JudikaturJustiz3Ob2027/96a

3Ob2027/96a – OGH Entscheidung

Entscheidung
10. Juli 1996

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Graf, Dr.Pimmer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Parteien

1. Dipl.Ing. Karl K*****, und 2.Dipl.Ing.Siamak S*****, beide vertreten durch Dr.Gustav Dirnberger, Rechtsanwalt in Wien, wider die verpflichtete Partei "Q*****, vertreten durch Giger, Ruggenthaler Simon Rechtsanwälte KEG in Wien, wegen Gewährung der Bucheinsicht, infolge Revisionsrekurses der verpflichteten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 26. Jänner 1996, AZ 6 R 179/95 (= 703 Fr 995/96v-2 des Handelsgerichtes Wien), womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 3.7.1995, GZ 703 Fr 4692/95d-3, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

1. Aus Anlaß des Revisionsrekurses werden die Beschlüsse der Vorinstanzen aufgehoben, soweit damit über den Antrag der betreibenden Parteien entschieden wurde, der verpflichteten Partei aufzutragen, ihnen binnen 14 Tagen die Einsicht in die im Exekutionstitel genannten Unterlagen zu gewähren. Die Entscheidung über diesen Antrag wird dem Exekutionsgericht vorbehalten.

2. Im übrigen wird dem Revisionsrekurs teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß, der bezüglich der Einschränkung der Gewährung der Einsicht auf die Zeit der Geschäftsstunden als rechtskräftig unberührt bleibt, wird dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgericht mit der Maßgabe wiederhergestellt wird, daß er im Punkt 1 und 2 zu lauten hat:

"Aufgrund des vollstreckbaren Beschlusses des Handelsgerichtes Wien vom 30.3.1994, GZ 7 HRB 30.929-21, wird den betreibenden Parteien wider die verpflichtete Partei zur Erwirkung der Verpflichtung, die Einsicht in alle Bücher, Papiere und sonstigen Geschäftsunterlagen, insbesondere Unterlagen, die die Basis für die Abwertung der Geschäftsanteile an der S***** bilden, insbesondere das Bewertungsgutachten über diese Gesellschaft und den Jahresabschluß dieser Gesellschaft zum 31.12.1992, ferner in die Unterlagen, die die Geschäftsbeziehung der verpflichteten Partei zur S*****, A***** mbH und Sp***** betreffen, insbesondere Verträge, Eingangs- und Ausgangsrechnungen, während der Geschäftsstunden zu gewähren, soweit sie sich auf das Wirtschaftsjahr 1992 beziehen, die Exekution bewilligt.

Das Mehrbegehren, die Exekution auch zur Erwirkung der Verpflichtung zu bewilligen, bei Ausübung des Einsichtsrechts durch die betreibenden Parteien die Herstellung von Abschriften und Fotokopien zu dulden, wird abgewiesen."

3. Die Kosten der betreibenden Parteien für den Exekutionsantrag werden mit S 8.462,26 (darin S 1.190,38 Umsatzsteuer und S 1.320 Barauslagen) als Exekutionskosten bestimmt.

Die betreibenden Parteien haben die Kosten ihres Rekurses gegen den erstgerichtlichen Beschluß selbst zu tragen und sind schuldig, der verpflichteten Partei die mit zusammen S 16.879,50 (darin S 2.813,- Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rekurses und Revisionsrekurses binnen 14 Tagen je zur Hälfte zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der verpflichteten Partei, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, wurde mit einem Beschluß des Erstgerichtes vom 30.3.1994 aufgetragen, den betreibenden Parteien während der Geschäftsstunden die Einsicht in alle Bücher, Papiere und sonstige Geschäftsunterlagen, insbesondere in mehrere näher bezeichnete Unterlagen, zu gewähren, soweit sie sich auf das Wirtschaftsjahr 1992 beziehen. Aus der Begründung des Beschlusses des Erstgerichtes und des hiezu im Rechtsmittelverfahren ergangenen Beschlusses des Rekursgerichtes ergibt sich, daß die betreibenden Parteien Gesellschafter der verpflichteten Gesellschaft mit beschränkter Haftung sind.

