JudikaturJustiz3Ob2065/96i

3Ob2065/96i – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. März 1996

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Graf, Dr.Pimmer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Alexander B*****, ***** ***** vertreten durch Mag.jur.Johann Kaltenegger, Rechtsanwalt in Frohnleiten, wider die beklagte Partei Magdalena B*****, ***** ***** vertreten durch Dr.Franz Gölles und Mag.Robert Pöschl, Rechtsanwälte in Graz, wegen restlicher S 32.123,17 sA, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgerichtes vom 12.Juni 1995, GZ 1 R 128/95-74, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Frohnleiten vom 30.August 1994, GZ 1 C 9/91v-62, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen, die im übrigen als rechtskräftig aufrecht bleiben, werden, soweit damit das Klagebegehren im Umfang von S 32.123,17 sA abgewiesen wurde, und überdies im Kostenpunkt aufgehoben. Die Rechtssache wird in diesem Umfang zur neuerlichen, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällenden Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren sind weitere Kosten des Verfahrens erster Instanz.

Text

Begründung:

Der Kläger, der mit der Beklagten am 12.10.1973 die Ehe geschlossen hatte, wurde unter Berücksichtigung einer Änderung im Rechtsmittelverfahren auf Grund eines Antrags, den die Beklagte am 20.5.1987 im Zusammenhang mit dem Verfahren auf Scheidung ihrer Ehe gestellt hatte, mit einstweiliger Verfügung vom 19.6.1987 schuldig erkannt, der Beklagten ab 20.5.1987 einen monatlichen Unterhaltsbetrag von S 4.000 zu bezahlen. Die Ehe der Streitteile wurde mit Wirkung vom 12.4.1989 geschieden.

Der Kläger begehrte mit seiner Klage von der Beklagten die Bezahlung von S 97.993 sA. Er habe in der Zeit von November 1987 bis Februar 1989 diesen Betrag an Unterhalt geleistet. Die Beklagte habe aber in diesem Zeitraum ein eigenes Einkommen bezogen und überdies über ein eigenes Vermögen verfügt, aus dem ihr Erträgnisse zugeflossen seien. Seit 21.4.1987 habe sie unter anderem die Arbeitsmarktförderungsbeihilfe bezogen. Dies habe sie dem Gericht aber verschwiegen, die Beklagte wäre verpflichtet gewesen, die gegen den Kläger gerichtete Lohnpfändung einzustellen.

Die Beklagte bestritt, Einkünfte verschwiegen zu haben, die für den Unterhaltsanspruch in dem den Gegenstand der Klage bildenden Zeitraum von Bedeutung sein hätten können. Sie habe den Unterhalt überdies redlich verbraucht, weil der Kläger für drei Kinder, die sich in ihrer Pflege befunden hätten, nur einen monatlichen Unterhaltsbetrag von je S 2.000 zu leisten gehabt habe. Da damit die Bedürfnisse der Kinder nicht gedeckt werden hätten können, seien sie von dem nunmehr eingeklagten Betrag bestritten worden.

Die Klage wurde bezüglich eines Betrages von S 5.600 rechtskräftig zurückgewiesen, weil über die vor der Erlassung der einstweiligen Verfügung bereits fällig gewordenen Unterhaltsbeträge durch diese einstweilige Verfügung rechtskräftig entschieden worden sei und daher bezüglich des Unterhalts für die Zeit vom 20.5. bis Juni 1987 rechtskräftig entschiedene Streitsache vorliege.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit S 5.680 sA statt und wies ein Mehrbegehren von S 92.313 sA (rechnerisch wegen der teilweisen Zurückweisung des Klagebegehrens richtig: S 86.713 sA) ab. Es stellte im wesentlichen folgendes fest:

Während der Ehe hatte der Kläger die gesamte Vermögensverwaltung inne. Die Beklagte verfügte über kein Wirtschaftsgeld. Die Einkäufe wurden vom Kläger besorgt.

Die Beklagte wohnte nach Verlassen der Ehewohnung mit sechs Kindern in einem Frauenhaus. Drei der Kinder gingen zum Kläger zurück. Während des Aufenthalts im Frauenhaus begann die Beklagte mit einem Kurs für die Ausbildung zur Sonderkindergärtnerin. Sie bezog von November 1987 bis 20.4.1988 eine Arbeitsmarktförderungsbeihilfe in der Höhe von zusammen S 33.594. Vom 21.4. bis 7.9.1988 erhielt sie ein Arbeitslosengeld in der Höhe von monatlich S 4.461 und im September 1988 eine Notstandshilfe von S 1.657. Im Oktober und November 1988 bezog sie keine ins Gewicht fallenden Einkünfte. Ab Dezember 1988 war sie als Sonderkindergärtnerin tätig und verdiente S 25.251,81 monatlich netto.

