JudikaturJustiz4Ob133/23x

4Ob133/23x – OGH Entscheidung

Entscheidung
19. März 2024

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Hon. Prof. PD Dr. Rassi als Vorsitzenden sowie den Senatspräsidenten Dr. Schwarzenbacher, die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M., und Mag. Waldstätten und den Hofrat Dr. Stiefsohn als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Minderjährigen: *, geboren am * 2006, *, geboren am * 2009, *, geboren am * 2010, jeweils vertreten durch die Mutter *, vertreten durch Mag. Simone Hiebler und andere Rechtsanwälte in Leoben, wegen Unterhalt, über den Revisionsrekurs des Vaters *, vertreten durch Mag. Vinzenz Fröhlich und andere Rechtsanwälte in Graz, gegen den Beschluss des Landesgerichts Leoben als Rekursgericht vom 13. März 2023, GZ 2 R 35/23f 31, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Leoben vom 1. Februar 2023, GZ 2 Pu 65/19g 24 teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Der Antrag auf Zuspruch von Kosten für die Revisionsrekursbeantwortung wird abgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Das Erstgericht verpflichtete den Vater zu zeitlich siebenfach gestaffelten Unterhaltszahlungen für die drei Kinder ab dem 1. 6. 2019 und wies ihr Mehrbegehren ab. Es stellte im Wesentlichen fest, dass das monatliche Durchschnittseinkommen des Vaters 2019 4.293 EUR, 2020 4.460 EUR, 2021 4.774 EUR und 2022 4.896 EUR betragen habe. Im Februar 2022 sei ihm eine Prämie von 9.178,22 EUR ausgezahlt worden. Zwischen 2019 und 2022 habe er die Kinder jeweils zumindest 106 Tage pro Jahr betreut. Im selben Zeitraum habe er immer wieder zusätzliche Zahlungen für die Kinder geleistet, deren genaue Höhe nicht mehr feststellbar sei. Darunter seien auch Ausgaben für Sportartikel gewesen; Sport sei für die Kinder wichtig. Die Mutter habe sich in der Vergangenheit nicht gegen Naturalleistungen des Vaters ausgesprochen und habe auch nicht angegeben, dass es den Kindern an etwas gefehlt hätte. Rechtlich teilte das Erstgericht die Prämie auf die Jahre 2021 bis 2023 auf und gelangte auf diese Weise für 2021 zu einer Bemessungsgrundlage von 5.024 EUR und für 2022 und 2023 von 5.146 EUR. Die zusätzlichen Betreuungsleistungen des Vaters berücksichtigte es für die Zeit von 2019 bis 2022 mit einem Abzug von 10 Prozentpunkten, seine Naturalleistungen mit einem weiteren Abzug von 20 Prozentpunkten; ab 2023 nahm es keinerlei Abzüge mehr vor.

[2] Das Rekursgericht änderte den Beschluss des Erstgerichts – den es im Übrigen als Teilbeschluss bestätigte soweit er nicht als unbekämpft unberührt blieb – dahin ab, dass es den monatlichen Unterhalt für das älteste Kind von April bis Dezember 2021 mit (nur) 560 EUR festsetzte und das weitere Mehrbegehren für diese Zeit von monatlich 70 EUR abwies. Den ordentlichen Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht nachträglich zu, weil es sich nicht mit einem Abzug für überdurchschnittliche Betreuungsleistungen des Vaters ab Jänner 2023 auseinandergesetzt habe.

[3] Mit seinem – von den Minderjährigen beantworteten – Revisionsrekurs beantragt der Vater die zeit- und betragsmäßig aufgeschlüsselte Herabsetzung seiner Unterhaltsbeiträge. Er zeigt jedoch keine iSv § 62 Abs 1 AußStrG erheblichen Rechtsfragen auf; das Rechtsmittel ist somit, ungeachtet des – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Zulassungsausspruchs des Rekursgerichts, nicht zulässig .

Rechtliche Beurteilung

[4] 1.1. Soweit der Revisionsrekurswerber eine fehlende Beweiswürdigung des erstinstanzlichen Beschlusses im Hinblick auf die festgestellten Betreuungstage von 106 Tagen im Jahr moniert, ist auszuführen, dass nach ständiger Rechtsprechung ein Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens, der im Rechtsmittel geltend gemacht wurde, vom Gericht zweiter Instanz aber verneint wurde, im Revisionsverfahren nicht mehr gerügt werden kann (RS0042963 [T45, T49]; RS0050037 [T2]; RS0030748 [T15]). Allerdings gilt dies nicht für die in § 66 Abs 1 Z 1 AußStrG genannten Mängel, welche auch dann in einem Revisionsrekurs geltend gemacht werden können, wenn sie vom Rekursgericht verneint wurden (RS0121265). § 66 Abs 1 Z 1 AußStrG verweist ua auf § 57 Z 1 AußStrG. Ein Begründungsmangel nach dieser Gesetzesstelle liegt vor, wenn die Entscheidung gar nicht oder so unzureichend begründet ist, dass sie sich nicht überprüfen lässt (RS0007484).

[5] 1.2. Im vorliegenden Fall ist zwar die Beweiswürdigung des Erstgerichts nicht konzentriert in einem oder mehreren Absätzen enthalten, sondern findet sich disloziert über die gesamte Entscheidung verstreut. So findet sich die Ausführung, es sei auf Grundlage der Ausführungen des Vaters ersichtlich, dass sich die Kinder zumindest 106 Tage pro Jahr bei ihm aufgehalten haben. Diese Zahl ergibt sich auch bei entsprechender Hochrechnung der Angaben. Somit ist die Entscheidung nicht so unzureichend begründet, dass sie sich nicht überprüfen lässt. Im Übrigen führt ein Begründungsmangel im Außerstreitverfahren nur dann zur Aufhebung der Entscheidung, wenn auch aufgrund der Aktenlage die Erwägungen des Erstgerichts nicht nachvollzogen werden können (6 Ob 246/07f). Dies ist hier nicht der Fall.

