JudikaturJustiz5Ob177/04x

5Ob177/04x – OGH Entscheidung

Entscheidung
14. September 2004

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann, Dr. Prückner und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am 15. Mai 2003 verstorbenen Dr. Josefine Katharina S*****, über den Revisionsrekurs des erbserklärten Erben Dr. Ernst T*****, gegen den Beschluss des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgericht vom 22. März 2004, GZ 1 R 13/04p-28, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 26. November 2003, GZ 3 A 175/03v-19, abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

In der gegenständlichen Verlassenschaftssache haben Dr. Ernst T***** einerseits und Elisabeth Sch***** sowie Dipl. Ing. Hugo S***** andererseits einander widersprechende Erbserklärungen abgegeben. Dr. Ernst T***** berief sich auf ein mündliches Testament der Verstorbenen vom 14. Februar 2003; Elisabeth Sch***** und Dipl. Ing. Hugo S***** stützten auf den Berufungsgrund der gesetzlichen Erbfolge.

Zu 3 P 8/03x des Bezirksgerichtes Klagenfurt war über Anregung des Dr. Ernst T***** ein Verfahren zur Bestellung eines Sachwalters für die Erblasserin anhängig. Der Betroffenen ist gemäß § 238 Abs 2 AußStrG nach der am 23. 1. 2003 erfolgten Erstanhörung mit Beschluss vom 5. 2. 2003 in der Person des Dr. Ernst T***** ein einstweiliger Sachwalter bestellt worden. Dieser Beschluss wurde nach der Aktenlage dem einstweiligen Sachwalter Dr. Ernst T***** am 6. 2. 2003 und der Betroffenen am 11. 2. 2003 zugestellt. Aus ihm ergibt sich, dass der einstweilige Sachwalter für die "Einkommens- und Vermögensverwaltung sowie die Verwaltung des Pensionskontos" der Betroffenen zu sorgen hatte. Die damals bereits im 94. Lebensjahr stehende Betroffene war nach den Feststellungen des Pflegschaftsgerichts zwar gut ansprechbar, aber nur eingeschränkt orientiert und hatte starke Wortfindungsstörungen. Sie war auf Grund ihres Gesundheitszustandes nicht mehr in der Lage, Unterschriften zu leisten sowie eigenständig ihr Vermögen und ihr Einkommen zu verwalten.

Auf Grund der einander widersprechenden Erbserklärungen wies das Erstgericht die Klägerrolle für den Erbrechtsstreit den gesetzlichen Erben Elisabeth Sch***** und Dipl. Ing. Hugo S***** zu. Es war der Meinung, dass alle Voraussetzungen eines gültigen mündlichen Testamentes im Sinne der §§ 584 ff ABGB vorlägen, weshalb die gesetzlichen Erben den schwächeren Erbrechtstitel hätten. Das Rekursgericht wies jedoch die Klägerrolle in Stattgebung eines Rekurses der gesetzlichen Erben dem Testamentserben Dr. Ernst K***** zu. Es ging dabei von folgenden rechtlichen Erwägungen aus:

Bei widersprechenden Erbserklärungen habe das Verlassenschaftsgericht die Parteirollen für den Rechtsstreit festzulegen (§ 125 AußStrG). Gemäß § 126 Abs 1 AußStrG müsse jedermann, dessen Ansprüche nur auf gesetzlicher Erbfolge beruhen, gegen den Erben aus einer in der gehörigen Form errichteten und hinsichtlich ihrer Echtheit unbestrittenen letztwilligen Willenserklärung des Verstorbenen als Kläger auftreten. Eine Verschiebung der Parteirollen im Erbrechtsstreit erfordere objektiv begründete Bedenken gegen die Echtheit der letztwilligen Verfügung (RZ 1978/59; EvBl 1961/103); sie habe nur dann zu erfolgen, wenn begründete Bedenken gegen die Annahme bestehen, dass der Testamentserbe auch die Erbschaft erlangen werden und die größere Wahrscheinlichkeit dafür spreche, dass das Testament unwirksam ist (6 Ob 2, 3/84; NZ 1994, 133).

Richtig sei, dass eine außergerichtliche mündliche letztwillige Verfügung schon dann den äußeren Formerfordernissen des § 585 ABGB entspricht, wenn die Erblasserin vor drei gleichzeitig anwesenden fähigen Zeugen - also Personen, die nicht offenbar von der Funktion eines Testamentszeugen iSd §§ 591 ff ABGB ausgeschlossen sind - eine Erklärung abgegeben hat, die ihren letzten Willen darstellen kann. Obwohl dies auf den gegenständlichen Fall zutreffe, bestünden gegen das mündliche Testament vom 14. 2. 2003 gewichtige Bedenken, die ihre Ursache in der äußeren Form des Erbrechtstitels hätten. Das Erstgericht habe unberücksichtigt gelassen, dass für die Erblasserin im Zeitpunkt der Errichtung des mündlichen Testaments bereits ein einstweiliger Sachwalter nach § 238 Abs 2 AußStrG bestellt war. Personen, denen ein Sachwalter nach § 273 ABGB oder - wie hier - nach § 238 Abs 2 AußStrG (vgl 2 Ob 598/90 mwN; 2 Ob 508/95; 7 Ob 648/94

