JudikaturJustiz4Ob90/07z

4Ob90/07z – OGH Entscheidung

Entscheidung
12. Juni 2007

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Peter H*****, vertreten durch Dr. Johannes Hintermayr und andere Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei Margit B*****, vertreten durch Dr. Berthold Martin Breitwieser, Rechtsanwalt in Bad Schallerbach, als Verfahrenshelfer, wegen Unterlassung, Beseitigung, Urteilsveröffentlichung, Rechnungslegung und Zahlung (Streitwert insgesamt 36.340 EUR), über die außerordentlichen Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz vom 7. März 2007, GZ 6 R 197/06t-17, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentlichen Revisionen werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen. Der Antrag des Klägers auf Zuspruch der Kosten der Revisionsbeantwortung wird gemäß § 508a Abs 2 Z 2 ZPO abgewiesen.

Text

Begründung:

1. Der Kläger entwickelt und vertreibt Aerodynamik-Teile zum „Tunen" (Abstimmen) von Kraftfahrzeugen. In geringerem Umfang verkauft er auch Aufkleber für „getunte" Fahrzeuge. Er ist Eigentümer eines „getunten" Pkw, den er gelegentlich zu Werbezwecken ausstellt. Die Beklagte vertreibt ebenfalls Aufkleber für „getunte" Fahrzeuge. Für einen Katalog verwendete sie Fotos von „getunten" Kraftfahrzeugen, die ein in ihrem Unternehmen gelegentlich aushelfender Fotograf zur Verfügung gestellt hatte. Die abgebildeten Fahrzeuge dienten dabei als Träger für die Darstellung von Aufklebern der Beklagten. Zu diesem Zweck wurden die Fotos im Unternehmen der Beklagten grafisch bearbeitet. Woher die Fotos stammten, wusste die Beklagte nicht. Eines davon zeigte den Pkw des Beklagten, den der Fotograf anlässlich einer öffentlichen Ausstellung aufgenommen hatte. Das Berufungsgericht untersagte der Beklagten, beim Vertrieb von Autozubehörteilen Abbildungen des Fahrzeugs des Klägers zu verwenden. Dabei handle es sich um eine nach § 1 UWG unzulässige Übernahme eines fremden Arbeitsergebnisses. Weitere Ansprüche, die insbesondere auf das behauptete Urheberrecht des Klägers an seinem Fahrzeug gestützt waren, wies es demgegenüber ab. Das Fahrzeug sei mit üblichen Tuning-Teilen ausgestattet, die keine individuellen Züge aufwiesen.

Rechtliche Beurteilung

2. Der Kläger macht als erhebliche Rechtsfrage geltend, dass die Beklagte durch die Verwendung des Fotos das Fahrzeug „mit seinen eigentümlichen optischen Bestandteilen als Leistung des Klägers, die im Sinn von § 1 UWG geschützt" sei, unmittelbar übernommen habe. Die Relevanz dieser Ausführungen bleibt allerdings dunkel. Denn im Wesentlichen mit dieser Begründung hat schon das Berufungsgericht dem Unterlassungsbegehrens stattgegeben, soweit es auf die schmarotzerische Ausbeutung einer Leistung des Klägers gestützt war. Dass das Berufungsgericht nur die Nutzung der Abbildung des Fahrzeugs und nicht jene des Fahrzeugs selbst verboten hat, ist angesichts des auf der Tatsachenebene völlig unstrittigen Verhaltens der Beklagten nur eine Frage der Formulierung und hat keinerlei rechtliche Bedeutung. Für die übrigen Teile des Klagebegehrens, die der Kläger im Wesentlichen auf eine Urheberrechtsverletzung stützt, hat die als erheblich bezeichnete Rechtsfrage keine erkennbare Bedeutung. Der Kläger macht weiters das Unterbleiben einer - nicht beantragten - Berufungsverhandlung als Mangel des Berufungsverfahrens geltend. In diesem Punkt ist er darauf zu verweisen, dass die Berücksichtigung des Inhalts einer in den Feststellungen der Vorinstanz - wenn auch ohne wörtliche Wiedergabe - enthaltenen Urkunde, die er selbst vorgelegt hatte und deren Echtheit nicht bestritten ist, nicht die amtswegige Durchführung einer Berufungsverhandlung erfordert (6 Ob 246/06d; RIS-Justiz RS0121557). Ungeachtet einer missverständlichen Formulierung in seinem Urteil hat das Berufungsgericht nicht etwa weitere Feststellungen getroffen, sondern lediglich Feststellungen in seine rechtliche Beurteilung einbezogen, die bereits vom Erstgericht zum Produktkatalog der Beklagten (auch) durch den Verweis auf die Urkunde getroffen worden waren.

