JudikaturJustiz4Ob245/18k

4Ob245/18k – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. April 2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr.

Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon. Prof. Dr. Brenn, Priv. Doz. Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der Klägerin M***** GmbH, *****, vertreten durch Urbanek Lind Schmied Reisch Rechtsanwälte OG in Wien, gegen den Beklagten DI J***** N*****, vertreten durch Rechtsanwälte Gruber Partnerschaft KG in Wien, wegen 182.991 EUR sA und Feststellung (Streitwert 5.000 EUR), über die außerordentliche Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. Oktober 2018, GZ 16 R 119/18i 10, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der Beklagte nahm Ende 2006 im Auftrag einer (nicht unmittelbaren) Rechtsvorgängerin der Klägerin hinsichtlich ihrer Liegenschaftsanteile statische Berechnungen und die Verfassung von Konstruktionsplänen für einen Dachgeschoßausbau vor. Er stellte fest, dass einige Dippelbäume morsch waren und ordnete an, dass diese behandelt werden. Im Februar 2007 wurde das Dach abgetragen und bis Mai oder Juni 2007 war das Gebäude ohne Dach. Erst dann erfolgte eine Stahlbaukonstruktion. Ende 2007/Anfang 2008 war der Dachgeschoßausbau abgeschlossen. Der Beklagte bestätigte im Jahr 2009 im Rahmen der Fertigstellungsanzeige, dass das Bauvorhaben bewilligungsgemäß und den Bauvorschriften entsprechend ausgeführt wurde. Die Klägerin erwarb im November 2014 die mit der Benützung des Dachgeschoßes verbundenen Liegenschaftsanteile. Bei Fortsetzung des Ausbaus stellte sie anhand eines Beweissicherungsgutachtens fest, dass Dippelbäume durchmorscht waren und die konsensmäßige Tragfähigkeit nicht gegeben sei. Weiters zeigte sich Pilz- und Insektenbefall sowie Braun- und Moderfäule. Die Klägerin musste eine Sanierung des Dachgeschoßes durchführen lassen und wendete dafür 182.991 EUR auf. Der Beklagte stand zu keinem Zeitpunkt in einem Vertragsverhältnis mit der Klägerin. Die Eigentümergemeinschaft der Liegenschaft sowie die Miteigentümer haben ihre Ansprüche gegenüber dem Beklagten aus dem mangelhaften Dachgeschoßausbau an die Klägerin abgetreten.

Die Klägerin begehrt vom Beklagten den genannten Betrag aus dem Titel des Schadenersatzes sowie die Feststellung der Haftung des Beklagten für sämtliche zukünftige Schäden aus seiner Verletzung von Kontroll- und Prüfpflichten.

Der Beklagte wendete insbesondere ein, dass er weder mit der Bauüberwachung, noch mit der örtlichen Bauaufsicht beauftragt oder befasst gewesen sei. Sein Werkvertrag mit der entfernten Rechtsvorgängerin der Klägerin sei kein Vertrag mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter. Nach Abschluss seiner Tätigkeit im Jahr 2006 sei das Dach monatelang ungeschützt offengestanden, sodass Wasser in die Decke eindringen habe können. Die Tätigkeit des Beklagten als Prüfingenieur diene der Allgemeinheit, das Vermögen des Bauherrn sei von diesem Schutz nicht umfasst.

Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Weder die Klägerin, noch die Zedenten, die zum Zeitpunkt der Werkerstellung noch nicht Miteigentümer waren, könnten einen Schadenersatzanspruch aus einem Eingriff in ihr absolut geschütztes Eigentumsrecht geltend machen. Ein Ersatz des bloßen Vermögensschadens scheide aus, da im konkreten Fall sowohl das Vorliegen eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter zu verneinen sei, als auch aus einem Schutzgesetz (Wr BauO) keine Haftung für bloße Vermögensschäden abzuleiten sei; überdies sei auch keine erweiterte Sachverständigenhaftung gegeben.

Rechtliche Beurteilung

Die Klägerin macht in ihrer außerordentlichen Revision geltend, dass die Haftung des Beklagten aus all den genannten Gründen gegeben sei. Dabei gelingt es ihr aber nicht, eine grobe Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts aufzuzeigen, die eine unterschiedliche Sachentscheidung gebieten würde.

