JudikaturJustiz3Ob366/97p

3Ob366/97p – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. Februar 1998

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Pimmer, Dr.Zechner und Dr.Sailer als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Josef O*****, vertreten durch Dr.Erich Schwarz, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die verpflichtete Partei Georg O*****, vertreten durch Dr.Jürgen Hinterwirth, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Erwirkung der Entlassung aus einer Haftung als Bürge und Zahler, infolge Revisionsrekurses der betreibenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg als Rekursgericht vom 2.Oktober 1997, GZ 22 R 350/97t-11, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Abtenau vom 8. Juli 1997, GZ E 213/97w-6, abgeändert wurde, folgenden

Spruch

Beschluß

gefaßt:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidung des Rekursgericht wird dahin abgeändert, daß dem Rekurs der verpflichteten Partei nicht Folge gegeben wird.

Die verpflichtete Partei ist schuldig, der betreibenden Partei die mit S 37.626,30 (darin enthalten S 6,271,30 USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekurses binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Mit Beschluß vom 29.4.1997 bewilligte das Erstgericht der betreibenden Partei aufgrund eines rechtskräftigen und vollstreckbaren Teilurteiles des Landesgerichtes Salzburg vom 29.7.1996, 14 Cg 55/96-10 wider die verpflichtete Partei die Exekution nach § 354 EO und trug dieser auf, binnen 14 Tagen die Entlassung der betreibenden Partei aus ihrer Haftung als Bürge und Zahler für ein näher bezeichnetes Kreditkonto in Höhe von zusammen S 8,006.906 mehr oder weniger zu bewirken und drohte für den Fall der Saumsal dem Verpflichteten eine Geldstrafe von S 20.000 an. Aus dem der Exekution zugrundeliegenden Titel ergibt sich, daß der Betreibende für den Verpflichteten gewährte Kredite die Haftung als Bürge und Zahler übernommen hatte. Dieser Beschluß sowie ein nachfolgender, die angedrohte Geldstrafe verhängender und eine weitere Geldstrafe von 30.000 S androhender Beschluß erwuchs in Rechtskraft. Mit Beschluß vom 8.7.1997 verhängte das Erstgericht antragsgemäß eine weitere Geldstrafe von S 30.000 und setzte dem Verpflichteten zur Befolgung des Auftrages laut Exekutionsbewilligung eine neue Frist bis 1.8.1997 unter Androhung einer weiteren Geldstrafe von S 40.000.

