JudikaturJustiz3Ob609/89

3Ob609/89 – OGH Entscheidung

Entscheidung
07. Februar 1990

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hule, Dr.Warta, Dr.Klinger und Dr.Angst als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V*** Handelsgesellschaft m.b.H Co. KG, Wien 19, Straßergasse 8-12, vertreten durch Dr.Peter Lambert, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei A*** Warenhandelsgesellschaft m.b.H., Wien 21, Pragerstraße 74, vertreten durch Dr.Wolfgang M.Heufler, Rechtsanwalt in Wien, wegen Leistung und Feststellung, infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 6.Juli 1989, GZ 1 R 114/89-9, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 24.März 1989, GZ 15 Cg 114/88-5, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der Beschluß des Gerichtes zweiter Instanz wird dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 17.816,40 S bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung (darin 2.969,40 S Umsatzsteuer) und die mit 21.367,80 S bestimmten Kosten des Revisionsrekurses (darin 3.561,30 S Umsatzsteuer) zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die klagende Partei begehrt die Erfüllung eines zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Kaufvertrages und die Feststellung der Haftung für einen drohenden Verspätungsschaden.

Die beklagte Partei erhob in der mit schriftlichem Beschluß aufgetragenen Klagebeantwortung die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges, weil gemäß § 6 Punkt e des Kaufvertrages für sämtliche Streitigkeiten aus dem Kaufvertrag das Schiedsgericht der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft in Wien vereinbart worden sei.

Die klagende Partei erwiderte dazu, daß die Schiedsklausel wegen des Hinweises auf die Verfahrensordnung des vereinbarten Schiedsgerichtes gemäß § 19 Abs 3 HandelskammerG und § 1 der Schieds- und Vergleichsordnung des Schiedsgerichtes der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft Wien nur wirksam sei, wenn wenigstens ein Vertragsteil seinen Sitz außerhalb des Gebietes der Republik Österreich habe.

Die beklagte Partei brachte dazu noch vor, daß nach der ständigen Spruchpraxis des Schiedsgerichtes der Bundeswirtschaftskammer Fälle zwischen Wiener Rechtssubjekten vom Schiedsgericht der Handelskammer Wien entschieden würden. Der Inhalt des zwischen den Streitteilen vereinbarten Schiedsvertrages steht wie folgt außer Streit:

"Sämtliche aus diesem Vertrag (das ist der zwischen den Streitteilen abgeschlossene Kaufvertrag) oder im Zusammenhang mit Fragen seiner Ungültigkeit entstehenden Streitigkeiten, deren Beseitigung auf gütlichem Wege nicht gelingt, werden mit endgültiger Wirksamkeit nach der Verfahrensordnung des Schiedsgerichtes der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft Wien entschieden. Beide Partner verpflichten sich, die vom Schiedsgericht auferlegten Verbindlichkeiten unverzüglich so zu erfüllen, als ob es sich um die Entscheidung eines ordentlichen Gerichtes handelte."

Das Erstgericht erklärte sich nach Einschränkung der Verhandlung auf die Zuständigkeitsfrage für sachlich zuständig und verwarf die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges. Es war der Auffassung, daß die strittige Klausel nur einen Wahlgerichtsstand schaffe, weil die Streitteile nicht eindeutig zum Ausdruck gebracht hätten, daß das vereinbarte Schiedsgericht ausschließlich zuständig sein sollte. Eine entwaige in der Praxis funktionierende Übung des vereinbarten Schiedsgerichtes müsse nicht erhoben werden, weil sie nicht den Mangel ersetzen könne, daß die beklagte Partei keine wirksame schriftliche Schiedsvereinbarung vorgelegt habe.

Das Gericht zweiter Instanz änderte den Beschluß des Erstgerichtes dahin ab, daß über Einrede der beklagten Partei die Klage zurückgewiesen wurde; es sprach aus, daß der Wert des Beschwerdegegenstandes 300.000 S übersteigt.