Die Beklagte verfügte über Wertpapiere im Nennwert von S 120.000,-, die sie einem Kreditinstitut für ein Darlehen verpfändet hatte. Die Wertpapiere wurden am 31.10.1988 verkauft. Mit dem Erlös wurde das Darlehen abgedeckt. Die Beklagte erhielt den verbleibenden Betrag von S 10.713,06 ausbezahlt.

Bei der rechtlichen Beurteilung der Sache stellte das Erstgericht dem - von ihm noch für die Zeit ab November 1987 festgestellten - Einkommen des Klägers jenes der Beklagten gegenüber und war der Meinung, daß das Einkommen der Beklagten, ausgehend von einem ihr im Hinblick auf die Sorgepflichten des Klägers gebührenden Unterhaltsanspruch von 21 % von dessen Einkommen, nur in den Monaten Dezember 1988 bis Februar 1989 mehr als 21 % betragen habe. Die Beklagte habe in diesem Zeitraum S 5.680 zu Unrecht an Unterhalt vom Kläger erhalten.

Das Berufungsgericht bestätigte infolge Berufung des Klägers dieses Urteil des Erstgerichtes und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es stellte ergänzend das Einkommen des Klägers für die Zeit von Juni (gemeint wohl: Juli) bis Oktober 1987 und ferner das Einkommen der Beklagten von Juli 1987 bis Oktober 1987, dieses mit S 28.594,90 an Arbeitsmarktförderungsbeihilfe, fest. Auf Grund dieser Tatsachenfeststellungen und der Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes kam es zu dem Ergebnis, daß die Beklagte unter Berücksichtigung ihrer eigenen Einkünfte in der Zeit von Juli 1987 bis November 1988 insgesamt S 32.123,17 zu viel an Unterhalt erhalten habe. Die Unterhaltsbeträge, die irrtümlich zur Erfüllung einer vermeintlichen Unterhaltspflicht geleistet worden seien, könnten aber nur soweit zurückgefordert werden, als sie noch nicht verbraucht, sondern noch erspart im Vermögen des vermeintlichen Unterhaltsempfängers vorhanden seien, wobei die Unredlichkeit im Fall der Bekämpfung von Unterhaltspflichten mit der Zustellung der Klage beginne. Da der Kläger seine Klage erst zwei Jahre nach seiner letzten Unterhaltszahlung eingebracht habe, sei die Beklagte zur Zeit des Empfangs der Unterhaltsleistungen nicht unredlich gewesen. Es gebe auch keine Anhaltspunkte dafür, daß die Unterhaltsbeträge noch in ihrem Vermögen vorhanden seien. Überdies hätten die Unterhaltsbeträge von je S 2.000 im Monat, die der Kläger in dem angeführten Zeitraum für drei eheliche Kinder bezahlt habe, deren Mindestbedarf nicht gedeckt, weshalb die Beklagte gemäß § 140 Abs 2 letzter Satz ABGB verpflichtet gewesen sei, neben ihrer Betreuungstätigkeit noch zu deren Unterhalt beizutragen. Insgesamt könne daher von einer Bereicherung der Beklagten nicht gesprochen werden. Der Berufung des Klägers müsse deshalb im Ergebnis ein Erfolg versagt bleiben.

Der Kläger bekämpft dieses Urteil mit außerordentlicher Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache, soweit damit das Klagebegehren im Umfang von S 32.123,17 abgewiesen wurde.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision ist zulässig, weil die Entscheidung des Berufungsgerichtes von der im folgenden angeführten, zur Rückforderung von zu Unrecht bezahlten Unterhaltsbeträgen ergangenen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht; sie ist auch berechtigt.

Wird Unterhalt ohne Rechtsgrundlage gezahlt so kann er zurückgefordert werden, wenn er nicht gutgläubig verbraucht wurde (EF 46.526; RPflE 1983/117; Honsell in Schwimann Rz 6 zu § 1437; ohne das Erfordernis der Gutgläubigkeit SZ 13/262, ausdrücklich aufrechterhalten in EvBl 1984/69; iglS die Rechtsprechung zu Leistungen aus dem Arbeitsverhältnis mit Unterhaltscharakter wie RdW 1993/24 mwN). Die einstweilige Verfügung, die Grundlage für die Unterhaltszahlungen des Klägers war, bildet für sich allein keine ausreichende rechtliche Grundlage, weil der nach § 382 Z 8 lit a EO festgesetzte Unterhalt nur vorschußweise zu zahlen ist (EvBl 1984/151).

