JudikaturJustiz3Ob2366/96d

3Ob2366/96d – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. November 1996

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Angst, Dr. Graf, Dr. Pimmer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Rozalia H*****, ***** ***** vertreten durch Dr. Gerald Ganzger, Rechtsanwalt in Wien, wider die verpflichtete Partei Franz P*****, ***** ***** vertreten durch Dr. Peter Knirsch und Dr. Johannes Gschaider, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 117.045,-- sA und laufendem Unterhalt, infolge Revisionsrekurses der verpflichteten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 28. August 1996, GZ 15 R 94/96w-11, womit der Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 27. Oktober 1995, GZ 5 Nc 10/95h-6, mit einer Maßgabe bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden als nichtig aufgehoben.

Der Exekutionsantrag der betreibenden Partei wird dem Bezirksgericht Donaustadt zur Entscheidung überwiesen.

Die Parteien haben die Kosten ihrer Rechtsmittel selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Mit dem Urteil eines ungarischen Gerichtes vom 4.3.1993 wurde festgestellt, daß der Verpflichtete Vater des am 7.5.1987 geborenen Tamas H***** ist; er wurde schuldig erkannt, "unter dem Rechtstitel des Unterhalts des oben genannten Minderjährigen für die Mutter:

Rozalia H***** einen rückständigen Kindesunterhalt für die Zeitperiode vom 7. Mai 1987 bis zum 31. März 1993 in Höhe von Ft 1,065.000 innerhalb von sechzig Tagen und vom 1. April 1993 beginnend mit einer vorherigen Fälligkeit bis zum 10. jedes Monats einen Kindesunterhalt bestimmten Betrags in Höhe von monatlich 15.000 Forint zu bezahlen." In dem Urteil wird als Kläger der Minderjährige bezeichnet und die "übersteigende Klage des Klägers" wurde abgewiesen.

Am 7.8.1995 langte beim Bundesministerium für Justiz ein Schreiben des Ministeriums der Justiz der Republik Ungarn ein, in dem das Bundesministerium für Justiz als Empfangsstelle gemäß Art 6 Abs 1 des New Yorker Übereinkommens vom 20.6.1956 über die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Ausland ersucht wird, alle zur Vollstreckung des angeführten Urteils geeigneten Schritte zu unternehmen. Dieses Schreiben wurde an den Präsidenten des Erstgerichtes und von diesem an den Leiter der zuständigen Gerichtsabteilung des Erstgerichtes weitergeleitet, wo es am 21.8.1995 einlangte. Dieser bestellte mit Beschluß vom 7.9.1995 gemäß § 6 Abs 4 BG 22.1.1969 BGBl 317 einen vom Ausschuß der zuständigen Rechtsanwaltskammer namhaft gemachten Rechtsanwalt "zum Vertreter der Anspruchswerberin" und forderte ihn auf, binnen vier Wochen den Exekutionsantrag einzubringen.

Am 24.10.1995 langte ein Schriftsatz beim Erstgericht ein, der von dem zum Vertreter bestellten Rechtsanwalt unterschrieben ist und in dem als betreibende Partei die Mutter des Kindes bezeichnet wird. In dem Schriftsatz wird beantragt, das oben bezeichnete Urteil des ungarischen Gerichtes für vollstreckbar zu erklären. Diesem Schriftsatz war offensichtlich ein weiterer Schriftsatz angeschlossen, in dem als Empfänger das Bezirksgericht Döbling bezeichnet wird und in dem neuerlich als betreibende Partei der Name der Mutter angegeben ist. Es wird darin beantragt, der betreibenden Partei auf Grund des ungarischen Urteils vom 4.3.1993 zur Hereinbringung des für die Zeit vom 7.5.1987 bis 10.10.1995 rückständigen Unterhalts in der Höhe von "117.045" sA und des ab November 1995 fällig werdenden Unterhalts von "1.147,50" die Fahrnisexekution und die Forderungsexekution nach § 294 a EO zu bewilligen.

