JudikaturJustiz5Ob308/03k

5Ob308/03k – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. Februar 2004

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann und Dr. Baumann und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Außerstreitsache der Antragstellerin Gerda K*****, vertreten durch Stangl Ferstl, Rechtsanwaltspartnerschaft in Wiener Neustadt, wider die Antragsgegnerin Bernadette R*****, vertreten durch Hajek Boss Wagner, Rechtsanwälte OEG in Eisenstadt, wegen § 37 Abs 1 Z 14 MRG iVm § 27 MRG (Streitwert EUR 18.784,20 sA), infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichtes Eisenstadt als Rekursgericht vom 19. Oktober 2003, GZ 13 R 246703d 28, womit der Sachbeschluss des Bezirksgerichtes Eisenstadt vom 8. August 2003, GZ 2 Msch 2/03y 23, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin wird Folge gegeben.

Die Sachbeschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Text

Begründung:

Die Antragsgegnerin war Mieterin der im Eigentum der O*****genossenschaft stehenden Wohnung Nr 7 im Haus ***** in *****. Für von ihr in der Wohnung vorgenommene Investitionen und Einrichtungsgegenstände verlangte sie vom Nachmieter Gunnar K***** einen Betrag von S 1,654.430 (EUR 120.232,12). Die Antragstellerin traf mit der Antragsgegnerin im März 1993 eine Vereinbarung, wonach sie sich (für ihren Sohn Gunnar K*****) verpflichtete, der Antragsgegnerin den Betrag von S 1,654.430 (EUR 120.232,12) für Investitionen und Einrichtungsgegenstände in der Wohnung zu bezahlen.

Am 6. 3. 1993 trat Gunnar K***** vor der O*****genossenschaft in die Nutzungsrechte der Antragsgegnerin an der bezeichneten Wohnung mit 1. 4. 1993 ein. Gunnar K***** wurde dabei von der Genossenschaft über die Bestimmung des § 17 WGG betreffend Investitionsersatz und verbotene Vereinbarungen gemäß § 27 MRG belehrt.

Am 13. 4. 1993 zahlte die Antragstellerin für ihren Sohn Gunnar K***** der Antragsgegnerin aufgrund des abgeschlossenen "Kaufvertrags" einen Betrag von S 1,3 Mio (EUR 94.474,06). Die Antragsgegnerin benützte die Wohnung bis Ende August 1993 weiter. Ab dem Zeitpunkt der Übergabe der Wohnung zahlte die Antragstellerin restliche Ablösebeträge von monatlich S 13.604 (EUR 988,64) beginnend mit 2. 9. 1993. Die Zahlungen wurden von der Antragstellerin aus ihrem Vermögen für ihren Sohn Gunnar K***** geleistet. Gunnar K***** hat seine Ansprüche gegen die Antragsgegnerin mit Vereinbarung vom 16. 5. 2003 der Antragstellerin abgetreten.

Als im Jahr 2002 die Antragstellerin und ihr Sohn ihrerseits die Wohnung weitergeben wollten und einen Gutachter über den Wert der Investitionen und Fahrnisse bestellten, ergab sich, dass der Neuwert der von der Antragsgegnerin übernommenen Gegenstände unter dem von der Antragstellerin bezahlten Zeitwert liegt.

Mit dem verfahrenseinleitenden Antrag begehrt die Antragstellerin jenen Teil der Ablösezahlungen, die sie nach dem 1. 3. 1994 an die Antragsgegnerin geleistet hat, somit insgesamt S 258.576 (EUR 18.784,18). Die von der Antragsgegnerin bei Abtretung ihrer Mietrechte überlassenen Investitionen und das übergebene Inventar habe nur einen Zeitwert von S 887.704 (EUR 64.511,97) gehabt. Der über diesen Wert hinausgehende Betrag in der Höhe von S 766.002 (EUR 55.667) stelle daher eine unzulässige Ablöse im Sinn des § 27 Abs 1 MRG iVm § 17 WGG dar. Derartige Zahlungen, die nach dem 1. 3. 1994 geleistet worden seien, unterlägen der 10jährigen Verjährungsfrist des § 27 Abs 3 MRG. Die Antragstellerin begehre daher die Rückerstattung dieses Betrags.

