JudikaturJustiz5Ob508/94

5Ob508/94 – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. Januar 1994

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.F.A.Adamovic und Dr.Baumann als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 19.November 1992 verstorbenen Johann G*****, wohnhaft gewesen in ***** G*****, O*****gasse 14, infolge Revisionsrekurses der Witwe Barbara G*****, ***** Graz, O*****gasse 14, vertreten durch Dr.Siegfried Leitner, Rechtsanwalt in Graz, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Graz als Rekursgericht vom 29.September 1993, GZ 3 R 242/93-55, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Graz vom 30.Juli 1993, GZ 18 A 414/92-45, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Zum Nachlaß des Johann G***** haben dessen minderjähriger Sohn Thomas G***** und die nunmehrige Rechtsmittelwerberin bedingte Erbserklärungen abgegeben. Beide berufen sich auf die gesetzliche Erbfolge; während jedoch die Witwe ihre Erbserklärung von vorne herein auf ein Drittel des Nachlasses beschränkte (ON 34), hat der Sohn in seinem zeitlich voraugehenden Schriftsatz (ON 33) keine diesbezügliche Einschränkung gemacht.

Mit Beschluß vom 30.7.1993 (ON 45) hat das Erstgericht die Erbserklärung des Sohnes "in der Höhe von 2/3", jene der Witwe zu 1/3 des Nachlasses angenommen. Begründet wurde dies damit, daß die auf das Gesetz gestützte Erbserklärungdes Sohnes entsprechend auszulegen sei.

In Stattgebung eines diesbezüglichen Rekurses des Sohnes strich das Gericht zweiter Instanz aus diesem Beschluß den die Erbserklärung des Sohnes einschränkenden Zusatz "in der Höhe von 2/3". Es führte aus, daß in der Erbserklärung nicht anzugeben sei, in welchem Ausmaß der Nachlaß beansprucht wird. Bei Erfüllung der formellen Voraussetzungen müsse sie das Verlassenschaftsgericht so annehmen, wie sie abgegeben wurde, ohne sich auf eine "Auslegung" - insbesondere in bezug auf die Quote - einzulassen.

Die Entscheidung des Rekursgerichtes enthält den Ausspruch, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,- übersteigt, der ordentliche Revisionsrekurs jedoch nicht zulässig sei. Rechtsfrage der in § 14 Abs 1 AußStrG genannten Art seien nämlich nicht zu lösen.

Im nunmehr vorliegenden außerordentlichen Revisionsrekurs begehrt die Witwe die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses. Die Zulässigkeit ihres Rechtsmittels begründet sie mit dem Fehlen einer höchstgerichtlichen Judikatur zur Frage, wie eine auf das Gesetz gestützte, diesem aber widersprechende Erbserklärung zu behandeln sei; in der Sache selbst vertritt sie den Standpunkt, daß bei Annahme der Erbserklärung sehr wohl geprüft werden müsse, ob bzw inwieweit der Nachlaß dem Erbansprecher überhaupt eingeantwortet werden könne. Da § 757 Abs 1 ABGB der Witwe eine gesetzliche Erbquote von 1/3 gewähre, sei die sich gesetzwidrigerweise (auch) auf diesen Anteil beziehende Erbserklärung des Sohnes zurückzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil in Judikatur und Lehre widersprüchliche Auffassungen darüber bestehen, ob in einer Erbserklärung die in Anspruch genommene Erbquote anzugeben ist (siehe dazu die Hinweise in JBl 1992, 182); er ist jedoch nicht berechtigt.

Die Auffassung der Rechtsmittelwerberin, eine Erbserklärung entspreche nicht dem Gesetz (und könne daher ganz oder teilweise zurückgewiesen werden), wenn sie die in Anspruch genommene Erbquote nicht nennt, wird - wenn auch nicht mit allen hier verlangten Konsequenzen - tatsächlich von einem Teil der Lehre vertreten (Kralik, Erbrecht, 323; Welser in Rummel2, Rz 7 zu §§ 799, 800 ABGB; Regina Haunschmidt-Franz Haunschmidt, Erbschaft und Testament, Rz 103). Andere Lehrmeinungen (Stubenrauch I, 976; Krasnopolski, Österreichisches Erbrecht, 265 bei FN 7; Eccher in Schwimann, Rz 27 zu § 799 ABGB) und die Praxis (NZ 1927, 35; LGZ Wien in NZ 1953, 110) halten die Angaben der Erbquote für entbehrlich, weil das Gesetz (§ 121 AußStrG iVm §§ 799, 800 ABGB) dieses Inhaltserfordernis nicht nennt.

