JudikaturJustiz5Ob535/81

5Ob535/81 – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. Oktober 1981

Kopf

SZ 54/148

Spruch

Wenn beide Ehegatten gemeinsam Ware aussuchen, die Kaufpreise akzeptieren und erklären, daß mit Erlagschein bezahlt werde, haften sie solidarisch für die Erfüllung der Kaufpreisschuld; die Vertretungsregelung des § 96 ABGB ist nicht anzuwenden

OGH 20. Oktober 1981, 5 Ob 535/81 (OLG Wien 13 R 183/80; LGZ Wien 8 Cg 148/78)

Text

Die Beklagte und ihr damaliger Ehemann Reinhard G kauften seit Ende 1975 im Textil- und Parfumeriekleinhandelsgeschäft der Klägerin - einer offenen Handelsgesellschaft - ein. Sie kamen gemeinsam in das Geschäft, suchten Ware aus und erklärten, wenn ihnen die Kaufpreissumme genannt wurde, daß mit Erlagschein bezahlt werde. Dies geschah auch bis zur Jahresmitte 1976. Sie wurden auf Grund ihrer besonders großzügigen Einkäufe höflichst bedient. Die Klägerin hielt auf Zetteln, die von den Eheleuten G durchgesehen, aber nicht bestätigt wurden, fest, was sie gekauft hatten, ihnen mitgegeben wurde, aber noch nicht bezahlt war. Die ihnen bekanntgegebenen Summen wurden von den Eheleuten akzeptiert und dann auch bezahlt. Sie bekamen immer den Einkaufszettel und den Kassastreifen mit. Niemand sorgte sich bei der Klägerin, daß die Beklagte und ihr Ehemann nicht imstande seien, die Einkäufe zu bezahlen. Sie kauften so reichlich Ware - zu 70% Damenartikel und zu 30% Herrenartikel - ein, daß diese von einer Person auch in einigen Jahren nicht selbst verbraucht werden konnten. Der Klägerin war bekannt, daß es sich um ein Ehepaar handelte.

Anfang Juni 1976 hatte die Klägerin aus diesen Verkäufen eine offene Forderung von rund 50 000 S. Am 10. Juni 1976 erhielt die Klägerin eine Überweisung des Vaters der Beklagten von 105 000 S mit dem Vermerk "für Rechnung G". Die Klägerin wußte, daß der Zahler der Vater der Beklagten ist. Noch am 10. Juni 1976 wurde das durch die Überweisung bewirkte Guthaben von rund 55 000 S durch umfangreiche Einkäufe der Eheleute G zum Großteil verbraucht. Für den Restbetrag von 20 000 S stellte die Klägerin einen Scheck aus, womit kein Teil dem anderen etwas schuldete.

Am 16. Juni 1976, 1. Juli 1976, 14. Juli 1976, 22. Juli 1976 und 3. August 1976 tätigten die Beklagte und ihr Ehemann Großeinkäufe. Die daraus aufgelaufene Kaufpreisforderung der Klägerin betrug schließlich 81 565 S und sollte wie früher mit Erlagschein bezahlt werden.

Auf einer Postkarte, die die Beklagte unter dem Zwang ihres Ehemannes Reinhard G geschrieben haben mag, wurde der Ehemann der "Geschäftsführerin" der Klägerin verständigt, daß die Ehegatten G auf die Zahlungen natürlich nicht vergessen werden. Die Beklagte hatte vor der Eheschließung einen gehobenen Lebensaufwand und meinte, sich auch in der Ehe nicht einschränken zu müssen. Deshalb kaufte sie gemeinsam mit ihrem Ehemann bei der Klägerin reichlich ein. Diese Ehe wurde im April 1978 rechtskräftig geschieden.

Die Klägerin nahm mit der am 14. Juli 1978 erhobenen Kaufpreisklage die Beklagte und Reinhard G als Gesamtschuldner auf Zahlung ihrer Forderung von 81 565 S samt Zinsen in Anspruch. Sie seien stets gemeinsam als Käufer aufgetreten. Die Beklagte habe nie in Abwesenheit ihres Gatten eingekauft oder erklärt, sie kaufe in seinem Namen ein. Der Umfang ihrer Einkäufe stehe in keinem Zusammenhang mit einer üblichen Haushaltsführung und in keinem Verhältnis zum Einkommen des Mannes. Beide Teile hätten erklärt, mit Erlagschein zu zahlen. Jeder habe für seine Bedürfnisse Waren ausgesucht, die Beklagte habe auch Ware zur Probe mitgenommen und einzelne Stücke zurückgestellt, dabei aber wieder neue Ware mitgenommen.

