JudikaturJustiz3Ob252/06i

3Ob252/06i – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. Dezember 2006

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Dr. Prückner, Hon. Prof. Dr. Sailer und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei David H*****, vertreten durch Dr. Franz Seidl, Rechtsanwalt in Kottingbrunn, wider die beklagte Partei C*****, vertreten durch Eckert Fries Rechtsanwälte GmbH in Baden, wegen Unterlassung von Immissionen, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 22. August 2006, GZ 17 R 136/06f-80, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Baden vom 14. Februar 2006, GZ 9 C 863/02z-76, aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Der Antrag der klagenden Partei auf Ersatz der Kosten ihrer Rekursbeantwortung wird abgewiesen.

Text

Begründung:

Die Parteien bewohnen Eigentumswohnungen eines Hauses in Bad Vöslau. Der Beklagte betreibt seit 1996 mit fernbehördlicher Betriebsbewilligung eine Funksendeanlage.

Der Kläger begehrte mit seiner am 5. Juni 2002 beim Erstgericht eingelangten Klage die Unterlassung von, das ortsübliche Ausmaß übersteigenden, Störungen bei der Telefonie, beim Empfang von TV- und Hörfunk sowie beim Betrieb eines Computers durch den Betrieb der Funkanlage des Beklagten.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens mit der wesentlichen Begründung, dass seine Anlage von der Funkbehörde genehmigt worden sei. Störungen seien auf eine fehlende Einstrahlstörfestigkeit der Geräte des Klägers und auf den von ihm verwendeten Breitbandverstärker zurückzuführen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte die vom Kläger verwendeten Geräte (je zwei Fernsehgeräte und Rundfunkempfänger; je ein Telefon, Telefonfaxanrufbeantworter und Computer) und zu den Störungen im Wesentlichen Folgendes fest:

Bei einer gewissen Frequenz würden bei den Fernsehgeräten des Klägers durch die Funkanlage des Beklagten Störungen in Form von Flimmern schwarzer Streifen über den Fernsehschirm auftreten. Diese Beeinträchtigungen seien durch den installierten Breitbandverstärker verursacht worden. An den Radiogeräten würden „nur geringste Beeinträchtigungen" auftreten. In der Telefonanlage seien „leichte Störungen" bzw. „minimale Störungen" aufgetreten. Telefongespräche seien „nicht wesentlich beeinträchtigt" worden. Nach dem Austausch der Kabel auf „geschirmte" Kabel seien in den Telefongeräten die Störungen nur mehr „sehr geringfügig" vorhanden. Es könne nicht festgestellt werden, ob die vom Kläger verwendeten Geräte die erforderliche Einstrahlstörfestigkeit aufwiesen. Der Beklagte sei von der Funküberwachung viermal kontrolliert und nicht beanstandet worden. Die angeführten geringfügigen Störungen überschritten nicht das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß und beeinträchtigten den Kläger nicht wesentlich.

Auch in rechtlicher Hinsicht verneinte die Erstrichterin eine das ortsübliche Maß übersteigende wesentliche Beeinträchtigung des Klägers iSd § 364 Abs 2 ABGB. Eine ortsübliche Nutzung liege dann nicht vor, wenn Empfangsgeräte ohne die geforderte Einstrahlfestigkeit verwendet werden. Die Funkstelle sei nach einem fernbehördlichen Verfahren unter Berücksichtigung der Interessen der Nachbarn bewilligt worden. Bei Anlagen nach § 364a ABGB seien Beeinträchtigungen zu dulden. Der Breitbandverstärker als Ursache der Störungen in den Fernsehgeräten könne dem Beklagten nicht angelastet werden. Die festgestellten übrigen Störungen stellten keine wesentlichen Beeinträchtigungen dar.

Das Berufungsgericht hob über Berufung des Klägers das erstinstanzliche Urteil zur Verfahrensergänzung auf. Elektrische Wellen seien Immissionen iSd § 364 Abs 2 ABGB. Die Frage, ob eine Immission noch als ortsüblich zu beurteilen sei, müsse auch anhand normativer Wertungen geprüft werden. Dass Störungen öffentlich-rechtlich zulässig seien, begründe noch keine privatrechtliche Zulässigkeit, es sei denn, es handle sich um eine genehmigte Anlage iSd § 364a ABGB. Im Genehmigungsverfahren müssten aber die Interessen der Nachbarn konkret berücksichtigt werden. In diesem Sinn sei in der Entscheidung 6 Ob 180/05x schon ausgesprochen worden, dass eine Mobilfunkanlage keine behördlich genehmigte Anlage iSd § 364a ABGB sei. Eine solche Anlage liege auch hier nicht vor. Es komme daher gemäß § 364 Abs 2 ABGB zur Beurteilung der Ortsüblichkeit und des Maßes der Störungen auf präzisere Feststellungen an. Wenn beispielsweise die Beeinträchtigung beim Telefonieren so stark gewesen sein sollte, dass der Gesprächspartner nur gerade noch hörbar gewesen sei, könne die Beeinträchtigung nicht mehr toleriert werden. Zum Thema der Einstrahlstörfestigkeit sei von einem schlüssigen Tatsachengeständnis des Beklagten iSd § 267 Abs 1 ZPO auszugehen. Der Beklagte habe seinen ursprünglichen Beweisantrag (Einholung eines Sachverständigengutachtens über die Einstrahlstörfestigkeit der Geräte des Klägers) zurückgezogen. Damit sei die Negativfeststellung des Erstgerichts zum Thema der Einstrahlstörfestigkeit eine überschießende und unbeachtlich. Im Übrigen sei vom unstrittigen Umstand auszugehen, dass der Kläger handelsübliche Geräte mit der erforderlichen Einstrahlstörfestigkeit erworben habe. Dies gelte auch für den verwendeten Breitbandverstärker.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil der Oberste Gerichtshof zu den eine „hobbymäßig betriebenen Funkanlage" betreffenden Rechtsfragen noch nicht Stellung genommen habe.

