JudikaturJustiz5Ob3/07p

5Ob3/07p – OGH Entscheidung

Entscheidung
08. Mai 2007

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Grundbuchssache des Antragstellers Josef R*****, geb. *****, vertreten durch Dr. Leopold Wiedermann, öffentlicher Notar in Wien, wegen Löschung eines Pfandrechts und weiterer Grundbuchseintragungen ob der Liegenschaft EZ 327 GB *****, über den ordentlichen Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom 28. September 2006, AZ 21 R 294/06b, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Tulln vom 3. August 2006, TZ 4412/06, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem ordentlichen Revisionsrekurs des Antragstellers wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts einschließlich seines in Rechtskraft erwachsenen, antragsstattgebenden Teiles insgesamt wie folgt zu lauten hat:

„Aufgrund der vom Standesamtsverband Tulln an der Donau am 30. Mai 2006 ausgestellten beglaubigten Abschrift aus dem Sterbebuch wird ob der dem Josef R*****, gehörigen Liegenschaft EZ 327 GB ***** die Löschung

1) des aufgrund des Leibrentenvertrages vom 28. 9. 1973 für die Leibrente des Ludwig S***** von monatlich 2.000 Schilling einverleibten Pfandrechts C-LNR 2a,

2) der Anmerkung der Vollstreckbarkeit C-LNR 2b und 3) der Anmerkung der Gesuchsabweisung C-LNR 6a und B-LNR 1d bewilligt.

Hievon werden verständigt:

Text

Begründung:

Der Antragsteller ist grundbücherlicher Eigentümer der Liegenschaft EZ 327 GB *****. Ob dieser Liegenschaft ist sub C-LNR 2 folgendes Pfandrecht einverleibt:

„2a 919/1974 Leibrentenvertrag 1973-09-28

Pfandrecht monatl 2.000,--

Leibrente für Ludwig S*****

2b 919/1974 Vollstreckbarkeit gem § 3 NotO"

Der Antragsteller begehrte ob der ihm gehörigen Liegenschaft EZ 327 GB ***** im Dorf die aus dem Spruch näher ersichtlichen Eintragungen, insbesondere die Löschung des aufgrund des Leibrentenvertrages von 28. 9. 1973 für die Leibrente des Ludwig S***** von monatlich 2000 Schilling sub C-LNR 2a einverleibten Pfandrechts und der sub C-LNR 2b angemerkten Vollstreckbarkeit. Aus der dazu vorgelegten beglaubigten Abschrift aus dem Sterbebuch des Standesamtsverbands Tulln an der Donau vom 30. Mai 2006 ergibt sich, dass Ludwig Franz S***** am 13. November 1976 verstorben ist.

Das Erstgericht wies den Antrag auf Löschung des sub C-LNR 2a einverleibten Pfandrechts sowie der sub C-LNR 2b erfolgten Anmerkung der Vollstreckbarkeit ab. Die Leibrente sei hier in Form einer Hypothek und nicht in Form einer Reallast sichergestellt worden. Ein für einen monatlichen Leibrentenbetrag einverleibtes Pfandrecht könne nicht durch bloße Vorlage der Sterbeurkunde des Berechtigten gelöscht werden. Dazu sei eine Löschungserklärung der Rechtsnachfolger (Erben) samt dem Nachweis erforderlich, dass diese auch die Erben nach dem Pfandgläubiger seien. Die Behauptung der Verjährung eines Pfandrechts reiche zu dessen Löschung nicht aus. Die Verjährung hänge nämlich nicht nur vom Zeitablauf, sondern auch von der Möglichkeit einer Unterbrechung oder Hemmung der Forderung ab. Überdies unterliege eine für Forderungen mit kürzerer Verjährungszeit einverleibte Hypothek selbst der 30-jährigen Verjährungsfrist.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragstellers nicht Folge. Grundlage für die Einverleibung des Pfandrechts und der Vollstreckbarkeit gemäß § 3 NotO sei der am 28. 9. 1973 in Form eines vollstreckbaren Notariatsakts abgeschlossene Leibrentenvertrag gewesen. Die hypothekarische Sicherstellung einer Leibrentenforderung in ziffernmäßig bestimmter Höhe (allerdings ohne Wertsicherung) könne gültig vereinbart werden. Dem Antragsteller sei zuzugestehen, dass gemäß § 1480 ABGB auch Forderungen aus Leibrentenverträgen für rückständige Renten grundsätzlich der 3-jährigen Verjährungsfrist unterlägen. Die Leibrente sei auf Lebenszeit des am 13. 11. 1976 verstorben Berechtigten Ludwig S***** zu bezahlen gewesen, sodass offene Forderungen nach Ablauf von drei Jahren nach dessen Tod, sohin spätestens mit Ende November 1979 verjährt seien. Ob Forderungen aus dem Leibenrentenvertrag gerichtlich betrieben worden seien, könne der Aktenlage nicht entnommen werden. Jedenfalls sei im Grundbuch keine „Klage auf Zahlung von Rückständen" angemerkt. Gemäß § 136 Abs 3 GBG könne die Löschung eines Rechts auf wiederkehrende Leistungen nach § 136 Abs 3 GBG nur bewilligt werden, wenn seit dem Erlöschen des Bezugsrechts (§ 18 GBG) 3 Jahre verstrichen seien und keine Klage auf Zahlung von Rückständen im Grundbuch angemerkt sei. Dies bedeute für Reallasten, insbesondere für Ausgedingsleistungen, dass deren Löschung nach Ablauf der 3-jährigen Verjährungsfrist unter Vorlage einer Sterbeurkunde beantragt werden könne, wenn keine Klage auf Zahlung von Rückständen im Grundbuch angemerkt sei. Wenngleich nach dem Wortlaut des § 136 Abs 3 GBG die dort bezeichneten Voraussetzungen für die Löschung von Rechten aus einem Leibrentenvertrag grundsätzlich vorliegen mögen, so übersehe der Antragsteller, dass hier die Verpflichtung aus dem Leibrentenvertrag nicht in Form einer Reallast verbüchert worden, sondern die Sicherung des Leibrentenvertrags durch ein Pfandrecht erfolgt sei. Aus der dem Grundbuchsrecht immanenten Formstrenge folge, dass die nicht vom Pfandgläubiger (oder dessen Rechtsnachfolger) beantragte Löschung eines Pfandrechts bloß aufgrund einer Sterbeurkunde nicht in Betracht komme, sondern hiefür eine öffentliche Urkunde oder eine Erklärung des Berechtigten erforderlich sei. Da eine solche fehle, sei die die Hypothek betreffende Abweisung des Grundbuchsgesuchs zu Recht erfolgt.