Das Rekursgericht verwies darauf, daß die Einrede des Vorliegens eines Schiedsvertrages als Einrede der sachlichen Unzuständigkeit zu werten sei. Entgegen der Auslegung des Erstgerichtes sei zwischen den Streitteilen das Schiedsgericht nicht nur als Wahlzuständigkeit vereinbart worden; im Zweifel sei vielmehr eine ausschließliche Zuständigkeit des Schiedsgerichtes anzunehmen. Die Bezugnahme auf die Verfahrensordnung des vereinbarten Schiedsgerichtes ändere nichts daran, daß die Parteien freiwillig und hinreichend bestimmt dieses Schiedsgericht vereinbarten. Ob die Schiedsvereinbarung im Hinblick auf die Bestimmung des § 19 Abs 3 HandelskammerG wirksam sei, müsse auf sich beruhen; denn solange wenigstens ein Teil an der Schiedsvereinbarung festhalte, sei es trotz grundsätzlich zu verneinender Kompetenz Kompetenz des Schiedsgerichtes Sache des vereinbarten Schiedsgerichtes, auch die eigene Zuständigkeit und die Wirksamkeit des Schiedsvertrages zu prüfen. Erst wenn das Schiedsgericht gegebenenfalls auch nach wiederholter Konstituierung seine sachliche Unzuständigkeit ausspreche und damit seine Tätigkeit ablehne, sei wieder das ordentliche Gericht wegen Fehlens eines durch den Schiedsvertrag gedeckten Schiedsgerichtes zur Entscheidung berufen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der klagenden Partei ist berechtigt. Wenn auch das Vorliegen eines Schiedsgerichtsvereinbarung nicht die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges, sondern nur die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit begründet (JBl 1976, 377; RZ 1989/67), so ist doch die Bestimmung des § 45 JN zweiter Halbsatz nicht auf eine Entscheidung eines ordentlichen Gerichtes anzuwenden, das seine sachliche Unzuständigkeit mit der Zuständigkeit des Schiedsgerichtes begründet, das seinen Sitz in derselben Gemeinde hat (vgl SZ 58/60 für § 45 JN erster Halbsatz). Der Beschluß der zweiten Instanz ist damit in dritter Instanz anfechtbar. Der Einwand der klagenden Partei, die beklagte Partei habe nur die Einrede der "Unzulässigkeit des Rechtsweges" erhoben, sodaß keine Unzuständigkeitseinrede vorliege und daher Prorogation eingetreten sei, ist nicht berechtigt. Die beklagte Partei hat den richtigen Sachverhalt vorgetragen und dabei auch ausdrücklich die Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes bestritten und sich nur in der Benennung ihrer Einrede vergriffen, was nicht schadet. Zutreffend ist die Ansicht des Gerichtes zweiter Instanz, daß die strittige Schiedsgerichtsklausel nicht die Auslegung erlaubt, es sei nur eine Wahlzuständigkeit und keine ausschließliche Zuständigkeit des vorgesehenen Schiedsgerichtes vereinbart worden. Es schadet dabei entgegen der Auffassung des Erstgerichtes nicht, daß dies nicht gerade ausdrücklich formuliert wurde; denn im Zweifel ist nicht von einer bloßen Wahlzuständigkeit auszugehen (Fasching Kommentar IV 712).

Die strittige Schiedsgerichtsvereinbarung ist aber aus folgenden Gründen unwirksam:

Gemäß § 19 Abs 3 HKG idF der 5. HKGNov BGBl 1974/400 fällt in den Wirkungskreis der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft nur die Errichtung eines ständigen Schiedsgerichtes für solche Streitigkeiten, bei denen zumindest ein Streitteil seinen Sitz außerhalb des Gebietes der Republik Österreich hat. Bei den einzelnen Landeskammern der gewerblichen Wirtschaft sind hingegen gemäß § 5 lit f HKG ständige Schiedsgerichte ohne diese Beschränkung einzurichten.

In dem von den Streitteilen abgeschlossenen Schiedsvertrag wird nur das Schiedsgericht der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft erwähnt. Dieses Schiedsgericht ist auch gemäß § 1 der vom Vorstand der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft Wien am 17.6.1983 beschlossenen Schieds- und Vergleichsordnung des Schiedsgerichtes der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft Wien, auf welche die Schiedsklausel ausdrücklich Bezug nimmt, zur Erledigung von Wirtschaftsstreitigkeiten nur zuständig, wenn wenigstens eine Partei ihren Sitz außerhalb des Gebietes der Republik Österreich hat. Die Zuständigkeit eines Landeskammer-Schiedsgerichtes haben die Streitteile aber nicht vereinbart.

Die Vereinbarung eines statuarischen (institutionellen) ständigen Schiedsgerichtes ist aber nur im Rahmen des Zuständigkeitsbereiches desselben wirksam.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.