JudikaturJustiz3Ob19/94

3Ob19/94 – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. Juni 1994

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Graf, Dr.Gerstenecker und Dr.Pimmer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Georg Z*****, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17-19, wegen Unzulässigkeit einer Exekution (Streitwert S 266.000,--), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 29.Oktober 1993, GZ 46 R 929/93-8, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Josefstadt vom 17.Mai 1993, GZ 11 C 6/93h-4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß es zu lauten hat:

"Das Klagebegehren, die Exekutionsführung der beklagten Partei hinsichtlich des Sparbuches der CA-BV, Konto Nr ***** mit einem Einlagestand über S 266.000,-- werde als unzulässig erklärt, wird abgewiesen."

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 24.130,-- (darin enthalten keine USt, S 40,-- Barauslagen) bestimmten Kosten aller drei Instanzen binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist Rechtsvertreter und Strafverteidiger des derzeit in Untersuchungshaft befindlichen J***** U*****. Auf Antrag des J***** U***** wurde die K***** KG gemäß § 20 Abs 1 MedienG zur Zahlung von Geldbußen verpflichtet, und zwar mit Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 4.9.1992, 27 Bs 291/92, in Höhe von je S 4.000,-- für die Tage der Nichtveröffentlichung der Entgegnung in den Nummern des periodischen Medienwerkes "N*****" vom 21.5.1992 bis 29.5.1992 und mit Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 8.10.1992, 9 d E Vr 3943/92, Hv 2184/92, in Höhe von je S 5.000,-- für die Nichtveröffentlichung der Entgegnung in den Nummern des periodischen Medienwerkes "N*****" vom 30.5.1992 bis 14.7.1992. Die Geldbußen machen insgesamt S 266.000,-- aus.

J***** U***** zedierte alle Forderungen gegen die K***** KG an den Kläger; der Rechtsvertreter der K***** KG wurde hievon mit Schreiben vom 13.8.1992 verständigt. Der Rechtsvertreter der K***** KG teilte mit Schreiben vom 12.11.1992 dem Kläger mit, daß S 266.000,-- auf ein näher bezeichnetes Sparbuch eingezahlt worden seien, das in den nächsten Tagen gemäß § 1425 ABGB beim Bezirksgericht Innere Stadt Wien hinterlegt werde.

Mit Sicherstellungsauftrag vom 18.3.1992 hatte das Finanzamt ***** Bezirk die Sicherstellung in das bewegliche und unbewegliche Vermögen des J***** U***** gemäß § 232 BAO zur Sicherung der Abgabenansprüche der Republik Österreich an Einkommensteuer für 1982 bis 1991 von S 900.000,-- und an Vermögenssteuer für 1.1.1982 bis 1.11.1992 von S 75.000,--, zusammen S 975.000,--, angeordnet. Mit Bescheid vom 7.4.1992 wurden die J***** U***** gegen die Drittschuldnerin K***** KG zustehenden Forderungen aus allfälligen Entgegnungen und Schadenersatzforderungen sicherstellungsweise gepfändet und deren Zahlung an den Abgabenschuldner untersagt. Die Zustellung an die Drittschuldnerin erfolgte am 16.4.1992. Am 17.11.1992 wurde auf Grund des Sicherstellungsauftrages vom 18.3.1992 in der Kanzlei des Vertreters der K***** KG das bereits erwähnte auf Überbringer lautende Sparbuch über S 266.000,-- gepfändet.

Der Kläger forderte hierauf die Beklagte auf, die Exekution hinsichtlich dieses Sparbuchs einzustellen, weil die gepfändeten Forderungen erst nach der Pfändung durch das Finanzamt entstanden seien; das Finanzamt lehnte dies ab.

Der Kläger begehrt mit Klage gemäß § 14 AbgEO, die Exekutionsführung der Beklagten hinsichtlich des Sparbuches der CA-BV, Konto Nr *****, mit einem Einlagestand über S 266.000,-- als unzulässig zu erklären. Auf Grundlage eines Rückstandsausweises des Finanzamtes ***** und mit Bescheid dieses Finanzamtes vom 7.4.1992" sei der K***** KG untersagt worden, Zahlungen an J***** U***** aus dem Titel "Forderungen aus allfälligen Entgegnungen und Schadenersatzzahlungen" zu leisten, weil der Republik Österreich angeblich die Zahlung einer Abgabenschuld von S 975.000,-- durch J***** U***** zustehe. Zum Zeitpunkt der Pfändung durch das Finanzamt am 7.4.1992 habe noch keine Forderung des J***** U***** gegen die K***** KG bestanden. Solche Forderungen seien erst mit Rechtskraft der Beschlüsse des Oberlandesgerichtes Wien vom 4.9.1992 bzw des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 8.10.1992 entstanden und rechtsgültig an den Kläger zediert worden; ein exekutiver Zugriff auf das Sparbuch sei rechtswidrig.

Die beklagte Partei beantragte die Klagsabweisung; die Forderungen seien bereits mit Schadenszufügung, somit schon zum Zeitpunkt der Pfändung entstanden gewesen.