Die Entscheidung des Rekursgerichts enthält den Ausspruch, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es fehle - soweit überblickbar - eine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, welche Urkunden für die Löschung einer pfandrechtlich sichergestellten, mit dem Tod des Berechtigten befristeten Leibrentenforderung erforderlich seien.

Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der ordentliche Revisionsrekurs des Antragstellers mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn der Löschung des die Leibrentenforderung sichernden Pfandrechts mit der wesentlichen Begründung, dass alle nach § 136 Abs 3 GBG dafür erforderlichen Voraussetzungen vorlägen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig und auch berechtigt.

1. Wird jemanden für Geld, oder gegen eine für Geld geschätzte Sache auf die Lebensdauer einer gewissen Person eine bestimmte jährliche Entrichtung versprochen, so ist dies nach der Legaldefinition des § 1284 ABGB ein Leibrentenvertrag (vgl auch Binder in Schwimann³, § 1284 ABGB Rz 1; Mayrhofer/Ehrenzweig³, Schuldrecht AT 67; Krejci in Rummel3, §§ 1284 - 1286 Rz 1 ff).

2. Nach hA Ansicht können Leibrenten nach § 1284 ABGB je nach der Vertragsgestaltung entweder in ziffernmäßig bestimmter Höhe ohne Wertsicherung als Hypothek (§§ 447 ff ABGB und §§ 13 ff GBG; 8 Ob 585/85; 8 Ob 286/64 = EvBl 1965/114, 159; 5 Ob 21/64 = SZ 37/20 = RPflSlgG 698; RIS-Justiz RS0011339) oder als Reallast (§ 12 GBG; 3 Ob

110/86 = JBl 1989, 324; 7 Ob 548/80 = NZ 1981, 35; 5 Ob 28/75 =

EvBl1976/13 = NZ 1976, 95; RIS-Justiz RS0012175; RS0060366)

verbüchert werden (3 Ob 103/86; Hofmann in Rummel³, § 530 ABGB Rz 1; Binder in Schwimann³, § 1284 ABGB Rz 8; vgl ferner Dengler, Die Sicherung der Leibrente, NZ 1974, 183; Haider, Die Leibrente als Reallast, NZ 1959, 38; Duller, Die Leibrente als Reallast, NZ 1958, 23; Edtstadler, Die Verbücherung von Leibrenten, NZ 1957, 116).