Über das gegen Reinhard G erhobene Zahlungsbegehren entschied das Erstgericht am 20. Feber 1979 mit stattgebendem Versäumungsurteil.

Die Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen. Sie habe ihren Ehemann für wohlhabend gehalten und nur über seine Einladung die Einkäufe bei der Klägerin getätigt. Er habe die geschäftlichen Unterhandlungen mit der Klägerin geführt und ihr die von ihm gekauften Waren als Unterhalt, in geringem Umfang als Geschenke zugewendet. Sie habe kein Einkommen, ihr Mann immerhin einiges Einkommen gehabt. Er habe Verfehlungen zu Lasten ihres Vaters begangen und diesem vielfach Schecks oder Überweisungsaufträge herausgelockt und diese verfälscht. So sei es auch zu der Überweisung von 105 000 S an die Klägerin gekommen, weil Reinhard G dem Schwiegervater einen Überweisungsauftrag über 5000 S herausgelockt und die Ziffer 1 und 0 vorangefügt habe. Ihr Vater H habe seinen Rückforderungsanspruch von 100 000 S an die Beklagte abgetreten. Sie wende diese Forderung aufrechnungsweise ein.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren in Ansehung des Kapitals und der gesetzlichen Zinsen statt und wies das diese übersteigende Zinsenmehrbegehren ab. Es sprach aus, daß eine Gegenforderung der Beklagten nicht zu Recht bestehe. Es bestehe eine Solidarhaftung im Sinne des § 888 ABGB, weil die Beklagte stets mit ihrem Ehemann gemeinsam als Käuferin aufgetreten sei und nie in Abwesenheit des Ehemannes bei der Klägerin kaufte oder erklärte, sie kaufe in Vollmachtsnamen ein. Das Ausmaß der Einkäufe habe eine Unterhaltsleistung des Reinhard G an die Beklagte überstiegen. Eine "rechtskräftige" Forderung des Vaters der Beklagten an die Klägerin sei nicht behauptet worden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge und bestätigte das Urteil des Erstgerichtes unter Herstellung eines dreigliedrigen Spruches. Die Vorschrift des auf die im Jahr 1976 getätigten Einkäufe anzuwendenden § 96 ABGB schränke im dritten Satz die Grundregel des ersten Satzes, wonach der Ehegatte, der den gemeinsamen Haushalt führt und keine Einkünfte hat, den anderen bei den Rechtsgeschäften des täglichen Lebens, die er für den gemeinsamen Haushalt schließt und die ein den Lebensverhältnissen der Ehegatten entsprechendes Maß nicht übersteigen, vertritt, im Interesse des Gläubigerschutzes dahin ein, daß beide Ehegatten zur ungeteilten Hand haften, wenn der Dritte aus den Umständen nicht erkennen kann, daß der handelnde Ehegatte als Vertreter auftritt. Dies sei der Fall, weil die Beklagte an den gemeinsamen Einkäufen der Ehegatten dadurch mitgewirkt habe, daß alle diese Einkäufe gemeinsam vorgenommen wurden und beide Ehegatten erklärten, die ihnen bekanntgegebenen schriftlich festgehaltenen Rechnungssummen mit Erlagschein zu bezahlen. Soweit die für den gemeinsamen Haushalt getätigten, ein den Lebensverhältnissen der Ehegatten entsprechendes Maß nicht übersteigenden Einkäufen erfolgten, ohne daß der Klägerin die familiären und finanziellen Verhältnisse der Beklagten bekannt waren, ergebe sich das Gesamtschuldverhältnis bereits aus dem Gesetz. Sollten die Einkäufe aber dieses Maß überstiegen haben oder nicht für den gemeinsamen Haushalt getätigt worden sein, sei nach der Übung des redlichen Verkehrs anzunehmen, daß sich Ehegatten anläßlich gemeinsamer Einkäufe ohne Unterscheidung zwischen einem Kauf des einen und des anderen Teiles und der nach Bekanntgabe des gesamten Rechnungsbetrages erfolgten Zusage, diesen mit Erlagschein zu zahlen, solidar verpflichten und nicht anteilig oder nur für den Teil des Einkaufes haften, der auf eher für den einen oder den anderen Ehegatten bestimmte Waren entfalle. Das Erstgericht sei auch zutreffend davon ausgegangen, daß die bis zur Höhe der Forderung der Klägerin eingewendete Gegenforderung nicht zu Recht