JudikaturJustiz4Ob146/03d

4Ob146/03d – OGH Entscheidung

Entscheidung
08. Juli 2003

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Nemanja S*****, und der mj. Marijana S*****, wegen Zuteilung der Obsorge, infolge Revisionsrekurses des Vaters Zlatan S***** , vertreten durch Dr. Michael Bereis, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 11. April 2003, GZ 43 R 177/03b 9, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 24. Jänner 2003, GZ 8 P 216/02b 5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die Eltern und ihre beiden ehelichen Kinder Nemanja, geboren am *****, und Marijana S*****, sind Staatsbürger von Serbien und Montenegro (vor Februar 2003 Bundesrepublik [Rest ]Jugoslawien); die Eltern, die beide der serbisch orthodoxen Kirche angehören, haben gemeinsam mit ihren Kindern ihren ständigen Aufenthalt in Wien.

Nach seinem Vorbringen ist der Vater ein auf Dauer im Inland niedergelassener Gastarbeiter; er verfügt über eine unbefristete Niederlassungsbewilligung und ist als Lagerarbeiter bei einer Spedition in Wiener Neudorf tätig. Er hat seine spätere Gattin, die nur mit einem auf wenige Monate befristeten Besucher Visum ("C Visum") nach Österreich eingereist ist, am 24. 10. 2000 in Wien standesamtlich geheiratet. Die Mutter hat seit damals Österreich nicht verlassen; beide Kinder sind im Inland geboren. Die Eltern leben in sehr gutem Einvernehmen, die Mutter missbraucht ihre Elternrechte nicht.

Der Vater stellt den Antrag, ihm die alleinige Obsorge für seine beiden Kinder zu übertragen. Die Mutter sei zwar nicht illegal eingereist, sei aber in der Folge - insbesondere auch wegen der Geburten ihrer beiden Kinder - auch nach Ablauf ihrer befristeten Aufenthaltsberechtigung in Österreich verblieben und halte sich deshalb hier nicht rechtmäßig auf. Sie könne daher - ebenso wie die beiden Kinder - nach den bestehenden fremdenrechtlichen Vorschriften jederzeit in Schubhaft genommen und in ihren Heimatstaat abgeschoben werden. Dies wäre für die Kinder nachteilig: Sie gingen damit ihrer - über den Vater gewährleisteten - Sozialversicherung verlustig; auch sei der medizinische Standard in Österreich höher als in Serbien und Montenegro. Schließlich könne der persönliche Verkehr innerhalb der Familie besser gepflegt werden, wenn alle Familienmitglieder an einem Ort (und nicht 2000 km voneinander entfernt) lebten; sollte der Vater aber seine inländische Arbeitsstelle mit guter Bezahlung verlassen müssen, hätte dies die Verarmung der ganzen Familie zur Folge. Sollte dem Antrag stattgegeben werden, wäre nicht nur die medizinische Versorgung der Kinder auf hohem Niveau und der Fortbestand der Sozialversicherung für sie gewährleistet, sondern sie könnten auf diese Weise nach den fremdenrechtlichen Vorschriften auch eine Niederlassungsbewilligung erlangen, was ihnen ermöglichte, selbst im Fall einer Abschiebung der Mutter in deren Heimat in Österreich zu bleiben.