Die betreibenden Parteien begehrten mit dem am 24.5.1995 beim Erstgericht eingelangten Antrag, ihnen aufgrund der angeführten Beschlüsse des Erstgerichtes und des Rekursgerichtes die Exekution zu bewilligen und der verpflichteten Partei aufzutragen, ihnen binnen 14 Tagen nach Zustellung des Auftrags Einsicht in alle Bücher, Papiere und sonstigen Geschäftsunterlagen, insbesondere in die im Exekutionstitel näher bezeichneten Unterlagen, zu gewähren, soweit sie sich auf das Geschäftsjahr 1992 beziehen, und bei Ausübung des Einsichtsrechtes durch die betreibenden Parteien die Herstellung von Abschriften und Fotokopien zu dulden, widrigens gegen sie auf Antrag der betreibenden Parteien eine Geldstrafe von S 80.000 verhängt wird.

Das Erstgericht bewilligte den betreibenden Parteien gegen die verpflichtete Partei aufgrund der im Exekutionsantrag als Exekutionstitel angeführten Beschlüsse die Exekution und erteilte ihr gemäß dem Exekutionsantrag den Auftrag zur Bucheinsicht. Das Mehrbegehren, bei Ausübung des Einsichtsrechts durch die betreibenden Parteien die Herstellung von Abschriften und Fotokopien zu dulden, wies es ab. Die Androhung und Verhängung der Geldstrafe behielt es dem als Exekutionsgericht bezeichneten Bezirksgericht vor. Die Abweisung des Mehrbegehrens wurde damit begründet, daß es vom Exekutionstitel nicht umfaßt sei.

Das Rekursgericht änderte infolge der Rekurse beider Parteien den Beschluß des Erstgerichtes dahin ab, daß die Einsicht in die Geschäftsunterlagen nur während der Geschäftsstunden zu gewähren ist und die verpflichtete Partei bei Ausübung des Einsichtsrechts die Herstellung von Abschriften und Fotokopien zu dulden hat. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Für Exekutionen nach § 354 EO gelte der allgemeine Grundsatz, daß negative Tatsachen (so die Nichterfüllung) weder behauptet noch nachgewiesen werden müßten. Es schade daher nicht, daß im Exekutionsantrag die Behauptung fehle, die verpflichtete Partei habe ihre titelmäßige Verbindlichkeit nicht erfüllt. Die der verpflichteten Partei im Exekutionstitel aufgetragene Gewährung der Einsicht in Geschäftsunterlagen umfasse aber nach herrschender Lehre auch die Befugnis zur Anfertigung von Abschriften und Fotokopien. Ohne diese Möglichkeit wäre eine Ausübung des Einsichtsrechtes für den Berechtigten wohl kaum sinnvoll und eine Verwertung der dabei gewonnenen Erkenntnisse nicht möglich. Ebenso wie der Titel auf Gewährung der Bucheinsicht auch ohne ausdrückliche Anordnung die Verpflichtung der Gesellschaft umfasse, den Zutritt zu ihren Geschäftsräumlichkeiten zu gestatten und die entsprechenden Unterlagen auch vorzulegen, umfasse er auch die Verpflichtung zur Duldung der Herstellung von Abschriften und Fotokopien zum Zweck der Ausübung des Einsichtsrechtes. Der in die Exekutionsbewilligung aufgenommene (gemeint wohl: im Exekutionsantrag beantragte) entsprechende Auftrag stelle daher kein über den Titel hinausgehendes Mehrbegehren der betreibenden Parteien dar.

Rechtliche Beurteilung

Der von der verpflichteten Partei gegen diesen Beschluß des Rekursgerichtes erhobene Revisionsrekurs ist teilweise berechtigt.

