JudikaturJustiz3Ob221/00x

3Ob221/00x – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. Dezember 2000

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Angst als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Gudrun S*****, vertreten durch Dr. Klaus Nuener, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die verpflichtete Partei DI Dr. Günter S*****, vertreten durch Dr. Ivo Greiter und andere Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen S 360.000 sA, über den Revisionsrekurs der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 12. Mai 2000, GZ 4 R 110/00f-9, womit der Exekutionsbewilligungsbeschluss des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 3. Februar 2000, GZ 25 E 282/00x-2, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die angefochtenen Beschlüsse werden aufgehoben; dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Rechtmittelverfahrens sind weitere Kosten des Exekutionsverfahrens.

Text

Begründung:

Die betreibende Gläubigerin beantragte mit dem am 20. 1. 2000 beim Erstgericht eingelangten Antrag, ihr gegen den Verpflichteten aufgrund einer einstweiligen Verfügung zur Hereinbringung des rückständigen Unterhalts von S 36.000 und des laufenden Unterhalts ab 1. 2. 2000 von monatlich S 9.000 ua die Exekution durch Pfändung und Überweisung von Mietzinsforderungen im Betrag von S 40.000 mehr oder weniger gegen Gisela F***** ua Drittschuldner zu bewilligen.

Das Erstgericht erteilte ua den Verbesserungauftrag, im Exekutionsantrag anzugeben, "ob die gepfändeten Mietrechte dem § 42 MRG unterliegen".

Die betreibende Gläubigerin brachte hierauf (unter Punkt 11) vor, dass die gepfändeten Mietrechte nicht dem § 42 MRG unterliegen.

Das Erstgericht bewilligte sodann die beantragte Exekution.

Die Drittschuldnerin Gisela F***** erhob Rekurs, in dem sie vorbrachte, sie sei Mieterin des im Erdgeschoß befindlichen Geschäftslokals, das ihr der Verpflichtete ausschließlich zu Geschäftszwecken, und zwar zum Betrieb eines Cafes, vermietet habe. Das Haus sei vor dem 30. 6. 1953, und zwar vor 1927, errichtet worden; Wohnungseigentum sei nicht begründet. Die Drittschuldnerin legte zur Bescheinigung ihrer Behauptungen Urkunden vor.

Das Rekursgericht änderte über den Rekurs dieser Drittschuldnerin den erstinstanzlichen Beschluss, der in Ansehung der weiteren Drittschuldner in Rechtskraft erwachsen ist, dahin ab, dass der Exekutionsantrag ihr gegenüber abgewiesen wird; es sprach aus, der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil zu den Fragen der Behauptungslast der betreibenden Partei, insb unter Bedachtnahme auf die Bestimmung des § 42 Abs 6 MRG, und der grundsätzlichen Bedeutung und des Ausmaßes der Anwendbarkeit dieser Vorschrift, soweit überschaubar, keine (gefestigte) Judikatur des Obersten Gerichtshofes vorliege.

In rechtlicher Hinsicht führte das Rekursgericht aus, auf Mietzinse aus Mietverhältnissen, auf welche die Bestimmungen des MRG Anwendung finden, könne nur im Wege der Zwangsverwaltung Exekution geführt werden (§ 42 Abs 1 MRG). Der Geltungsbereich des MRG umfasse jedoch alle Mietverträge; die Vermutung für die Anwendbarkeit des MRG könne nur durch den Nachweis eines konkreten Ausnahmetatbestandes widerlegt werden. Damit sei aber auch das Vorliegen der Voraussetzungen für die Exekutionsbeschränkung des § 42 Abs 1 MRG bei einer beantragten Exekutionsführung auf Bestandzinsforderungen der verpflichteten Partei grundsätzlich zu vermuten. Die Exekutionsbeschränkung sei gemäß § 42 Abs 6 MRG in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmen. Daher sei auch das vom Verpflichteten oder vom Drittschuldner in einem Rekurs erstattete Vorbringen beachtlich und müsse einer Prüfung unterzogen werden. Der Rechtmittelwerber sei (anders als sonst im Bewilligungsverfahren; § 3 EO) nicht darauf beschränkt, behauptete Gesetzwidrigkeiten durch eine Klagsführung nach §§ 35 bis 37 EO oder durch einen Einstellungsantrag geltend zu machen.

