JudikaturJustiz5Ob299/02k

5Ob299/02k – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. Februar 2003

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann, Dr. Hurch, Dr. Kuras und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Grundbuchssache betreffend Verbücherung eines Anmeldungsbogens über den Revisionsrekurs der Liegenschaftseigentümerin Barbara R*****, vertreten durch Cerha Hempel Spiegelfeld Rechtsanwaltspartnerschaft in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichtes Korneuburg als Rekursgericht vom 11. Oktober 2002, AZ 22 R 7/02p, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Klosterneuburg vom 24. Jänner 2002, TZ 238/2002 (= 7 Nc 178/00f), bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie ersatzlos aufgehoben werden.

Text

Begründung:

Barbara R***** ist Alleineigentümerin der Liegenschaft EZ ***** GB *****. Ihr Eigentumsrecht wurde aufgrund des Kaufvertrages vom 23. 2. 1998 zu TZ 634/1999 einverleibt. Gleichzeitig wurde ein Belastungs- und Veräußerungsverbot gemäß § 364c ABGB für Dr. Rudolf S***** und Luise S***** einverleibt.

Die Liegenschaft besteht dem Gutsbestandsblatt nach aus den Grundstücken 313/1 Wald mit einer Fläche von 138 m² und 313/5 Wald mit einer Fläche von 526 m², sohin einer Gesamtfläche von 664 m². Im Jahre 1931 bestand das Grundstück 313/1 der Katastralgemeinde ***** aus zwei Grundstücksteilen, beide an das Weggrundstück 1972 anliegend, wobei im Kataster ein Flächenausmaß von 3003 m² ausgewiesen war.

Aufgrund des Teilungsplans des Zivilgeometers Anton D*****, GZ 302

vom 28. 8. 1931, TZ 2865/31 und TZ 142/32, Veränderungshinweis des

Vermessungsamtes 5/32 wurde das Grundstück 313/1 in die Grundstücke

313/1 937 m²

313/3 1922 m²

und in das provisorische Grundstück

(313/4) 144 m²

geteilt

in Summe 3003 m².

Das verbleibende Grundstück 313/1 bestand zu diesem Zeitpunkt noch immer aus zwei Grundstücksteilen, beide anliegend an das Weggrundstück 1972, deren Zusammengehörigkeit mit einer Sprungklammer ersichtlich gemacht wurde.

Zunächst wurde zu TZ 2865/31 das Ansuchen um lastenfreie Abschreibung des provisorischen Grundstückes (313/4) abgewiesen. Daher wurde dieses Grundstück mit der Umfahrung u-p-q-r-s-n-(o) und einem Flächenausmaß von 144 m² (tatsächlich 138) in der Katastralmappe vorerst mit einer Sprungklammer als zum Grundstück 313/1 zugehörig eingetragen. Der bezeichnete Teilungsplan wurde somit grundbüchlich und im Kataster nur teildurchgeführt.

Mit TZ 142/32 wurde das Ansuchen um lastenfreie Abschreibung des provisorischen Grundstücks (313/4) unter Vereinigung mit dem Weggrundstück 1972 bewilligt.

Im Zug der technischen Führung der Katastralmappe blieb der Beschluss TZ 142/32 bezüglich der Vereinigung des provisorischen Grundstücks (313/4) mit dem Weggrundstück 1972 irrtümlich unberücksichtigt. Es unterblieb die Löschung des nun nicht mehr gültigen Grenzverlaufs zwischen dem ehemaligen provisorischen Grundstück (313/4) und dem Weggrundstück 1972 und das Entfernen der gegenstandslos gewordenen Sprungklammer in der Katastralmappe.

Zu TZ 1845/96 erwirkte das Vermessungsamt mit dem Anmeldungsbogen GZ A 69/96 vom 22. 4. 1996 eine Sprungklammernauflösung durch Neubezeichnung eines Grundstücksteils des Grundstücks 313/1, dadurch entstanden folgende Grundstücke:

313/1 (138 m²) und 313/5 (526 m²).

Dazu ist festzuhalten, dass das Grundstück 313/1 ident ist mit dem vormals provisorischen Grundstück (313/4), das zu TZ 142/32 in das Weggrundstück 1972 einbezogen worden war.

Am 19. 9. 2000 übersandte das zuständige Vermessungsamt dem Erstgericht als Grundbuchsgericht den Anmeldungsbogen GZ A 69/96. Die diesem Anmeldungsbogen zugrundeliegenden Ergebnisse sollten eine "Rückführung des Anmeldungsbogens GZ A 69/96 vom 22. 4. 1996 (Sprungklammerauflösung) TZ 1845/96" bewirken. Das Grundstück 313/1 sei nämlich ident mit jenem Grenzstück (umschrieben mit o-p-q-r-s-n(o)), das bereits mit TZ 142/32 in das Weggrundstück 1972 einbezogen worden sei. Diese Einbeziehung sei im Grundstücksverzeichnis korrekt vollzogen worden, die Darstellung in der Katastralmappe sei jedoch unterblieben, weshalb die seinerzeitige (im Jahr 1996 vorgenommene) Sprungklammernauflösung irrtümlich initiiert worden sei. Die zu TZ 1845/96 erwirkte grundbücherliche Eintragung sei somit gegenstandslos, weil dem Grundstück 313/1 (ident mit dem provisorischen Grundstück 313/4) in der Natur keine Grundfläche entspreche.