Der vom Kläger geleistete Unterhalt kann somit bei Schlechtgläubigkeit der Beklagten zurückgefordert werden, wenn er nicht seiner aus dem Gesetz sich ergebenden Unterhaltspflicht entspricht. Das Berufungsgericht hat sich bei seiner Ansicht, die Beklagte sei gutgläubig gewesen, zu Unrecht auf die Entscheidung SZ 58/57 berufen, wonach die Unredlichkeit im Fall der Bekämpfung von Unterhaltspflichten mit der Klagszustellung bzw mit der Einbringung eines entsprechenden Antrags im Verfahren Außerstreitsachen beginnt. Diese Entscheidung ist so zu verstehen, daß dies der späteste Zeitpunkt der Unredlichkeit ist, sie schließt aber die Annahme nicht aus, daß der Empfänger der Unterhaltsleistungen auf Grund von anderen Umständen schon früher schlechtgläubig war. Dies trifft etwa auf den vom Kläger behaupteten Umstand zu, daß der Unterhaltsberechtigte Einkünfte bezog, die bei der Bestimmung des Unterhalts nicht berücksichtigt wurden, weil er sie nicht angegeben hat.

Die Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen reichen aber nicht aus, um beurteilen zu können, ab wann die Beklagte schlechtgläubig war. Hiefür genügt, daß der Empfänger der Leistung - bei Anwendung der von ihm zu erwartenden Sorgfalt - an der Rechtmäßigkeit des empfangenen Betrages auch nur Zweifel hätte haben müssen; die Redlichkeit bezieht sich auf die Existenz des Kondiktionsanspruches, wobei bereits Fahrlässigkeit schadet (SZ 57/44; SZ 43/229; Wilburg in Klang2 VI 487; Wachter in FS Strasser 175; Rummel in Rummel2 Rz 2 zu § 1437 mN aus der Rechtsprechung). Es ist daher nicht entscheidend, ob die Beklagte die von den Vorinstanzen festgestellten Einkünfte erst bezog, nachdem sie in dem über die einstweilige Verfügung durchgeführten Verfahren vernommen wurde. Auch wenn dies erst nachher der Fall war, mußte ihr bewußt sein, daß diese immerhin den ihr zuerkannten monatlichen Unterhaltsbetrag übersteigenden Einkünfte ihren Unterhaltsanspruch vermindern könnten. Dabei ist es unerheblich, ob die Unterhaltsbeträge, die den von der Beklagten betreuten Kindern zur Verfügung standen, ausreichend waren, weil die Beklagte daraus nicht ableiten durfte, daß dies auf ihren eigenen Unterhaltsanspruch von Einfluß sein könnte. Von Bedeutung ist jedoch der Tag, an dem ihr der Bescheid über die Zuerkennung der Arbeitsmarktförderungsbeiträge zugestellt wurde, weil sie vorher nicht davon ausgehen mußte, daß sie über diese Beträge verfügen werden können. Dieser Tag ist den Feststellungen der Vorinstanzen aber nicht zu entnehmen und wird im fortzusetzenden Verfahren daher festzustellen sein.

Da der vom Berufungsgericht ermittelte Betrag, mit dem die Unterhaltszahlungen über den der Beklagten aus dem Gesetz gebührenden Unterhalt hinausgingen, im Revisionsverfahren nicht mehr strittig ist, muß diese Frage nicht mehr erörtert werden. Ebensowenig muß zu der von der Beklagten erstmals in der Revisionsbeantwortung aufgestellten Behauptung, es sei ihr bei einer Berufungsverhandlung mitgeteilt worden, daß sie beim Einkommen des Klägers selbst einen Betrag bis zu S 8.000 monatlich "dazuverdienen" dürfe, ohne daß dies einen Einfluß auf ihren Unterhaltsanspruch habe, Stellung genommen werden, weil dem das im Revisionsverfahren geltende Neuerungsverbot - die Aussage der Beklagten ersetzt ein entsprechendes Vorbringen in erster Instanz nicht (EF 55.018; JBl 1987, 659; EF 32.037 ua) - entgegensteht.

Der Ausspruch über die Kosten der Rechtsmittelverfahren beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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