ua) bestellt ist, könnten nur mündlich vor Gericht oder notariell testieren. Das Gericht müsse versuchen, sich durch eine angemessene Erforschung davon zu überzeugen, dass die Erklärung des letzten Willens frei und mit Überlegung geschehe; die Erklärung müsse in ein Protokoll aufgenommen und das, was sich aus der Erforschung ergeben hat, beigerückt werden (§ 568 dritter Satz ABGB idF KindRÄG 2001). Dem Gericht (Notar) obliege nach dieser Bestimmung nicht nur die Protokollierung der Willenserklärung des Testators, sondern bei Minderjährigen und von einer Sachwalterschaft Betroffenen auch die Erforschung des freien Willens des Testators. Das Ergebnis dieser Erforschung müsse dem Testament angeschlossen (arg: "beigerückt") werden (SZ 69/122).

Nach herrschender Auffassung sei die Erklärung über die Prüfung der Testierfähigkeit und deren Ergebnis ein formelles Gültigkeitserfordernis für Testamente von Minderjährigen und Personen, denen ein Sachwalter bestellt worden ist. Eine Verletzung dieser Formvorschrift mache die Erklärung des letzten Willens ungültig (vgl 4 Ob 69/03f mwN). Die Formvorschriften bei der Errichtung von Testamenten hätten den Zweck, dem Testator die Bedeutung seiner Erklärung bewusst zu machen (Warnfunktion) und Streitigkeiten nach dem Tod des Erblassers vorbeugen (SZ 69/122). Im hier zu beurteilenden Fall sei der Beschluss über die Bestellung des einstweiligen Sachwalters nach § 238 Abs 2 AußStrG mit der Zustellung an die Betroffene am 11. 2. 2003 und an den Sachwalter am 6. 2. 2003 wirksam geworden (vgl EFSlg 99.044). Die Erblasserin sei daher bei der Errichtung des mündlichen Testamentes am 14. 2. 2003 auf die Testamentsform des gerichtlichen (oder notariellen) Testaments beschränkt gewesen.

Auch wenn gegen die Beurkundung einer Zustellung der Gegenbeweis grundsätzlich zulässig sei, rechtfertige der vorliegende Sachverhalt bereits jetzt die Entscheidung, das mündliche Testament als schwächeren Titel zu werten. Die Zuweisung der Klägerrolle nach §§ 125 f AußStrG dürfe die Lösung jener Streitfragen, die den zentralen Gegenstand des Erbrechtstreits bilden, nicht vorweg nehmen. Die Entscheidung des Verlassenschaftsgerichts sei in diesem Sinne auch in keiner Weise präjudiziell (vgl 4 Ob 556/69 = EFSlg 61.648; 9 Ob 60/00i; 4 Ob 69/03f). Das außergerichtliche mündliche Testament sei bei dieser Sachlage - ohne hier darauf eingehen zu müssen, dass der Testamentserbe offenbar die unrichtige Beurkundung der im Sachwalterbestellungsverfahren erfolgten Zustellungen nachweisen will - als schwächerer Titel zu beurteilen.

Diese Entscheidung enthält den Ausspruch, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 20.000,-- übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Letzteres wurde damit begründet, dass oberstgerichtliche Rechtsprechung zu einem vergleichbaren Sachverhalt fehle.

Gegen den Beschluss des Rekursgerichtes hat der Testamentserbe Dr. Ernst T***** Revisionsrekurs mit dem Antrag erhoben, ihn entweder so abzuändern, dass die Entscheidung des Erstgerichtes wieder hergestellt wird, oder aber aufzuheben und die Sache zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Die gesetzlichen Erben haben dazu eine Revisionsrekursbeantwortung erstattet, die jedoch unbeachtlich ist. Sie wurde nämlich außerhalb der 14-tägigen Frist erstattet, die § 11 AußStrG in außerstreitigen Angelegenheiten für die Rechtsmittelschriften normiert (der Revisionsrekurs wurde den gesetzlichen Erben am 17. 5. 2004 zugestellt, die Revisionsrekursbeantwortung am 14. 6. 2004 zur Post gegeben).