Die Frage, ob sich in einem Erzeugnis Technik und Kunst verbinden und damit auch ein Werk im Sinne des UrhG vorliegt, ist nur dadurch zu lösen, dass untersucht wird, inwieweit die verwendeten Formelemente technisch bedingt sind und inwieweit sie lediglich der Form halber, aus Gründen des Geschmacks, der Schönheit, der Ästhetik gewählt wurden. Es handelt sich also darum, ob die Form dem Techniker oder dem Künstler zuzurechnen ist (4 Ob 337/84 = ÖBl 1985, 24 - Walmart-Stuhl; RIS-Justiz RS0076633). Diese Frage begründet wegen ihrer Einzelfallbezogenheit idR keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung. Eine krasse Fehlbeurteilung liegt jedenfalls nicht vor.

3. Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass keine „unmittelbare" Übernahme eines fremden Arbeitsergebnisses vorliege; ihr falle auch keine verwerfliche Absicht (Rufausbeutung, Herkunftstäuschung, Behinderung des Wettbewerbers) zur Last. Auch ihr gelingt es nicht, das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage iSv § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen. Die Lösung des Falls ergibt sich, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, aus der ständigen Rechtsprechung zur schmarotzerischen Ausbeutung fremder Leistungen.

Danach verstößt die glatte Übernahme fremder Arbeitsergebnisse in

jedem Fall gegen § 1 UWG (RIS-Justiz RS0078341, zuletzt etwa 4 Ob

207/04a = wbl 2005, 237 - ÖSAG und 4 Ob 47/06z = MR 2007, 28 -

Werbefoto mwN). Als Kennzeichen einer „glatten Übernahme" wird vor

allem gesehen, dass das Nachahmen mittels eines meist technischen

Vervielfältigungsverfahrens unter Ersparung eigener Kosten geschieht,

das Nachgeahmte also kopiert oder abgeschrieben wird (4 Ob 78/94 =

ÖBl 1995, 116 - Schuldrucksorten; 4 Ob 207/04a = wbl 2005, 237 -

ÖSAG). Gegenstand dieser Rechtsprechung war bisher vor allem die

Übernahme fremden Werbematerials (RIS-Justiz RS0078341 T8 und T 16;

vgl insb 4 Ob 384/80 = ÖBl 1981, 16 - Isomat Fill; 4 Ob 28/91 = ÖBl

1991, 217 - Umweltspezialist für Tiefbauprodukte; 4 Ob 130/93 = wbl

1994, 134 - System der Besten; zuletzt etwa 4 Ob 89/02w - Pensionsvorsorge und 4 Ob 47/06z). Auf die bei einer bloßen Nachahmung einer fremden Leistung erforderliche besondere Verwerflichkeit des Verhaltens (RIS-Justiz RS0078130) kommt es bei einer glatten Übernahme nicht an.

Wäre das Foto vom Kläger oder in dessen Auftrag angefertigt worden, bestünde auf der Grundlage dieser Rsp kein Zweifel an einem Verstoß gegen § 1 UWG. Zumindest im vorliegenden Fall kann es aber nicht darauf ankommen, wer das Foto aufgenommen hat. Denn für den ohne eigenen Mühen erlangten Nutzen der Beklagten war in erster Linie jener Aufwand entscheidend, der bei der Herstellung des abgebildeten Gegenstands angefallen war. Das Ergebnis dieses Aufwands - das „getunte" Fahrzeug - verwertete die Beklagte durch die Abbildung in ihrem Katalog.

Wäre der Beklagten das Foto nicht zur Verfügung gestanden, so hätte sie selbst ein „getuntes" Fahrzeug herstellen oder auf andere Weise - wenn auch nur für eine gewisse Zeit - beschaffen müssen, um für den Katalog ein entsprechendes Lichtbild anfertigen zu können. Das wäre jedenfalls mit einem höheren Aufwand verbunden gewesen als die nicht weiter hinterfragte Verwendung des Fotos. Der mit dem Anfertigen des Fotos verbundene Aufwand trat demgegenüber in den Hintergrund. Die Beklagte hat sich somit durch das ihrer Sphäre zuzurechnende Fotografieren - also durch einen fotomechanischen bzw digitalen Abbildungsvorgang - und durch die Übernahme des Lichtbilds in ihren Katalog zu Lasten des betroffenen Mitbewerbers eine eigene Leistung erspart. Das Berufungsgericht hat das zutreffend als „glatte" Leistungsübernahme iSd ständigen Rsp gewertet. Aus dieser Rsp folgt, dass die Verwendung eines von wem immer angefertigten Fotos, das einen von einem Mitbewerber hergestellten Gegenstand zeigt, gegen § 1 UWG verstößt, wenn die Eigenart des Gegenstands - wie hier - für den Verwendungszweck von Bedeutung ist.

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