1.1. Die vertragliche Schadenersatzhaftung wird auf Dritte erstreckt, die der vertraglichen Hauptleistung nahe stehen, weil sie ein Vertragspartner erkennbar durch Zuwendung der Hauptleistung begünstigt oder an denen er ein sichtbares eigenes Interesse hat oder denen er zur Fürsorge verpflichtet ist (6 Ob 250/01k mwN). Nach ständiger Rechtsprechung wird ein geschädigter Dritter jedoch dann nicht in den Schutzbereich eines fremden Vertrags einbezogen, wenn er selbst einen deckungsgleichen Schadenersatzanspruch gegen einen der beiden Vertragspartner hat (RS0022814 [T15]).

1.2. Allfällige Schadenersatzansprüche des Voreigentümers aus dem Werkvertrag gegen den Werkunternehmer wegen Schlechterfüllung gehen nicht mit dem Eigentum an der Sache auf den neuen Eigentümer über, der mit dem Werkunternehmer in keinem Rechtsverhältnis steht und auf den der Schaden nicht im Zeitpunkt des Schadenseintritts überwälzt wurde. Hat der Käufer wegen bestehenden Mangels des Bauwerks zu teuer gekauft, so kann er sich diesbezüglich nur an seinen Vertragspartner halten (RS0021797).

1.3. Wenn das Berufungsgericht bei der gegebenen Sachlage – mit ausführlicher Begründung – zum Schluss kommt, dass die Klägerin aus dem Rechtsinstitut des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter keinen Anspruch gegen den Beklagten ableiten könne, steht dies im Einklang mit der zitierten Rechtsprechung. Dasselbe gilt für die von den Miteigentümern (die im relevanten Zeitraum noch kein Eigentum hatten) zedierten Ansprüche, zumal diese ebenfalls in keiner Rechtsbeziehung zum Beklagten als Werkunternehmer stehen.

1.4. Soweit die Klägerin eine Haftung aus Nachbarrecht thematisiert, ist ihr entgegenzuhalten, dass hier kein Fall nachbarrechtlicher Ansprüche vorliegt.

2.1. Eine erweiterte Sachverständigenhaftung des Beklagten verneinte das Berufungsgericht unter Bezugnahme auf die ständige Rechtsprechung, wonach die Ersatzpflicht des Sachverständigen nach §§ 1299 ff ABGB grundsätzlich auf den aus dem Schuldverhältnis Berechtigten beschränkt ist (RS0026234) und eine Haftung gegenüber Dritten nur dann in Betracht kommt, wenn ein Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter vorliegt oder die objektiv-rechtlichen Schutzwirkungen auf den Dritten zu erstrecken sind, und zwar dann, wenn der Sachverständige damit rechnen muss, dass sein Gutachten die Grundlage für dessen Disposition bilden werde (RS0106433), oder wenn der Vertragspartner des Sachverständigen erkennbar gerade die Interessen dieses Dritten mitverfolgte (RS0017178, RS0114126). Im vorliegenden Fall könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Tätigkeit des Beklagten 2006 und 2009 für ihn absehbar die Vermögensinteressen der Klägerin im Jahr 2014 als spätere Wohnungseigentümerin (mit )verfolgen würde. Überdies bestehe auch diesbezüglich Subsidiarität (7 Ob 38/17i).

2.2. Die Revision legt nicht nachvollziehbar dar, weshalb die Klägerin bzw ihre Zedenten keine deckungsgleichen Ansprüche gegen den Verkäufer als Geschäftsherrn haben sollten. Auch zu diesem Punkt zeigt sie somit keine erhebliche Rechtsfrage auf.

3.1. Zu der von der Klägerin als Haftungsgrundlage herangezogenen Schutzgesetzverletzung führte das Berufungsgericht aus, die öffentlich-rechtlichen Bauvorschriften seien nach der Rechtsprechung Schutzgesetze zugunsten der Allgemeinheit (1 Ob 253/02s). Die gegenständlichen §§ 125 Abs 2 und 127 Abs 3 Wr BauO sollten vor ernsten Schäden und einer Gefährdung der Benützer und Bewohner des Gebäudes schützen. Der Beklagte als Prüfingenieur sei nach der damals geltenden Rechtslage lediglich verpflichtet gewesen, der Baubehörde bestimmte Abweichungen von den Bauvorschriften und Mängel zu melden, die er bloß stichprobenartig in Form einer Beschau bestimmter Teile des Baus zu prüfen gehabt habe. Somit sei er weder zur laufenden Überprüfung des Baufortschritts, noch zur Bauaufsicht verpflichtet gewesen. Der Schutzzweck der Bauvorschriften komme allen Geschädigten zugute, sofern es sich beim Schaden um eine Gefahr handle, vor der die behördliche Prüfung der statischen Berechnung jeden im Einzelfall Bedrohten schützen soll. Eben daran mangle es, weil die Bewohner nicht Opfer dieser Gefahr geworden seien. Ein Eingriff in das Eigentumsrecht als absolut geschütztes Recht liege nicht vor, weil die Klägerin bzw die Bewohner, die ihre Ansprüche der Klägerin abgetreten haben, im relevanten Zeitraum 2006 bis 2009 noch nicht Eigentümer gewesen seien; der Schadenersatzanspruch gehe aber nicht mit dem Eigentum über. Im Klagsanspruch machten sie ihre besonderen wirtschaftlichen Interessen, nämlich ihren Anteil an den Erhaltungsarbeiten zur Beseitigung der ernsten Schäden geltend, somit reine Vermögensschäden.