Das Erstgericht bewilligte die beantragte Exekution in Form eines Bewilligungsvermerkes gemäß § 112 Abs 1 Geo, wobei als Exekutionsgericht das Bezirksgericht Döbling bezeichnet wurde. Über den Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Urteils entschied es nicht.

Das Rekursgericht bestätigte infolge Rekurses des Verpflichteten diesen Beschluß des Erstgerichtes mit der Maßgabe, daß die Bezeichnung der hereinzubringenden Forderung statt "S 117.045" und "S 1.147,50" richtig "1,530.000 ungarische Forint (= rückständiger Kindesunterhalt vom 7.5.1987 bis einschließlich Oktober 1995) und 15.000 ungarische Forint (= laufender Unterhalt ab November 1995, zahlbar bis zum Zehnten jedes Monats), zahlbar in Schillingwährung nach dem zur Zeit der Zahlung maßgebenden Kurswert, höchstens aber S 117.045 an rückständigem und S 1.147,50 an laufendem Unterhalt" zu lauten hat. Aus Anlaß des Rekurses berichtigte es überdies die Bezeichnung der betreibenden Partei dahin, daß hiefür der Name des Kindes, vertreten durch die Mutter, angeführt wurde. Das Rekursgericht sprach ferner aus, daß gegen seinen Beschluß "ein weiterer Rekurs zulässig" sei. Rechtlich war es der Meinung, daß die durch die EO-Nov 1995 geschaffenen Bestimmungen über die Vollstreckbarerklärung und Anerkennung von Akten und Urkunden, die im Ausland errichtet wurden, gemäß Art VIII Abs 1 der Novelle am 1.10.1995 in Kraft getreten seien. Sie seien auf Anträge anzuwenden, die nach dem 30.September 1995 bei Gericht angebracht wurden. In den Absätzen 2, 4 und 5 des Art VIII verwende der Gesetzgeber jeweils die Begriffe "Exekutionsantrag" bzw "Antrag auf Exekutionsbewilligung". Daher sei davon auszugehen, daß der Begriff "Anträge" im Abs 1 etwas anderes bedeute als "Exekutionsantrag". Die Übergangsbestimmung des Art VIII Abs 1 der EO-Nov 1995 beziehe sich somit auf die bei den ausländischen Übermittlungsstellen gemäß Art 3 des New Yorker Unterhaltsübereinkommens gestellten Anträge, zumal auch in diesem Übereinkommen, in dem Ausführungsgesetz hiezu sowie in den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage dieses Gesetzes und der hiezu ergangenen Novelle BGBl 1986/377 das Wort "Antrag" konstant für die von den Anspruchswerbern im Ausland gestellten Rechtshilfeanträge verwendet werde. Da hier der Antrag spätestens am 21.8.1995 beim Erstgericht eingelangt sei, seien hierauf weiterhin jene Bestimmungen anzuwenden, die bis zum 30.9.1995 für die Vollstreckung auf Grund ausländischer Exekutionstitel in Geltung gestanden seien. Das Erstgericht sei demnach zur Fassung des angefochtenen Exekutionsbewilligungsbeschlusses zuständig gewesen. Da § 79 EO idF der EO-Nov 1995 noch nicht anzuwenden sei, sei für die Bewilligung der Exekution die in der angeführten Gesetzesstelle vorgesehene Vollstreckbarerklärung nicht notwendig. Was die Bezeichnung der betreibenden Partei betreffe, ergebe sich aus dem gesamten Inhalt des Antrags, daß die Mutter des Kindes als dessen gesetzliche Vertreterin seinen Unterhaltsanspruch gegen den Vater geltend machen wolle. Diese Schlußfolgerung werde dadurch erhärtet, daß in Entsprechung des Art 3 Abs 3 letzter Satz des New Yorker Unterhaltsübereinkommens auf dem Antrag an erster Stelle ein Lichtbild des minderjährigen betreibenden Gläubigers angebracht worden sei. Auch die Beifügung der Geburtsurkunde des Kindes, aus der sich ergebe, wer seine Mutter und daher seine gesetzliche Vertreterin sei, untermauere diese Auslegung des Antrags. Auch daraus, daß der mit dem Urteil zuerkannte Unterhaltsanspruch vollstreckt werden solle und nach dem Sinn des Urteils das Kind unterhaltsberechtigt sei, ergebe sich, daß das Kind, vertreten durch seine Mutter als gesetzliche Vertreterin, als betreibende Partei des Exekutionsverfahrens auftrete. Die Bezeichnung der betreibenden Partei sei daher von Amts wegen in diesem Sinn zu berichtigen gewesen. Außerdem sei darauf Bedacht zu nehmen gewesen, daß es sich bei der Unterhaltsschuld um eine echte Fremdwährungsschuld handle, bei der der Anspruch auf Zahlung in fremder Währung ohne Vorliegen einer Effektivklausel laute. Das Begehren der betreibenden Partei auf Hereinbringung der Unterhaltsforderung in Schillingwährung verstoße demnach nicht gegen § 7 Abs 1 EO. Die Höhe der hereinzubringenden Forderung habe jedoch im Sinn der vorstehenden Ausführungen "präzisiert" werden müssen. Die Zulässigkeit des weiteren Rekurses folge aus § 83 Abs 3 EO idF vor der EO-Nov 1995.