Die betreibenden Parteien haben zu Recht zur Durchsetzung ihres Anspruchs die Exekution zur Erwirkung unvertretbarer Handlungen nach § 354 EO beantragt (JUS Z 1995/1924 = RdW 1996,169). Aus § 354 Abs 2 EO ergibt sich hiezu, daß die erste Vollzugshandlung in der Setzung einer Frist für die Vornahme der Handlung unter Androhung der für den Fall der Saumsal zu verhängenden Strafe besteht, wobei in der Praxis auch der Auftrag zur Vornahme der Handlung erteilt wird (vgl die Muster Nr 311 und 312 im Formbuch zur ZPO und EO6). Diese Vollzugshandlungen obliegen aber dem Exekutionsgericht. Wird der Exekutionsantrag bei dem vom Exekutionsgericht verschiedenen Titelgericht eingebracht, so hat sich dieses darauf zu beschränken, zur Erwirkung der vorzunehmenden Handlung die Exekution zu bewilligen (Muster Nr 312 im Formbuch: Heller/Berger/Stix III 2573; Rechberger/Simotta, Exekutionsverfahren2 Rz 830; abw Holzhammer, Zwangsvollstreckungsrecht4 390). Das Erstgericht hätte daher nicht bloß die Androhung und Verhängung der Geldstrafe, sondern auch die Erteilung des Auftrags zur Gewährung der Einsicht in die im Exekutionstitel genannten Unterlagen und die Setzung einer Frist hiefür dem Exekutionsgericht vorbehalten müssen. Soweit es diesen Auftrag selbst erteilt und die Frist selbst gesetzt hat, war es demnach unzuständig, was diesen Teil seines Beschlusses gemäß § 51 und § 78 EO iVm § 477 Abs 1 Z 3 ZPO nichtig macht (s die ständige Rechtsprechung zu der in diesem Punkt vergleichbaren Exekution zur Erwirkung von Duldungen und Unterlassungen: ÖBl 1983, 147; SZ 55/178; SZ 53/159 ua). Die Nichtigkeit war aus Anlaß des Revisionsrekurses von Amts wegen wahrzunehmen. Der Beschluß des Erstgerichtes war, soweit er nichtig ist, aufzuheben und dem Exekutionsgericht auch die Entscheidung über die Erteilung des Auftrags zur Vornahme der Handlung und die Setzung einer Frist hiefür vorzubehalten.

Der verpflichteten Partei kann nicht darin gefolgt werden, daß die betreibenden Parteien in dem Exekutionsantrag ausdrücklich behaupten hätten müssen, die Einsicht in die im Exekutiontitel angeführten Unterlagen sei nicht gewährt worden. Es ist einheitliche Auffassung, daß im Exekutionsantrag negative Tatsachen weder behauptet noch bewiesen werden müssen (SZ 27/28 = EvBl 1954/148; hier die Räumungsexekution nach JBl 1950,243; Heller/Berger/Stix I 200, 618; Holzhammer aaO 79; Petschek/Hämmerle/Ludwig, Zwangsvollstreckungsrecht 16; Rechberger/Simotta aaO Rz 226). Dies gilt für alle Exekutionsarten, die eine Geldforderung oder die Erwirkung einer Handlung des Verpflichteten zum Gegenstand haben, weil in all diesen Fällen, anders als bei der Exekution zur Erwirkung von Duldungen und Unterlassungen nach § 355 EO (vgl MGA EO13 § 355/26 ff), die Behauptung, daß der Verpflichtete seine ihm im Exekutionstitel auferlegte Verpflichtung nicht erfüllt habe, über die schon durch die Einbringung des Exekutionsantrags geschaffene Verfahrenslage hinaus für die Bewilligung der Exekution keine Bedeutung hat und daher nicht zu den Angaben gehört, die nach § 54 Abs 1 EO und hier vor allem dessen Z 3 für den Exekutionsantrag vorgeschrieben sind. Da im Revisionsrekurs gegen die angeführte Auffassung konkret nichts vorgebracht wird, besteht kein Anlaß, ihr nicht zu folgen.

Die verpflichtete Partei macht aber mit Recht geltend, daß ihr in der Exekutionsbewilligung nicht aufgetragen werden darf, bei der Ensicht in die Unterlagen die Herstellung von Ablichtungen und Fotokopien zu dulden.

Auszugehen ist davon, daß sich das Gericht bei der Bewilligung der Exekution streng an den Wortlaut des Exekutionstitels halten muß (vgl RZ 1994/7; ÖBl 1988,123; EF 44.142 ua). Dem hier vorliegenden Exekutionstitel ist aber ein Auftrag, die Herstellung von Abschriften und Ablichtungen zu dulden, nicht zu entnehmen. Ein solcher Auftrag wäre auch nach § 355 EO zu vollstrecken; diese Exekution hat die betreibende Partei aber nicht beantragt und konnte dies auch nicht mit Erfolg tun.