bestehe. Von dem behaupteten "Rückforderungsanspruch" ihres Vaters könne nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten nicht die Rede sein, weil sie weder behauptete, daß die Klägerin an der betrügerischen Vorgangsweise des Reinhard G mitwirkte, noch eine Bereicherung der Klägerin dargetan sei. Die Klägerin sei zur Annahme der ihr zugegangenen Zahlung von 105 000 S und zur Verrechnung dieses Betrages mit den Ehegatten G berechtigt gewesen, weil diese durch den Vermerk "Rechnung G" in der Überweisung als Begünstigte genannt waren. Ein Rückforderungsanspruch des Überweisenden könne aus dem von der Beklagten behaupteten Sachverhalt nicht abgeleitet werden.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Da die hier geltend gemachte Kaufpreisforderung der Klägerin aus von Ehegatten auf Kredit getätigten Einkäufen von Textil- und Parfumeriewaren zwischen dem 16. Juni 1976 und dem 3. August 1976 stammt, ist die Anwendbarkeit des § 96 ABGB in der seit dem 1. Jänner 1976 und daher auf diese Rechtsgeschäfte anzuwendenden Fassung des Bundesgesetzes über die Neuordnung der persönlichen Rechtswirkung der Ehe vom 1. Juli 1975, BGBl. 412, zu erörtern. Mit dieser Bestimmung wurde die früher aus den §§ 92 und 1029 ABGB abgeleitete sogenannte Schlüsselgewalt in Abkehr von der in der Regierungsvorlage vorgeschlagenen Lösung, wonach jeder Ehegatte bei den Rechtsgeschäften des täglichen Lebens, die er für den gemeinsamen Haushalt schließt und die ein den gemeinsamen Lebensverhältnissen der Ehegatten entsprechendes Maß nicht übersteigen, auch den anderen vertritt, sofern dieser nicht dem Dritten zu verstehen gab, daß er von seinem Ehegatten nicht vertreten sein wolle, und aus solchen Vorträgen beide Ehegatten zur ungeteilten Hand haften, also einer Drittschutzregelung mit Solidarhaftung in allen Schlüsselgewaltfällen, im Sinne eines Kompromisses zwischen den schwer zu vereinenden Zielsetzungen geregelt, den Ehegatten, der den gemeinsamen Haushalt führt und der keine eigenen Einkünfte hat, vor der Inanspruchnahme durch den Dritten zu schützen, mit dem er im Rahmen der Haushaltsführung ein Rechtsgeschäft schließt, andererseits die Gläubigerrechte dieses Dritten zu wahren (vgl. RV 851 BlgNR, XIII. GP; AB 1662 BlgNR, XIII. GP, 149; Köhler in Klang[2], Ergänzungsband, 26; Rummel, Die Schlüsselgewalt nach neuem österreichischen Recht, JBl. 1976, 136; Migsch in Floretta, Das neue Ehe- und Kindschaftsrecht, 49). Anwendungsvoraussetzungen des § 96 ABGB sind kumulativ, daß der Ehegatte, der das Rechtsgeschäft des täglichen Lebens abschließt, den gemeinsamen Haushalt der Ehegatten führt und keine - nennenswerten (Ent - Hopf, Neuordnung der persönlichen Rechtswirkungen der Ehe, 146) - Einkünfte hat, daß das Kreditgeschäft für den gemeinsamen Haushalt geschlossen wird und ein den Lebensverhältnissen der Ehegatten entsprechendes Maß nicht übersteigt, und daß der andere Ehegatte dem Dritten (Vertragspartner des einen Ehegatten) nicht zu erkennen gegeben hat, daß er von seinem Ehegatten nicht vertreten sein wolle. Liegen alle diese Voraussetzungen vor und kann der Dritte aus den Umständen erkennen, daß der handelnde Ehegatte als Vertreter auftritt, haftet dem Dritten nur der andere Ehegatte. Der Vertrag kommt nur zwischen diesem und dem Dritten zustande, der handelnde Ehegatte ist - ohne daß es der Offenlegung bedürfe - Vertreter und kann selbst nicht aus dem Vertrag in Anspruch genommen werden. Kann aber der Dritte aus den Umständen nicht erkennen, daß der handelnde Ehegatte als Vertreter auftritt - Handeln im eigenen Namen wäre ihm bei allzu wörtlicher Anwendung des § 96 ABGB gar nicht möglich (Koziol, Entschuldbare Fehlleistungen des Gesetzgebers? JBl. 1976, 170) -, haftet der handelnde Ehegatte mit dem Vertretenen zur ungeteilten Hand (§ 96 letzter Satz ABGB).