Rechtliche Beurteilung

Der vom Verpflichteten gegen diesen Beschluß des Rekursgerichtes erhobene Revisionsrekurs ist berechtigt.

Das Rekursgericht hat offensichtlich die Bedeutung des § 83 Abs 3 EO in der von ihm für maßgebend angesehenen Fassung vor der EO-Nov 1995 verkannt. Durch diese Bestimmung wurde nämlich ebenso wie durch den nunmehr geltenden § 84 Abs 6 EO idF der EO-Nov 1995 nur die Rekursbeschränkung des § 528 Abs 2 Z 2 idF der WGN 1989 für nicht anwendbar erklärt. Die übrigen Rekursbeschränkungen des § 528 Abs 2 ZPO idF der WGN 1989 blieben jedoch unberührt (vgl JUS 1985 H 3, 14 und EvBl 1962/326 zur vergleichbaren Rechtslage vor der WGN 1989). Es war daher nach der angeführten Bestimmung und ist daher nunmehr nach § 84 Abs 6 EO idF der EO-Nov 1995 der Revisionsrekurs gegen den Beschluß eines Rekursgerichtes nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO idF der WGN 1989 abhängt, und das Rekursgericht hätte deshalb hierüber gemäß § 78 EO und § 526 Abs 3 ZPO iVm § 500 Abs 2 Z 3 ZPO einen Ausspruch in seine Entscheidung aufnehmen müssen. Da aber jedenfalls Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO zu lösen sind, erübrigt es sich, dem Rekursgericht die Ergänzung seiner Entscheidung aufzutragen.

Im übrigen kommt § 84 Abs 3 EO idF vor der EO-Nov 1995 schon deshalb nicht zum Tragen, weil das Rekursgericht den angefochtenen erstgerichtlichen Beschluß nicht zur Gänze bestätigt hat. Gegenüber diesem Beschluß hat es nämlich zum einen die Bezeichnung der betreibenden Partei und zum anderen die Angabe des betriebenen Anspruchs geändert. Da dasselbe auch für § 84 Abs 6 EO idF der EO-Nov 1995 gilt, muß nicht erörtert werden, ob diese Bestimmung anzuwenden wäre. Der Revisionsrekurs ist unabhängig davon nicht gemäß § 78 EO iVm § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig.