Das Erstgericht wies den Antrag ab. Nach Art 123 des Gesetzes über die Ehe und der Familienbeziehungen des für die Bundesrepublik Restjugoslawien (nunmehr Serbien und Montenegro) geltenden serbischen Gesetzes vom 22. 4. 1980 idF vom 30. 5. 1994 übten die Eltern das Elternrecht gemeinsam und einvernehmlich aus, im Fall ihres Nichtübereinkommens entscheide die Vormundschaftsbehörde. Nach Art 139 dieses Gesetzes sei einem Elternteil, der die Ausübung des Elternrechtes missbrauche oder die Ausübung der elterlichen Pflicht grob vernachlässige, das Elternrecht zu entziehen. Nach dem Vorbringen des Antragstellers werde das Elternrecht von der Mutter nicht missbraucht; es lägen daher keine Gründe vor, ihr das Elternrecht zu entziehen. Die Übertragung der Obsorge könne nicht dazu dienen, fremdenrechtliche Bestimmungen zu umgehen.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs mangels höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Frage zulässig sei, inwieweit eine verfassungskonforme Interpretation des § 176 Abs 1 ABGB iSd Art 8 EMRK dahin geboten sei, fremdenrechtliche Nachteile im Sinne der Achtung des Familienlebens dadurch zu beseitigen, dass eine nach dem Fremdenrecht zu befürchtende Familientrennung durch pflegschaftsbehördliche Maßnahmen verhindert werde. Das Haager Minderjährigenschutzabkommen finde Anwendung, wenn Eingriffe in das elterliche Obsorgeverhältnis in Frage stünden. Die Bundesrepublik (Rest )Jugoslawien sei zwar nicht Vertragsstaat dieses Abkommens; durch Zurückziehung des österreichischen Vorbehaltes zu Artikel 13 Absatz 3 (BGBl 1990/493) gelte dieses jedoch seit 7. 8. 1990 für alle Minderjährigen, selbst für solche aus einem Nichtvertragsstaat, mit gewöhnlichem Aufenthalt in einem der Vertragsstaaten. Nach dem genannten Abkommen seien die Behörden jenes Landes zuständig, Maßnahmen zum Schutz der Person und des Vermögens des Minderjährigen zu treffen, in dem ein Minderjähriger seinen gewöhnlichen Aufenthalt habe, vorbehaltlich der Bestimmungen der Art 3, 4 und 5 Absatz 3. Der Vorbehalt des Art 3 werde dahin ausgelegt, dass das nach Art 1 zuständige Gericht in gesetzliche Gewaltverhältnisse, die nach dem Heimatrecht des Minderjährigen bestünden, eingreifen könne, wenn dieses Heimatrecht selbst solche Eingriffe gestatte, andernfalls könne nur aufgrund der Gefährdungszuständigkeit des Art 8 oder bei Verstößen gegen den ordre public nach Art 16 eingegriffen werden. Nach Art 4 seien die Maßnahmen - unter Ausschluss des internationalen Privatrechtes - nach innerstaatlichem, hier nach österreichischem Recht, zu treffen. Da das Heimatrecht der Kinder derartige Eingriffe in das Elternrecht grundsätzlich ermögliche, sei der Antrag nach österreichischem Recht zu beurteilen. Gem § 176 Abs 1 ABGB habe das Gericht, wenn die Eltern durch ihr Verhalten das Wohl des Kindes gefährdeten, die zur Sicherung des Wohls des Kindes nötigen Verfügungen zu treffen. Eine Gefährdung des Kindeswohls sei schon die objektive Nichterfüllung oder Vernachlässigung elterlicher Pflichten, zu der ein subjektives Schuldelement hinzutreten könne, aber nicht müsse. Allein der Umstand, dass es dem Kind beim anderen Elternteil oder bei Dritten besser ginge, sei kein Anlass für eine solche Maßnahme. Nach dem Vorbringen des Vaters setze die Mutter kein den Obsorgeentzug rechtfertigendes Verhalten. Vielmehr sei durch ein Verhalten der Mutter in der Vergangenheit ein fremdenrechtlicher Status der Familienmitglieder eingetreten, der durch das Familienrecht selbst nicht mehr beseitigt werden könne. Dieser Dauerzustand sei nach den fremdenrechtlichen Normen zu beurteilen; ein für die Kinder schädliches Verhalten der Mutter iSd § 176 Abs 1 ABGB liege darin nicht. Es bedürfe daher weder einer Auseinandersetzung mit fremdenrechtlichen Bestimmungen, deren möglicher Entwicklung und deren Auslegung durch die Verwaltungsbehörden, noch mit der Verfassungsmäßigkeit des § 28 FremdenG 1997. Dass die Kinder nach ihrem Heimatrecht geringeren Versicherungsschutz hätten, rechtfertige allein keine Obsorgeübertragung.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zu einem vergleichbaren Sachverhalt fehlt; das Rechtsmittel ist aber nicht berechtigt.