Auf die unterschiedliche Beurteilung der an den Dritten zu stellenden Sorgfaltsanforderungen (Rummel a.a.O., 138; so auch Migsch a.a.O., 49; aber Schwind, EheR[2], 76) ist hier nicht einzugehen, weil es sich bei § 96 ABGB insgesamt um eine Vertretungsregelung handelt, die dann, wenn beide Ehegatten gemeinsam handelnd in die Vertragsbeziehung zu dem Dritten traten, Ware aussuchten, die ihnen bekannt gegebenen Kaufpreisbeträge akzeptierten und erklärten, daß mit Erlagschein bezahlt werde, gar nicht Platz greift. Damit ist aber die Feststellung, daß die Beklagte damals den gemeinsamen Haushalt führte, was sie im Verfahren erster Instanz nicht einmal behauptete, und keine Einkünfte hatte, für die rechtliche Beurteilung entbehrlich. Die Revisionswerberin wendet sich auch selbst gegen die Beurteilung des Sachverhaltes nach § 96 ABGB, allerdings zur Vermeidung der daraus vom Berufungsgericht abgeleiteten Solidarhaftung und nur aus der Erwägung, daß die reichlich gekauften Waren auch in einigen Jahren von einer Person nicht selbst verbraucht werden konnten. Daß die Beklagte und ihr Ehemann innerhalb von etwa sieben Wochen Textil- und Parfumeriewaren um 81 565 S kauften, obwohl die Beklagte nach ihrer eigenen Darstellung keine Einkünfte und ihr Ehemann "nur immerhin einiges Einkommen" hatte, spricht auch gegen die Annahme von Rechtsgeschäften des täglichen Lebens, die ein den Lebensverhältnissen der Ehegatten entsprechendes Maß nicht überstiegen. Die Beklagte geht aber in ihrer Meinung fehl, aus der Unanwendbarkeit des § 96 ABGB auf den festgestellten Sachverhalt folge, daß sie für den Kaufpreis nicht oder nicht für den ganzen Betrag hafte. Es ist unbedenklich, daß Ehegatten, die gemeinsam als Käufer auftreten, kaufen und Zahlung mit Erlagschein zusagen, für die Erfüllung der Kaufpreisschuld solidar haften, weil sie gemeinsam dem Dritten als Vertragspartner gegenüberstehen (Rummel a.a.O., 140; RV 851 BlgNR, XIII. GP; Migsch a.a.O., 50; EvBl. 1958/344). Ob die von ihnen gekauften Waren von dem einen oder anderen Teil verwendet werden sollten, hat auf die Verpflichtung als Gesamtschuldner keinen Einfluß, zumal auch die Menge der gekauften Waren eine andere Verwendung, wie etwa die Weitergabe, annehmen ließe.

Schließlich hat das Berufungsgericht auch den Bestand der Gegenforderung ohne Rechtsirrtum verneint. Feststellungsmängel als Folge unrichtiger rechtlicher Beurteilung liegen insoweit nicht vor. Die Beklagte hat nur behauptet, ihr damaliger Ehemann habe durch betrügerische Fälschung des auf 5000 S lautenden Überweisungsauftrages auf 105 000 S ihren Vater geschädigt, aus dessen Vermögen solcherart ein Betrag von 100 000 S gegen seinen Willen der Klägerin zugekommen sei. Die Klägerin sei nicht berechtigt gewesen, die Überzahlung an Reinhard G zurückzustellen. Ihr Vater habe ihr seinen Rückforderungsanspruch abgetreten.

Der Kondiktionsanspruch setzt aber eine rückgängig zu machende, ungerechtfertigte Vermögensverschiebung voraus (Koziol - Welser, Grundriß[5] I, 322). Daran fehlt es hier. Die Zahlung von 105 000 S ging auf dem Konto der Klägerin mit dem Vermerk "Rechnung G" ein. Sie durfte daher den nicht durch die bei Zahlungseingang bestandene Kaufpreisschuld und den Kaufpreis für die sogleich wieder neu gekauften Waren aufgebrauchten Restbetrag mit den Begünstigten abrechnen, auch wenn im Überweisungsauftrag der Vater der Beklagten als Einzahler angeführt war. Da die Klägerin schon nach den Behauptungen der Beklagten an der angeblichen betrügerischen Vorgangsweise des Reinhard G keinen Anteil hatte und davon nicht wissen konnte, hat sich der Geschädigte an den zu halten, der ihm den Überweisungsauftrag herausgelockt hat und dem dieser offenbar anvertraut war, so daß eine Verfälschung des Betrages möglich wurde. Schon daran scheitert der angeblich der Beklagten abgetretene Anspruch ihres Vaters gegen die Klägerin (vgl. SZ 27/221).

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