JudikaturJustiz4Ob595/89

4Ob595/89 – OGH Entscheidung

Entscheidung
07. November 1989

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Franz K***, Vertragsbediensteter, Wien 11., Hörtengasse 60, vertreten durch Dr. Michael Stern und DDr. Peter Stern, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei mj. Michaela K***, Schülerin, Wien 22., Oskar Griesemannstraße 2/5/6, vertreten durch das Bezirksjugendamt für den 2. Bezirk als Kollisionskurator, wegen Bestreitung der ehelichen Vaterschaft infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 22. Mai 1989, GZ 43 R 1023/89-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Donaustadt vom 31. Mai 1988, GZ 3 C 34/87-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Beklagte wurde am 23. April 1975 als Kind des Klägers und der Margarete K*** geboren. Die Ehe der Eltern wurde am 25. August 1951 geschlossen und am 31. August 1976 rechtskräftig geschieden. Im Scheidungsurteil wurde die Beklagte bei der Aufzählung der in der Ehe geborenen Kinder nicht erwähnt. Die Mutter der Beklagten beantragte am 11. März 1980 beim Pflegschaftsgericht, ihr die elterlichen Rechte zu übertragen. Der Kläger nahm am 8. April 1980 zu diesem Antrag dahin Stellung, daß er nichts dagegen einzuwenden habe, weil er nicht der leibliche Vater des Kindes sei; er wurde damals "über die Bestreitung der ehelichen Geburt belehrt". Am 11. Jänner 1983 erklärte der Kläger zum Antrag auf Festsetzung eines Unterhaltsbetrages vor dem Pflegschaftsgericht, daß er nicht bereit sei, für die Beklagte Unterhalt zu zahlen, weil er nicht der leibliche Vater sei; sein Anwalt werde die für die Bestreitung der ehelichen Geburt nötigen Schritte unternehmen. Mit Schreiben vom 12. Juli 1983 teilte der Kläger dem Pflegschaftsgericht ua mit, daß er nicht der Vater des Kindes sei und er sich auch aus diesem Grund von der Mutter der Beklagten habe scheiden lassen; die Mutter habe "zur damaligen Zeit" ein festes Verhältnis mit Günther H*** gehabt, welcher der Vater des Kindes sei. Zu einem Antrag auf Erhöhung des Unterhaltes erklärte der Kläger am 11. Februar 1987 vor dem Pflegschaftsgericht ua folgendes:

"Da ich nach wie vor weiß, daß ich nicht der Vater des Kindes bin, ist mir jeder Betrag zu hoch. Obwohl im Scheidungsverfahren auf das Kind deshalb kein Bedacht genommen wurde, weil die Mutter angegeben hat, daß ich nicht der Vater bin, komme ich mit meiner Bestreitungsklage wegen der Fristversäumnis nicht durch". Die Staatsanwaltschaft Wien hat den Antrag des Klägers vom 24. Jänner 1983 auf Einbringung einer Bestreitungsklage gemäß § 158 ABGB am 25. Februar 1985 abgelehnt.

Mit seiner am 12. November 1987 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrt der Kläger die Feststellung, daß die Beklagte nicht aus der zwischen ihm und Maria K*** geb. J*** am 25. August 1951 geschlossenen Ehe stamme. Am 21. Oktober 1987 habe ihm die Mutter mitgeteilt, sie wisse selbst nicht, wer der Vater der Beklagten sei; "einer von euch beiden" (gemeint der Kläger oder Günther H***) sei es. Die Beklagte habe er schon jahrelang nicht gesehen.

Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Die Frist für eine Bestreitungsklage des Ehemannes der Mutter sei bereits abgelaufen.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Der Kläger sei zumindest seit Juli 1983 in Kenntnis von Umständen gewesen, die für die Unehelichkeit der Beklagten sprechen; die Ehelichkeitsbestreitungsklage sei daher gemäß § 156 Abs.1 ABGB verfristet.

Die Staatsanwaltschaft Wien erklärte, auf Rechtsmittel gegen dieses Urteil zu verzichten.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als Ergebnis eines mängelfreien Verfahrens und einer unbedenklichen Beweiswürdigung und trat auhh der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes bei. Gegen dieses Urteil richtet sich die wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision des Klägers mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Sache an das Erstgericht zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen.

