JudikaturJustiz4Ob244/22v

4Ob244/22v – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. Februar 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ. Prof. Dr. Kodek als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Schwarzenbacher und MMag. Matzka sowie die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M., und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei * OG, *, vertreten durch Prof. Dr. Johannes Hintermayr, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei *, vertreten durch die Dr. Heinz Häupl Rechtsanwalts GmbH in Nußdorf am Attersee, wegen 2.000 EUR, Unterlassung (31.000 EUR), Beseitigung (500 EUR), Rechnungslegung (1.000 EUR) und Urteilsveröffentlichung (500 EUR; Gesamtstreitwert 35.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz vom 9. November 2022, GZ 2 R 152/22v 27, in nichtöffentlicher Sitzung, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Der Antrag der Beklagten auf Zuspruch der Kosten ihrer Revisionsbeantwortung wird gemäß § 508a Abs 2 Satz 2 ZPO abgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Die Klägerin besitzt eine Gewerbeberechtigung als Werbungsvertreterin und stellt ausschließlich sogenannte Gemeindekalender her. Dabei handelt es sich um Wandkalender, die die Klägerin auf eigene Kosten produziert und Dritten zur kostenlosen Verteilung in einer Gemeinde als Werbegeschenk zur Verfügung stellt. Ihre Einnahmen generiert die Klägerin durch die Inserate lokaler Unternehmer in den Kalendern.

[2] Für die Jahre 2017 bis 2020 produzierte die Klägerin die Gemeindekalender für jenen Ort, in dem der Beklagte Fraktionsführer einer der im Gemeinderat vertretenen Parteien ist. Die Ortsgruppe dieser Partei zahlte der Klägerin für die Kalender (nur) eine Lieferpauschale und verteilte die Kalender gratis an Haushalte im Ort.

[3] Ab 2021 ließ die Ortspartei Gemeindekalender im annähernd gleichen Format ohne Befassung der Klägerin von einem anderen Unternehmen drucken und finanzierte die Druckkosten ebenfalls über Inserate, teils derselben Unternehmen.

[4] Die Klägerin begehrte Unterlassung, Beseitigung, Rechnungslegung und Urteilsveröffentlichung, wobei sie ihre Ansprüche auf UWG und UrhG stützte.

[5] Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Das Produkt der Klägerin genieße in seiner Banalität keinen urheberrechtlichen Schutz. Eine sklavische Nachahmung iSd § 1 UWG liege nicht vor. Eine Verpflichtung, Gemeindekalender auch künftig nur bei der Klägerin herstellen zu lassen, bestehe aufgrund der Privatautonomie nicht.

Rechtliche Beurteilung

[6] Die außerordentliche Revision der Klägerin zeigt keine erheblichen Rechtsfragen auf und ist daher nicht zulässig.

[7] 1. Die Unterlassungsbegehren der Klägerin richten sich unter anderem gegen die Herstellung und/oder den Vertrieb des Gemeindekalenders 2021 und/oder dem Leistungsergebnis der Klägerin verwechslungsfähig ähnlicher Kalender ohne entsprechende Gewerbeberechtigung und/oder ohne Verrechnung von Werbeabgaben und/oder ohne Verrechnung von Umsatzsteuer.

[8] 1.1. Bietet ein Mitbewerber seine Leistungen abgaben- oder steuerfrei und damit besonders günstig an, ohne dass er sich dafür auf eine vertretbare Auslegung von abgaben- bzw steuerrechtlichen Vorschriften berufen kann, liegt darin nicht nur ein Verstoß gegen eine nicht dem Lauterkeitsrecht im engeren Sinn zuzuordnende generelle Norm, sondern zugleich auch gegen § 1 UWG (vgl RS0123239 allgemein zu unlauteren Geschäftspraktiken in Form von Rechtsbruch). Dies wurde auch schon beim Fehlen von Gewerbeberechtigungen ausgesprochen (vgl 4 Ob 137/93 , RS0060070).

[9] 1.2. Aus den Feststellungen der Vorinstanzen ergibt sich jedoch kein Hinweis darauf, dass der Beklagte Inserate „verkauft“, geschweige denn, dass er dabei Steuern oder Abgaben außer Acht gelassen hätte. Vielmehr war es laut Sachverhalt nicht er, sondern der hier nicht beklagte Kassier der ebenfalls nicht beklagten Ortspartei, der schon während der aufrechten Zusammenarbeit mit der Klägerin dieser den Großteil der Inserenten namhaft gemacht hatte und der für die Inserate im Kalender 2021 – namens der Ortspartei – Rechnungen ausstellte.