Die Antragsgegnerin beantragte die Abweisung des Antrags, bestritt, dass es sich bei den Zahlungen der Antragstellerin um eine unzulässige Ablöse nach § 27 MRG gehandelt habe, weil der vereinbarte und bezahlte Betrag dem Wert der von der Antragsgegnerin vorgenommenen Investitionen und Einrichtungsgegenstände entsprochen habe. Die Antragstellerin habe Gelegenheit gehabt, die Wohnung eingehend zu besichtigen und genügend Zeit gehabt, die Angemessenheit des geforderten Betrags überprüfen zu lassen. Überdies sei sie bei Unterfertigung des Nutzungsvertrags von der Genossenschaft über die Bestimmungen des § 17 WGG und § 27 MRG hinreichend aufgeklärt worden.

Weiters wendete die Antragsgegnerin einen Verzicht auf den Rückforderungsanspruch nach § 27 Abs 3 MRG ein. Diese Bestimmung schließe nur einen Vorwegverzicht auf den Rückforderungsanspruch aus. Die Antragstellerin habe aber nach Wegfall der Zwangslage, nämlich nach Bezug der Wohnung und ein halbes Jahr nach Eintritt in den Nutzungsvertrag der Antragsgegnerin Ratenzahlungen auf die Ablöse geleistet. Mit diesen Zahlungen habe sie wirksam auf den Rückforderungsanspruch verzichtet.

Die Antragstellerin hielt dem entgegen, dass sie im Zeitpunkt der Ablösevereinbarung und der Zahlungen keine Kenntnis von der Unzulässigkeit der Vereinbarungen hatte. Die Unverhältnismäßigkeit von Leistung und Gegenleistung habe sich erst anlässlich eines Versuchs der Weitergabe der Wohnung im Jahr 2002 herausgestellt, als die Antragstellerin ein Gutachten über den Wert der Investitionen und des Inventars per 2. 3. 1993 erstellen habe lassen.

Beide Vorinstanzen wiesen das Zahlungsbegehren der Antragstellerin ab.

§ 27 Abs 3 zweiter Satz MRG schließe nur einen Vorwegverzicht auf den Rückforderungsanspruch aus. Nach Wegfall der Zwangslage sei aber ein auch schlüssiger Verzicht wirksam. Die Zwangslage der Antragstellerin sei mit Eintritt in den Nutzungsvertrag der Antragsgegnerin, spätestens jedoch mit Übergabe der Wohnung per 1. 9. 1993 weggefallen. Wenn sie bei dieser Sachlage dennoch weiter Raten der Ablöse bezahlt habe, könne dies nur als schlüssiger Verzicht auf den Rückforderungsanspruch gewertet werden. Das umso mehr, als die Antragstellerin von dritter Seite, nämlich von der Genossenschaft über die Bestimmung des § 27 MRG belehrt worden sei.

Mit dem Einwand der Antragstellerin, sie habe erst Jahre später von der Unzulässigkeit der Ablösevereinbarung Kenntnis erlangt, setzte sich das Erstgericht nicht auseinander. Das Rekursgericht wertete eine dementsprechende Rüge eines sekundären Verfahrensmangels als unzulässige Neuerung. Auf die Kenntnis der Antragstellerin komme es aber auch nicht an. Maßgeblich sei das Verständnis, das ein redlicher Erklärungsempfänger vom Verhalten der Antragstellerin gewinnen durfte und gewonnen habe. Aus dem Verhalten der Antragstellerin konnte die Antragsgegnerin, die gewusst habe, dass die Antragstellerin über die Bestimmung des § 27 MRG aufgeklärt worden sei, deren Verzichtswillen schließen.

Den Ausspruch über die Unzulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses begründete das Rekursgericht mit § 528 Abs 1 ZPO iVm § 37 MRG.

Gegen diesen Sachbeschluss richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung der Sachbeschlüsse der Vorinstanzen im Sinne einer Stattgebung des Antrags. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Einer Zulassung des ordentlichen Revisionsrekurses gemäß § 528 Abs 2a iVm § 508 ZPO durch das Rekursgericht bedurfte es zufolge der Bestimmung des § 37 Abs 3 Z 18a MRG nicht.

Die Antragsgegnerin hat von der ihr eingeräumten Möglichkeit, eine Revisionsrekursbeantwortung zu erstatten, Gebrauch gemacht und beantragt darin, den Revisionsrekurs der Antragstellerin zurückzuweisen in eventu, ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Obwohl die Frage eines konkludenten Verzichts grundsätzlich einzelfallbezogen ist, ist der Revisionsrekurs der Antragstellerin zulässig, weil dem Rekursgericht eine erhebliche rechtliche Fehlbeurteilung hinsichtlich der Beurteilung von Willenserklärungen unterlaufen ist. Der Revisionsrekurs ist im Sinn seines Aufhebungsantrags auch berechtigt.