3.2. Die Revision führt diesbezüglich aus, das Berufungsgericht weiche von der (von ihm zitierten) Entscheidung 1 Ob 253/02s ab, weil danach zu unterscheiden sei, ob es um bloße Mangelschäden gehe, um eine dem üblichen Standard entsprechende Verwendbarkeit des Bauwerks herzustellen, oder, wie hier, um die Kosten zur Beseitigung der Einsturzgefahr; solche Schäden seien vom Schutzzweck erfasst. Dies geht jedoch aus der genannten Entscheidung keineswegs hervor. Vielmehr wird dort ausdrücklich der Schutzzweck öffentlich-rechtlicher Bauvorschriften für Vermögensschäden des Bauherrn verneint.

3.3. Der Oberste Gerichtshof hat auch in der Entscheidung 1 Ob 232/05g daran festgehalten, dass öffentlich-rechtliche Bestimmungen, die dem Bauherrn die Bestellung eines – der Baubehörde gegenüber verantwortlichen – Bauführers auftragen, den Schutz der Allgemeinheit vor den Gefahren der Bauführung sowie vor jenen, die von einem nicht fachgerecht errichteten Bauwerk ausgehen, bezwecken, wogegen sich im Vermögen des Bauherrn ereignende bloße „Mangelschäden“ nicht in den Schutzbereich fallen (vgl auch 8 Ob 95/16b). Auch darauf hat bereits das Berufungsgericht hingewiesen.

Zusammenfassend bewegt sich die angefochtene Entscheidung im Rahmen der Grundsätze der Rechtsprechung zur Haftung für bloße Vermögensschäden. Die außerordentliche Revision ist somit als unzulässig zurückzuweisen.

Rechtssätze
6
  • RS0114126OGH Rechtssatz

    25. April 2019·3 Entscheidungen

    Die für die Haftung des Privatsachverständigen gegenüber Dritten entwickelten Grundsätze für die Folgen eines unrichtigen Gutachtens sind auch im deliktischen Bereich anwendbar. Die Frage, ob Interessen Dritter verfolgt werden, richtet sich nach dem Zweck des Gutachtens. Die Einholung eines Gutachtens im Strafverfahren dient der Erforschung der materiellen Wahrheit, soll also die Grundlagen dafür schaffen, die Schuld oder Unschuld eines Angeklagten festzustellen. Ergibt sich im Zuge eines Strafverfahrens aus dem dem Sachverständigen erteilten Auftrag oder aber im Zuge der Befundaufnahme, dass ein Verdacht besteht, dass ein anderer als der Beschuldigte bzw Angeklagte als Haupt- oder Nebentäter in Betracht kommt, muss wegen der amtswegigen Verpflichtung zur Verfolgung von Straftaten mit dessen Verfolgung gerechnet werden, so dass auch jener vom Schutzzweck der gerichtlichen Bestellung eines Sachverständigen mitumfasst ist, ohne dass es darauf ankommt, ob der Betreffende als Zeuge im Verfahren vernommen wurde. Der Gutachtensauftrag umfasst in einem solchen Fall Tatsachenermittlungen zur Aufklärung einer bestimmten Straftat, mit deren Verfolgung vom Sachverständigen auch gegenüber einem anderen gerechnet werden muss. Sofern diese Tatsachen auch den Gegenstand anderer Beweismittel, etwa von Zeugenaussagen, bilden, stehen sie noch im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Zweck des Gutachtensauftrags, sodass auch derjenige, der durch ein Gutachten in den Verdacht einer falschen Zeugenaussage gerät, vom Schutzzweck mit umfasst ist.