Gemäß Art VIII Abs 1 EO-Nov 1995 treten die hier in Betracht kommenden §§ 79 bis 86a idF dieser Novelle mit 1.Oktober 1995 in Kraft und sind auf "Anträge" anzuwenden, die nach dem 30.September 1995 bei Gericht angebracht werden. Dem Rekursgericht kann nicht darin beigepflichtet werden, daß mit den "Anträgen" auch Anträge gemäß Art 3 des New Yorker Unterhaltsübereinkommens BGBl 1969/316 gemeint sind. Dies ergibt sich schon aus der Erwägung, daß sich die Bestimmung ganz offensichtlich nur auf Anträge bezieht, die durch die Novelle geänderte Bestimmungen betreffen, und nicht auf Anträge, die mit der Änderung der Bestimmungen durch die Novelle nichts zu tun haben. Das Argument des Rekursgerichtes, daß in den Absätzen 2, 4 und 5 des Art VIII EO-Nov 1995 die Begriffe "Exekutionsantrag" oder "Antrag auf Exekutionsbewilligung" verwendet werden, während dies im Abs 1 nicht der Fall ist, überzeugt nicht, weil die dort angeführten, durch diese Novelle geänderten Bestimmungen sich tatsächlich nur auf Exekutionsanträge beziehen. Demgegenüber haben die im Art VIII Abs 1 EO-Nov 1995 angeführten Gesetzesstellen auch Anträge zum Gegenstand, die nicht auf Bewilligung der Exekution gerichtet sind, wie die Anträge nach § 39 und 42 EO, ferner den im § 83 Abs 1 EO idF der EO-Nov 1995 genannten Antrag auf Vollstreckbarerklärung und Anträge auf Erlassung von einstweiligen Verfügungen gemäß § 381 EO. Es ist daher durchaus sachgerecht, daß im Art VIII Abs 1 EO-Nov 1995 von Anträgen und nicht von Exekutionsanträgen die Rede ist und es kann daraus nicht abgeleitet werden, daß auch Anträge gemeint sind, die mit den Gesetzesstellen, die in der angeführten Bestimmung erwähnt werden, nichts zu tun haben.

Entscheidend ist daher, wann der hier zu beurteilende Exekutionsantrag beim Erstgericht angebracht wurde. Da dies nach dem 30.9.1995 geschah, sind demnach die maßgebenden Bestimmungen in der Fassung der EO-Nov 1995 anzuwenden. Dies bedeutet, daß zur Entscheidung über den Exekutionsantrag gemäß § 4 EO idF der EO-Nov 1995 iVm § 18 Z 3 und 4 EO das Bezirksgericht Döbling als Exekutionsgericht zuständig gewesen wäre, weil der Verpflichtete nach den Angaben im Exekutionsantrag dort seinen Wohnsitz hatte. Die Entscheidung des Erstgerichtes und damit auch des Rekursgerichtes ist deshalb gemäß § 477 Abs 1 Z 3 ZPO nichtig (SZ 55/178 mwN). Diese Nichtigkeit war auf Grund des Revisionsrekurses des Verpflichteten, in dem sie geltend gemacht wird, wahrzunehmen. Der Exekutionsantrag war gemäß § 44 Abs 1 JN dem Bezirksgericht Donaustadt, in dessen Sprengel nach den Angaben, die der Verpflichtete in seinem Rekurs machte, sein Wohnsitz liegt, als dem auch zur Bewilligung der Exekution zuständigen Exekutionsgericht zu überweisen.

Anzumerken ist, daß dieses Gericht auch über den noch nicht erledigten Antrag der betreibenden Partei auf Vollstreckbarerklärung des Exekutionstitels Beschluß zu fassen haben wird.

Der Ausspruch über die Kosten der Rechtsmittelverfahren beruht auf § 78 EO iVm § 51 Abs 2 ZPO. Die betreibende Partei hat die Nichtigkeit nicht im Sinn des § 51 Abs 1 ZPO verschuldet, weil sie den Exekutionsantrag ohnedies an das Bezirksgericht Döbling gerichtet hat und es daher vom Erstgericht ohne darüber zu entscheiden an dieses weiterzuleiten gewesen wäre.