Dem gegen diesen Beschluß erhobenen Rekurs des Verpflichteten gab das Rekursgericht mit dem angefochtenen Beschluß Folge und wies den zuletzt genannten Vollzugsantrag ab. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Eine Vollstreckung nach § 354 Abs 1 EO setze voraus, daß die zu erzwingende Handlung ausschließlich vom Willen des Verpflichteten abhänge. Dies sei nicht der Fall, wenn auch andere Umstände hinzutreten müßten, um die Ausführung zu ermöglichen, so wenn die Handlung ohne die Mitwirkung eines Dritten nicht möglich sei (SZ 25/150; JBl 1978, 157; RPflSlgE 1983/106). Es kommt also nicht darauf an, ob der Verpflichtete in der Lage sei, den Willen des Dritten, von dessen Mitwirkung die Vornahme der Handlung abhänge, zu beugen oder darauf Einfluß zu nehmen. Die zur Vornahme einer unvertretbaren Handlung notwendige Mitwirkung des Dritten werde in aller Regel durch eine aus dem Vermögen des Verpflichteten erbrachte Leistung bewirkt werden können. Da aber die Anwendung des § 354 EO schon dann unzulässig sei, wenn der Verpflichteten den Dritten mit Klage zur Mitwirkung zwingen könne, weil ihm ein Rechtsanspruch gegen diesen zustehe, so müsse auch die Vollstreckung nach § 354 EO unzulässig sein, wenn der Dritte erst durch eine entsprechende Geldleistung oder Bestellung einer Sicherheit bewogen werden müsse, die zur Vornahme der Handlung notwendigen Schritte zu setzen (RPflSlgE 1983/106 betreffend die Beibringung einer Bankgarantie durch den Verpflichteten). Gehe man davon aus, daß im vorliegenden Fall der Verpflichtete die zu bewirkende Haftungsfreistellung auch erreichen müßte, so werde deutlich, daß diese Handlung ohne Mitwirkung der Bank als Drittem letztlich nicht möglich sei. Verstünde man die Verpflichtung lediglich dahin, daß der Verpflichtete ein nicht näher umschriebenes "Bemühen" schulde, werde der Exekutionstitels mangels ausreichender Konkretisierung der vorzunehmenden Handlung nicht exequierbar (anders 3 Ob 106/89 betreffend ein Bewirken der Räumung eines Geschäftslokales durch einen Dritten). Eine gemäß § 354 EO bewilligte Exekution könne somit nicht vollzogen werden, wenn sich herausstelle, daß die dem Verpflichteten aufgetragene Handlung ohne Mitwirkung eines Dritten nicht möglich sei, sodaß auch ein Antrag auf Verhängung einer Geldstrafe im Sinne des § 354 Abs 2 EO abgewiesen werden müsse. Da die beantragte Exekution nicht zulässig sei, müsse dies trotz Rechtskraft der Exekutionsbewilligung letztlich zur Einstellung der Exekution führen (Heller/Berger/Stix 376). Auch wenn die unvertretbare Handlung lediglich in einem Bemühen bestehen sollte, dürfte trotz Rechtskraft der Exekutionsbewilligung kein Zwangsmittel angedroht werden. Daher sei auch der Antrag auf Verhängung einer weiteren Geldstrafe (unter weiterer Strafandrohung) abzuweisen.

Bei der Bewertung des Entscheidungsgegenstandes sei darauf abzustellen, daß die Haftungsfreilassung eine Kreditschuld in Höhe von mehr als S 8 Mio betreffe. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zuzulassen, weil sich das Höchstgericht bisher nur in der Entscheidung 3 Ob 106/89 mit einem auf "Bewirken" lautenden Exekutionstitel auseinandergesetzt habe. Von in der in dieser Entscheidung vertretenen Auffassung sei das Rekursgericht abgewichen.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung gerichtete Revisionsrekurs des Betreibenden ist zulässig, auch wenn entgegen der von diesem übernommenen Ansicht des Rekursgerichtes nicht gesagt werden kann, dieses sei von der Entscheidung 3 Ob 106/89 abgewichen, die einen gänzlich anders gelagerten Sachverhalt betraf. In dem der zitierten Entscheidung zugrundeliegenden Fall hatte der Verpflichtete die Räumung eines Geschäftslokales vom derzeitigen Benützer und Wiederherstellung des früheren Zustandes zu bewirken. Richtig ist allerdings, daß ein dem vorliegenden vergleichbarer Sachverhalt vom Obersten Gerichtshof bisher nicht zu beurteilen war und die Frage, ob die Verpflichtung zur Bewirkung einer Freistellung eines Bürgen nach § 354 EO vollstreckt werden kann (was, wie das Rekursgericht richtig erkannt hat, eine notwendigerweise zu beurteilende Vorfrage für die vorliegende Entscheidung darstellt), eine nicht selten vorkommende vertragliche Verpflichtung betrifft, sodaß ihr zur Wahrung der Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt (§ 502 Abs 1 ZPO).

Der Revisionsrekurs ist auch berechtigt.

Soweit sich der Revisionsrekurswerber auf die Ausführungen der Gerichte im Titelverfahren zur (faktischen) Unmöglichkeit der Leistung stützt, ist ihm entgegenzuhalten, daß sich das Rekursgericht mit dieser Frage nicht auseinandersetzte und auch nicht auseinanderzusetzen hatte. Unerheblich ist in jenem Zusammenhang auch, ob das Klagebegehren hinreichend bestimmt im Sinn des § 226 ZPO und das Urteil zur Exekution geeignet war.

Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen ist der dem Betreibenden nach dem Titel zustehende Anspruch kein solcher auf Vornahme einer unvertretbaren Handlung, sondern wäre richtigerweise nach § 353 EO zu vollstrecken.

Die (oft schwierige und nach den Umständen des Einzelfalles vorzunehmende: Heller/Berger/Stix 2553) Abgrenzung zwischen § 353 und § 354 EO ist vom Exekutionsgericht von Amts wegen durchzuführen. Keineswegs kann der Betreibende nach Wahl und Willkür Exekution entweder nach der einen oder nach der anderen Bestimmung führen (JBl 1986, 257 [Pfersmann] mwN). Maßgeblich für die Frage, ob eine Handlung vertretbar im Sinne des § 353 EO ist, ist, daß sie nicht nur der Verpflichtete, sondern auch ein Dritter vornehmen kann, ohne daß es für den Betreibenden einen rechtlichen oder wirtschaftlichen Unterschied macht (aaO; jüngst auch SZ 69/160). Im Zweifel ist eine Handlung (zunächst) als vertretbar angesehen, weil die Exekution vertretbarer Handlungen den Verpflichteten weniger belastet als die nach § 354 EO (durch Verhängung von Beugestrafen) und auch eher zur Durchsetzung des Exekutionstitels führt (JBl 1986, 257 mwN; SZ 69/190; ebenso Holzhammer, Zwangsvollstreckungsrecht4 387 und Rechberger/Simotta EO2 Rz 821). Auch nach der überwiegenden deutschen Lehre und Rechtsprechung zur vergleichbaren Rechtslage nach den §§ 887 und 888 dZPO hängt die Frage, ob eine Handlung vertretbar ist, wesentlich davon ab, ob sie auch durch einen Dritten vorgenommen werden kann, ohne daß sich aus der Sicht des Gläubigers am wirtschaftlichen Erfolg und am Charakter der Leistung irgend etwas ändert; der Schuldner (Verpflichtete) muß sich bei Vornahme der Handlung vertreten lassen können, ohne daß das Erfüllungsinteresse des betreibenden Gläubigers hiervon berührt wird (Schuschke, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz Rz 2 zu § 887 mwN; ähnlich Schilken in Rosenberg/Gaul/Schilken, Zwangsvollstreckungsrecht10 748, der noch hinzufügt, daß der Schuldner die Handlung auch durch einen anderen vornehmen lassen dürfte; Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann dZPO54 Rz 6 zu § 887 dZPO; Zöller/Stöber ZPO19 Rz 2 zu § 887 dZPO). Demnach wird in der Bundesrepublik Deutschland ein Anspruch auf Befreiung von einer Schuld nach überwiegender Lehre und Rechtsprechung (Nachweise bei Schilken aaO 566 FN 8) als vertretbare Handlung angesehen. Insbesondere wird auch die Pflicht zur Befreiung von einer Bürgschaft grundsätzlich als vertretbare Handlung nach § 887 dZPO angesehen (Nachweise bei Hartmann aaO Rz 22 zu § 887; so auch bereits das dRG, zitiert bei Zöller/Stöber aaO Rz 3 zu § 887 dZPO). In Österreich lehren Heller/Berger/Stix (2555) und Holzhammer (aaO 387), daß die Befreiung eines Bürgen zu den vertretbaren Handlungen gehört. Insbesondere verweisen Heller/Berger/Stix zu Recht darauf, daß es insbesondere zur Befreiung durch Befriedigung des Gläubigers zu keiner Einwilligung des Verpflichteten bedarf und jeder Dritter gemäß § 1422 ABGB die Schuld tilgen kann. Deshalb könne auch der betreibende Gläubiger (der Bürge) ermächtigt werden, die Befriedigung des Gläubigers des Verpflichteten auf dessen Kosten vorzunehmen und dem Verpflichteten könne gemäß § 353 Abs 2 EO die Vorauszahlung des Betrags aufgetragen werden, der erforderlich ist, um durch Befriedigung des Gläubigers des Verpflichteten die Befreiung des betreibenden Gläubigers von der übernommenen Bürgschaft herbeizuführen.

