarbeiten. Ihre Persönlichkeitsstruktur habe sich stabilisiert, sie befasse sich mit der vorausschauenden Planung ihres Lebens und des Lebens ihres Kindes. Aus diesen Gründen sowie deshalb, weil beim mj. Daniel Reife- und Entwicklungsrückstände nicht festgestellt werden konnten, sei es nicht gerechtfertigt, das Kind aus seiner gewohnten Umgebung herauszureißen und das Recht auf Pflege und Erziehung von ihr auf den Vater zu übertragen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist - abgesehen davon, daß (wie zum Rechtsmittelantrag zu bemerken ist) der erstgerichtliche Beschluß vom 1.10.1984, mit welchem die Mutter zur Vormünderin des mj. Daniel bestellt worden ist, ohnehin weiter aufrecht besteht - unzulässig. Der bestätigende Teil der rekursgerichtlichen Entscheidung, gegen den sich der Revisionsrekurs seiner Anfechtngserklärung und seinen Ausführungen nach richtet, könnte nur im Sinne des § 16 AußStrG (SZ 57/119, EFSlg 52.736, 52.737 ua) wegen offenbarer Gesetz- oder Aktenwidrigkeit oder wegen einer begangenen Nullität angefochten werden. Keiner dieser Beschwerdegründe, insbesondere auch nicht jener der offenbaren Gesetzwidrigkeit, wird von der Mutter geltend gemacht.

Nach § 170 ABGB stehen die Pflege und Erziehung eines unehelichen Kindes zunächst der Mutter allein zu; ist die Mutter in der Weise des § 145 Abs 1 Sate s ABGB betroffen - dazu gehört der hier interessierende Fall, daß der Mutter die Pflege und Erziehung ganz entzogen worden sind - , so stehen diese Rechte dem Vater, dessen Vaterschaft festgestellt ist, zu. Nach § 176 Abs 1 ABGB sind die zur Sicherung des Wohles des minderjährigen - ehelichen oder unehelichen (Erläuterungen der Regierungsvorlage zum KindG BGBl.1977/403, 60 BlgNR 14.GP 33; Koziol-Welser7 II 237; Gschnitzer-Faistenberger, Familienrecht2, 136; EFSlg 31.346, 45.836, 48.385 ua, zuletzt etwa 5 Ob540/88) - Kindes nötigen Verfügungen, etwa die Entziehung der Pflege und Erziehung, zu treffen, wenn die Eltern durch ihr Verhalten das Wohl des Kindes gefährden, wobei das Gericht die elterlichen Rechte durch seine Verfügung nur so weit beschränken darf, als dies zur Sicherung des Wohles des Kindes nötig ist (§ 176 Abs 3 ABGB).

Im gegenständlichen Fall sind die Vorinstanzen aufgrund der eingehenden Feststellung der für die Entscheidung erheblichen Umstände übereinstimmend zu dem Ergebnis gelangt, daß die Mutter durch ihr Verhalten bei der Pflege und Erziehung des Kindes dessen Wohl gefährdet, der Vater hingegen zur Pflege und Erziehung des Kindes geeignet und in der Lage ist, weshalb die Pflege und Erziehung des Kindes der Mutter zu entziehen und dem Vater zu übertragen sind. Daß diese nach den gegebenen Umständen im Rahmen des pflichtgemäßen richterlichen Ermessens zu treffende Entscheidung der klar ausgedrückten Absicht des Gesetzgebers widerspräche (insbesondere durch die gänzliche Außerachtlassung des Kindeswohles), gegen Grundprinzipien des Rechtes verstieße, willkürlich oder gar mißbräuchlich erfolgt wäre (vgl. dazu EFSlg 52.758, 52.759, 52.777, 52.779 ua), vermag die Mutter nicht darzutun.

Der außerordentliche Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen. Ob und gegebenenfalls welche Konsequenzen für die Stellung der Mutter als gerichtlich bestellter Vormünderin des Kindes aus der Entziehung der Pflege und Erziehung abzuleiten sind, wird das Erstgericht - wie das Rekursgericht richtig erkannt hat - unter Bedachtnahme auf § 254 ABGB (§ 176 Abs 2 ABGB ist hier nicht anwendbar) zu entscheiden haben.