Der Revisionsrekurswerber begründet seine Rechtsmittelanträge im Wesentlichen damit, dass es dem Verlassenschaftsgericht obliege, alle die Form einer letztwilligen Erklärung des Erblassers betreffenden Fragen zu lösen, also auch die Wirksamkeit der Zustellung des Beschlusses, mit dem ein einstweiliger Sachwalter für den Erblasser bestellt wurde, wenn davon die Formgültigkeit seines Testaments abhänge. Im gegenständlichen Fall sei, wie sich der Revisionsrekurswerber mittlerweile überzeugt habe, keine rechtswirksame Zustellung des Bestellungsbeschlusses an die Erblasserin erfolgt. Der Zustellnachweis (Rückschein) trage eine Stampiglie des Pflegezentrums W***** samt einer Paraphe und dazu noch den handschriftlich angekreuzten Vermerk "selbst schreibunfähig" sowie "Postbevollmächtigter für Rsa-Briefe", obwohl keine Postvollmacht vorgelegen sei. Das Schriftstück sei dem Revisionsrekurswerber nach seiner Rückkehr aus dem Urlaub ungeöffnet ausgehändigt worden. Damit könne die Bestellung eines einstweiligen Sachwalters für die Erblasserin nicht schon vor dem 14. 2. 2003 wirksam geworden sein. Auch die mit 6. 2. 2003 dokumentierte Zustellung des Bestellungsbeschlusses an den einstweiligen Sachwalter begegne Bedenken, weil das Datum in Maschinschrift eingefügt sei, der Rückschein keinen Postvermerk trage und das Datum der Zustellung unerklärlicher Weise mit dem Tag der gerichtlichen Abfertigung des Beschlusses übereinstimme.

Rechtliche Beurteilung

Dazu wurde erwogen:

Gemäß § 16 Abs 4 AußStrG iVm § 510 Abs 3 ZPO kann an die zutreffenden Rechtsausführungen des Rekursgerichtes angeknüpft werden. Demnach steht die Gültigkeit des mündlichen Testaments vom 14. 2.

2003 in Frage, sollte die Bestellung eines einstweiligen Sachwalters

für die Erblasserin bereits vor dem genannten Zeitpunkt rechtswirksam

geworden sein. Die besonderen Formvorschriften des § 568 ABGB gelten

nämlich nach gefestigter Judikatur schon dann, wenn dem Testator

gemäß § 238 Abs 2 AußStrG ein einstweiliger Sachwalter beigegeben

wurde (2 Ob 589/90 = EvBl 1991/34; 9 Ob 710/91 = SZ 64/111; 3 Ob

525/94 = NZ 1995, 132). Ein solcher Beschluss wird mit der Zustellung

wirksam, weil nur so ein lückenloser Schutz des Pflegebefohlenen erreicht werden kann (4 Ob 574/89; SZ 64/111; 1 Ob 252/97h = EFSlg 99.044; 8 Ob 265/98y). Die abschließende Beurteilung der Gültigkeit der letztwilligen Erklärung eines Verstorbenen steht allerdings nicht dem Verlassenschaftsgericht zu, sondern ist im Rechtsweg zu klären. Die Entscheidung von Streitfragen, die den zentralen Gegenstand des Erbrechtsstreits bilden, darf das Verlassenschaftsgericht nicht vorwegnehmen (vgl RIS-Justiz RS0007994, insbesondere 9 Ob 60/00i mwN).

Zentrale Bedeutung für die Gültigkeit des hier zu beurteilenden mündlichen Testaments kommt nach dem Gesagten der Frage zu, ob die nach der Aktenlage schon vor der Testamentserrichtung erfolgte Zustellung des Beschlusses, mit dem der Erblasserin ein einstweiliger Sachwalter bestellt wurde, rechtswirksam war. Der nicht entkräftete Anschein einer rechtswirksamen Zustellung würde die Zuweisung der Klägerrolle an den Testamentserben rechtfertigen, weil dann Bedenken gegen die Formgültigkeit des Testaments bestünden (vgl RIS-Justiz RS0008066). Auch insoweit kann auf die zutreffenden Rechtsausführungen des Rekursgerichtes verwiesen werden. Der Kläger meint nun, ausreichende Argumente für die Unwirksamkeit der Zustellung des Bestellungsbeschlusses an die Erblasserin geliefert zu haben, doch kommt es auf diesen in der Tat fragwürdigen Zustellvorgang nicht an. Wie schon zur vergleichbaren Bestellung eines vorläufigen Beistands nach §§ 8, 56 EntmO judiziert wurde, treten die mit der Übertragung der Verfügungsmacht an den einstweiligen gesetzlichen Vertreter korrespondierenden rechtsgeschäftlichen Beschränkungen des Pflegebefohlenen bereits mit der Zustellung des Bestellungsbeschlusses an den vorläufigen Beistand

bzw einstweiligen Sachwalter ein (5 Ob 27/61 = SZ 34/26; 1 Ob 710/85;

5 Ob 540/87 = JBl 1987, 718). Das gebietet auch der Zweck der

vorläufigen Obsorge (SZ 34/26). Die in § 568 ABGB normierten Formvorschriften für die Errichtung eines Testaments waren daher im gegenständlichen Fall schon seit der Zustellung des Bestellungsbeschlusses an den einstweiligen Sachwalter zu beachten, die nach der Aktenlage am 6. 2. 2000 erfolgte. Die diesbezüglich im Revisionsrekurs vorgetragenen Bedenken reichen bei der gebotenen vorläufigen Prüfung für eine Entkräftung des Zustellnachweises nicht aus. Dem vorläufigen Beistand könnte der Bestellungsbeschluss direkt vom Gericht ausgehändigt worden sein. Die endgültige Klärung der Rechtswirksamkeit des Zustellvorgangs ist bei dieser Sachlage dem Prozessgericht zu überlassen.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.