[10] Die Argumente in der Revison zur fehlenden Gewebeberechtigung, zur USt Pflicht und zur Werbeabgabepflicht des Beklagten gehen nicht von diesem Sachverhalt aus und müssen daher nicht behandelt werden ( RS0043603 ). Dies gilt auch für die in diesem Zusammenhang behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens.

[11] 2.1. Die Revisionsausführungen zum auf Entfernung des Urhebervermerks der Klägerin auf den Kalendern ab 2021 gestützten Begehren weichen von den Feststellungen ab, nach denen nicht sie, sondern eine andere Druckerei die Kalender ab 2021 produzierte. Weder aus Vorbringen noch Sachverhalt ist abzuleiten, dass diese je einen (unrichtigen) Hinweis auf die Klägerin als Herstellerin enthalten hätten, der später entfernt worden wäre.

[12] 2.2. Möglicherweise meint die Klägerin, dass sie das Recht habe, auf den Kalendern ab 2021 als (Mit )Urheberin genannt zu werden.

[13] Ob sich eine Schöpfung aufgrund ihrer Originalität hinreichend deutlich von ähnlichen Schöpfungen unterscheidet und daher ein urheberrechtlich geschütztes Werk ist, hängt regelmäßig von den Umständen des Einzelfalls ab und hat keine darüber hinausgehende Bedeutung ( RS0122254 ). Eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung zeigt die Revision nicht auf:

[14] 2.2.1. Das Urheberrecht schützt nur individuell eigenartige Leistungen, die sich vom Alltäglichen, Landläufigen, üblicherweise Hervorgebrachten abheben. Die Schöpfung muss zu einem individuellen und originellen Ergebnis geführt haben. Beim Werkschaffenden müssen persönliche Züge – insbesondere durch die visuelle Gestaltung und durch die gedankliche Bearbeitung – zur Geltung kommen. Dem Allerweltserzeugnis, der rein handwerklichen Leistung, die jedermann mit durchschnittlichen Fähigkeiten ebenso zustande bringen würde, fehlt die erforderliche Individualität (vgl RS0076397, RS0076841 [T12], RS0076435, RS0076367, RS0076913).

[15] Im vorliegenden Fall hatten die visuell dominanten Elemente der Kalender der Jahre 2017 bis 2020 (Gemeindewappen und Lichtbilder auf dem Titelblatt, Lichtbilder für die einzelnen Monatsseiten, Logos und Texte für Inserate) immer die Ortspartei bzw die Inserenten zur Verfügung gestellt. Der gestalterische Beitrag der Klägerin bestand also im Wesentlichen in der Anordnung dieser Elemente in einem Layout, das durch die bereits festgelegte Funktion als Wandkalender eingeengt war.

[16] Für die Kalender ab 2021 erfolgte außerdem kein bloßer Nachdruck eines der Kalender der Jahre 2017 bis 2020 oder eine bloße Anpassung des Kalendariums unter Übernahme der von der Klägerin angeordneten dekorativen Elemente. Vielmehr unterscheidet sich der Kalender 2021 nicht nur durch die Verwendung völlig neuer Lichtbilder und zahlreicher neuer Inserate, sondern auch durch Abwandlung einer Vielzahl der von der Klägerin getroffenen Layout-Entscheidungen: So findet sich 2021 auf dem Titelblatt ein neuer Titel in völlig anderer Schriftart, eine abweichende Schriftart und leicht variierte Farbgebung bei den Monatsübersichten sowie eine deutliche Reduktion der bei den einzelnen Tagen angeführten Informationen (keine Gemeindefeste, Öffnungstage der Nachtapotheke und Tierkreiszeichen mehr).

[17] Die Parallelen beschränken sich somit auf das schon von der Klägerin verwendete gestalterisch unauffällige Format des Kalenders (Längshälfte A3); das für einen Wandkalender durchaus übliche Schema einer Kombination von Inseraten, Foto und Monatsübersichten auf jeder Seite; und die Verwendung von ähnlichen Piktogrammen (farbige Mistkübel für die Termine der Müllabfuhr).

[18] Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass diese Elemente für sich genommen keinen urheberrechtlichen Schutz begründen, hält sich im Rahmen der höchstgerichtlichen Rechtsprechung.

[19] 2.2.2. Auch bloße Ideen oder Anregungen begründen keinen Anspruch aus einem Miturheberrecht (RS0076710).

[20] Die Verwertung der Geschäftsideen der Klägerin, einen Kalender herzustellen, dessen Zielgruppe die Einwohner einer bestimmten Gemeinde sind, sowie die Druckkosten für dieses Werbegeschenk durch Inserate zu decken, kann daher auch keine Ansprüche nach UrhG begründen.