3. Es mag nun durchaus zutreffen, dass im Exekutionsverfahren Verpflichtungen aus Leibrentverträgen unterschiedlich behandelt werden je nach dem, ob diese im Wege einer Hypothek oder einer Reallast verbüchert wurden (vgl dazu 3 Ob 103/86). Es ist den Vorinstanzen auch dahin beizupflichten, dass die Einverleibung der Löschung einer Hypothek auf Antrag des Pfandschuldners (Liegenschaftseigentümers) idR (vgl aber auch die Möglichkeit einer

zeitlichen Befristung des Pfandrechts; 1 Ob 767/76 = EvBl 1977/124,

265 = NZ 1978, 158 = SZ 49/143) die Zustimmung des Pfandgläubigers

oder die Vorlage einer Löschungsquittung erfordern wird. Diese Erfordernisse haben allerdings nicht Selbstzweck, sondern dienen dem grundbücherlichen Nachweis der Tilgung der Forderung und damit dem Erlöschen der Pfandhaftung.

4.1. Unter welchen spezifischen Voraussetzungen nun grundbücherlich vom Erlöschen von Ansprüchen auf wiederkehrende Leistungen ausgegangen werden kann und deshalb die Löschung derartiger Rechte iS des § 136 Abs 1 GBG erfolgen darf, bestimmt § 136 Abs 3 GBG. Nach dieser Bestimmung kann die Löschung eines Rechts auf wiederkehrende Leistungen (nur) bewilligt werden, wenn seit dem Erlöschen des Bezugsrechts drei Jahre verstrichen sind und keine Klage auf Zahlung von Rückständen im Grundbuch angemerkt ist. Es geht dabei - offenbar entgegen der Ansicht der Vorinstanzen - nicht um die Frage der Verjährung eines Pfandrechts ohne Tilgung der besicherten Forderung, sondern um die Voraussetzungen unter denen im Lichte der Grundbuchsberichtigung nach § 136 GBG vom Erlöschen der besicherten Ansprüche ausgegangen werden.

4.2. Die Leibrente wird gemäß § 1284 ABGB auf die Lebensdauer einer Person versprochen. Ansprüche auf „Leibrente" sind daher unvererblich, wenngleich Beträge, die noch zu Lebzeiten des Erblassers fällig geworden sind, den Nachlass belasten (Welser in Rummel3, § 531 Rz 8). Das Erlöschen des Bezugsrechts aus einem Leibrentenvertrag erfolgt daher mit dem Tod des Berechtigten und der Möglichkeit noch zu Lebzeiten des Berechtigten angefallener, aber unberichtigter Beträge wird durch die Sperrfrist des § 136 Abs 3 GBG in der Dauer der gesetzlichen Verjährungsfrist für fällig gewordene Einzelbeträge Rechnung getragen. Nach dem Tod des Bezugsberechtigten und dem Ablauf der Sperrfrist ohne Klagsanmerkung darf dann unter dem Gesichtspunkt des § 136 GBG vom Erlöschen gesicherter Ansprüche ausgegangen werden. Diese Voraussetzungen müssen für Ansprüche aus einem Leibrentenvertrag unabhängig davon gelten, ob diese in Form einer Reallast oder einer Hypothek verbüchert worden sind, weil dies an den Voraussetzungen des Erlöschens von Ansprüchen aus dem grundbücherlich gesicherten Rechtsverhältnis (Leibrentenvertrag) nichts ändert.

5. Daraus folgt im Ergebnis:

Nach hA Ansicht können Leibrenten nach § 1284 ABGB entweder in ziffernmäßig bestimmter Höhe ohne Wertsicherung als Hypothek oder als Reallast verbüchert werden. Unter welchen spezifischen Voraussetzungen im Lichte der Grundbuchsberichtigung nach § 136 GBG vom Erlöschen von Ansprüchen auf wiederkehrende Leistungen ausgegangen werden kann und deshalb die Löschung derartiger Rechte iS des § 136 Abs 1 GBG erfolgen darf, bestimmt § 136 Abs 3 GBG. Das Erlöschen des Bezugsrechts aus einem Leibrentenvertrag erfolgt mit dem Tod des Berechtigten und zu dessen Lebzeiten angefallene Beträge verjähren in drei Jahren, welchem Umstand durch die Sperrfrist des § 136 Abs 3 GBG Rechnung getragen wird. Nach dem Tod des Bezugsberechtigten und dem Ablauf der Sperrfrist ohne Klagsanmerkung darf dann unter dem Gesichtspunkt des § 136 GBG auch die Löschung einer - der grundbücherlichen Sicherung von Ansprüchen aus eine Leibrentenvertrag dienenden - Hypothek einverleibt werden. Der Antragsteller hat hier das bereits am 13. November 1976 erfolgte Ableben des Bezugsberechtigten nachgewiesen und eine Klage auf Zahlung von Rückständen ist im Grundbuch nicht angemerkt, weshalb dem Antrag des Liegenschaftseigentümers auf Löschung des Pfandrechts stattzugeben ist.

Rechtssätze
5