Im vorliegenden Fall ist zwar der Verpflichtete nicht schlechthin zur Befreiung des Betreibenden aus seiner Bürgschaftsverpflichtung verpflichtet, sondern bloß dazu, die Entlassung des Klägers aus seiner Haftung als Bürge und Zahler zu bewirken bzw. zu erwirken. Dennoch könnte ebenso wie in dem von Heller/Berger/Stix angeführten Beispiel der Verpflichtete letztlich (wenngleich mit doch wohl sehr fraglichen Erfolgsaussichten) auch gemäß § 353 EO zur (vorzeitigen) Rückzahlung des Kredites (im Wege der Vorauszahlung) gezwungen werden, zunächst aber zur Zahlung jenes Betrages, nach dessen Leistung die Bank zu einer Entlassung des betreibenden Gläubigers aus seiner Verpflichtung bereit wäre bzw mit welchem eine Sicherheit anderer Art beschafft werden könnte, deren Beistellung die Bank zu dieser Handlung veranlassen würde. Zuzustimmen ist jedenfalls der dargestellten Lehre und den deutschen Entscheidungen, die derartige Befreiungsansprüche unter die vertretbaren Handlungen subsumieren, weil es eben auf persönliche Leistungen des Verpflichteten gerade nicht ankommt, es vielmehr gleichgültig ist, wer den Gäubiger des Verpflichteten zur Entlassung des Betreibenden aus seiner Bürgschaft (durch geeignete Beistellung von Sicherheiten oder Zahlungen) veranlaßt. Insbesondere trifft es ja zu, daß jeder Dritte gemäß § 1422 ABGB die Schuld des Verpflichteten (teilweise) bezahlen kann.

Dessen ungeachtet war aber das Erstgericht und ebenso auch das Rekursgericht infolge der formellen Rechtskraft der Exekutionsbewilligung an diese gebunden, sodaß der Umstand, daß die Exekution nach § 354 EO statt nach § 353 EO erfolgte, nicht mehr wahrgenommen werden kann (JBl 1966,151; SZ 48/7; SZ 49/22; 3 Ob 88/79; SZ 57/22; ebenso Rechberger, Die fehlerhafte Exekution 207 f; ggt nur JBl 1958,99). Das vom betreibenden Gläubiger angestrebte Ziel, kann auch durch Handlungen des Verpflichteten selbst, somit durch eine Exekutionsführung nach § 354 EO erreicht werden. Es liegt somit weder eine Perplexität des Vollzuges noch dessen rechtliche Unmöglichkeit vor (vgl Rechberger, aaO 132, 136) Anders als im Fall der Entscheidungen JBl 1978,157 und RPflSlg E 1983/106, die die Beibringung von Bankgarantien betrafen, ist infolge der Akzessorietät der Bürgschaft durch Abdeckung des vollen Kreditobliegos auch ohne Mitwirkung des Kreditinstitutes die Entlassung des betreibenden Gläubigers aus der Bürgenhaftung erreichbar. Ein vom Verpflichteten hier gar nicht behauptetes tatsächliches Unmöglichwerden der Leistung könnte von diesem - wegen des Neuerungsverbotes - nur mit Oppositionsklage geltend gemacht werden (Holzhammer Zwangsvollstreckungsrecht4 391, Heller/Berger/Stix 2563 f).

Demnach hat das Erstgericht zu Recht wegen seiner Bindung an die Exekutionsbewilligung über den Verpflichteten erneut eine Geldstrafe verhängt und eine weitere angedroht. Gegen die Höhe der Strafen ist im Rekurs kein Einwand erhoben worden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 78 EO iVm den §§ 50,41 ZPO.

Rechtssätze
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