[21] 3. Weitere Unterlassungsbegehren der Klägerin richten sich gegen sklavische Nachahmung und Herkunftstäuschung im Sinn des UWG.

[22] 3.1. Der Klägerin ist zwar darin beizupflichten, dass nach der Entscheidung 4 Ob 379/85 – „Wochenkalender“ die Nachbildung eines fremden Erzeugnisses, das keinen Formalschutz genießt, wettbewerbsrechtlich unzulässig ist, wenn sie unter Begleitumständen geschieht, aus denen sich die Sittenwidrigkeit der Handlung ergibt.

[23] Die hier zu beurteilenden Fakten unterscheiden sich jedoch grundlegend von der Vorentscheidung, wo Original und Nachbildung eines Wochenkalenders praktisch das gleiche Druckbild aufwiesen. Außerdem trat als weiteres „Unrechtselement“ noch hinzu, dass die damalige Beklagte eine Druckerei war, die das für einen konkreten Druckauftrag übermittelte Layout danach einfach in ihren eigenen Produktkatalog aufnahm.

[24] Einen Widerspruch der Entscheidungen der Vorinstanzen zu höchstgerichtlicher Rechtsprechung kann die Revision daher durch Verweis auf diese Entscheidung nicht aufzeigen.

[25] 3.2. Die Klägerin argumentiert, dass ihr Kalender in den Gemeindehaushalten Verkehrsbekanntheit genieße. Außerdem seien die Unterschiede zwischen den Kalendern nur bei einem Direktvergleich feststellbar.

[26] Dabei übersieht sie, dass ihre Geschäftspartner einerseits die inserierenden lokalen Unternehmer und andererseits die Ortspartei waren. Eine Irreführung dieser Verkehrskreise behauptet die Klägerin nicht einmal.

[27] An die Gemeindehaushalte wurden die Kalender gratis verteilt, wobei es weder Vorbringen noch Feststellungen zur dafür gewählten Methode gibt, zB Auflegen an stark frequentierten Stellen oder Postwurfsendung. Es ist daher nicht klar, ob dabei eine Auswahl zwischen verschiedenen Kalendern oder auch nur eine Entscheidung für oder gegen den Erhalt der Kalender stattfinden könnte. Damit ist auch nicht ersichtlich, ob eine Irreführung der Haushalte überhaupt zu einer Nachfrageverlagerung bei der Klägerin – sei es auf Seite der zahlenden Inserenten oder auf Seite der Verteiler der Werbekalender – führen könnte.

[28] 4. Zuletzt beanstandet die Klägerin, nach mehrjähriger Kooperation vom völlig gesättigten Inseratenmarkt verdrängt worden zu sein. Sie sieht darin die Verletzung einer nachvertraglichen Schutzpflicht und verweist dazu auf die Entscheidung 4 Ob 168/20i – „Genuss Region Österreich“.

[29] 4.1. Die Tatsachenbehauptung, dass die Klägerin wegen „Marktverstopfung“ keine Kalender für andere Parteien, Verbände, weltliche oder geistliche Organisationen in derselben Gemeinde herstellen könne, ist eine im Rechtsmittelverfahren unzulässige Neuerung ( RS0042025 ).

[30] Im Übrigen dient das UWG nicht dazu, dem ersten Anbieter „Gebietsschutz“ vor später in den Markt eintretender Konkurrenz zu bieten. Nicht Wettbewerb an sich, sondern nur unlauterer Wettbewerb soll hintangehalten werden.

[31] 4.2. Die Entscheidung der Vorinstanzen steht aufgrund der Unterschiede im Tatsachenbereich auch nicht in Widerspruch zu der im Rechtsmittel angeführten Entscheidung 4 Ob 168/20i . Nach dem damals zu beurteilenden Sachverhalt registrierte die Beklagte als ehemalige Lizenznehmerin einer Marke nach Ende des Lizenzvertrags ein ähnliches Zeichen für sich selbst. Als sittenwidrig wurde also gerade nicht der hier kritisierte Umstand angesehen, dass ein Kooperationspartner nach Ende der Zusammenarbeit in Konkurrenz zum anderen trat.

[32] Eine Herkunftstäuschung konnte die Klägerin im vorliegenden Fall dagegen gerade nicht nachweisen.

[33] 5. Für die nicht freigestellte und daher zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung nicht notwendige Revisionsbeantwortung der Beklagten gebührt kein Kostenersatz (RS0043690 [T6, T7]).

Rechtssätze
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