JudikaturJustiz3Ob547/79

3Ob547/79 – OGH Entscheidung

Entscheidung
04. Juli 1979

Kopf

SZ 52/111

Spruch

Die Fähigkeit, in anderer Weise als mündlich vor Gericht gültig zu testieren, ist nicht schon allein dadurch beseitigt, daß die Voraussetzungen für eine beschränkte Entmündigung gegeben wären

OGH 4. Juli 1979, 3 Ob 547/79 (OLG Wien 12 R 2044/78; LGZ Wien 40 c Cg 20/76)

Text

Im Verlassenschaftsverfahren nach der am 30. September 1975 verstorbenen Melanie O (1 A 565/75 des Bezirksgerichtes Döbling) wurden von den Streitteilen widerstreitende Erbserklärungen abgegeben. Dem Kläger, der sich auf Grund eines Testamentes vom Dezember 1970 zum Erben erklärt hatte, wurde vom Abhandlungsgericht die Klägerrolle im Erbrechtsstreit zugewiesen. Er begehrt mit der vorliegenden Klage, daß 1. das von Melanie O vor dem öffentlichen Notar Dr. Walther Z errichtete Testament vom 28. Juni 1973 ungültig sei und daß 2. dem Beklagten gegenüber festgestellt werde, daß der zwischen ihm und Melanie O geschlossene Kauf- und Leibrentenvertrag vom 28. Juni 1973 über die Liegenschaft EZ 97 KG S ungültig und nichtig sei. Da der Kläger selbst einräumt,daß ihm die Legitimation zur Anfechtung des Kauf- und Leibrentenvertrages nur im Falle des Nachweises seiner Erbeneigenschaft zusteht, braucht auf dieses weitere Begehren und seine Begründung hier nicht eingegangen werden. Die Erbrechtsklage stützt der Kläger auf die Behauptung der mangelnden Testierfähigkeit der damals nahezu 89jährigen Erblasserin. Der Beklagte hat dies bestritten und Klagsabweisung beantragt.

Das Erstgericht hat das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen, Seinen wesentlichen Feststellungen zufolge hat Notar Dr. Z am 28. Juni 1973 vor der Vertrags- und Testamentsunterfertigung noch einmal mit der Erblasserin gesprochen, um sich persönlich von ihrer Geschäftsfähigkeit zu überzeugen. Auf Grund dieser Aussprache hatte er diesbezüglich keine Bedenken. Die Erblasserin war sich über die Bedeutung des Rechtsgeschäftes völlig im klaren. Für Notar Dr. Z bestand kein Zweifel, daß die Erblasserin geschäftsfähig war. Notar Dr. Z ist hinsichtlich dieser Frage äußerst kritisch, in seiner Kanzlei werden Verträge nicht gemacht, wenn auch nur der geringste Verdacht besteht, daß einer der Vertragsteile nicht geschäftsfähig ist. Dies gilt auch hinsichtlich der Testierfähigkeit. Der Geisteszustand der Erblasserin am 28. Juni 1973 ermöglichte es ihr zu erfassen, was vermachbar ist und welcher Personenkreis bedacht werden kann. Die Motivenwahl für das Bedenken einer Person hielt sich abseits krankhafter Motivenbildung, insbesondere abseits von paranoiden (Verfolgtheits )Ideen. Nach allen den Geisteszustand der Erblasserin negativ darstellenden Quellen wäre eine volle Entmündigung der Erblasserin nicht durchsetzbar gewesen. Die für den Beweis der Testierunfähigkeit der Melanie O am 28. Juni 1973 erforderlichen psychiatrischen Voraussetzungen liegen somit nicht vor.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, daß die Erblasserin das Testament vom 28. Juni 1973 im Zustand voller Besonnenheit errichtet habe. Testier- und Geschäftsfähigkeit seien unterschiedliche Begriffe. Für die Gültigkeit einer letztwilligen Anordnung sei nicht der Vollbesitz der geistigen Kräfte und auch nicht die Erkenntnis der vollen Tragweite der letztwilligen Verfügung erforderlich. Nicht jede Beeinträchtigung der Willensbildung, sondern nur ein so hoher Grad, daß er den im § 566 ABGB genannten Zuständen der Raserei, des Wahnsinns, des Blödsinns oder der Trunkenheit gleichstehe, schließe die Testierfähigkeit aus. Eine derartige Beeinträchtigung der geistigen Fähigkeiten der Erblasserin habe vom Kläger nichtbewiesen werden können, weshalb sein zu Punkt 1 der Klage gestelltes Begehren habe abgewiesen werden müssen. Daraus folge auch die Abweisung des weiteren Begehrens schon wegen des Fehlens der Aktivlegitimation des Klägers.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 50 000 S übersteigt. Es erachtete die Beweis- und Mängelrüge der Berufung für nicht berechtigt, übernahm die Feststellungen des angefochtenen Urteiles und billigte auch die Rechtsansicht des Erstgerichtes.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Engscheidungsgrunden:

Eine unrichtige rechtliche Beurteilung der Sache soll nach Ansicht des Revisionswerbers darin gelegen sein, daß das Berufungsgericht das vom Erstgericht eingeholte Sachverständigengutachten als schlüssigen Beweis für die Testierfähigkeit der Erblasserin angesehen habe, obgleich der Sachverständige zumindest indirekt zum Ausdruck brachte, daß der Geisteszustand der Erblasserin ihre beschränkte Entmündigung gerechtfertigt hätte. Damit will der Kläger offenbar zum Ausdruck bringen, daß entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes die Testierfähigkeit der Erblasserin verneint werden hätte müssen, wenn feststehe, daß sie auf Grund ihres Geisteszustandes richtigerweise hätte beschränkt entmundigt werden sollen. Abgesehen davon, daß sich der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten zur Frage einer möglichen beschränkten Entmündigung der Erblasserin überhaupt nicht äußerte, sondern nur eindeutig eine volle Entmündigung ausschloß und lediglich in der mündlichen Gutachtensergänzung eine Geistesschwäche der Erblasserin konstatierte, die ihrem Grade nach eine beschränkte Entmündigung zugelassen hätte, hat er sich bei seiner Begutachtung streng auf die psychiatrischen Beurteilungskriterien der Testierfähigkeit beschränkt und deren Vorhandensein bei der Erblasserin trotz ihres altersbedingt reduzierten Geisteszustandes bejaht. Auch das Berufungsgericht hat zutreffend zwischen den Voraussetzungen für eine Entmündigung und der Testierfähigkeit unterschieden. Letztere fehlt nur dann, wenn der Erblasser nicht einmal das Bewußtsein hatte, eine letztwillige Anordnung zu treffen und ihm das Verständnis ihres Inhaltes zur Gänze abging (SZ 34/198; SZ 24/146 u. a.). Die Beeinträchtigung des Bewußtseins des Erblassers muß so weit gehen, daß die normale Freiheit der Willensbildung aufgehoben ist (Weiß in Klang[2] III, 262 f.; JBl. 1957, 239; JBl. 1961, 322; NZ 1969, 154 und 188 u. a.). Die an der Geschäftsfähigkeit orientierte Entmündigungsordnung läßt eine beschränkte Entmündigung zum Schutze und im Interesse des zu Entmundigenden bereits bei einer bloßen auf Geisteskrankheit oder Geistesschwäche beruhenden Beeinträchtigung des Geisteszustandes zu, die zwar den Betreff enden nicht unfähig macht, seine Angelegenheiten zu besorgen, die ihn aber zur gehörigen Besorgung seiner Angelegenheiten allein nicht geeignet erscheinen läßt. Daß eine solche in der Geschäftsfähigkeit beeinträchtigte Person in der Regel durchaus testierfähig ist, ergibt sich bereits aus der mit § 569 ABGB im Einklang stehenden Bestimmung des § 4 Abs. 2 EntmO, wonach die beschränkte Entmündigung lediglich Einschränkungen hinsichtlich der Testamentsform zur Folge hat (Weiß a. a. O., 275 f.; Ehrenzweig II/2, 411; Sperl, Zum Begriff und zur Problematik der Testierfähigkeit in JBl. 1975, 449 ff.). Geht man von den Feststellungen der Tatsacheninstanzen aus, kann kein Zweifel bestehen, daß die Erblasserin trotz ihres altersbedingt reduzierten Geisteszustandes (Geistesschwäche) am 28. Juni 1973 die zu einer gültigen Testamentserrichtung erforderliche "volle Besonnenheit" im Sinne des § 565 ABGB besaß. Für die Erfassung der Bedeutung der letztwilligen Erklärung kann es keine Rolle spielen, ob die Erblasserin dabei über ein geringes oder beträchtliches Vermögen verfügte. Es können daher nicht, wie der Kläger meint, an die Testierfähigkeit je nach der Größe des Vermögens verschiedene Anforderungen gestellt werden.

Rechtssätze
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