Das Schwergewicht der Rechtsmittelausführungen liegt auch in dritter Instanz in einer Auseinandersetzung mit der Verfassungsmäßigkeit fremdenrechtlicher Vorschriften. Zwar werde in der Regel nach der österreichischen Verwaltungspraxis auf Grund einer Empfehlung des Menschenrechtsbeirats keine Schubhaft über unmündige Minderjährige verhängt, doch hielten sich die Kinder nach ihrem derzeitigen Status nicht rechtmäßig im Inland auf; dies bewirke etwa, dass ihnen im Fall eines Antrags auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft die bisher im Inland verbrachten Zeiten nicht angerechnet würden. Auch dies sei als Gefährdung des Kindeswohls zu beurteilen, die durch Bewilligung des Obsorgeentzugs der Mutter beseitigt werden könne. Dazu ist zu erwägen:

Zutreffend sind die Vorinstanzen von der Anwendbarkeit des Übereinkommens über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes Minderjähriger vom 5. 10. 1961, BGBl 1975/446 (Haager Minderjährigenschutzabkommen, MSA) ausgegangen, das in Österreich in Kraft ist, und nach dessen Art 1 die Behörden des Staates, in dem ein Minderjähriger seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat - vorbehaltlich hier nicht in Betracht kommender Ausnahmen - dafür zuständig sind, Maßnahmen zum Schutz der Person und des Vermögens des Minderjährigen zu treffen. Unter den Begriff der Maßnahmen fallen ua alle Eingriffe in das elterliche Obsorgeverhältnis (stRsp ua ÖA 1990, 19; RZ 1994/53; ZfRV 2000, 232 mwN). Der Vorbehalt Österreichs, die Anwendung dieses Abkommens auf Minderjährige zu beschränken, die einem der Vertragsstaaten angehören, ist mit der vom Nationalrat genehmigten Erklärung BGBl 1990/439 zurückgezogen worden. Das Übereinkommen ist daher gemäß seinem Art 13 auch auf Minderjährige anzuwenden, die - wie hier - zwar einem Nichtvertragsstaat angehören, ihren gewöhnlichen Aufenthalt aber in einem Vertragsstaat haben (ZfRV 1998, 250; 1 Ob 17/02k).

Grundlage der Entscheidung ist stets das Kindeswohl, dessen Beachtung selbst ein gesetzliches Gewaltverhältnis im Sinne des Art 3 MSA verdrängen könnte (SZ 63/204). Ein Eingriff in ein Gewaltverhältnis, das in dem Staat, dem der Minderjährige angehört, kraft Gesetzes besteht, ist in dem Ausmaß zulässig, in welchem das Heimatrecht selbst Eingriffe in das gesetzliche Gewaltverhältnis zulässt (ZfRV 2000, 232). Da das serbische Heimatrecht der Minderjährigen einen Entzug des Elternrechts im Fall dessen Missbrauchs oder gröblicher Verletzung kennt (Art 139 des Gesetzes über die Ehe und der Familienbeziehungen des für die Bundesrepublik Restjugoslawien [nunmehr Serbien und Montenegro] geltenden serbischen Gesetzes vom 22. 4. 1980 idF vom 30. 5. 1994), gelangt § 176 Abs 1 ABGB zur Anwendung.

Bei der Entscheidung über die Obsorge für ein Kind ist ausschließlich dessen Wohl maßgebend (EFSlg 87.014; EFSlg 89.783; 4 Ob 17/03h). Die Entziehung der Obsorge darf grundsätzlich nur als äußerste Notmaßnahme unter Anlegung eines strengen Maßstabs angeordnet werden (EFSlg 87.005; EFSlg 93.082; 4 Ob 17/03h) und bedarf besonders wichtiger Gründe, die im Interesse des Kindes eine so einschneidende Maßnahme dringend geboten erscheinen lassen, weil andernfalls das Wohl des pflegebefohlenen Kindes gefährdet wäre (ZfRV 1996, 248; EFSlg 93.086).