Der erkennende Senat schließt sich der vom Obersten Gerichtshof schon einmal vertretenen Meinung an, daß die Anführung der in Anspruch genommenen Erbquote nicht zum notwendigen Inhalt einer Erberklärung gehört (NZ 1927, 35), mag eine entsprechende Angabe auch durchaus zweckmäßig sein, um allfällige Widersprüche in den Erbserklärungen sofort und eindeutig zu erkennen (vgl Kralik aaO). Die Funktion der Erbserklärung erschöpft sich nämlich in der Geltendmachung des Anspruchs auf Einantwortung des Nachlasses, über die sodann vom Verlassenschaftsgericht in einem amtswegig durchzuführenden Verfahren zu entscheiden ist. Die vorausschauende Bezifferung der Erbquote ist bei Abgabe der Erbserklärung oft gar nicht möglich, da sich Verschiebungen nach dem Recht der Anwachsung ergeben können. Andererseits ist der Fall denkbar, daß ein Erbansprecher bei Abgabe seiner Erbserklärung gar nicht weiß, ob sein Anspruch mit dem Erbrecht eines (vielleicht gar nicht bekannten) Miterben kollidiert. Folgerichtig läßt die Judikatur die nachträgliche Änderung der in einer Erbserklärung angegebenen Erbquote zu (JBl 1992, 182); auch ohne solche Änderung hätte das Verlassenschaftsgericht die "richtige", also mit den Ergebnissen der Verlassenschaftsabhandlung übereinstimmende Einantwortung zu beschließen.

Keinesfalls darf anläßlich der Annahme einer Erbserklärung über die dem Erbansprecher zukommende Erbquote abgesprochen werden. Eine materielle Erledigung findet nämlich die Erbserklärung immer erst durch die Einantwortung (Swoboda - Bartsch, Erbrecht, Pkt 387). Der Akt der Annahme soll lediglich den Kreis der am Verlassenschaftsverfahren beteiligten Erbansprecher festlegen und darf im Hinblick auf die ausdrücklich gesetzliche Anordnung in §§ 122, 125 AußStrG, wonach alle - auch einander widersprechende - formgültige Erbserklärungen anzunehmen sind, nur verweigert werden, wenn die Einantwortung des Nachlasses aufgrund des angegebenen Titels nicht einmal theoretisch in Frage kommt (vgl SZ 60/7 uva). Echte Widersprüche zwischen Erbserklärungen verschiedener Erbansprecher sind - sofern der Außerstreitrichter kein Einvernehmen der Beteiligten erzielen kann - in dem gemäß §§ 125, 126 AußStrG einzuleitenden Rechtsstreit klären.

Die vom Rekursgericht vorgenommene Korrektur des erstgerichtlichen Beschlusses entsprach daher dem Gesetz. Sollte - was allenfalls noch zu klären wäre - mit der nicht auf eine bestimmte Quote festgelegten Erbserklärung des Sohnes des Erblassers tatsächlich beabsichtigt gewesen sein, das Erbrecht der Witwe zu bestreiten, wird das Erstgericht gemäß § 126 Abs 2 AußStrG durch die Verteilung der Parteirollen die Grundlagen für einen Erbrechtsstreit zu schaffen und die Ergebnisse eines hierüber eingeleiteten Prozesses abzuwarten haben. Andernfalls kann das Verlassenschaftsverfahren schon jetzt fortgeführt werden (vgl GlUNF 11.666). Die Bestimmung der Erbquoten wird jedenfalls erst im Einantwortungsbeschluß vorzunehmen sein.