Mit seinem Rekurs beantragt der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Der Kläger beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben. Der Rekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts mangels erheblicher Rechtsfragen nicht zulässig:

Rechtliche Beurteilung

I. Die Funksendeanlage des Beklagten ist keine Anlage gemäß § 364a ABGB, bei der ein Unterlassungsanspruch des Klägers verneint werden müsste:

1. Die vom Beklagten schon im Verfahren erster Instanz ins Treffen geführte Genehmigung seiner Anlage durch die Fernmeldebehörde erfolgte nicht in einem Verfahren mit der nach stRsp erforderlichen Verfahrensgarantie des Art 6 MRK, weil weder nach dem jetzt geltenden AmateurfunkG 1998, BGBl I 1999/25 noch nach der für die hier zu beurteilende Genehmigung aus dem Jahr 1995 geltenden Amateurfunk-Verordnung, BGBl 1954/30 id damals geltenden Fassung, eine Verfahrensbeteiligung der Nachbarn des Amateurfunkers vorgesehen ist bzw. war. Eine solche Beteiligung ist aber zur Wahrung der Interessen des Nachbarn und zur Begründung seiner Duldungspflicht der von der Behörde genehmigten Anlage erforderlich (RIS-Justiz RS0010682; Oberhammer in Schwimann³, § 364a ABGB Rz 3). Nicht einmal im Rekursverfahren behauptet der Beklagte, der Kläger wäre am Genehmigungsverfahren der Fernmeldebehörde beteiligt gewesen. Auch auf ein allfälliges verwaltungsbehördliches Verfahren nach dem Telekommunikationsgesetz (TKG 1997 oder 2003) berief er sich nicht (vgl §§ 73 f TKG 2003).

2. Auch wenn in der oberstgerichtlichen Rsp § 364a ABGB unter gewissen Voraussetzungen bei Vorliegen einer behördlichen Bewilligung (insbesondere bei Baubewilligungen: RIS-Justiz RS0010668) analog angewendet wird, so betrifft dies die Gewährung eines verschuldensunabhängigen Ausgleichsanspruchs, lässt aber den Abwehranspruch (den Unterlassungsanspruch) unberührt (RIS-Justiz RS0037182; 1 Ob 594/94 = SZ 67/138).

II. Auch zur bekämpften Ansicht des Berufungsgerichts, es liege zum Thema der Einstrahlungsstörfestigkeit der Geräte des Klägers ein schlüssiges Tatsachengeständnis iSd § 267 Abs 1 ZPO vor, vermag der Rekurswerber keine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen:

Bei dieser Frage handelt es sich um eine Rechtsfrage des Verfahrensrechts, die nicht mit der Rechtsrüge, sondern richtigerweise als Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens zu rügen gewesen wäre. Davon abgesehen hängt die Wertung, ob ein Geständnis vorliegt oder nicht, immer von den Umständen des Einzelfalls ab (6 Ob 141/99z; 2 Ob 29/01f uva). Für ein Geständnis müssen jedenfalls gewichtige Indizien sprechen (1 Ob 14/93; 8 Ob 100/03v uva). Eine solche Indizwirkung durfte das Berufungsgericht hier aber durchaus im Umstand erblicken, dass der Beklagte zwar zunächst eine mangelnde Strahlenfestigkeit der Geräte des Klägers behauptete und den Sachverständigenbeweis anbot, diesen Beweisantrag aber in der Folge (und trotz Gebührenbefreiung wegen der bewilligten Verfahrenshilfe) zurückzog (ON 43), nachdem der Sachverständige es als wahrscheinlich bezeichnet hatte, dass die handelsüblichen Geräte wohl (vermutlich) eine Strahlenfestigkeit aufweisen (ON 40). Bei einem solchen Sachverhalt bestehen gegen die Bejahung eines schlüssigen Tatsachengeständnisses keine Bedenken.

III. Wenn das Berufungsgericht ohne rechtliche Fehlbeurteilung die Feststellungen des Erstgerichts für eine verlässliche Beurteilung des Unterlassungsanspruchs iSd § 364 Abs 2 ABGB für ergänzungsbedürftig hält, kann ihm der Oberste Gerichtshof nicht entgegentreten. Da die Klagelegitimation des Wohnungseigentümers (RIS-Justiz RS0110784) unstrittig ebenso feststeht wie der Umstand, dass elektrische Wellen sowie elektrische und magnetische Felder und Strahlen Immissionen sind (RIS-Justiz RS0010618), ist die Ansicht des Berufungsgerichts, dass die Feststellungen des Erstgerichts über die durch die Funkanlage des Beklagten herbeigeführte Störungen zu unpräzise sind, vor dem Obersten Gerichtshof nicht weiter bekämpfbar. Der Antrag des Klägers auf Zuspruch von Kosten für seine Rekursbeantwortung ist abzuweisen, weil die Zurückweisung des Rechtsmittels wegen Unzulässigkeit beantragt wurde.

Rechtssätze
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