[6] 2. Der Revisionsrekurswerber beanstandet weiters, das Erstgericht habe keine Personalbeweise aufgenommen, insbesondere sei keine Einvernahme der Eltern erfolgt. Abgesehen davon, dass der Rechtsmittelwerber jegliche Ausführungen zur Relevanz vermissen lässt (RS0043027), kann die vom Rekursgericht bereits verneinte Mangelhaftigkeit des erstgerichtlichen Verfahrens in dritter Instanz nicht mehr releviert werden (siehe 1.1.).

[7] 3.1. Der Vorwurf des Revisionsrekurswerbers, das Rekursgericht habe nicht berücksichtigt, dass die über das gewöhnliche Kontaktrecht hinausgehenden Betreuungs-leistungen auch beim laufenden Unterhalt (ab 2023) zu berücksichtigen seien, kann die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht stützen. Das Erstgericht hat festgestellt, dass ab 2023 das Kontaktrecht nur mehr laut Kontaktrechtsregelung vollzogen wird (und folglich der Betreuungsabschlag nur bis Ende 2022 zugesprochen wurde). Wenn der Vater (erstmals) im Revisionsrekurs auch ab 2023 einen Betreuungsabzug fordert, setzt er sich über die genannte unbekämpfte Feststellung hinweg, insofern der Revisionsrekurs daher nicht gesetzmäßig ausgeführt wurde.

[8] 3.2. Auch die sonstigen Ausführungen zum mit 10 % bemessenen Betreuungsabzug bis Ende 2022 werfen keine erhebliche Rechtsfrage auf.

[9] 3.2.1 Es entspricht der Rechtsprechung, dass ein die übliche Dauer überschreitendes Kontaktrecht zu einer Reduzierung der Unterhaltsverpflichtung führen kann (RS0047452). Es ist aber nicht möglich, allgemein verbindliche Prozentsätze für Abschläge für übermäßige Betreuungsleistungen des geldunterhaltspflichtigen Elternteils festzulegen (RS0047419 [T19]). Pro wöchentlichem Betreuungstag, an dem sich das Kind über den üblichen Durchschnitt (von einem Tag pro Woche) hinaus beim zahlenden Elternteil aufhält, wird im Regelfall ein Abschlag von etwa 10 % vom Geldunterhalt vorgenommen. Dieser Ansatz bildet freilich nur eine Richtschnur (und eher die Untergrenze) für die Bedachtnahme auf die zusätzlichen Belastungen des geldunterhaltspflichtigen Elternteils (RS0128043 [T2]).

[10] 3.2.2 Vom Obersten Gerichtshof wurde ein 14 tägiges Wochenendkontaktrecht als üblich angesehen, sohin ein wöchentlicher Kontakt von einem Tag. Aber auch ein zusätzlicher halber Tag pro Woche wurde nicht als über das übliche Kontaktrecht gravierend hinausgehende Betreuungsleistung angesehen und kein Betreuungsabschlag vorgenommen (1 Ob 209/08d). Dies entspricht einem Regelkontaktrecht von 78 Tagen. Bei Annahme eines weiteren wöchentlichen Kontakttags – wie hier – hält sich ein 10%iger Betreuungsabschlag im Rahmen der zitierten Rechtsprechung.

[11] 4.1. Zu den festgestellten Naturalleistungen und dem vom Vater geforderten Abzug von 30 % anstelle von 20 % ist auszuführen, dass Naturalleistungen nur unter bestimmten Voraussetzungen zu berücksichtigen sind: Der Unterhaltsberechtigte muss sich ausdrücklich oder doch schlüssig damit einverstanden erklären; ferner muss auf Grund eines stabilen Verhaltens des Unterhaltsschuldners die begründete Annahme bestehen, dass dieser die Naturalleistungen auch künftig erbringen werde. Die Beurteilung dieser Voraussetzungen richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls (RS0047258 [T3]).

[12] 4.2. Im vorliegenden Fall hielten die Vorinstanzen aufgrund der vom Vater vorgebrachten und für erwiesen erachteten Naturalleistungen einen Abzug von 20 % als angemessen. Anhaltspunkte dafür, dass die Vorinstanzen ihren Ermessensspielraum überschritten haben, indem sie nicht den vom Vater begehrten Abzug von 30 % annahmen, sind nicht ersichtlich und wurden vom Vater auch nicht nachvollziehbar dargelegt.

[13] 5.1. Bei Einmalzahlungen des Dienstgebers an den Unterhaltspflichtigen hängen die heranzuziehenden Beobachtungszeiträume von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab (RS0047509).

[14] 5.2. Die Vorinstanzen haben die dem Vater von seinem Dienstgeber gewährte Prämie auf die Unterhaltsbemessungsgrundlage der Jahre 2021, 2022 und 2023 angerechnet. Der Vater gesteht in seinem Revisionsrekurs zu, dass Prämien im Regelfall über drei Jahre durchzurechnen sind, möchte dafür aber die Jahre 2020, 2021 und 2022 heranziehen, ohne eine stichhältige Begründung dafür aufzuzeigen. Auch in diesem Punkt lässt das Rechtsmittel daher das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage vermissen.

[15] 6. Ein Kostenersatz ist nach § 101 Abs 2 AußStrG ausgeschlossen.

Rechtssätze
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