Die Beklagte hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Den Ausführungen in der Revision, aus den Feststellungen des Erstgerichtes ergebe sich nur, daß der Kläger zwar schon immer der Überzeugung war, nicht der Vater der Beklagten zu sein, nicht aber, daß er auch Kenntnis von konkreten Umständen gehabt habe, welche die uneheliche Geburt der Beklagten beweisen hätten können, ist beizupflichten:

Der Ehemann der Mutter kann die Ehelichkeit des Kindes binnen Jahresfrist bestreiten (§ 156 Abs.1 ABGB). Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Ehemann Kenntnis von den Umständen erlangt, die für die Unehelichkeit des Kindes sprechen, frühestens jedoch mit der Geburt des Kindes (§ 156 Abs.2 ABGB). Nach ständiger Rechtsprechung (EFSlg. 43.300, 51.241 ua) beginnt die Frist jedenfalls dann zu laufen, wenn dem Ehemann Umstände von so großer Beweiskraft bekannt werden, daß er die Unehelichkeit des Kindes als höchstwahrscheinlich ansehen muß und erwarten kann, seiner Beweispflicht im Bestreitungsprozeß nachkommen zu können. Nur die Kenntnis genügend beweiskräftiger, für die Unehelichkeit des Kindes sprechender Umstände setzt als die Bestreitungsfrist in Lauf (EFSlg. 772, 31.308, 35.960). Als solche Umstände kommen beispielsweise der Reifegrad, erbbiologische und rassische Merkmale, Unmöglichkeit der Zeugung und dgl. in Betracht (Pichler in Rummel, ABGB, Rz 3 zu §§ 156 bis 159). Wann dem Ehemann subjektive Bedenken gegen seine Vaterschaft gekommen sind, ist hingegen bedeutungslos (Koziol-Welser8 I 237; EvBl. 1978/164). Die Gewißheit, daß die Mutter innerhalb der kritischen Frist mit einem Dritten geschlechtlich verkehrt hat, begründet zwar Bedenken an der Vaterschaft des Ehemannes; mangels konkreter objektiver Umstände wird aber die Ehelichkeit des Kindes dadurch nicht in jedem Fall ernstlich in Frage gestellt. Wenn auch der Ehemann mit der Mutter innerhalb der kritischen Zeit geschlechtlich verkehrt hat, dann sprechen die Umstände ebenso für die Vaterschaft des Dritten wie für die Vaterschaft des Ehemannes; ein konkreter Umstand, der die Unehelichkeit des Kindes höchstwahrscheinlich macht, liegt darin allein noch nicht.

Im vorliegenden Fall steht nur fest, daß der Kläger im Zuge des Pflegschaftsverfahrens mehrmals geäußert hat, er sei nicht der Vater der Beklagten; zumindest seit Juli 1983 kennt er auch den Namen des Mannes, mit dem die Mutter innerhalb der kritischen Frist geschlechtlich verkehrt hat. Allein daraus mußte aber der Kläger noch nicht den Schluß ziehen, daß die Unehelichkeit der Beklagten höchstwahrscheinlich sei. In einem vom Untersuchungsgrundsatz beherrschten Verfahren (§ 6 Abs.1 Z 1 FamRAnglV) hätte sich das Erstgericht nicht damit begnügen dürfen, nur die - gegenüber dem Pflegschaftsgericht abgegebenen - Erklärungen des Klägers nicht der Vater zu sein, also bloße Hilfstatsachen, festzustellen; es hatte vielmehr die Pflicht, alle für die Entscheidung wichtigen Tatumstände aufzuklären (Fasching, Lehrbuch, Rz 2379). Nach der Aktenlage fehlen Anhaltspunkte dafür, daß dem Kläger konkrete Umstände bekannt waren, welche die Unehelichkeit der Beklagten höchstwahrscheinlich machen; seine Kenntnis, daß die Mutter in der kritischen Zeit auch mit einem anderen Mann verkehrt hat, reicht dafür nicht aus. Die Angaben in der Klage lassen darauf schließen, daß auch der Kläger mit der Mutter innerhalb der kritischen Frist geschlechtlich verkehrt hat, Feststellungen darüber fehlen allerdings.

Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren jene konkrete Umstände, die dem Kläger bekannt waren, zu erforschen und - falls sich daraus nicht der Ablauf der Ausschlußfrist des § 156 Abs.1 ABGB ergibt - auch das zum Nachweis der Unehelichkeit der Geburt der Beklagten beantragte Sachverständigengutachten einzuholen haben.

Der Revision war somit im Sinne des darin gestellten Aufhebungsantrages Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf § 52 Abs.1 ZPO.