JudikaturJustiz5Ob163/23s

5Ob163/23s – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. Oktober 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P*, vertreten durch Dr. Sven Rudolf Thorstensen, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. N*, 2. A*, beide CEO von M*, beide vertreten durch Mag. Patrick Bugelnig, Rechtsanwalt in Wien, wegen 55.032,42 EUR sA, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 31. Juli 2023, GZ 13 R 170/23z 15, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Korneuburg vom 2. Juni 2023, GZ 6 Cg 23/23x 11 bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien binnen 14 Tagen die mit 2.958,47 EUR (darin 493,08 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung zu ersetzen.

Text

Begründung:

[1] Die M* L td wurde rechtskräftig verpflichtet, an den Kläger 40 .397,98 EUR samt Zinsen und Kosten, insgesamt den nunmehrigen Klagebetrag zu zahlen. Eine Zahlung erfolgte laut Klage nicht.

[2] Der Kläger begehrt nun, die Beklagten als Geschäftsführer der Schuldnerin zur ungeteilten Hand zur Zahlung des Klagebetrags zu verpflichten. Sie hätten sich geweigert, die Zahlungspflicht der von ihnen vertretenen Gesellschaft zu erfüllen, obwohl diese hohe Bonität habe . Die Zuständigkeit des angerufenen Erstgerichts stützten si e auf Art 7 Nr 2 EuGVVO. Die Zahlungspflicht liege in Österreich am Wohnsitz des Klägers, wo auch sein Vermögensschaden eingetreten sei. Materiell rechtlich sei österreichisches Sachrecht anzuwenden.

[3] Die Beklagten bestritten die internationale Zuständigkeit der österreichischen Gerichte. Das Vorbringen zur Zuständigkeit des Erstgerichts sei unschlüssig. Eine Zahlungspflicht der Beklagten bestehe nicht, weder Handlungs noch Erfolgsort lägen in Österreich. Die Beklagten hätten ihren Wohnsitz nicht im G erichts sprengel des angerufenen Gerichts.

[4] Das Erstgericht wies die Klage mangels internationaler Zuständigkeit zurück. Weder Handlungs noch Erfolgsort lägen in Österreich.

[5] Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers nicht Folge. Primär stützte es sich darauf, dass nach den Klagebehauptungen der Wohnsitz der Beklagten offen bleibe, zumal die im Rubrum angegebene Anschrift identisch mit der Anschrift der Schuldnerin sei und offenkundig den Arbeitsplatz der Beklagten und nicht deren Wohnsitz bezeichne. Im Übrigen fehle es an einem Handlungs und Erfolgsort in Österreich.

[6] Den Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht zu, weil es zahlreiche in Ö sterreich geschaffene Exekutionstitel gegen die Schuldnerin und andere Glücksspielunternehmen in Malta gebe . Für den Fall der unterlassenen Zahlung durch die Schuldnerin sei davon auszugehen, dass bei Bejahung der internationalen Zuständigkeit der österreichischen Gerichte für Klagen gegen deren Geschäftsführer zahlreiche weitere Klagen eingebracht werden. Die Frage sei daher vom Obersten Gerichtshof zu klären.

[7] In seinem Revisionsrekurs strebt der Kläger die Abänderung im Sinn einer Verwerfung der Einrede der internationalen Unzu ständi g keit, hilfsweise eine Aufhebung des angefochtenen Beschlusses an.

[8] Die Beklagten beantragen i n ihrer Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[9] Der Revisionsrekurs ist – ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO) – Ausspruchs des Rekurs gerichts nicht zulässig, er kann keine erhebliche Rechtsfrage aufzeigen.

[10] 1. Für die Beurteilung der internationalen Zuständigkeit sind nach ständiger Rechtsprechung (RIS Justiz RS0115860) die Klageangaben maßgeblich. Die ausdrückliche Berufung auf einen Gerichtsstand nach der EuGVVO ist nicht erforderlich. Der Kläger muss allerdings das erforderliche Tatsachensubstrat vorbringen (RS0130471). Will der Kläger einen anderen als den allgemeinen Gerichtsstand des Beklagten in Anspruch nehmen, muss er bereits in der Klage die Tatsachen, die den besonderen Gerichtsstand begründen, erwähnen (RS0115860 [T1]). Er ist zwar nicht verpflichtet, Zuständigkeitstatbestände in ihrer rechtlichen Konfiguration zu nennen, es bedarf aber des erforderlichen Tatsachensubstrats (RS0046204; 3 Ob 2/04x).