Von all dem ist die Frage zu unterscheiden, ob und in welchem Umfang ein im Exekutionstitel zuerkannter Anspruch auf Einsicht in bestimmte Geschäftsunterlagen auch das Recht einschließt, hievon Abschriften und Ablichtungen herzustellen. Wird dies uneingeschränkt (vgl Wünsch, GmbH Komm Rz 102 zu § 22 GmbHG; Reich-Rohrwig, GmbHRecht 230 [für Abschriften]; Koppensteiner in Rowedder2 Rz 7 und 10 zu § 51a GmbHG [mit der Grenze des Rechtsmißbrauches aaO Rz 11]; Schiessl in Münchener HdB des Gesellschaftsrechtes § 33 Rz 17; Lutter/Hommelhoff GmbHG14 Rz 9 zu § 51a; Hachenburg/Hüffer GmbHG8 Rz 43 zu § 51a mit darüber hinausgehenden Pflichten der Gesellschaft im Falle der Buchführung unter EDV-Einsatz in Rz 44; Scholz/Karsten Schmidt GmbHG8 Rz 26 zu § 51a; Staudinger/Keßler12 Rz 2 zu § 716; Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht2, 870 [mit der Grenze der Rechtsmißbräuchlichkeit]) oder mit Einschränkungen (keine Abschriften oder Fotokopien, wenn die Unterlagen Geschäftsgeheimnisse enthalten:

Torggler/Kucsko in Straube2 Rz 9 zu § 118 HGB; Emmerich in Heymann Rz 16 zu § 118 HGB; Ulmer in Münchener Komm2 Rz 8 zu § 716 BGB; wenn schutzwürdige Interessen dagegen sprechen: Baumbach/Hueck GmbHG12 Rz 18 zu § 51a; nur soweit die unmittelbare Wahrnehmung von Einzelheiten schwerlich im Gedächtnis haften bleiben kann: Soergel/Hadding11 Rz 6 zu § 716 BGB) bejaht, so hat der Verpflichtete die nach dem Exekutionstitel geschuldete Leistung nicht erbracht, wenn er zwar die Bucheinsicht gewährt, die Herstellung von Abschriften und Ablichtungen aber zu Unrecht verhindert. Der betreibende Gläubiger hat dann die Möglichkeit, im Zuge der bewilligten Exekution nach § 354 EO die Verhängung der angedrohten Geldstrafe und die Setzung einer weiteren Frist für die Gewährung der Bucheinsicht unter Androhung einer Geldstrafe für den Fall der Saumsal zu beantragen. Ist der Verpflichtete, der bloß die Bucheinsicht gewährt hat, der Meinung, daß er die Herstellung von Abschriften oder Ablichtungen zu Recht verhinderte, kann er dies mit einer Klage nach § 35 EO geltend machen. Der Anspruch des betreibenden Gläubigers auf Gewährung der Bucheinsicht ist dann nämlich durch Erfüllung erloschen. Die angeführte Frage ist somit bei der Bewilligung der Exekution noch nicht zu entscheiden, weil diese auf keinen Fall über den Wortlaut des Exekutionstitels hinausgehen darf.

Der Beschluß des Erstgerichtes war daher unter Berücksichtigung der Änderungen, die sich aus dem rechtskräftig gewordenen Teil des Beschlusses des Rekursgerichtes und aus dem Punkt 1 dieses Beschlusses ergeben, wiederherzustellen.

Der Ausspruch über die Kosten des Exekutionsantrags beruht auf § 74 EO, jener über die Kosten des von den betreibenden Parteien gegen den erstgerichtlichen Beschluß erhobenen Rekurses auf § 78 EO iVm den §§ 40 und 50 ZPO, jener über die Kosten des Rekurses und Revisionsrekurses der verpflichteten Partei auf § 78 EO iVm den §§ 41, 50 und 51 Abs 2 ZPO. Bemessungsgrundlage ist jeweils der Wert des Anspruchsteils, bezüglich dessen der Exekutionsantrag und die Rechtsmittel der verpflichteten Partei erfolgreich waren. Dabei nimmt der Oberste Gerichtshof in Anlehnung an das Rekursgericht den Wert des auf Duldung der Herstellung von Abschriften und Ablichtungen gerichteten Begehrens mit 30 % des Gesamtstreitwerts von S 500.000 an, weshalb den betreibenden Parteien Kosten auf der Grundlage von S 350.000 und der verpflichteten Partei Kosten auf der Grundlage von S 150.000 zustehen.

Rechtssätze
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