Die hier von der betreibenden Gläubigerin im Exekutionsantrag aufgestellte Behauptung, "dass die gepfändeten Mietrechte nicht dem § 42 MRG unterlägen", reiche zur Widerlegung der Vermutung der Anwendbarkeit des MRG nicht aus. Allein aus diesem Grund komme dem Rekurs der Drittschuldnerin Berechtigung zu. Die Einleitung eines neuerlichen Verbesserungsverfahrens sei nicht statthaft, weil das Erstgericht in seinem Verbesserungsauftrag auf den bereits ursprünglich vorliegenden Mangel Bezug genommen habe.

Der Revisionsrekurs des betreibenden Gläubigers ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 42 Abs 1 MRG kann auf Mietzinse aus Mietverträgen, auf welche die Bestimmungen des MRG Anwendung finden, nur im Wege der Zwangsverwaltung Exekution geführt werden. Diese Exekutionsbeschränkung ist gemäß § 42 Abs 6 MRG in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmen. Der betreibende Gläubiger hat im Exekutionsantrag bloß zu behaupten, dass auf das Bestandverhältnis die Bestimmungen des MRG nicht anzuwenden seien (MietSlg 35.455, MietSlg 39.576; JUS Z 1904; Zechner, Forderungsexekution Rz 1 zu § 290 mwN). Der erkennende Senat hält die Ansicht, dass darüber hinaus - bei sonstiger Antragsabweisung - konkrete Tatsachen vorgebracht werden müssen, aus denen hervorgeht, dass auf den Mietvertrag die Bestimmungen des MRG nicht anzuwenden seien (SZ 69/35 = MietSlg 48.440/10; ebenso Schuhmacher in WoBl 1991, 201), nicht aufrecht. Wegen der Einseitigkeit des Verfahrens über den Antrag auf Exekutionsbewilligung, in dem keine Bescheinigung erforderlich ist, wäre das Verlangen von Tatsachenbehauptungen unnötiger Formalismus.

Hier hat die betreibende Gläubigerin, nachdem ihr das Erstgericht einen Verbesserungsauftrag erteilt hatte, im Exekutionsantrag vorgebracht, dass die gepfändeten Mietrechte nicht dem § 42 MRG unterliegen.

Die betreibende Gläubigerin macht im Revisionsrekurs geltend, aufgrund eines Rekurses des Drittschuldners gegen die Exekutionsbewilligung könne die Zulässigkeit der Forderungsexekution nicht geprüft werden.

Diese Ansicht ist aus folgenden Gründen unzutreffend:

Gemäß § 294 Abs 4 EO kann der Drittschuldner das Zahlungsverbot mit Rekurs anfechten oder dem Exekutionsgericht anzeigen, dass die Exekutionsführung nach den darüber bestehenden Vorschriften unzulässig sei. Hier hat die Drittschuldnerin ausdrücklich Rekurs gegen die Exekutionsbewilligung erhoben und nicht bloß die Unzulässigkeit der Forderungsexekution angezeigt, was gemäß § 39 Abs 2 Satz 2 EO als Antrag auf Einstellung der Exekution zu werten wäre.

Nach der Sonderbestimmung des § 42 Abs 6 MRG sind die Exekutionsbeschränkungen des § 42 MRG in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmen. Aus dieser Bestimmung ergibt sich nicht, dass die Drittschuldnerin das Vorliegen der Exekutionsbeschränkungen nicht mit Rekurs geltend machen könnte.