[11] 2. Gemäß Art 7 Nr 2 EuGVVO kann eine Person, welche einen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden, wenn eine unerlaubte Handlung und eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden, und zwar vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht.

[12] 3. Ob im Hinblick auf den Inhalt der Prozessbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist, ist grundsätzlich eine Frage des Einzelfalls, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung keine erhebliche Bedeutung zukommt (RS0042828). Gegenteiliges würde nur gelten, wenn die Auslegung des Parteivorbringens mit seinem Wortlaut unvereinbar wäre (RS0042828 [T7, T11]). Dies ist hier nicht der Fall. Die Auffassung des Rekursgerichts, der Kläger habe einen Wohnsitz beider Beklagten in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union gar nicht behauptet, bedarf keiner Korrektur im Einzelfall .

[13] 4. In seiner Klage behauptet der Kläger nämlich nur, die Beklagten seien Geschäftsführer der M* L td, der Erstbeklagte sei israelischer, der Zweitbeklagte m altesischer Staatsbürger. Einen Wohnsitz der Beklagten in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union erwähnt der Kläger in der Klageerzählung nicht. Auch dem Rubrum der Klage ist – im Gegensatz zu den Revisionsrekursausführungen – nach der mit dessen Wortlaut gut zu vereinbarenden Auslegung des Rekursgerichts nur zu entnehmen, dass die Beklagten CEO von M* L td sind, wobei sich die dort angegebene (übereinstimmende) Zustelladresse beider Beklagter mit der aus zahlreichen Verfahren gerichtsbekannten Adresse dieser Gesellschaft deckt. Die Interpretation des Rekursgerichts, damit sei nicht etwa ein übereinstimmender Wohnsitz beider Beklagten, sondern nur die Firmenadresse der von ihnen vertretenen Limited genannt (um eine Zustellung dort zu bewirken), liegt nahe und ist keine Fehlbeurteilung, die einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedürfte. Dass diese Auslegung mit dem Wortlaut der Klage unvereinbar wäre oder gegen die Denkgesetze verstieße und deshalb eine erhebliche Rechtsfrage aufwerfen würde, behauptet der Kläger im Revisionsrekurs im Übrigen gar nicht.

[14] 5. Aus dem Umstand der Klagezustellung an die Beklagten an ihrem Arbeitsplatz lässt sich nicht ableiten, dass sie dort auch wohnen oder einen Wohnsitz in einem Mitgliedstaat hätten. Einer Bestreitung eines ( nicht erstatteten) Vorbringens zum Wohnsitz der Beklagten in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union bedurfte es nicht . Von einem Zugeständnis eines Wohnsitzes der Beklagten in einem Mitgliedstaat kann daher nach de r im Einzelfall nicht korrekturbedürftigen Auffassung des Rekursgerichts keine Rede sein.

[15] 6. Damit hat das Rekursgericht die internationale Zuständigkeit des Erstgerichts schon aus diesem Grund zutreffend verneint . Eine Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens wurde nicht geltend gemacht.

[16] 7. Auf die Frage, ob die Behauptung der Anwendbarkeit des österreichischen Schadenersatzrechts im Allgemeinen und eines deliktischen Ersatzanspruchs gegen die Geschäftsführer im Besonderen ausreichend schlüssig ist, und Handlungs bzw Erfolgsort für derartige Schäden im Inland liegen (dazu 5 Ob 110/23i), ist nicht mehr ein zugehen . Die Verneinung eines Handlungs oder Erfolgsorts nach Art 7 Nr 2 EuGVVO durch das Rekursgericht bildet eine bloße Hilfsbegründung, die für den Streitausgang nicht erheblich ist (RS0042736). Da schon die vom Rekurs gericht primär herangezogene Begründung mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht der inhaltlichen Nachprüfung durch den Obersten Gerichtshof unterliegt, kann auch die Richtigkeit der vom Rekursgericht hilfsweise herangezogenen Begründung nicht an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden (RS0042736 [T2]).

[17] 8 . Damit war der Revisionsrekurs zurückzuweisen, ohne dass dies einer weiteren Begründung bedürfte (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 528a ZPO).

[18] 9 . Gemäß §§ 41, 50 ZPO hat der Kläger den Beklagten die tarifgemäß verzeichneten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung zu ersetzen.

Rechtssätze
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