Zunächst ist zutreffend, dass bei Ablösen nach § 27 MRG (§ 17 WGG) zufolge § 27 Abs 3 zweiter Satz MRG zwar kein Vorwegverzicht zulässig ist, jedoch nach Wegfall der Zwangslage ein schlüssiger Verzicht auf die Rückforderung wirksam erklärt werden kann (RIS Justiz RS0034044; RS0032360; RS0014241).

Einen solchen nachträglichen und auch wirksamen Verzicht hat das Rekursgericht aber zu Unrecht aus der Tatsache der Weiterzahlung von Raten eines Ablösebetrags nach Wegfall der Zwangslage abgeleitet, ohne die behauptete Unkenntnis des Leistenden von der Rückforderbarkeit der Ablöse zu prüfen. Das entsprechende Vorbringen der Antragstellerin wurde bereits im verfahrenseinleitenden Antrag erstattet und ist somit keine im Rekursverfahren unzulässige Neuerung.

Die Frage der Kenntnis der Antragstellerin von der Unzulässigkeit der Vereinbarung und der Rückforderbarkeit der Leistungen ist für die Annahme eines stillschweigenden Verzicht von ausschlaggebender Bedeutung. Fehlte der Antragstellerin bei Vereinbarung und Zahlung der unzulässigen Ablöse die Kenntnis, dass damit ein Rückforderungsanspruch verbunden war, konnte sie auch nicht schlüssig einen entsprechenden Verzicht erklären.

Für diese Umstände ist die Antragsgegnerin beweispflichtig. Derjenige, der den stillschweigenden Verzicht eines anderen auf einen Rückforderungsanspruch als anspruchsvernichtend behauptet, muss die Umstände beweisen, die ihn redlicherweise einen Verzichtswillen des Erklärenden annehmen ließen. Durch die Leistung der monatlichen Teilbeträge aus der Ablösevereinbarung konnte die Antragsgegnerin ohne Hinzutreten weiterer Umstände bloß schließen, die Antragstellerin (bzw deren Sohn) wolle den vertraglich festgelegten Verpflichtungen entsprechen. Daran ändert die Tatsache nichts, dass die Antragstellerin bei Abschluss des Mietvertrages mit der Genossenschaft abstrakt über die Möglichkeit der Rückforderbarkeit unzulässiger Ablösen belehrt wurde, ergibt sich doch dadurch keineswegs eine positive Kenntnis der Antragstellerin von der Unverhältnismäßigkeit des von ihr geleisteten Ablösebetrags zum Wert der übernommenen Einrichtungsgegenstände.

Nur wenn es der Antragsgegnerin gelingt, nachzuweisen, dass die Antragstellerin bei Zahlung der verfahrensgegenständlichen Ablöseteilbeträge in Kenntnis der Unverhältnismäßigkeit von Leistung und Gegenleistung und damit in Kenntnis der Rückforderbarkeit ihrer Zahlungen war, kann sich die Antragsgegnerin als redliche Erklärungsempfängerin auf einen stillschweigenden Rückforderungsverzicht berufen. Ein solcher Nachweis ist der Antragsgegnerin bisher aber nicht gelungen, zumal sich die Vorinstanzen aufgrund ihrer abweichenden Rechtsansicht mit dieser Frage gar nicht näher befassten. Vielmehr findet sich im Rahmen der erstgerichtlichen Beweiswürdigung bereits die unpräzise Feststellung, "die Antragstellerin dürfte den von ihr geleisteten Betrag durchaus für angemessen gehalten haben und stellte erst bei der geplanten Weitergabe der Wohnung aufgrund von eingeholten Sachverständigengutachten fest, dass sie offensichtlich zu viel bezahlt hatte".

Das Erstgericht wird, sofern der Antragsgegnerin im fortgesetzten Verfahren nicht noch der Beweis gelingen sollte, dass die Antragstellerin bei Zahlung in Kenntnis der Rückforderbarkeit ihrer Zahlungen war, Feststellungen zu treffen haben, die eine Beurteilung der Höhe des geltend gemachten Rückforderungsanspruchs zulassen.

Der Revisionsrekurs der Antragstellerin ist daher berechtigt.

Rechtssätze
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