Hiefür bieten auch die Gesetzesmaterialien zur MRG-Nov 1985 keinen Anhaltspunkt. Der Justizausschuss führt hiezu vielmehr Folgendes aus (800 BlgNR 16. GP 3): "Nach Auffassung des Justizausschusses können die Exekutionsbeschränkungen des § 42 MRG infolge der Einfügung des Absatz 6 in den § 42 leg cit auch noch nach rechtskräftiger Exekutionsbewilligung im Wege eines Einstellungsantrages nach § 39 EO geltend gemacht werden".

Der Justizausschuss legt somit ausdrücklich (wobei er das Wort "nach" durch Fettdruck hervorhebt) dar, dass mit Einstellungsantrag nach § 39 EO auch noch nach rechtskräftiger Exekutionsbewilligung die Exekutionsbeschränkungen des § 42 MRG geltend gemacht werden können. Eine Beschränkung der Rekursgründe dahin, dass dies nicht bereits mit Rekurs geltend gemacht werden könnte, ist den Gesetzesmaterialien nicht zu entnehmen.

Würth/Zingher (Miet- und Wohnrecht20 Rz 3 zu § 42 MRG) führen aus, nur im Ausschussbericht werde die Ansicht vertreten, dass die Wahrnehmung der Exekutionsbeschränkungen im Wege eines Einstellungsantrages nach § 39 EO (und nicht wie sonst notwendig im Weg einer Klage nach §§ 35, 36 EO**2) erfolgen könne. Die Beschränkung auf den Einstellungsantrag und ein Ausschluss des Rekurses in diesem Fall wird aber auch von Würth/Zingher nicht ausdrücklich vertreten.

Das allgemein auch für den Rekurs im Exekutionsverfahren geltende Neuerungsverbot steht der Geltendmachung dieser Exekutionsbeschränkungen nicht entgegen. Die Exekutionsbeschränkungen des § 42 MRG sind nach § 42 Abs 6 MRG in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmen. Eine jederzeit von Amts wegen wahrzunehmende Tatsache kann jedoch keinesfalls dem Neuerungsverbot unterliegen (Kodek in Rechberger, ZPO**2 Rz 3 zu § 482; Fasching, ZPR**2 Rz 1731; Böhm in Glosse zu ecolex 1992, 19). Dem folgt auch die Rechtsprechung (5 Ob 523/95; EvBl 1998/50), wonach das Neuerungsverbot gemäß § 482 ZPO, das auch grundsätzlich im Rekursverfahren gilt, sich nur auf von den Parteien vorgebrachte Ansprüche, Einreden, Tatumstände und Beweise bezieht, nicht aber auch auf von Amts wegen zu beachtende Umstände. Für das Exekutionsverfahren besteht hier keinerlei Ausnahme (EvBl 1998/50).

Da im § 42 Abs 6 MRG ausdrücklich angeordnet wird, dass die im § 42 MRG festgelegten Exekutionsbeschränkungen in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmen sind, muss demnach auf entsprechendes Vorbringen in einem Rekurs gegen die Exekutionsbewilligung Bedacht genommen werden, zumal diese Ausnahme vom Neuerungsverbot dadurch gerechtfertigt ist, dass sonst der Zweck dieser Exekutionsbeschränkung vereitelt werden könnte (s hiezu Schumacher, Zwangsvollstreckung auf Bestandzinsforderungen, WoBl 1991, 201 [205]).

Der Drittschuldner kann somit auch im Rekurs gegen die Exekutionsbewilligung geltend machen, dass die Behauptung des betreibenden Gläubigers im Exekutionsantrag, das Bestandverhältnis unterliege dem MRG, unrichtig sei. In diesem Fall ist diese Frage von den Tatsacheninstanzen zu klären. Auf dieser Tatsachengrundlage ist sodann neuerlich über den Exekutionsantrag zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 78 EO, § 52 ZPO.

Rechtssätze
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