Rekursgerichtliche Entscheidungen haben sich schon wiederholt mit der Wohnsitzverlegung eines Kindes durch den obsorgeberechtigten Elternteil ausländischer Herkunft in den Heimatstaat dieses Elternteils oder einen Drittstaat beschäftigt und dies nicht generell als Gefährdung des Kindeswohls beurteilt. So wurde in der von der Mutter durchgeführten Übersiedlung nach (dem früheren) Jugoslawien keine Gefährdung des sieben Jahre alten Kindes erblickt, sofern dies nicht zu über die allgemeinen Anpassungsschwierigkeiten hinausgehenden Nachteilen führe (LGZ Wien EFSlg 38.377). Bei zwei acht und zehn Jahre alten Kindern, die (auch) philippinische Staatsangehörige waren und deren Mutter von den Philippinen stammte, wurden in einem von der Mutter vorgenommenen Ortswechsel auf die Philippinen, abgesehen von in der Natur der Sache liegenden Umstellungsschwierigkeiten, keine Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung erkannt (LGZ Wien EFSlg 75.161). Dagegen wurde ausgesprochen, es bestehe die Gefahr, dass der pakistanische Vater die in Österreich geborenen Kinder nach Pakistan bringe, weshalb als vorläufige Maßnahme die Entziehung der Obsorge und die Verpflichtung des Vaters, die Namen der Kinder in seinem Reisepass streichen zu lassen, berechtigt erschienen (LGZ Wien EFSlg 71.864). Schließlich wurde in der geplanten Verbringung eines Kindes durch den Vater - beide österreichische Staatsbürger - nach Ägypten, wo das Kind bislang noch nie gelebt hatte, eine akute Gefährdung des Kindeswohls erblickt (LGZ Wien EFSlg 68.827).

Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung 8 Ob 620/85 (teilweise veröffentlicht in EFSlg 48.311, 49.856) ausgesprochen, wenn die Mutter entgegen der im Scheidungsvergleich mit dem Vater getroffenen Vereinbarung die Kinder ohne dessen Zustimmung und ohne Zustimmung des Pflegschaftsgerichts nach Australien verbracht habe, so möge dies, sofern durch dieses Verhalten das Wohl der Kinder gefährdet worden sei, Anlass für gerichtliche Maßnahmen iSd § 176 ABGB sein; solange aber derartige Maßnahmen nicht getroffen worden seien, stünden die Elternrechte und damit die Befugnis, den Aufenthalt der Kinder zu bestimmen, allein der Mutter zu. In der Entscheidung EFSlg 51.296 wurde die von der Mutter beabsichtigte Auswanderung mit dem Kind nach Kanada für sich allein nicht als Grund für einen Obsorgewechsel angesehen.

In der grundsätzlichen Entscheidung 1 Ob 2078/96m = ZfRV 1996, 248 (dieser weitgehend folgend 10 Ob 25/00z, teilweise abgedruckt in EFSlg 93.097, EFSlg 93.098, EFSlg 93.100) wurde im Zusammenhang mit einer Wohnsitzverlegung ins Ausland ausgesprochen: "Der Begriff 'Wohl des Kindes' mit seiner materiellen, geistigen und seelischen Komponente stellt die Einzelfallgerechtigkeit in den Vordergrund und lenkt das richterliche Augenmerk auf die konkreten Umstände des individuellen Falls. Dabei reihen sich auch Ausländereigenschaft, fremdes Recht, Kultur und Religion in die besonderen Umstände des Einzelfalls, die vom Pflegschaftsrichter auch sonst bei reinen Inlandsfällen zu berücksichtigen sind. Grundsätzlich sind neben dem geistigen und seelischen Wohl des Kindes, das sich behütet und geborgen wissen muss, damit es zu einem für die erfolgreiche Bewältigung aller Probleme und Konflikte des Daseins genügend gerüsteten, lebenstauglichen Menschen heranwachsen kann, auch materielle Aspekte im (neuen) Wohnsitzstaat des Kindes nicht ganz zu vernachlässigen. Neben dem Interesse des Kindes an möglichst guter Verpflegung und Unterbringung ist bei der Sorgerechtsentscheidung jedenfalls auch dessen Interesse an einer möglichst guten Erziehung, einer möglichst sorgfältigen Betreuung und an möglichst günstigen Voraussetzungen für eine gedeihliche geistig seelische Entwicklung der Persönlichkeit des Kindes zu berücksichtigen (EFSlg 71.878 ua). Keinesfalls aber ist es möglich, die Staaten nach Art eines Katalogs unter Bedachtnahme auf das dort herrschende Gesellschaftssystem, den allgemeinen Lebensstandard, die vorherrschende Religion und das maßgebliche Wertesystem im vorhinein dahin zu klassifizieren, ob dort das materielle, geistige und seelische Wohl der Kinder ganz allgemein und unabhängig von den konkreten Lebensverhältnissen des obsorgeberechtigten Elternteils und seines sozialen Umfelds gefährdet wäre oder nicht, um davon dessen Berechtigung zur Übersiedlung unter gleichzeitiger Ausübung des Rechts zur Bestimmung des Aufenthalts des Kindes abhängig zu machen. Andererseits bedeutet aber der selbstverständliche Respekt vor fremdem Recht und fremder Kultur noch nicht, dass fremde, dem ordre public zuwiderlaufende und deshalb nicht zu tolerierende Rechts , Kultur- und Moralvorstellungen sowie solche tatsächliche und rechtliche Umstände nicht berücksichtigt werden, die auch generell zu einer Gefährdung, also einer begründeten Bedrohung des materiellen oder psychischen Kindeswohls Anlass bieten können, sei es nun Krieg, Bürgerkrieg, allgemeine Not, besonders starke soziale Isolierung von Minderheiten, erhebliche Gesundheitsgefährdung durch weit verbreitete Seuchen etc. Aus österreichischer Sicht ungünstigere Lebensverhältnisse oder Entwicklungsbedingungen als in Österreich reichen dazu nicht aus. Die Staatsangehörigkeit des Kindes und seine Vertrautheit mit der Sprache und Kultur im fremden Staat müssen mitberücksichtigt werden. Bei einem älteren Kind kann neben dem Abbruch gewachsener sozialer Bindungen nicht nur der Wechsel des Kulturkreises selbst, sondern auch der kulturelle Kontrast zwischen der bisher erlebten Umwelt und den bisherigen Lebensgewohnheiten und -auffassungen zu jenen des neuen Kulturkreises unter Umständen Anlass zur Annahme der Kindeswohlsgefährdung bieten."