Mit Beschluss vom 25. 10. 2000, TZ 3641/00, ordnete das Erstgericht in Vollziehung des Anmeldungsbogens des Vermessungsamtes Wien vom 19. 9. 2000, A 69/96, die Löschung des Grundstücks 313/5 infolge Vereinigung seiner Fläche mit Grundstück 313/1 an. Einem dagegen von der Liegenschaftseigentümerin erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz Folge, hob den angefochtenen Beschluss auf und trug dem Erstgericht die Klärung der Frage auf, ob es sich bei der im Anmeldungsbogen enthaltenen Sachlage bloß um eine Löschung einer Parzellennummer aus katastertechnischen Gründen ohne eine tatsächliche Änderung des in der Natur bestehenden Grenzverlaufes und ohne Änderung des tatsächlichen Flächenausmaßes der Liegenschaft der Rekurswerberin handle.

Im fortgesetzten Verfahren teilte das Vermessungsamt den oben wiedergegebenen Sachverhalt mit.

Mit Beschluss vom 24. 1. 2002 (TZ 238/2002) ordnete das Erstgericht aufgrund des am 19. 9. 2000 vorgelegten Anmeldungsbogens A 69/96 als Rückführung dieses Anmeldungsbogens (Sprungklammernauflösung) die Löschung des Grundstücks Nr 313/5 und die Flächenänderung beim Grundstück Nr 313/1 an.

Einem dagegen von der Liegenschaftseigentümerin erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz nicht Folge.

Es verneinte zunächst die im Rekurs gerügte Nichtigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens, weil der Liegenschaftseigentümerin dort kein rechtliches Gehör gewährt worden sei. Ein Anmeldungsbogen sei nämlich kein Grundbuchsantrag, sondern die Mitteilung des Vermessungsamts an das Grundbuchsgericht über das Ergebnis einer Amtshandlung, die Eintragungen im Grundbuch nach sich ziehen können und sodann von Amts wegen zu erfolgen hätten. Das Grundbuchsgericht habe Veränderungen aufgrund solcher Anmeldungsbögen ohne Einvernehmung der Parteien von Amts wegen durchzuführen, wenn sich aus dem Grundbuchsstand keine Hindernisse ergeben. Der Anmeldungsbogen als öffentliche Urkunde sei entsprechend dem Grundsatz der Trennung der Gerichtsbarkeit von der Verwaltung der Überprüfung durch das Gericht entzogen, weshalb das Gericht an die dort beurkundeten Verfahrensergebnisse gebunden sei. Der Liegenschaftseigentümer habe daher nicht die Möglichkeit, die Richtigkeit der vom Vermessungsamt beurkundeten Verfahrensergebnisse im Grundbuchsverfahren zu bekämpfen, weshalb es - unabhängig von einem im Verfahren herrschenden Neuerungsverbot - nicht darauf ankomme, ob die Liegenschaftseigentümerin im Vertrauen auf den Grundbuchsstand gutgläubig Eigentum erworben hätte. Durch das vom Erstgericht geführte Verfahren sei geklärt, dass dem Grundstück 313/1 wegen Löschung und Einbeziehung des identen provisorischen Grundstücks (313/4) in das Weggrundstück 1972 gemäß TZ 142/32 in der Natur keine Grundfläche entspreche. Dieser Umstand habe zur amtswegigen Löschung nach §§ 131 ff GBG zu führen.

Das Rekursgericht erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig, da - soweit überblickbar - keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage vorliege, ob die Rückführung einer durch irrtümliche Sprungklammernauflösung durch das Vermessungsamt initiierten Aufstellung eines Grundstücks im Weg einer neuerlichen, unüberprüfbaren Mitteilung des Vermessungsamtes möglich sei. Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs der Liegenschaftseigentümerin wegen Nichtigkeit (auf die infolge Verneinung durch die zweite Instanz hier nicht mehr einzugehen ist), Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf ersatzlose Beseitigung der Beschlüsse der Vorinstanzen, in eventu, Abänderung des Beschlusses des Rekursgerichtes im Sinne einer Wiederherstellung des Grundbuchsstandes vor Fassung des erstgerichtlichen Beschlusses. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Darüber hinaus regt die Revisionsrekurswerberin für den Fall, dass der Oberste Gerichtshof die Rechtsansicht des Rekursgerichtes teile, eine Anrufung des VfGH zur Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit der einschlägigen Vorschriften, insbesondere der §§ 448 Abs 2 und 459 Abs 1 Geo an.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Liegenschaftseigentümerin ist aus den vom Rekursgericht bezeichneten Gründen zulässig und im Sinn des Begehrens auf Beseitigung der vorinstanzlichen Beschlüsse auch gerechtfertigt.

