JudikaturJustiz5Ob245/21x

5Ob245/21x – OGH Entscheidung

Entscheidung
03. März 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun Mohr und den Hofrat Dr. Thunhart als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei DI G*, vertreten durch die MMMag. Dr. Franz Josef Giesinger Rechtsanwalt GmbH in Götzis, gegen die beklagte Partei I*, vertreten durch Dr. Karl Rümmele und Dr. Birgitt Breinbauer, LL.M., Rechtsanwälte in Dornbirn, wegen 6.991,02 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Berufungsgericht vom 12. Oktober 2021, GZ 2 R 310/21k 28, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Die von den Streitteilen am 19. 10. 1973 geschlossene Ehe wurde mit Beschluss des Bezirksgerichts Feldkirch vom 9. 8. 1994 zu AZ 9 C 88/94f einvernehmlich geschieden. Im Scheidungsvergleich verpflichtete sich der Kläger gegenüber der Beklagten zu einem monatlichen Unterhalt von 6.000 ATS sowie zu einer Ausgleichszahlung von 1 Mio ATS, während die Beklagte auf die Geltendmachung von Aufteilungsansprüchen verzichtete. Die Unterhaltsvereinbarung wurde aber nur getroffen, um der Beklagten im Fall des Ablebens des Klägers einen Pensionsanspruch zu sichern, weshalb die Beklagte bereits am 16. 8. 1994 eine Erklärung unterfertigte, mit der sie auf den im Vergleich vereinbarten Unterhalt verzichtete.

[2] Der Kläger hatte die meiste Zeit in Deutschland gearbeitet und deshalb bei der Deutschen Rentenversicherung eine Rentenanspruch erworben. Anlässlich ihrer Pensionierung informierte sich die Beklagte über allfällige eigene Rentenansprüche und beantragte daraufhin beim Amtsgericht Schöneberg einen „Versorgungsausgleich“, woraufhin ihr das Gericht mit Beschluss vom 22. 1. 2019 einen Teil des Anrechts des Klägers bei der Deutschen Rentenversicherung übertrug. Eine dagegen erhobene Beschwerde des Klägers blieb erfolglos.

[3] Dies hatte zur Folge, dass sich der Rentenanspruch des Klägers bei der Deutschen Rentenversicherung von 2.306,43 EUR auf 1.918,09 EUR brutto reduzierte und die Beklagte zusätzlich zu ihrer österreichischen Alterspension eine Rente von 444,40 EUR erhielt. Dass in Deutschland ein „Versorgungsausgleich“ stattfinden kann, war den Streitteilen zuvor nicht bekannt gewesen.

[4] Der Kläger begehrt mit seiner Klage 6.991,02 EUR sA an entgangenen Rentenzahlungen und die Feststellung der Haftung der Beklagten für sämtliche künftige Nachteile des Klägers aus dem Versorgungsausgleich. Die Beklagte hätte keinen Antrag auf Versorgungsausgleich stellen dürfen, weil sie auf Unterhalt verzichtet habe. Nunmehr beanspruche sie aber einen Teil seines Einkommens für sich.

[5] Die Beklagte wendete ein, sie habe aufgrund der Rechtslage in Deutschland einen Rechtsa nspruch auf den V ersorgungsausgleich gehabt. Im Scheidungsverfahren habe sie lediglich auf Unterhaltsansprüche, nicht aber auf ihre Ansprüche aus dem Versorgungsausgleich verzichtet.

[6] Das Erstgericht wies die Klage ab, weil der Scheidungsfolgenvereinbarung und dem nachfolgenden Unterhaltsverzicht kein Verzicht auf den Versorgungsausgleich entnommen werden könne und eine gegenteilige Parteiabsicht nicht feststellbar gewesen sei.

[7] Das B erufungsgericht bestätigte diese Entscheidung, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige und ließ die ordentliche Revision nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

[8] Die dagegen erhobene außerordentliche Revision des Klägers ist mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung nicht zulässig.

[9] 1 . Ob nach den Umständen des Einzelfalls ein Verzicht anzunehmen ist oder nicht, wirft im Regelfall keine Rechtsfrage auf, deren Entscheidung zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt (RIS Justiz RS0107199). Etwas anderes würde nur gelten, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RS0042936; RS0112106). Das trifft hier aber nicht zu.

[10] 2. Das deutsche Versorgungsausgleichsgesetz sieht für den Fall der Scheidung vor, dass das Familiengericht die in der Ehezeit erworbenen Anwartschaften und Ansprüche aus einer Rentenversicherung auf teilt, sodass jeder Ehepartner die Hälfte der in der Ehezeit erworbenen Anrechte erhält. D as österreichische Recht kennt kein vergleichbares Rechtsinstitut , schützt die finanziellen I nteressen des geschiedenen Ehepartners aber auf andere Weise, nämlich indem es das R enteneinkommen bei der B emessung des Unterhalts berücksichtigt und – im Fall des Ablebens des U nterhaltspflichtigen – auch dem geschiedenen Ehepartner einen Anspruch auf Witwen bzw Witwerpension gewährt (9 Ob 70/04s; Jayme , Versorgungsausgleich und Internationales Privatrecht unter besonderer Berücksichtigung der deutsch-österreichischen Scheidungsfälle, ZfRV 1980, 175 [176]).

[11] 3 . Auch wenn d er V ersorgungs ausgleich ebenso wie der Unterhalt der finanziellen Absicherung des geschiedenen Ehepartners dient, handelt es sich doch um verschiedene Ansprüche. So ist der Unterhalt dadurch gekennzeichnet , dass es sich um einen Anspruch des Unterhaltsberechtigten gegenüber dem Unterhaltspflichtigen handelt, während der Versorgungsausgleich einen selbständigen Anspruch des ausgleichsberechtigten Ehepartners gegenüber der R entenversicherung begründet.

[12] 4. Dementsprechend ist auch die Rechtsansicht des Klägers, dass die Beklagte an seinem Pensionseinkommen „partizipiere“ und er daher de-facto Unterhalt bezahle, unrichtig. Da die Hälfte der in der Ehezeit erworbenen Anrechte nach § 1 Abs 2 Versorgungsausgleichsgesetz dem ausgleichsberechtigten Ehepartner zusteht, handelt es sich gerade nicht um das Einkommen des Klägers. Der Oberste Gerichtshof hat es deshalb abgelehnt, die auf einem im Ausland durchgeführten Versorgungsausgleich beruhenden Rentenansprüche als Unterhaltszahlung zu qualifizieren, sondern sie statt dessen bei der Bemessung des Unterhalts als „Eigeneinkommen“ des Unterhaltsberechtigten berücksichtigt (5 Ob 113/17d).

[13] 5. Da Rentenansprüche aus einem Versorgungsausgleich keine Unterhaltsansprüche sind, ist die Auslegung des Berufungsgerichts, wonach der im vorliegenden Fall vereinbarte Unterhaltsverzicht der Beklagten nicht das Recht genommen hat, bei einem deutschen Gericht einen Versorgungsausgleich zu beantragen, nicht korrekturbedürftig. Im Übrigen ist noch darauf hinzuweisen, dass auch der Verzicht auf Aufteilungsansprüche, wie er im Scheidungsvergleich vereinbart wurde, dem Antrag auf Versorgungsausgleich nicht entgegensteht, weil Versorgungsanwartschaften nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs keine ehelichen Ersparnisse sind, die der Aufteilung unterliegen würden (6 Ob 22/98y; 1 Ob 53/02d; 6 Ob 85/02x).