Diese differenzierenden Überlegungen sind sinngemäß auch im Anlassfall anzustellen, bewirkte doch eine - nach Auffassung des Antragstellers infolge Vollzugs fremdenrechtlicher Vorschriften drohende - zwangsweise Abschiebung der Kinder mit ihrer Mutter in deren Heimatstaat für die Kinder im Ergebnis keinen anderen Zustand, als wenn die obsorgeberechtigte Mutter mit ihnen freiwillig dorthin ausgereist wäre. Ebenso wie bei einer Wohnsitzverlegung bedarf daher auch die Beurteilung, ob im Fall einer drohenden zwangsweisen Abschiebung aus dem Inland das Kindeswohl gefährdet ist, einer Interessenabwägung im Einzelfall unter Einbeziehung sämtlicher zuvor genannter Kriterien.

Der Antragsteller hat sich darauf beschränkt, den angestrebten Obsorgewechsel mit den im Inland günstigeren Lebensverhältnissen zu begründen; auch sei der persönliche Verkehr innerhalb der Familie einfacher, wenn sich sämtliche Familienmitglieder an einem Ort befänden. Beides reicht - legt man den gebotenen strengen Maßstab an - nicht aus, eine so einschneidende Maßnahme wie den angestrebten Obsorgeentzug für den anderen Elternteil zu rechtfertigen. Die - aus inländischer Sicht - ungünstigeren Entwicklungsbedingungen im Ausland begründen vor allem dann für sich allein noch keine Gefährdung des Kindeswohls, wenn die Familie von dort stammt ( Coester in Staudinger , BGB13 § 1666 Rz 82 mwN). Im Übrigen gehören seine Eltern und deren sozio ökonomischen Verhältnisse grundsätzlich zum Schicksal und Lebensrisiko eines Kindes ( Coester aaO Rz 81), weshalb auch eine mögliche Entscheidung des Vaters, im Fall einer Abschiebung seiner Gattin samt ihren Kindern in den Heimatstaat als Gastarbeiter im Ausland zu verbleiben, ohne das Hinzutreten weiterer Umstände noch nicht als Gefährdung des Kindeswohls zu beurteilen ist. Dass sich die Kinder nach ihrem derzeitigen fremdenrechtlichen Status nicht rechtmäßig im Inland aufhalten, was nach den Behauptungen des Vaters zur Folge habe, dass die hier verbrachte Zeit im Fall ihres Antrags auf Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft nicht anrechenbar sei, ist für die Obsorgeentscheidung ohne Bedeutung.

Unter diesen Umständen ist demnach eine Änderung in den Obsorgeverhältnissen derzeit nicht geboten, weshalb es auch keiner näheren Auseinandersetzung mit der Frage bedarf, wie unmittelbar drohend eine zwangsweise Umsiedlung der Kinder mit ihrer Mutter in deren Heimatstaat bevorsteht.

Dem Revisionsrekurs kann kein Erfolg beschieden sein.