Zur Rechtzeitigkeit des Rekurses:

Bei Erhebung des vorliegenden Revisionsrekurses wurde zwar die

30-tägige Rekursfrist des § 123 GBG eingehalten, nicht aber jene des

§ 11 Abs 1 AußStrG. Zufolge § 32 LiegTeilG richtet sich die

Rekursfrist bei der Anfechtung von Beschlüssen, die sich auf das

Ansuchen einer Partei um Bewilligung einer grundbücherlichen

Eintragung beziehen, nach der Bestimmung des § 123 GBG. Für die

Anfechtung sonstiger Beschlüsse über die in diesem Gesetz geregelten

Angelegenheiten gelten die Grundsätze des Verfahrens außer

Streitsachen. In ständiger Rechtsprechung wird daher judiziert, dass

für die Anfechtung von Beschlüssen, die aufgrund von Anmeldungsbögen

erlassen wurden, die Rechtsmittelvorschriften des Außerstreitgesetzes

gelten (Dittrich/Angst/Auer, Grundbuchsrecht4 E 1 bis 4 zu § 32

LiegTeilG). Zwar ist in jenen Fällen, wo sich die Anfechtung der

Beschlüsse nach den Grundsätzen des Verfahrens außer Streitsachen

richtet, auch § 11 Abs 2 AußStrG (Berücksichtigung von verspäteten

Rechtsmitteln) anzuwenden (vgl SZ 40/65 ua), doch scheitert die

Heranziehung dieser Bestimmung dort, wo, wie in Grundbuchssachen die Regel, Dritte bereits Rechte erworben haben.

Im vorliegenden Fall lässt sich jedoch - zugunsten der Revisionsrekurswerberin - nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass der angefochtene Beschluss eine Angelegenheit zum Gegenstand hätte, die zu den im LiegTeilG geregelten gehört. In Wahrheit soll durch eine deklarative Berichtigung des Grundbuchs dafür gesorgt werden, dass es die wirkliche Rechtslage wiedergibt, was eine Analogie zu § 136 oder § 131 GBG nahelegt.

Im Ergebnis lässt sich damit die Anwendung des § 123 GBG bezüglich der Rechtsmittelfrist rechtfertigen, sodass das Rechtsmittel der Antragstellerin als rechtzeitig zu werten ist.

Das zentrale Argument der Revisionsrekurswerberin, dass alle ausgeführten Rechtsmittelgründe durchzieht, besteht darin, dass mit dem angefochtenen Beschluss in ihr Eigentumsrecht eingegriffen werde, das sie durch Vertrauen auf den Grundbuchsstand erworben habe. Nach Durchführung des bekämpften Beschlusses würde sie 136 m² Grundfläche verlieren, ohne dass sie im Verfahren vor der Vermessungsbehörde oder vor Fassung des angefochtenen Beschlusses zugestimmt hätte. Das Rekursgericht hat zwar im ersten Rechtsgang diese Problematik erkannt, dem Erstgericht daher auch aufgetragen, zu überprüfen, ob die Voraussetzungen für die Löschung eines Grundstücks ohne Grundfläche gemäß §§ 131 ff GBG vorhanden seien, im zweiten Rechtsgang jedoch zu Unrecht diese Tatsache als gegeben angenommen. Mit der verfahrenseinleitenden Mitteilung der Vermessungsbehörde wurde aber in Wahrheit eine auf eine Eigentumsübertragung hinauslaufende Änderung des Grundbuchs angestrebt, der Hindernisse aus dem Grundbuchsstand im Sinn des § 26 LiegTeilG entgegenstehen. Die Antragstellerin, die sich auf das ihr zukommende Publizitätsprinzip berufen kann, weil sie nach dem Buchsstand auch das strittige Grundstück erworben hat, würde durch die im angefochtenen Beschluss vollzogene Anordnung der "Löschung des Grundstücks Nr 313/5 und Flächenänderung beim Grundstück Nr 313/1" in ihrem bücherlichen Eigentumsrecht verletzt (vgl zur Möglichkeit einer Berichtigung: 5 Ob 2/03k).

Die Mitteilung der Vermessungsbehörde gab keinen Anlass, eine bücherliche Änderung herbeizuführen. Die getroffene Anordnung erfolgte daher zu Unrecht. Sie wird daher vom Erstgericht zu beseitigen sein.

Der Revisionsrekurs der Antragstellerin erwies sich damit als berechtigt.

Ein Kostenersatz findet im Grundbuchsverfahren nicht statt.