Das Erstgericht erklärte die Exekutionsführung für unzulässig, weil zum Zeitpunkt der Pfändung am 7.4.1992 die gepfändeten Forderungen noch nicht existent gewesen seien; die Entgegnung hätte frühestens ab 21.5.1992 eingeschaltet werden müssen; es sei somit unmöglich, daß bereits am 7.4.1992 Forderungen auf Geldbußen wegen Nichtveröffentlichung der Entgegnungen existiert hätten. Das Finanzamt habe eine künftige, nicht existente Forderung in Exekution gezogen.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der beklagten Partei nicht Folge. Als Zeitpunkt der Entstehung der Forderung gemäß § 20 MedG könne erst der Zeitpunkt der Unterlassung der gerichtlich aufgetragenen Veröffentlichung der Entgegnung angesehen werden. Da diese frühestens ab 21.5.1992 eingeschaltet hätte werden müssen, seien diese Forderungen zum Zeitpunkt der finanzbehördlichen Pfändung, die unbestrittenermaßen im April 1992 erfolgt sei, nicht existent gewesen; sie hätten daher von dieser Pfändung nicht umfaßt sein können. J***** U***** habe daher diese Forderungen wirksam am 13.8.1992 an den Kläger zediert, weshalb der Zugriff des Finanzamtes auf das Sparbuch im Rahmen der Exekution am 17.11.1992 unzulässig gewesen sei.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige und "die Revision" zugelassen werde, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes über den Zeitpunkt der Entstehung einer Forderung gemäß § 20 MedG fehle.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der beklagten Partei ist zulässig und berechtigt.

Gegen die Vollstreckung abgabenrechtlicher Ansprüche im finanzbehördlichen Vollstreckungsverfahren nach der AbgEO kann auch von einer dritten Person Widerspruch erhoben werden, wenn dieselbe an einem durch die Vollstreckung betroffenen Gegenstand oder an einem Teil eines solchen ein Recht behauptet, welches die Vornahme der Vollstreckung unzulässig machen würde (§ 14 Abs 1 AbgEO). Wird einem solchen Widerspruch nicht vom Finanzamt dadurch Rechnung getragen, daß es die Vollstreckung auf den vom Widerspruch betroffenen Gegenstand einstellt, so ist der Widerspruch bei Gericht mittels Klage geltend zu machen (§ 14 Abs 2 1. HS AbgEO).

Hier wird die Unzulässigerklärung der Exekutionsführung der Beklagten hinsichtlich einer im Urteilsbegehren näher bezeichneten auf Überbringer lautende Sparurkunde begehrt. Die Klage richtet sich somit ausdrücklich gegen die am 17.11.1992 vollzogene Pfändung der Spareinlage.

Die Pfändung von Forderungen aus Einlagebüchern von Banken, die auf Überbringer lauten, wird gemäß § 67 Abs 1 AbgEO dadurch bewirkt, daß der Vollstrecker das Papier unter Aufnahme eines Pfändungsprotokolls an sich nimmt und beim Finanzamt erlegt. Die Bestimmung des § 67 AbgEO entspricht den Vorschriften der §§ 296 f EO (Reeger/Stoll, Die Abgabenexekutionsordnung, 161 f; vgl Avancini in Avancini/Iro/Koziol, Österreichisches Bankvertragsrecht I Rz 9/89 ff).

Dieser Vollzug erfolgte nicht beim Verpflichteten, sondern bei einem Dritten, der zur Herausgabe bereit war (vgl § 262 EO; RZ 1969, 34). Bei diesem Dritten, in dessen Gewahrsame sich die Sparurkunde befand, handelt es sich um den Rechtsanwalt der K***** KG. Die Spareinlage von S 266.000,-- war von der K***** KG eingezahlt worden; die Sparurkunde sollte - wie dem Kläger mit Schreiben vom 12.11.1992 mitgeteilt worden war - beim Bezirksgericht Innere Stadt Wien hinterlegt werden.

Zur Begründung der Unzulässigkeit dieser Exekutionsführung hat der Kläger kein Vorbringen erstattet; er hat sich vielmehr darauf beschränkt, Behauptungen aufzustellen, aus denen sich die Unzulässigkeit der Pfändung der Geldforderung des J***** U***** gegen die K***** KG ergebe. Ob diese Exekutionsführung durch Forderungspfändung im maßgeblichen Zeitpunkt der Zustellung an den Drittschuldner am 16.4.1992 (nicht, wie der Kläger anführt, bereits am 7.4.1992) zulässig war, kann dahingestellt bleiben, weil der Kläger nicht die Unzulässigerklärung dieser Forderungsexekution begehrt. Bei nicht vinkulierten auf Überbringer lautenden Sparurkunden ist die Bank verpflichtet, an den Inhaber der Sparurkunde bloß auf Grund des Papieres zu zahlen (Fremuth-Laurer-Pötzelberger-Ruess, KWG2 Rz 11 zu § 18). In Inhabersparurkunden verbriefte Spareinlagen werden nach sachenrechtlichen Regeln übertragen (7 Ob 695/81 = HS 13.001; Fremuth-Laurer-Pötzelberger-Ruess aaO Rz 19; Avancini in Avancini-Iro-Koziol, Bankvertragsrecht I Rz 9/67). Einen solchen Übertragungsakt an J***** U***** oder an ihn hat der Kläger aber nicht einmal behauptet.

Aus den Behauptungen des Klägers ergeben sich keine ihm zustehenden Rechte an dieser Spareinlage, welche die Exekutionsführung gemäß § 67 Abs 1 AbgEO unzulässig machen würden.

Aus diesem Grund muß der Klage ein Erfolg versagt bleiben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 ZPO, bei den Kosten der Rechtsmittelverfahren überdies auf § 50 ZPO.

Rechtssätze
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